X.

CAYLEY RÜCKTE EINEN STUHL HERAN. – Also. Was glauben Sie, wie viele Leute er mitbringt?

– Wer?, fragte Alan.

– Der König, sagte sie.

– Keine Ahnung. Ich schätze etwa ein Dutzend. Vielleicht mehr.

– Glauben Sie, er allein entscheidet über die ganze IT hier?

– Davon geh ich aus, klar. Die Stadt trägt seinen Namen. Jetzt gesellte Rachel sich zu ihnen. – Sind Sie ihm schon mal begegnet?, fragte sie.

– Ich? Nein. Ich hatte vor gut zwanzig Jahren mal mit seinem Neffen zu tun.

– War er ein Prinz?

– Ja. Ist er immer noch.

– Und kommt der auch her?

– Nein, nein. Er ist in Monaco. Er mischt in geschäftlichen Dingen nicht mehr viel mit. Er fliegt herum, spendet Geld für gute Zwecke.

Alan stellte sich Abdullahs Neffen vor, Dschalawi. Sein kurioses Gesicht. Sein Mund war schief, wie von einer zittrigen Hand gezeichnet, und das verlieh ihm eine sarkastische, spöttische Miene. Aber er war sehr aufrichtig, sehr neugierig und nah am Wasser gebaut. Er weinte ständig. Witwen, Waisen, jede Geschichte rührte ihn zu Tränen und öffnete seine Brieftasche. Dschalawi war geraten worden, seinen Kontakt zu Leuten zu begrenzen. Mit allen, die er kennenlernte, ließ er sich persönlich ein, und er versuchte, sie zu verändern. Es hieß, er sei unheilbar an Knochenkrebs erkrankt.

– Wie auch immer, sagte Alan. König Abdullah kommt heute nicht. Ihr könnt euch also entspannen.

Sie saßen einen Moment lang schweigend da. Es war Rachel und Cayley anzumerken, dass sie zurück zu ihren Laptops wollten, aber ihre guten Manieren verlangten, dass sie mit Alan plauderten, dem Ältesten im Team, einem Mann von geheimnisvoller Herkunft und mutmaßlicher Bedeutung.

– Haben Sie viel von Dschidda gesehen?, fragte Rachel ihn.

– Nein, noch nicht viel, sagte er.

– Haben Sie ein bisschen geschlafen?, fragte Cayley.

Alan sagte ihr die Wahrheit, dass er fast sechzig Stunden wach gewesen und schließlich um sechs Uhr morgens oder so eingeschlafen war. Sie alle drängten ihn, zurück ins Hotel zu fahren, sich auszuruhen. Sie kämen schon den Rest des Tages allein klar.

– Haben Sie irgendwelche Schlafmittel?, fragte Cayley.

– Nein. Ich dachte, dann würde ich gleich am Zoll exekutiert. Ihr?

Keiner von ihnen hatte welche.

– Mir ist da eine Idee gekommen, sagte Brad. Er blickte Alan an, als wolle er testen, wie allein schon die Vorstellung ankam, dass er eine Idee hatte. Alan gab sich Mühe, ermutigend dreinzublicken.

– Also, ich wollte Ihre Meinung hören, bevor ich es mache, sprach Brad vorsichtig weiter, aber ich hab mir gedacht, wir rufen in der Firma an und sagen denen, dass die Bedingungen hier alles andere als befriedigend sind.

Alan blickte Brad einen langen Moment an. Wie sollte er ihm sagen, dass das eine schreckliche Idee war? Er überlegte, wie er das rüberbringen sollte.

– Guter Gedanke, sagte er. Aber warten wir vorerst noch damit.

– Na schön, sagte Brad.

– Mein Termin mit Karim al-Ahmad ist um drei, sagte Alan. Ich bin sicher, da wird sich alles klären.

Die jungen Leute nickten, und sie saßen eine Weile schweigend zusammen. Es war kurz nach Mittag. Sie hatten bereits das Gefühl, seit Tagen in dem Zelt zu sein.

– Wissen Sie, wo wir essen?, fragte Cayley.

– Keine Ahnung, sagte Alan. Aber ich find’s raus.

Als wollte sie versuchen, eine mies werdende Stimmung zu retten, beugte Rachel sich vor. – Ich muss sagen, sagte sie, ich finde das alles hier ziemlich erstaunlich. Habt ihr das Fitnessstudio im Hotel gesehen?

Brad hatte es gesehen, Cayley nicht.

– Da gibt’s einen Oberschenkeltrainer, sagte Rachel. Von Nautilus.

Und so vergingen zwanzig Minuten, in denen sie darüber sprachen, inwieweit ihre Situation neu und seltsam und ideal war oder eher nicht. Sie fragten sich, ob ihnen etwas zu essen gebracht werden würde. Sie fragten sich, ob sie zur Black Box gehen und sich etwas zu essen holen sollten. Sie fragten sich, ob sie sich selbst etwas hätten mitbringen sollen.

Cayley sprach über ein neues Handy, das sie bekommen hatte, und zeigte es allen. Sie sagte, sie hätte vor Ort eine Weile rumgesucht, wo sie ihr altes entsorgen konnte, und hatte es schließlich einfach auf einen Haufen Abfall geworfen.

Alan hörte schon bald nicht mehr zu. Er schweifte in Gedanken ab und merkte irgendwann, dass er nach draußen schaute. Das Zelt hatte eine Reihe Kunststofffenster, durch die man verschwommen den Sand und das Meer sah. Alan wäre gern da draußen gewesen, in dem Licht und in der Hitze.

Er stand auf.

– Ich seh mal nach, was zum Teufel los ist, sagte er und strich sein Hemd glatt. Er versprach, sich um die Essensfrage zu kümmern, die WLAN-Signal-Frage, die Frage, wieso sie überhaupt in einem Vinylzelt am Meer hockten.