Dolmetscher
Dieser Tage stellte die beste Ehefrau von allen so nebenbei fest, daß kein Joghurt mehr im Hause sei – nicht nur ein wesentlicher Bestandteil meines Frühstücks, sondern auch ihrer Schönheitspflege –, also begab ich mich eilends zu unserem Lebensmittelhändler um die Ecke, wo ich mitten in eine erregte Streiterei hineinplatzte.
Mein Nachbar Jechskel brüllte mit hochrotem Kopf den Lebensmittelhändler an, worauf jener in einer Lautstärke zurückbrüllte, die sogar einem Abgeordneten der Opposition zur Ehre gereicht hätte. Eine zusätzliche Komplikation ergab sich daraus, daß der Lebensmittelhändler in gutem Hebräisch fluchte, während Jechskel seine Verwünschungen ungarisch hervorstieß, die einzige Sprache, die er einigermaßen beherrscht.
»Ich habe ein Dutzend Eier von ihm verlangt«, erklärte mir Jechskel in unserer tatarischen Muttersprache, »und der debile Vollidiot ließ eines seiner miesen Eier auf den dreckigen Ladentisch fallen. Jetzt behauptet dieser unverschämte Kerl auch noch, daß ich das faule Ei zerbrochen habe, und will, daß ich es bezahle. Ich denke nicht daran! Sie können ihm in seinem haarsträubenden Kauderwelsch sagen, daß er ein hinterfotziger Schweinehund ist, und wenn er noch ein Wort von sich gibt, dann zerbreche ich jedes einzelne seiner stinkenden Eier auf seinem verblödeten Kopf!«
Ich war in Eile.
»Also gut«, sagte ich zu Jechskel und wandte mich an den Ladeninhaber. »Der Herr läßt Ihnen sagen«, übersetzte ich, »daß es ihm aufrichtig leid tut, wenn er seine Beherrschung verloren haben sollte. Aber er ist der ehrlichen Überzeugung, daß dieses Ei ohne sein schuldhaftes Dazutun zerbrochen sei.«
»Ach ja?« fauchte der Mann hinter der Theke. »Dann bestellen Sie ihm von mir, daß er ein unverschämter Lügner ist. Sie können ihm außerdem mitteilen, daß ich schon einmal wegen Totschlags verurteilt wurde und jederzeit bereit bin, mich für das außerordentliche Vergnügen, ihm seinen dreckigen Hals umzudrehen, noch einmal ins Zuchthaus zu setzen, wenn er mir nicht auf der Stelle dieses unschuldige Ei bezahlt!«
»Gerne«, erwiderte ich und wandte mich in fließendem Ungarisch an Jechskel: »Er sagt, daß es ihm außerordentlich leid tut. Bei näherer Betrachtung wäre es durchaus möglich, daß er das Ei zerbrochen hat, und er denkt nicht daran, auch nur einen halben Piaster von Ihnen zu verlangen.«
»Also gut«, sagte Jechskel befriedigt, »solange er nicht Geld aus mir herausquetschen will . . .«
»Mein Freund sagt«, übersetzte ich, ohne zu zögern, »daß er natürlich gerne bereit ist, das Ei zu bezahlen, denn nichts auf der Welt liegt ihm ferner, als einen ehrsamen Handelsmann um sein kärgliches Einkommen zu bringen.«
»Vergessen Sie's«, der Händler lächelte uns beide an. »Glauben Sie, daß ich wegen eines lausigen Eis einen guten Kunden verlieren will? Mir kam es nur so vor, als wollte er Schwierigkeiten machen . . .«
Er streckte seine Hand aus, tauschte einen warmen Händedruck mit Jechskel, und wäre nicht die Theke zwischen den beiden gewesen, so wären sie sich wie längst verlorengeglaubte Brüder in die Arme gefallen.
An diese Begebenheit mußte ich denken, als ich vor kurzem in der Zeitung las, für die nächsten Abrüstungsgespräche zwischen den beiden Supermächten würde ein verläßlicher Dolmetscher gesucht. Nehmt mich.