Öffentlichkeitsarbeit
Was ist der Unterschied zwischen einer verabscheuungswürdigen Diktatur und einer gesegneten, echten Demokratie, wie es zum Beispiel die meine und die des Lesers ist?
Im totalitären Staat beherrscht eine Minorität die Majorität, ohne sich um die Meinung der Öffentlichkeit zu kümmern. Wohingegen in der Demokratie die herrschende Minorität die öffentliche Meinung mit allem Ernst zur Kenntnis nimmt, wenn sie sich auch nicht im mindesten darum schert.
In Diktaturen ist der kleine Staatsbürger der jeweils regierenden Dreier- oder Viererbande hilflos ausgeliefert, wir aber können jederzeit einen Leserbrief an die Zeitung schreiben. Heutzutage haben wir es sogar so weit gebracht, daß sich jede öffentliche Institution, die etwas auf sich hält, eine eigene PR-Abteilung hält. Ihre Aufgabe ist es, auf Beschwerdebriefe der Bürgerschaft dergestalt zu reagieren, daß sie dem Beschwerdeführer klar und unmißverständlich vor Augen hält, wo er geirrt hat und wann und warum.
Im folgenden bringe ich den höchst informativen Meinungsaustausch zwischen einem Beschwerdeführer und den zuständigen Behörden, wie er tagtäglich in unserer freien Presse nachzulesen ist:
Wo ist das gute Benehmen geblieben?
Sehr geehrte Redaktion!
Am 24. März d. J. sprach ich in der Abteilung »Angewandte Pädagogik« unseres Unterrichtsministeriums vor. Ich ersuchte um eine Importgenehmigung für einen handgeschmiedeten Edelstahlhammer, welcher mich in die Lage versetzen sollte, Rubiks Zauberwürfel zu zertrümmern. Ich verlangte den Abteilungsleiter zu sehen, worauf mich dessen Sekretärin nach meinem Anliegen fragte. Ich sagte ihr: »Es geht um den Würfel, bitteschön.« Worauf sie mich fragte: »Sie sind wohl übergeschnappt, was?« Ich war gerade dabei, mich über ihr schlechtes Benehmen zu beschweren, da erschienen aus den Nebenräumen einige Beamte und warfen mich eigenhändig die Treppe hinunter. Ich verklagte das Ministerium auf Schmerzensgeld, doch dieses weigerte sich zu zahlen, mit der Begründung, daß man nicht die Absicht habe, mit einem Verrückten Kontakt zu pflegen.
Was ist aus unserem Land geworden?
Absolon Dunkellicht, Tel Aviv
Die Antwort des Unterrichtsministeriums, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit:
»Herr Absolon Dunkellicht aus Tel Aviv beschwerte sich in Ihrer Ausgabe vom 17. Mai über das mangelhafte Benehmen unseres Personals. Nach sorgfältigen Recherchen der in diesem Brief geschilderten Vorgänge ist es nun unser Bestreben, den Hergang des Falles ins rechte Licht zu rücken:
Tatsache ist, daß Herr Dunkellicht am 24. März d.J. in unserer Abteilung »Angewandte Pädagogik« vorsprach, um – nach seiner Darstellung – vom Abteilungsleiter eine Importgenehmigung für einen handgeschmiedeten Edelstahlhammer zum Behufe der Zertrümmerung von Rubiks Zauberwürfel zu verlangen. Als dessen Sekretärin höflichst fragte: »In welcher Angelegenheit?«, erwiderte Herr Dunkellicht: »Es geht um den Würfel, bitteschön.« Worauf sie sich erkundigte: »Sie sind wohl übergeschnappt, was?« Herr Dunkellicht beschwerte sich über ihr Benehmen, was zur Folge hatte, daß einige rüstige Beamte derselben Abteilung ihm eigenhändig die Treppe hinunterhalfen. Herr Dunkellicht verklagte uns auf Schmerzensgeld, aber wir distanzierten uns von einer Zahlung mit der Begründung, daß wir mit geistig Umnachteten seines Kalibers keine engeren Kontakte zu pflegen gewillt seien.
Das ist der genaue Hergang der Dinge.
Wir bedauern es außerordentlich, daß sich Herr Dunkellicht bemüßigt fühlte, diese Affäre mit unbegründeter Eile an die Öffentlichkeit zu zerren, ohne uns die Möglichkeit zu geben, den offiziellen Standpunkt und die wirkliche Abfolge der Ereignisse klarzumachen. Dennoch glauben wir, daß das Ergebnis unserer Untersuchung Herrn Dunkellicht dazu bewegen wird, die Angelegenheit weniger melodramatisch zu betrachten und seine gesellschaftsfeindliche Haltung zu revidieren.«