II.

ALS ALAN IM DSCHIDDA-HILTON ERWACHTE, war er schon zu spät dran. Es war 8.15 Uhr. Er war kurz nach fünf eingeschlafen.

Er wurde um acht in der King Abdullah Economic City erwartet. Die Fahrt dahin würde mindestens eine Stunde dauern. Er musste duschen, sich anziehen und ein Auto besorgen, konnte also frühestens um zehn da sein. Er würde am ersten Tag seines Einsatzes hier zwei Stunden zu spät kommen. Er war ein Idiot. Er wurde mit jedem Jahr idiotischer.

Er wählte Cayleys Handynummer. Sie meldete sich mit ihrer heiseren Stimme. In einem anderen Leben, einer anderen Drehung des Rades, wo er jünger und sie älter und sie beide dumm genug wären, es zu versuchen, wären er und Cayley etwas Erstaunliches gewesen.

– Hallo, Alan! Es ist wunderschön hier. Na ja, vielleicht nicht wunderschön. Aber Sie sind nicht da.

Er erklärte es. Er log nicht. Dafür hatte er nicht mehr die Energie, die nötige Kreativität.

– Ach, keine Sorge, sagte sie mit einem kleinen Lachen – ihre Stimme barg die Möglichkeit, zelebrierte die Existenz eines fantastischen Lebens beständiger Sinnlichkeit –, wir bauen gerade erst auf. Aber Sie werden sich selbst eine Transportmöglichkeit besorgen müssen. Weiß einer von euch, wie Alan herkommen kann?

Offenbar rief sie das dem übrigen Team zu. Der Raum klang riesig. Er stellte sich einen dunklen und leeren Ort vor, drei junge Leute mit Kerzen in Händen, die auf ihn und seine Laterne warteten.

– Er kann kein Auto mieten, sagte sie zu ihnen.

Und dann zu ihm. – Können Sie ein Auto mieten, Alan?

– Ich regele das, sagte er.

Er rief in der Lobby an.

– Hallo. Alan Clay hier. Wie ist Ihr Name?

Er fragte nach Namen. Eine Angewohnheit, die Joe Trivole ihm eingeschärft hatte, als sie zusammen für Fuller-Brush-Produkte unterwegs waren. Frag nach Namen, wiederhole Namen. Wenn du dich an die Namen von Leuten erinnerst, erinnern sie sich an dich.

Der Mann an der Rezeption sagte, sein Name sei Edward.

– Edward?

– Ja, Sir. Mein Name ist Edward. Was kann ich für Sie tun?

– Wo kommen Sie her, Edward?

– Jakarta, Indonesien, Sir.

– Ah, Jakarta, sagte Alan. Dann merkte er, dass er nichts zu Jakarta sagen konnte. Er wusste nichts über Jakarta.

– Edward, meinen Sie, ich könnte über das Hotel einen Wagen mieten?

– Haben Sie einen internationalen Führerschein?

– Nein.

– Dann sollten Sie das lieber nicht tun.

Alan rief den Hotelportier an. Er erklärte, er brauche einen Fahrer zur King Abdullah Economic City.

– Das wird ein paar Minuten dauern, sagte der Portier. Sein Akzent klang nicht saudisch. Anscheinend arbeiteten keine Saudis in diesem saudischen Hotel. Alan hatte sich das schon gedacht. Ihm war gesagt worden, dass überall nur wenige Saudis arbeiteten. Sie importierten Arbeitskräfte für alle Bereiche. Wir müssen jemanden Geeigneten finden, der Sie fahren kann, sagte der Portier.

– Können Sie nicht einfach ein Taxi rufen?

– Nicht direkt, Sir.

Alan wurde sauer, aber dieses Problem hatte er sich selbst eingebrockt. Er dankte dem Mann und legte auf. Er wusste, dass er in Dschidda oder Riad nicht einfach ein Taxi rufen konnte – so stand es jedenfalls in den Reiseführern, die allesamt hysterisch auf die Gefahren hinwiesen, die ausländische Reisende im Königreich erwarteten. Das US-Außenministerium hatte für Saudi-Arabien die höchste Warnstufe ausgegeben. Entführungen waren nicht unwahrscheinlich, Alan könnte an Al Kaida verkauft, als Geisel festgehalten, über Grenzen verschleppt werden. Aber Alan hatte sich noch nie irgendwo gefährdet gefühlt, dabei war er in den Neunzigern beruflich in Juárez, in den Achtzigern in Guatemala gewesen.

Das Telefon klingelte.

– Wir haben einen Fahrer für Sie. Wann möchten Sie ihn?

– So schnell wie möglich.

– Er ist in zwölf Minuten da.

Alan duschte und rasierte sich den fleckigen Hals. Er zog sich an: Unterhemd, weißes Button-down-Hemd, Kakihose, Slipper, hellbraune Socken. Kleide dich einfach wie ein amerikanischer Geschäftsmann, war ihm geraten worden. Es gab abschreckende Beispiele von übereifrigen Westtouristen, die lange Thawbs trugen und den Kopf bedeckten. Die sich anzupassen versuchten, mit allen Mitteln. Derlei Bemühungen wurden nicht geschätzt.

Während er den Kragen seines Hemdes richtete, befühlte Alan den Knoten, den er einen Monat zuvor im Nacken entdeckt hatte. Er hatte die Größe eines Golfballs, stand von der Wirbelsäule ab und fühlte sich an wie Knorpel. An manchen Tagen dachte er sich, dass der Knoten Teil der Wirbelsäule war, was könnte er denn sonst sein?

Es könnte ein Tumor sein.

Ein solcher Knoten, direkt an der Wirbelsäule – der musste aggressiv und tödlich sein. In letzter Zeit fühlte sich Alan etwas wirr im Kopf und unsicher auf den Beinen, und es war irgendwie vollkommen und schrecklich einleuchtend, dass da irgendwas wuchs, an ihm nagte, ihm die Lebenskraft raubte, alle Klarheit und Zielstrebigkeit auspresste.

Er hatte vorgehabt, zum Arzt zu gehen, hatte es dann aber doch nicht getan. Kein Arzt konnte so etwas operieren. Alan wollte keine Bestrahlung, wollte nicht kahlköpfig werden. Nein, der Trick war, das Ding ab und an zu betasten, auf Begleitsymptome zu achten, es noch ein bisschen mehr zu betasten und dann nichts zu tun.

Innerhalb von zwölf Minuten war Alan startklar.

Er rief Cayley an.

– Ich verlasse jetzt das Hotel.

– Gut. Bis Sie ankommen, haben wir alles aufgebaut.

Das Team konnte ohne ihn dahin kommen, das Team konnte ohne ihn alles aufbauen. Also warum war er dann überhaupt da? Die Gründe waren dürftig, aber für seine Mitwirkung ausschlaggebend gewesen. Erstens war er älter als die anderen Teammitglieder, die allesamt eigentlich noch Kinder waren, keiner über dreißig. Zweitens hatte er einmal König Abdullahs Neffen kennengelernt, als sie Mitte der Neunziger an einem Kunststoff-Projekt beteiligt gewesen waren, und Eric Ingvall, der New Yorker Reliant-Chef, meinte, die Beziehung würde ausreichen, um die Aufmerksamkeit des Königs zu gewinnen. Was wahrscheinlich nicht stimmte, aber Alan hatte es vorgezogen, ihn in dem Glauben zu lassen.

Alan war heilfroh über den Job. Er brauchte den Job. Die gut achtzehn Monate vor Ingvalls Anruf waren demütigend gewesen. Eine Steuererklärung für ein zu versteuerndes Einkommen von 22.350 Dollar einzureichen war eine Erfahrung, auf die er in seinem Alter nicht mehr gefasst war. Er hatte seine Consultingfirma sieben Jahre lang von zu Hause aus betrieben, und Jahr für Jahr waren die Einnahmen geschrumpft. Kein Mensch wollte Geld ausgeben. Noch vor fünf Jahren waren die Geschäfte gut gelaufen; alte Freunde hatten ihm Aufträge verschafft, und er war nützlich für sie. Er brachte sie mit Verkäufern in Kontakt, zog Strippen, fädelte Deals ein, machte Kohle. Er hatte sich nützlich gefühlt.

Jetzt war er vierundfünfzig Jahre alt und für die amerikanische Unternehmenswelt so faszinierend wie ein Flugzeug aus Lehm. Er konnte keine Arbeit finden, konnte keine Aufträge an Land ziehen. Er war von Schwinn zu Huffy gegangen, weiter zu Frontier Manufacturing Partners, dann zu Alan Clay Consulting, um schließlich zu Hause zu hocken und sich auf DVD anzugucken, wie die Red Sox die Finalspiele von ’04 und ’07 gewannen. Das Spiel, in dem sie gegen die Yankees vier Homeruns in Serie schafften. 22. April 2007. Er hatte sich die viereinhalb Minuten hundertmal angesehen und jedes Mal so etwas wie Freude empfunden. Ein Gefühl von Richtigkeit, von Ordnung. Es war ein Sieg, der nie wieder weggenommen werden konnte.

Alan rief die Rezeption an.

– Ist der Wagen da?

– Es tut mir leid, der Fahrer verspätet sich.

– Sind Sie das, der Mann aus Jakarta?

– Ja.

– Edward.

– Richtig.

– Hi, Edward. Wie viel später kommt der Wagen denn?

– In zwanzig Minuten. Darf ich Ihnen vielleicht etwas zu essen aufs Zimmer schicken?

Alan trat ans Fenster und schaute hinaus. Das Rote Meer war ruhig, unscheinbar aus dieser Höhe. Eine sechsspurige Schnellstraße führte direkt an ihm entlang. Ein Trio Männer in Weiß angelte am Pier.

Alan blickte auf den Balkon neben seinem. Er betrachtete sein Spiegelbild in der Scheibe. Er sah durchschnittlich aus. Wenn er rasiert und ordentlich gekleidet war, ging er als seriös durch. Aber unter seiner Stirn hatte sich irgendwas verdunkelt. Seine Augen waren eingesunken, und das fiel den Leuten auf. Bei seinem letzten Highschool-Klassentreffen sagte ein ehemaliger Footballspieler, den Alan nicht hatte ausstehen können: Alan Clay, du hast einen leeren Blick. Was ist los mit dir?

Eine Windböe wehte vom Meer heran. In der Ferne schob sich ein Containerschiff übers Wasser. Hier und da ein paar andere Schiffe, winzig wie Spielzeug.

Auf dem Flug von Boston nach London hatte ein Mann neben ihm gesessen. Er trank Gin Tonic und hielt Monologe.

Eine ganze Weile war’s gut, oder?, hatte er gesagt. So etwa dreißig Jahre oder so? Vielleicht auch nur zwanzig, zweiundzwanzig? Aber es war vorbei, keine Frage, das war es, und jetzt mussten wir uns genau wie Westeuropa auf eine Ära gefasst machen, die von Tourismus und Krämerseelen geprägt sein würde. Das hatte der Mann im Flugzeug doch sinngemäß gesagt, oder? So was in der Art.

Er konnte einfach nicht den Mund halten und ließ sich einen Drink nach dem anderen bringen.

Wir sind eine Nation von Stubenhockern geworden, hatte er gesagt. Eine Nation von Zweiflern, Bedenkenträgern, Grüblern. Gott sei Dank waren die Amerikaner, die dieses Land besiedelt haben, nicht so. Die hatten ein ganz anderes Format! Die haben das Land in Planwagen mit Holzrädern durchquert! Die haben kaum angehalten, wenn unterwegs einer den Löffel abgab. Damals wurden die Toten beerdigt, und weiter ging’s.

Der Mann, der betrunken war und vielleicht auch gestört, war wie Alan in die Produktion hineingeboren worden und hatte sich irgendwann später in Welten verirrt, die nur am Rande mit der Herstellung von Dingen zu tun hatten. Er ließ sich mit Gin Tonic volllaufen und war mit allem fertig. Er war auf dem Weg nach Frankreich, wo er sich in der Nähe von Nizza zur Ruhe setzen wollte, in einem Häuschen, das sein Vater nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut hatte. Das war’s.

Alan hatte den Mann reden lassen, und sie hatten ein paar Gedanken ausgetauscht über China, Korea, über die Herstellung von Kleidung in Vietnam, über den Aufstieg und Untergang der Bekleidungsindustrie auf Haiti, den Preis für ein gutes Zimmer in Hyderabad. Alan hatte ein paar Jahrzehnte mit Fahrrädern zu tun gehabt, sich dann in rund einem Dutzend anderen Bereichen versucht, Consulting, Unternehmen dabei helfen, durch schonungslose Effizienz wettbewerbsfähig zu werden, Roboter, Schlanke Produktion, und so weiter. Und doch gab es von Jahr zu Jahr immer weniger Arbeit für einen Mann wie ihn. Keiner wollte mehr auf amerikanischem Boden produzieren. Mit welchen Argumenten sollte er oder sonst wer dafür plädieren, fünf- bis zehnmal höhere Produktionskosten als in Asien in Kauf zu nehmen? Und falls die asiatischen Löhne auf ein unhaltbares Niveau anstiegen – zum Beispiel auf 5 Dollar die Stunde –, war da Afrika. Die Chinesen produzierten bereits Sportschuhe in Nigeria. Jack Welch hatte gesagt, die Produktion von Waren sollte am besten auf einem Schiff stattfinden, das auf der Suche nach möglichst billigen Bedingungen ständig den Globus umkreist, und anscheinend hatte die Welt ihn beim Wort genommen. Der Mann im Flugzeug jammerte empört: Es sollte eine Rolle spielen, wo etwas hergestellt wird!

Aber Alan wollte nicht verzweifeln und wollte sich nicht von der Malaise seines Sitznachbarn runterziehen lassen. Alan war schließlich optimistisch, oder? Er sagte es jedenfalls. Malaise. Das war das Wort, das der Mann wieder und wieder benutzte. Der schwarze Humor macht dich erst richtig fertig. Die Witze!, jammerte der Mann. Ich hab sie in Frankreich, England, Spanien gehört. Und in Russland! Leute, die über ihre miserablen Regierungen gemeckert haben, über die elementare und irreparable Dysfunktion ihrer Länder. Und in Italien! Die Verbitterung, die Erwartungshaltung, dass es bergab geht. Das war überall spürbar und jetzt auch bei uns. Dieser düstere Sarkasmus. Das ist der Killer, garantiert. Das Zeichen dafür, dass du am Boden bist und nicht mehr hochkommst!

Alan hörte das nicht zum ersten Mal, aber er wollte es nicht mehr hören. Er setzte seinen Kopfhörer auf und schaute sich den Rest des Fluges Filme an.

Alan ging vom Balkon zurück in die dunkle Kühle des Zimmers.

Er dachte an sein Haus. Er fragte sich, wer wohl gerade in seinem Haus war. Wer wohl gerade hindurchging, Sachen anfasste, es wieder verließ.

Sein Haus stand zum Verkauf, seit vier Monaten. Ist das der See, in dem der Typ erfroren ist?

Wenn Ruby anrief, dann nur wegen des Hauses. War es verkauft? Sie brauchte das Geld und fürchtete, Alan würde das Haus verkaufen und ihr den Verkauf irgendwie verheimlichen. Du erfährst schon, wenn es verkauft ist, sagte er zu ihr. Außerdem gibt’s ja noch das Internet, sagte er. Er legte auf, als sie loszeterte.

Eine Frau hatte Alans Haus aufgehübscht. Es gibt Leute, die so was machen. Die kommen zu dir und machen dein Haus ansprechender, als du es je könntest. Sie hellen die Dunkelheit auf, die du mit deiner menschlichen Misere hineingebracht hast.

Danach lebst du bis zum Verkauf in einer Version deines Hauses, einer besseren Version. Einer mit mehr Gelb und Blumen und Tischen aus aufgearbeitetem Holz. Deine eigenen Habseligkeiten sind irgendwo eingelagert.

Ihr Name war Renee; sie hatte flaumiges Haar, das hochtoupiert war wie Zuckerwatte. Sie müssen zunächst mal ausmisten, sagte sie. Sie müssen neunzig Prozent von Ihrem ganzen Kram in Kartons packen und aus dem Haus schaffen, sagte sie und machte dabei eine ausladende Armbewegung über alles hinweg, was er in zwanzig Jahren angesammelt hatte.

Er packte es ein. Er schaffte es aus dem Haus, alles. Er ließ die Möbel stehen, aber als sie wiederkam, sagte sie: Jetzt tauschen wir die Möbel aus. Möchten Sie welche kaufen oder mieten?

Er schaffte seine Möbel aus dem Haus. Im Wohnzimmer standen zwei Couches, und er verschenkte sie beide. Die eine an eine Freundin von Kit. Die andere an Chuy, der für ihn den Rasen mähte. Renee mietete Kunst. Unverfängliche Abstraktionen, nannte sie sie. Sie hingen in jedem Zimmer, Gemälde mit angenehmen Farben, vagen Formen, die nichts bedeuteten.

Das war vier Monate her. Er wohnte die ganze Zeit in dem Haus, verschwand, wenn die Makler es zeigen wollten. Manchmal blieb er. Manchmal schloss er sich in seinem Homeoffice ein, während die Besucher durch sein Haus gingen, Bemerkungen machten. Niedrige Decken, sagten sie zum Beispiel. Kleine Schlafzimmer. Sind das die Originalböden? Es riecht muffig. Sind die Bewohner ältere Leute?

Manchmal sah er zu, wie die Interessenten hereinkamen, wieder gingen. Er spähte durch sein Bürofenster wie ein Schwachsinniger. Einmal blieb ein Pärchen so lange, dass Alan in eine Kaffeetasse urinieren musste. Eine Besucherin, eine Geschäftsfrau in einem langen Ledermantel, sah ihn durchs Fenster, als sie wegging, die Einfahrt hinunter. Sie drehte sich zu dem Makler um und sagte: Ich glaube, ich habe gerade einen Geist gesehen.

Alan sah zu, wie die Wellen sich sanft am Ufer brachen. Wer wusste schon, dass Saudi-Arabien eine ausgedehnte und unberührte Küste hatte? Alan hatte das nicht gewusst. Er blickte nach unten auf ein paar Dutzend Palmen, die im Hof entweder von diesem Hotel oder von dem nebenan gepflanzt waren, dahinter das Rote Meer. Er überlegte, hierzubleiben. Er könnte einen neuen Namen annehmen. Er könnte sämtliche Schulden abwerfen. Kit irgendwie Geld schicken, den würgenden Schraubstock seines Lebens in Amerika zurücklassen. Er hatte es vierundfünfzig Jahre ertragen. War das nicht genug?

Aber nein. Er war mehr als das. An manchen Tagen war er mehr als das. An manchen Tagen konnte er die Welt umfassen. An manchen Tagen konnte er meilenweit sehen. An manchen Tagen kletterte er über die Ausläufer der Gleichgültigkeit und sah die Landschaft seines Lebens und seiner Zukunft als das, was sie wirklich war: kartografierbar, bezwingbar, erreichbar. Alles, was er machen wollte, war schon gemacht worden, also wieso sollte er das nicht können? Er konnte es. Wenn er nur dauerhaft daran arbeiten könnte. Wenn er nur einen Plan aufstellen und ihn ausführen könnte. Er konnte es! Er musste glauben, dass er es konnte. Natürlich konnte er es.

Dieses Abdullah-Geschäft war so gut wie unter Dach und Fach. Niemand konnte mit der Größe von Reliant konkurrieren, und jetzt hatten sie ein gottverdammtes Hologramm. Alan würde den Sack zumachen, seine Provision einstreichen, alle Schulden in Boston bezahlen und dann loslegen. Eine kleine Fabrik aufmachen, mit tausend Rädern pro Jahr anfangen, dann peu à peu aufstocken. Kits Studium aus der Portokasse bezahlen. Die Makler wegschicken, das Haus vollständig abbezahlen, mit großen Schritten die Welt durchmessen, ein Riese, mit genug Geld, um sagen zu können, ich scheiß auf dich und dich und dich.

Ein Klopfen an der Tür. Sein Frühstück war da. Kartoffelpuffer innerhalb von fünf Minuten auf seinem Zimmer. Unmöglich, es sei denn, er aß das Frühstück, das für jemand anderen zubereitet worden war. Was vermutlich der Fall war. Es störte ihn nicht. Alan ließ den Kellner alles auf einem Tisch auf dem Balkon servieren und unterschrieb dann mit Schwung die Rechnung, während er zehn Stockwerke hoch saß und in den Wind blinzelte. Er hatte für einen Moment das Gefühl, dass er das hier war. Dass er das hier verdient hatte. Er musste die Haltung eines Mannes annehmen, dem das zustand, der dazugehörte. Wenn er nämlich die Sorte Mann war, der die Kartoffelpuffer von jemand anderem essen konnte, ein Mann, den das Hotel unbedingt beeindrucken wollte, so sehr, dass man ihm das Frühstück von jemand anderem schickte, dann war er vielleicht auch die Sorte Mann, der eine Audienz beim König bekommen konnte.