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Der Ziegenbock verspeist einen beträchtlichen Teil der Kleidung

Der grässliche Mensch hatte Shantill House immer noch nicht verlassen, obwohl Bea ihn so eindringlich darum gebeten hatte. Er unternahm auch keine Verführungsversuche mehr. Stattdessen spielte er fleißig vierhändig mit Helene, während Bea mit ihrem Stickrahmen auf der anderen Seite des Salons saß und sich bemühte, nicht zu dem Puritaner hinüberzuschielen. Keine koketten Blicke mehr. Kein Flirten! Und keine weiteren Verführungsversuche.

Am späten Vormittag saßen die Gäste in Esmes Morgensalon. Arabella zankte gutmütig mit ihrer Schwester. Esme hielt sich vermutlich in der Kinderstube auf. Und Helene und Stephen bearbeiteten die Tasten. Bea saß in einem Winkel und widmete sich ihrer Gobelinstickerei.

Als Slope mit der Morgenpost erschien, wandte sie demonstrativ den Blick ab. Sie wollte nicht wie bisher enttäuscht werden, dass keine ihrer Schwestern ihr auf eines ihrer Schreiben antwortete. Wahrscheinlich fing ihr Vater alle ihre Briefe ab. Zumindest Rosalind hätte schreiben müssen, sie war ihr im Alter die Nächste. Rosalind würde nächstes Jahr in die Gesellschaft eingeführt werden, und Bea wollte ihr unbedingt empfehlen, nicht die gleichen Fehler zu machen.

Oder sollte sie Rosalind vorschlagen, ihrem Beispiel zu folgen? Bea zerbrach sich den Kopf und konnte sich nicht schlüssig werden. Einerseits war es schrecklich, Stephens Antrag zurückweisen zu müssen, weil sie, wenn sie ihn heiratete, seine Laufbahn ruinierte. Andererseits hätte sie, auch wenn sie nach den Wünschen ihres Vaters geheiratet hätte, sich ohnehin in ihn verliebt.

Bea beugte sich über ihren Stickrahmen und warf von Zeit zu Zeit einen verstohlenen Blick auf Stephen, der sich so weit zu Helene hinüberbeugte, dass ihre Schultern sich berührten. Was würde er mit seinem Leben anfangen, wenn er nicht mehr der ehrenwerte Abgeordnete war? Konnte er trotzdem glücklich sein? Würde er als Ehemann seine Geliebten aufgeben und auch Esme, seine angebliche Verlobte?

Helene hatte einen Brief erhalten. »Ich werde von Pontius zu Pilatus gerufen«, sagte sie zu Stephen. »Meine Freundin Gina bittet mich, bei der Geburt ihres Kindes bei ihr zu sein.«

»Sie sprechen von der Herzogin von Girton?«, erkundigte sich Stephen. Als Helene nickte, fuhr er fort: »Ihr Mann Cam ist mein Cousin.«

Na wunderbar, dachte Bea. Wenn das nicht zusammenpasst!

»Sie sind erst vor wenigen Monaten aus Griechenland heimgekehrt«, berichtete Helene, »und leben nun auf ihrem Landsitz. Und voraussichtlich wird Gina im Sommer ein Kind zur Welt bringen.« Sie verzog schmerzlich das Gesicht.

Bea biss sich auf die Lippen, als sie sah, wie Stephen tröstend einen Arm um Helene legte. Die beiden wirkten so vertraut wie ein altes Ehepaar.

»Ich kann es nicht mal ertragen, William anzuschauen. Obwohl ich ihn so gernhabe.« Die Qual in Helenes Stimme fand ihren Widerhall in Beas Kummer. Nun schwiegen alle, und bald schon übten Helene und Stephen erneut den türkischen Marsch für vier Hände. Bea hatte für den Rest ihres Lebens von vierhändigen Klavierstücken genug. Und ebenso von einer sittsamen Gräfin und einem ehrbaren Politiker.

Abrupt stand sie auf und verließ den Salon. Wenn alles so unerträglich war, dann konnte sie ebenso gut die Ziege besuchen. Bea pilgerte immer noch täglich zu dem undankbaren Tier, obgleich sie Stephen dort nicht mehr begegnet war. Er schien sie und die Ziege zu meiden.

Bea stapfte den Weg hinunter, ohne auf den Morast zu achten, der sich an ihren zierlichen Stiefeln festtrat, und stellte Überlegungen darüber an, ob sie auf dem Land leben könnte. Die Hecken waren von einer Wildrosenart überwuchert, deren blassrosa Blüten wie verblichene Vorhänge aussahen. Zum ersten Mal in ihrem Leben nahm sie die Veränderungen des Frühlings wahr. Ein alter, knorriger Baum am Wegesrand hatte ein Meer von weißen Blüten hervorgebracht, die an seinen Zweigen prangten wie Schleifen an den Schühchen der Debütantinnen.

Und überall sprossen Gänseblümchen. Bea begann sie zu pflücken. Schließlich nahm sie sogar ihren Hut ab und füllte ihn mit Blumen. Es machte ohnehin nichts, wenn ihre Haut in der Sonne ein bisschen Farbe bekam. Das ließ sich leicht mit weißem oder rosa Puder überdecken. Es war einfach wunderbar, Sonnenwärme auf den Wangen zu spüren. Endlich gelangte sie ans Ende des Pfades und lehnte sich an das Weidengatter. Und natürlich war der verdammte Ziegenbock ebenfalls da. Er trottete auf sie zu und nahm aus ihrer Hand ein Zweiglein entgegen. Manchmal wagte sie sogar ein paar Schritte auf die Weide, denn der Bock hatte sich nie wieder erdreistet, Kleidungsstücke zu fressen. Bea schob das Gatter auf und steuerte den kleinen knorrigen Baum in der Mitte der Wiese an. Auf der Weide wuchsen keine Gänseblümchen. Die Ziege fraß sie vermutlich in dem Moment ab, wenn sie ihre Köpfe aus der Erde streckten. Doch der Baum war von einem Ring aus frischem grünem Gras umgeben.

Als Bea an den Baum gelehnt dasaß, wurde ihr klar, dass sie heimkehren musste. Heim zu ihrem erzürnten Vater, der sie nicht wieder hinauswerfen würde, wenn sie ihm hoch und heilig versprach, künftig ein Ausbund an Schicklichkeit zu sein. Und heim zu ihren Schwestern. Bea vermisste ihre kleinen Schwestern sehr. Seit sie Stephen kannte, wollte sie nicht mehr die Rolle des verrufenen Weibes spielen. Dieses Spiel kam ihr nun hohl und schäbig und nicht mehr sonderlich aufregend vor.

Gedankenverloren holte sie die Gänseblümchen aus ihrem Hut und flocht sie zu einer Kette, einer recht merkwürdig aussehenden Gänseblümchenkette, aus der einige Stiele in rechten Winkeln herausstachen. Solch eine Kette hatte sie früher immer für ihre kleinen Schwestern geflochten. Vielleicht sollte sie Arabella bitten, sie schon am nächsten Morgen nach Hause zu schicken.

Er stand so plötzlich vor ihr, als wäre er aus dem Erdboden gewachsen. »Wie kannst du dich nur so anschleichen!«, fauchte Bea wütend.

»Du siehst aus wie der Frühling«, sagte er und starrte sie hingerissen an.

Bea musste gegen ihren Willen lächeln. Sein Kompliment war angebracht, trug sie doch ein horrend teures Schäferinnenkleid im Marie-Antoinette-Stil, das an der Vorderseite geschnürt und mit duftiger Spitze besetzt war. Plötzlich ging er vor ihr in die Hocke. Sie starrte ihn erschrocken an. Der Ausdruck seiner Augen …

Bea streckte ihre Hand aus und berührte sanft seine Wange. »Was ist denn, Stephen? Geht es dir nicht gut?« Sie vergaß ganz, dass sie ihm die Freundschaft aufgekündigt hatte und dass sie seit einer Woche kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten.

»Nein, es geht mir gar nicht gut«, sagte er seltsam stockend. »Ich habe aus meinem Leben ein furchtbares Durcheinander gemacht.«

»Warum sagst du das?«, fragte Bea verblüfft.

»Weil ich eine Dame bat, mich zu umwerben«, erwiderte er, und unter dem Blick seiner Augen fühlte sie ihre Knie weich werden. »Weil ich eine Dame gebeten habe, um mich zu werben, und weil sie es mir abgeschlagen hat. Es war auch unglaublich dumm von mir.«

Bea biss sich auf die Lippen. »Warum?« Sag jetzt nicht, dass du mich nie wolltest, betete sie stumm. Doch in seinen Augen lag ein Ausdruck, der ihr Hoffnung gab.

»Weil ich ihr stattdessen hätte sagen sollen: Verführe mich. Nimm mich. Bitte.«

Bea vermutete, dies sei das Stichwort, damit sie sich wie ein verhungerndes Tier auf ihn stürzen sollte. Doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Ihr Herz klopfte wild. Aber war es nicht genau das, was sie gewollt hatte?

»Verstehst du, ich brauche sie genauso, wie sie mich haben will«, fuhr Stephen fort. Seine Stimme hatte den samtigen Ton verloren, den er so gut einzusetzen wusste, und klang beinahe krächzend. »Und sie soll mir so viel geben, wie sie will. Es ist mir gleich. Ich werde keine Forderungen mehr stellen.«

Bea vermochte ihm nicht in die Augen zu sehen. Verlegen nestelte sie an ihrem Sonnenschirm herum und neigte ihn so tief, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. »Ich habe den Entschluss gefasst, in mein Elternhaus heimzukehren«, murmelte sie fast unhörbar. Er sagte nichts dazu. Alles, was sie hörte, war ihr eigener Herzschlag und das Getrappel der Ziege, die zur anderen Seite der Weide hinüberwechselte.

»Ist es also zu spät?«, hörte sie ihn fragen. Und seine Stimme klang so trostlos, dass es ihr in der Seele wehtat.

Bea klappte ihren Schirm sorgfältig zu.

Stephen würde immer ein Patriziergesicht haben. Das Gesicht eines englischen Gentleman mit langem Kinn und schmalen Wangen. Lachfältchen um die Augen. Ein hochgewachsener, muskulöser Körper. Er würde immer eine gute Figur machen. Sie erhob ihre Augen zu ihm und schenkte ihm den glühendsten Blick aus ihrem Repertoire.

Er stieß einen heiseren Freudenschrei aus und riss sie so ungestüm in seine Arme, dass der Schirm davonflog.

»Wirst du es tun, Bea, wirst du mich …« Seine Worte ertranken in einem Kuss. Nach einer Weile löste er sich von ihr, doch nur so weit, dass ihre Lippen einander immer noch berührten. »Wirst du mich verführen, Bea? Oder wirst du mir erlauben, dich zu verführen?«

Sie drängte sich an ihn, wollte ihn küssen, doch er beherrschte sich noch.

»Bitte!« Das Drängen in seiner Stimme! »Ich war so ein Idiot, dich abzuweisen. Jetzt werde ich alles nehmen, jede Brosame, die du mir hinwirfst. Natürlich willst du mich nicht umwerben oder heiraten. Aber ich will nehmen, was du mir gibst, Bea. Bitte gib es mir.«

Sie schloss die Augen. Einer der stolzesten Gentlemen des Königreiches lag ihr zu Füßen. »So habe ich das doch nicht gemeint«, flüsterte sie und umklammerte seine Schultern mit aller Kraft. »Ich würde dich schon heiraten …«

»Still!«, mahnte er und streifte mit seinen Lippen die ihren. »Ich weiß, dass du mich nicht heiraten willst. Ich war so eingebildet zu glauben, ich würde für dich in Betracht kommen. Aber nun ist es mir gleich, Bea. Ich … ich möchte nur verführt werden.«

Später würde sie dieses Knäuel von Missverständnissen entwirren. Jetzt aber löste sie ihre Arme von seinem Hals und warf ihm das träge Lächeln einer Kleopatra zu. »Was ist, wenn ich dich zu Dingen verleite, die so gar nicht gentlemanlike sind?«

»Das hast du bereits getan«, sagte er. »Denn noch nie habe ich eine junge, unverheiratete Frau gebeten, mich zu verführen.«

»Nun, wenn das so ist …« Sie lachte gurrend. Dann lehnte sie sich an den Baum, sah ihm tief in die Augen und hob ganz langsam ihren gerüschten Unterrock hoch. Darunter trug sie hauchzarte Seidenstrümpfe mit eingewebtem Muster. Die Beine hatte sie an den Knöcheln übereinandergeschlagen. Sie zog ihre Röcke bis über die Knie, damit Stephen ihre blassblauen Strümpfe, die etwas dunkleren Strumpfhalter und einen Streifen ihrer weißen Schenkel bewundern konnte.

Sie sah ihn schlucken. »Bea, was machst du da?« Das Krächzen seiner Stimme war wie eine Warnung.

»Ich verführe dich.« Ihr Lächeln blendete ihn förmlich. Er konnte die Augen nicht von ihren Beinen abwenden.

»Was ist, wenn jemand kommt?«

»Niemand benutzt diesen Weg«, erwiderte sie glückselig. »Er führt nirgendwohin, nur zu der Ziegenweide. Und du und ich sind die Einzigen, die sich jemals für die Ziege interessiert haben.«

Und voller Selbstgewissheit löste sie ihre Beine voneinander und zog die Knie an. Ihre Röcke rutschten auf die Oberschenkel hoch.

»Und wo steckt die verdammte Ziege?«

»Auf der anderen Seite der Weide.« Noch ein wenig höher die Knie, gleichzeitig rutschten ihre Röcke höher und enthüllten weiche, milchweiße Schenkel.

»Wenn ich dich berühre, Bea, dann gibt es kein Halten mehr«, warnte Stephen und sah ihr in die Augen.

Ihr Herz machte einen Satz. »Ich will nicht, dass es ein Halten gibt. Nicht mit dir.«

Er schloss seine Hände um ihre zarten Knöchel. »Das ist deine letzte Gelegenheit zur Flucht, Bea. Bist du wirklich sicher, dass du auf einer Ziegenweide Liebe machen willst?« Aber sie lachte, und ihre Augen leuchteten. Sie hatte also nichts dagegen einzuwenden. Und gegen die Ziegenweide erst recht nicht. Also streichelte Stephen ihre zierlichen Knöchel und ließ seine Hände an den seidigen Strümpfen hochwandern. An den Strumpfhaltern hielt er inne und löste sie. Sie hatten hässliche rote Abdrücke auf der zarten Haut hinterlassen.

Bea betrachtete seine Bemühungen mit einem leisen, doch auch etwas unsicheren Lächeln, das nicht recht zu der routinierten Verführerin passen wollte. Stephen fuhr mit seinen Fingerspitzen über die roten Stellen. »Warum behandelst du deine arme Haut so grob?«, murmelte er, senkte den Kopf und strich mit der Zunge über den Abdruck auf ihrem Schenkel.

Sie keuchte und wand sich unter seinen Händen. »Man muss hauchzarte Strümpfe eben daran hindern, auf die Knöchel hinunterzurollen!«, stieß sie hervor.

»Aha.« Seine beiden Hände lagen nun auf ihren Knien, und er drückte ihre Beine auseinander. Sie leistete ihm einen Augenblick Widerstand, dann gab sie nach. Bea trug ein Unterkleid aus dünnem Stoff, das sich ohne Gegenwehr nach oben schieben ließ, als sei es eigens für diese Art von Freiluftspielen ersonnen worden. Stephen fuhr mit einem Finger an der Innenseite ihres Schenkels entlang. An einem gebauschten Spitzenbesatz hielt er kurz inne, dann strich er mit dem Finger darüber.

Bea erbebte und streckte die Arme nach ihm aus. Er jedoch drückte sie gegen den Baum und kniete vor ihr nieder, zwischen ihren erhobenen Knien, auf die er seine Lippen presste, auf die Innenseite ihrer bebenden Knie. Und dann wanderte sein Mund höher, über weiche helle Haut.

Und währenddessen strich sein Finger unablässig über die weiße Baumwolle zwischen ihren Beinen, führte dort einen Tanz auf, der ihre Lippen zum Zittern brachte. Er konnte ihre zerrissenen Atemstöße hören und wurde von einer Welle des Triumphes erfasst … und gleich darauf von einer Welle der Erregung, dass er ihr am liebsten das baumwollene Ding vom Leibe gerissen hätte …

»Wie nennst du das?«, krächzte er heiser. Er legte seine Hand fest zwischen ihre Beine und drückte zu.

»Oh!«, stieß sie mit schwacher Stimme hervor.

Er fuhr mit dem Daumen über den Rüschensaum. »Das hier?«

»Pantalettes.« Sie erbebte am ganzen Leib.

Er beugte sich vor und legte ein Bein über ihr linkes Knie, saß beinahe rittlings auf ihr. Dann fand sein Daumen den Weg, tauchte tief in die glatte, heiße Spalte. Sie hatte dagelegen, als könne sie sich nicht mehr regen, doch dieser neuerliche Lustschauer weckte sie auf: Sie streckte die Arme aus und zog seinen Kopf zu sich.

Ihre Lippen zitterten unter den seinen, dann öffneten sie sich. Stephen bewegte seinen Daumen im gleichen Rhythmus wie seine Zunge, obgleich seine Brust vor Atemnot schier zu zerspringen drohte. Es mochte auch am heftigen Klopfen seines Herzens liegen.

Er schaute sie an – sie war wunderschön. Aus dieser Nähe waren ihre Augen so grün wie Steine am Grunde eines Baches, ein grünliches Blau, in dem Lichtpunkte tanzten.

Plötzlich verengten sich ihre Augen, sie schaute ihn an. »Du scheinst vergessen zu haben, dass dies meine Verführung ist.« Mit einer flinken Bewegung ihrer Hüfte schüttelte sie seine Hand ab und kam auf die Knie. Bedauerlicherweise fiel dadurch ihr Rock herab und bedeckte ihre Beine.

Auch Stephen kam hoch und sah sie an. Dann hob er ganz, ganz langsam seinen Daumen und rieb ihn an seinen Lippen. Sie keuchte entsetzt, und er spürte eine unbändige Freude. Sie war doch nicht so verdorben, wie sie immer tat. Er leckte seine Lippen ab und genoss ihren flüchtigen Duft.

»Stephen!«, sagte sie vorwurfsvoll. Er lächelte nur. Doch sie zerrte bereits an seinem Halstuch. Sie schien es nicht aufzubekommen, deshalb riss er es sich vom Hals und knöpfte sein Hemd auf.

Nun war sie an der Reihe, ihm das Hemd Zoll für Zoll über den flachen Bauch hochzuziehen. Ihre Hände schienen überall zu sein. Das Hemd blähte sich vor seinen Augen und verschwand. Nun machten sich ihre Hände an seiner Taille zu schaffen. Doch auch diese Knöpfe waren widerspenstig. Bea wirkte fast verbissen.

»Ich dachte, du könntest meine Kleider wie einen geölten Blitz fortfliegen lassen«, neckte er. Doch sie blickte nicht einmal auf, also hob er ihr Kinn an. »Das war doch bloß ein Scherz, Bea. Ein geschmackloser Scherz, sicher, aber nur ein Scherz.«

»Ich …« Ihre Augen waren nun größer, die Leidenschaft war beinahe aus ihnen verschwunden. Stephen wurde von Angst erfasst. Sie hatte sich anders entschieden. Wollte ihn nicht mehr. Er war zu alt.

»Ich habe Angst, dich zu enttäuschen«, sagte sie unvermittelt.

»Niemals.«

»Ich habe nicht … nicht so viel Erfahrung, wie du vielleicht glaubst«, fuhr sie fort, den Blick immer noch starr auf seinen Hosenbund gerichtet. Das Gefühl ihrer tastenden Hände an seiner Hose machte Stephen verrückt.

Als er jedoch den Sinn ihrer Worte begriffen hatte, musste er lachen. »Mir ist es gleich, wie viel Erfahrung du besitzt, Bea. Ich will dich. Dich.« Wieder hob er ihr Kinn an. Ihre Lippen waren von seinen Küssen geschwollen. »Oh Gott, Bea, du bist so schön!«

Doch sie wollte ihm etwas begreiflich machen. »Verstehst du, ich habe … ich meine, da war Sandhurst, aber das war nur ein einziges Mal, und dabei habe ich, fürchte ich, nicht viel gelernt, da wir ja von Lady Ditcher unterbrochen worden sind. Und einmal habe ich Billy Laslett meine Gunst gewährt, aber zum Ende hin hat es mir nicht mehr gefallen, und ich habe ihm gesagt, er soll mich in Ruhe lassen.«

Stephen lachte wieder. »Willst du mir etwa weismachen, dass die kühne Verführerin selbst keinen Genuss an der Verführung hatte?«

Bea errötete. »Doch, das schon. Obgleich ich mir wünschte, es wäre anders gewesen.«

»Warum?«

»Weil ich dann beinahe noch Jungfrau wäre, nicht wahr?« Ihre Augen waren verschleiert. »Aber ich habe es … genossen, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Was mir jedoch nicht gefiel … nun ja, das ist nicht so wichtig. Auch davor hatte ich schon einmal einen Liebhaber genommen.« Wie ein Sturzbach sprudelte das Geständnis aus ihr heraus. »Wie du also siehst, habe ich drei Liebhaber gehabt. Aber ich habe keinem von ihnen eine zweite Chance gegeben, und ich bin nicht sicher, ob ich dabei wirklich etwas gelernt habe, wenn du verstehst, was ich meine.«

Nun warf Stephen den Kopf zurück und lachte so schallend, dass vier Stare und ein Zaunkönig aus dem morschen Baum aufflogen und sich in den Himmel flüchteten. Als er den Blick wieder senkte, war Bea immer noch da. Sie blinzelte ihn verständnislos an und sah ein wenig gekränkt, außerordentlich liebreizend und viel zu jung aus.

»Bea, du bist doch über einundzwanzig, nicht wahr?«, fragte er.

»Ich bin dreiundzwanzig.«

»Schön. Willst du mir etwa sagen, dass ich keine zweite Chance bekomme? Dass ein einziges Mal mit der lieblichen Bea alles ist, was ein Mann sich erhoffen darf?« Er legte seine Hände sanft um ihre Taille.

Sie errötete schwach. »Nein«, murmelte sie kaum vernehmlich.

»Denn ich will mehr, Bea.« Er senkte den Kopf und streifte mit den Lippen sanft über ihren Mund. Sie kam ihm bereitwillig entgegen. »Ich werde mir mehr nehmen«, sagte er.

Sie schloss die Augen und schlang ihm die Arme um den Hals. »Nimm mich, Stephen.«

Das war eine Einladung, die kein Mann ablehnen konnte. Er entledigte sich selbst seiner Hose. Und schleuderte seine Stiefel von sich und jede Faser, die er sonst noch am Leibe trug. Sie saß vor ihm auf dem Boden und staunte mit offenem Mund.

Er lachte fröhlich. Die Sonne schien warm auf seine Schultern, und unter ihrem Blick fühlte er sich jung und stark, ein Gefühl, das sich nur im Zusammensein mit ihr einstellte. Er ging vor ihr in die Hocke. Sie betrachtete ihn verzückt, richtete den Blick entweder auf seine Schenkel oder – auf das dazwischen. Er war sich nicht ganz sicher. Aber was sie sah, schien ihr zu gefallen, denn sie wurde flammend rot.

»Ich mag kaum glauben, dass du im Freien nackt bist!«, stieß sie hervor. Sie hatte die Hand vor den Mund gelegt, dennoch vernahm er ihr übermütiges Kichern.

»Nun bist du an der Reihe«, sagte er. Sein Blick wurde ernst.

»Oh, Stephen, ich weiß nicht … ich bin gar nicht darauf vorbereitet …« Sie quiekte, aber Stephen war sehr bewandert im Entkleiden einer Dame und hatte ihr im Nu das Kleid über den Kopf gezogen, dem sogleich das Unterkleid folgte. Interessanterweise trug sie kein Korsett, wie er feststellte. Er ließ ihr nur das hauchdünne Kleidungsstück, das sie »Pantalettes« nannte, ein albernes kleines Nichts aus weißer Baumwolle mit Spitzen.

Die Sonne bildete tanzende Tupfen auf ihrer elfenbeinweißen Haut. Ihr Gesicht war rosig und frisch. Sie saß auf dem Boden und bedeckte ihre Brüste wie eine scheue Jungfrau. Obgleich auch erfahrene Kurtisanen es wohl niemals im Freien tun würden.

Er kniete vor ihr nieder. »Ist schon gut, Liebste«, flüsterte er. »Es wird schon niemand kommen.«

»Darum geht es nicht!«

Er löste eine ihrer Hände von der verlockenden Rundung ihrer Brust. Diese war vollkommen, mit rosigen, aufwärtsweisenden Spitzen, und hatte gerade die richtige Größe für seine Hand. Er senkte den Kopf und sog die Spitze in seinen Mund. Da nahm sie auch die andere Hand vom Busen und schlang ihren Arm um seinen Hals.

Er konnte es kaum noch aushalten. Sie hatten zu lange gewährt, diese Wochen der Sehnsucht, der heimlichen Beobachtung, der Träume von ihr. Entschlossen nahm er sie auf seine Arme und bettete sie auf sein ausgebreitetes Jackett. Während er sie küsste, formte er ihre Brust mit der Hand nach. Sie bog sich ihm entgegen. Mit der anderen Hand zog er das winzige Nichts aus Baumwolle herab, ihre Pantalettes.

Bea war immer noch unruhig. »Was ist, wenn jemand …?« Aber ihre Stimme verklang. Er wanderte mit seinen Lippen nach unten, küsste auf dem Weg ihre Brust, bis sie laut quiekte. Dann glitt er weiter an ihr hinab, bis er sie gefunden hatte. Bis er sich ihres süßen, nach Limonen duftenden Leibes bemächtigen konnte. Sie stöhnte kehlig und flehte ihn an, flehte, flehte und …

Sie streckte die Hand nach unten, wühlte in seinen Haaren. Sie bekam kaum Luft, weil ihr Körper in Flammen stand, doch sie wusste, dass es ein Heilmittel gab. Geben musste. Und dass er sie derart reizte, war bestimmt nicht die Lösung.

»Ich will dich!«, sagte sie heftig, als er sein Gesicht hob.

»Es ist deine Verführung, Darling«, antwortete er. Er lächelte so verschmitzt, dass ihr Herz Kapriolen schlug. Fast hätte sie vergessen, was sie tun wollte, und ihn lediglich geküsst. Doch dann fiel es ihr wieder ein. Sie umschloss ihn mit ihrer Hand, und nun war sie wieder Herrin ihrer Sinne. Er war ein ganzes Stück größer als Billy Laslett und sehr viel, nun ja, fester als Sandhurst.

Dann erschrak sie. Und wenn es gar nicht ging? Mit Billy war es schwierig genug gewesen. Im Nachhinein war ihr die Erinnerung furchtbar peinlich. Sie war unglaublich froh gewesen, als er endlich aufhörte, sich über ihr abzumühen, und sich von ihr wälzte.

Doch Stephen lächelte und schien ihre Gedanken zu erraten. Er löste ihre Finger von seiner Männlichkeit und schob sich langsam zwischen ihre Beine.

Bea konnte sich nicht beherrschen, bog sich ihm entgegen. Doch er reizte sie nur, schenkte ihr seine Härte und entzog sie ihr wieder.

Bea mochte zwar nicht viel Erfahrung haben, um eines aber wusste sie, weil Billy Laslett es ihr gezeigt hatte … Sanft strich sie über seine Brustwarzen. Er zuckte zusammen und wölbte unwillkürlich die Hüften vor. Er war wunderbar steif. Wie hatte sie jemals glauben können … aber dies war nicht der Augenblick, um Vergleiche anzustellen.

Also erwiderte sie sein spitzbübisches Lächeln und biss ihn leicht in die Brustwarze. Er stöhnte auf und drang in sie ein. Die Lust war so überwältigend, dass sie sich nach hinten warf und seine Schultern umklammerte. Und nun war aus dem Spiel endgültig Ernst geworden.

»Gut so?«, fragte er und vermochte kaum noch die eigene Stimme zu erkennen.

Und sie nickte und packte seine Schultern so fest, dass er zehn Blutergüsse haben würde. Wieder drang er in sie ein. Sie schrie etwas Unverständliches, das von der Helligkeit um sie herum verschluckt wurde. Doch es schien kein Schmerzenslaut gewesen zu sein.

Er senkte den Kopf zum Kuss, und Bea gab erschreckte Laute von sich, als glaubte sie, er werde das Gleichgewicht verlieren, wenn er zwei Dinge zugleich tat. Endlich gelang es ihm, sie zu einem Kuss zu verlocken, doch sie versuchte immer wieder, ihm etwas zu sagen.

»Was ist?«, fragte er schließlich.

»Nichts – oh! Hör nicht auf!«

Und Stephen hörte nicht auf und lauschte ihren Seufzern, die sich auf der Wiese verloren.

Nach einer Weile kam er auf die Knie und umfing ihre schlanken Hüften. Bea keuchte und stieß ein »Nein!« hervor, dann schwieg sie. Er lehrte sie, wie sie die Hüften anheben müsse, um ihm entgegenzukommen, und auch dies war eine herrliche Erfahrung.

Irgendwann merkte er, dass sie ihm anscheinend etwas sagen wollte, und hörte auf, sie zu küssen. »Kannst du …« Sie keuchte. »Kannst du … könntest du das noch ein bisschen länger machen?«

Er grinste, geradezu teuflisch. »Darin bin ich besser als beim Billard.« Seine Stimme war kehlig vor Verlangen. Sie kam ihm nun entgegen, war ihm ebenbürtig. Schweiß glitzerte auf ihrer Haut. Und Stephen wusste nun, dass seine Bea mit keinem ihrer Liebhaber den wahren Genuss erfahren hatte.

Sie war eine Jungfrau, im wahrsten Sinne des Wortes.

Er verspürte eine reine, ursprüngliche Freude, die ihn im Halse kitzelte. Er nahm sich ein wenig zurück und zeigte der Frau, die er liebte, wie wenig sie bislang von der Liebe gewusst hatte. Wellen der Leidenschaft hielten sich mit dieser Freude die Waage. Im hintersten Stübchen seines Kopfes, dem Teil, der nicht mit den süßen Wellenbewegungen ihres Körpers, nicht mit ihren überraschten Atemstößen und ihren geschlossenen Augen beschäftigt war, hatte er zwei Dinge wahrgenommen. Erstens waren seine Hinterbacken niemals zuvor der englischen Sonne ausgesetzt gewesen, und es fühlte sich ganz so an, als ob er sich einen Sonnenbrand eingehandelt hatte. Und zweitens hatte der vermaledeite Ziegenbock Beas Kleid gemopst und galoppierte mit seiner Beute über die Weide, ein langes Band aus weißer Spitze hinter sich herziehend.

Doch dann fielen auch diese Reste rationalen Denkens der Lust zum Opfer. Er drang tiefer in ihren Körper ein, und sie schrie auf, stieß Schreie aus, die sich in die Luft erhoben und mit ihr davonzogen. Stephen knirschte mit den Zähnen und raunte: »Komm jetzt, Bea, komm mit mir!«

Und Bea schlug die Augen auf und erblickte ihn über sich, sah seinen Umriss vor dem tiefblauen Himmel: ihr schöner, züchtiger Puritaner.

Er hielt einen Moment inne, senkte den Kopf und verschmolz ihre Münder zu einem heißen Kuss. »Ich liebe dich«, krächzte er. »Meine Bea.«

Sie bog sich ihm entgegen, hörte sein Stöhnen und verlor sich im hellen Sonnenschein und der Lust, die durch ihre Glieder strömte und sie ohne Worte lehrte, was der Unterschied zwischen Werben und Verführen war.