VII.
IM ZELT SAH ALAN NIEMANDEN. Es war ein großer und leerer Raum, der nach Schweiß und Kunststoff roch. Der Boden war mit Perserteppichen belegt, Dutzende, die sich überlappten. Rund dreißig Klappstühle standen wahllos herum, als ob hier eine Hochzeit stattgefunden hätte und die Gäste soeben gegangen wären. An einem Ende des Zeltes war eine Bühne, wo Alans Team die Lautsprecher und Projektoren aufbauen würde.
In der hintersten Ecke des Zeltes konnte er drei Gestalten ausmachen, schemenhaft und geduckt, die auf die grauen Bildschirme ihrer Laptops blickten. Er ging zu ihnen.
– Da ist er!, donnerte eine Stimme.
Das war Brad. Er trug eine Kakihose und ein frisches weißes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Er stand auf, um Alan die Hand zu schütteln, und gab sich alle Mühe, die Knochen darin zu verbiegen. Mit seiner kleinen, stämmigen Statur und den O-Beinen sah er aus wie ein Ringer-Coach.
– Hey, Brad. Schön, Sie zu sehen.
Rachel und Cayley erhoben sich. Sie hatten ihre Abajas abgelegt und begrüßten Alan barfuß, in Shorts und Trägerhemden. Das Zelt war klimatisiert, hatte aber alles andere als eine angenehme Temperatur. Alle drei jungen Leute glänzten.
Sie warteten, dass Alan etwas sagte. Er hatte keine Ahnung, was passend wäre. Er kannte diese jungen Leute nur flüchtig. Sie hatten sich auf Drängen von Eric Ingvall vor drei Monaten kurz getroffen, in Boston. Pläne wurden aufgestellt und Aufgaben, Deadlines und Ziele erläutert. Man hatte ihnen Papiere zum Unterzeichnen gegeben, Erklärungen, die vom Königreich verlangt wurden und in denen sie versicherten, dass sie sich an die Gesetze Saudi-Arabiens halten würden und sich darüber im Klaren waren, dass sie im Falle eines Gesetzesverstoßes dieselben Strafen zu erwarten hatten wie die Einheimischen. In der Erklärung wurde unter anderem auch die Todesstrafe aufgeführt, die für bestimmte Delikte wie beispielsweise Ehebruch drohte, und ihnen war allen ein bisschen schwummrig gewesen, als sie unterschrieben.
– Kommt ihr hier draußen klar?, fragte Alan.
Was Besseres fiel ihm nicht ein. Er kam noch immer nicht drüber weg, dass sie alle in einem Zelt waren.
– Ganz gut, aber wir kriegen kein WLAN-Signal rein, sagte Cayley.
– Wir haben ein schwaches von der Black Box, fügte Brad hinzu und warf den Kopf in Richtung des 7/24/60- Bürogebäudes, das auf höherem Gelände stand. Sie hatten ihm bereits einen Spitznamen verpasst.
– Wer hat euch hier im Zelt untergebracht?, fragte Alan.
Cayley antwortete. – Als wir ankamen, sagten sie, die Präsentationen würden hier stattfinden.
– In einem Zelt.
– Sieht so aus.
– Haben sie Ihnen irgendwas gesagt, warf Rachel ein, ich meine von wegen, warum wir hier draußen sind? Und nicht im eigentlichen Hauptgebäude?
– Mir hat keiner was gesagt, sagte Alan. Vielleicht kommen ja alle Anbieter her.
Alan hatte mit schätzungsweise einem Dutzend anderer Unternehmen gerechnet, mit hektischen Vorbereitungen, fieberhaftem Gewusel, in gespannter Erwartung eines königlichen Besuchs. Aber hier draußen zu sein, allein, in einem dunklen Zelt – Alan konnte sich keinen Reim darauf machen.
– Ja, das wäre eine Erklärung, sagte Rachel, biss sich auf die Wange. Aber wir sind die Einzigen hier.
– Vielleicht sind wir bloß die Ersten, sagte Alan, bemüht, einigermaßen locker zu wirken.
– Bloß eigenartig, bei Reliant zu sein und hier draußen zu sein, nicht?, sagte Brad verwundert. Er war ein Firmenmensch, ein durchaus tüchtiger junger Mann, der wahrscheinlich noch nie in seinem bisherigen Leben von dem Manuskript hatte abweichen müssen, das ihm gegeben worden war und das er auswendig gelernt hatte.
– Das hier ist eine neue Stadt. Unerforschtes Territorium, nicht?, sagte Alan. Habt ihr jemanden wegen dem WLAN-Problem gefragt?, fragte er.
– Noch nicht, sagte Cayley. Wir dachten, wir warten erst noch auf Sie.
– Und eine Weile hatten wir ein ganz gutes Signal, fügte Rachel hinzu. Damit schwebte sie wieder zurück ans hintere Ende des Zeltes, als hoffte sie, dass das Signal, jetzt, da drüber gesprochen worden war, wieder auftauchte.
Alan blickte auf Cayleys Computer, sah die konzentrischen Kurven des Signals, die meisten grau, nicht schwarz. Für eine holografische Darstellung brauchten sie eine Festleitung, und falls es die nicht gab, ein starkes Signal, kein schwaches oder abgefangenes.
– Gut, dann werde ich wohl mal nachfragen müssen. Baut ihr schon den Rest der Ausrüstung auf?
– Nein, noch nicht, sagte Brad und verzog das Gesicht. Wir hatten eigentlich gehofft, das hier wäre bloß was Vorübergehendes. Die Präsentation wird hier draußen längst nicht so gut laufen.
– Ihr habt hier die ganze Zeit nur nach einem Signal gesucht?
– Bislang schon, sagte Cayley, der jetzt schwante, dass sie vielleicht doch hätten mehr tun können.
Aus der Dunkelheit am anderen Ende schaltete Rachel sich ein. – Wir hatten eine Weile ein ganz gutes.
– Stimmt. Vor etwa einer Stunde, fügte Cayley hinzu.