Kapitel 22
Früh um sechs Uhr konnte Rebecca nicht mehr schlafen. Die ganze Nacht hatte sie von Gregorio geträumt. Sie duschte, wusch ihr Haar und kämmte es heute besonders sorgfältig. Sie war furchtbar aufgeregt, konnte sich für keines ihrer Kleider so recht erwärmen. Normalerweise entschloss sie sich schnell. So kam es auch, dass sie noch in BH und Höschen war, als es an der Tür klopfte.
»Un‘ attimo solo, Stellina! Einen Moment noch, Stellina!«, rief sie, denn wer sonst sollte zu dieser frühen Stunde etwas von ihr wollen. Sie griff sich den rosa Pareo, den sie nach ihrem letzten Poolbesuch mit Stella achtlos in die Ecke geworfen hatte, und hielt ihn sich vor die Brust. Als sie öffnete, traf sie fast der Schlag: Vor ihr stand Gregorio.
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. »Du? Hier? Jetzt schon?«
»Soll ich lieber später wiederkommen?«, fragte er amüsiert. »NEIN!!! Verdammt! Komm rein!«
Sie zerrte an seinem Arm und er gehorchte ihr. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, ließ sie den Pareo fallen und sprang ihrem Liebsten förmlich um den Hals. Sie küsste ihn, und erst als sie Salz schmeckte, merkte sie, dass sie weinte. Sanft schob er sie von sich fort.
»Non piangere, per favore! Weine doch nicht! Ich bin doch hier. Alles wird gut. Es war nur ein böser Scherz. Es ist vorbei!« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste jeden Millimeter davon, bis sie wieder lachte.
»Wann bist du aufgebrochen, um schon so früh hier zu sein?«, fragte Rebecca.
»Nicht wichtig«, gab er zurück. »Ich habe sowieso kein Auge mehr zugemacht, seit ich erfahren habe, dass du fort bist.« Er drückte sie an sich und küsste ihre Locken.
»Los, zieh dich an! Ich will dich zum Frühstück einladen. Dann möchte ich dir unsere Hauptstadt zeigen und vielleicht ein paar Zeichnungen machen. Hast du Lust?«
Und ob sie Lust hatte! Eilig griff sie sich ihre abgeschnittenen Jeans und streifte ein himbeerfarbenes Top über. Wie üblich stopfte sie Handy mit Fotoapparat so wie eine Flasche Wasser und ihre Geldbörse in den Rucksack. Schon war sie startklar.
»Ist darin noch Platz für meinen Zeichenblock?«, fragte er und sie steckte ihn vorsichtig dazu.
Den ganzen Tag lang streiften sie durch die Stadt, besuchten das Forum Romanum, den Petersdom und das Kolosseum. Nach einer kurzen Mittagspause, die sie mit Coca Cola und Tramezzini-Sandwiches mit Tomate und Mozzarella, einlegten, zeigte Gregorio ihr den Trevi-Brunnen und »La bocca della Verità«, den Mund der Wahrheit.
»Wenn jemand die Hand hineinhält, muss ihm ein anderer eine Frage stellen. Wenn er die Wahrheit sagt, geschieht nichts. Doch handelt es sich um eine Lüge, so sagt man, dann verschlingt der Mund seine Hand.«
»Na dann los«, sagte Rebecca. »Steck deine Hand hinein!«
Er tat wie ihm geheißen. »Und? Was möchtest du wissen?«, fragte er.
Rebecca musste nicht lang überlegen. »Ich möchte wissen, ob du mich liebst?«, fragte sie leise und schämte sich für diese dumme Mädchenfrage.
»Aber das weißt du doch, Piccola. Ich dachte, du möchtest mich etwas fragen, was du noch nicht weißt.«
Rebecca zögerte. »Glaubst du, dass unsere Liebe eine Chance haben wird?«, fragte sie schließlich.
»Das ist eine Frage, die du lieber dem Schicksal stellen solltest«, antwortete er. „Ich kann nicht wissen, was das Schicksal für uns vorgesehen hat.«
»Du weichst mir aus«, stellte sie fest.
»Nein, Piccola, das tu ich gewiss nicht. Wenn es allein nach mir ginge, dann wäre die Antwort ein klares JA!«
Er zog die Hand aus dem Mund des steinernen Gesichts und hielt sie Rebecca vor die Nase. »Siehst du? Alle Finger noch dran. Ich habe die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt.«
Er nahm Rebecca in den Arm, als sie weiterhin grübelte.
»Lass uns die Tage, die uns bleiben, genießen!«, sagte er. »Damit wir etwas haben, wovon wir zehren können, wenn wir Abschied nehmen müssen. Es muss so lange reichen, bis wir eine Lösung gefunden haben.«
Er sah ihr fest in die Augen. So lange, bis sie lächelte und nickte.
»Und jetzt lass mich das Teil hier für dich zeichnen. Damit du dich besser an meine Worte erinnern kannst.«
Er setzte sich auf die Mauer gegenüber. Rebecca reichte ihm seinen Zeichenblock und die Stifte. Dann stellte sie sich hinter ihn. Fasziniert beobachtete sie, wie er mit flinken Strichen das Papier bearbeitete. Schon nach kurzer Zeit konnte man die Konturen des Steingesichts deutlich erkennen.
»Du bist ein echtes Genie«, lobte sie ihn. »Ist dir eigentlich klar, was für eine besondere Gabe das ist?«
»Ach was!« Mit einer Handbewegung wischte er ihr Lob beiseite. »Viele Menschen können malen«, sagte er.
»Aber noch viel mehr Menschen können es überhaupt gar nicht. So wie ich zum Beispiel«, gab sie zurück.
Gregorio zog sie an sich und küsste sie zärtlich.
»Ich freue mich sehr über dein Lob. Weil ich weiß, dass du es ehrlich so meinst. Ich bin es nur nicht gewohnt, gelobt zu werden, o.k.?«
»Das ist etwas, was wir dringend ändern sollten. Ab sofort werde ich dich jeden Tag mindestens einmal loben. Wenn ich es vergesse, erinnere mich daran!«
Gregorio lachte. »Du bist einmalig. Komm, jetzt lass uns heimfahren, bevor es dunkel wird.«
Erschöpft und hungrig warf Rebecca ihren Rucksack achtlos auf den Boden.
»Vorsicht! Denk bitte an meinen Zeichenblock«, ermahnte er sie.
»Scusa, ja, du hast Recht. Ich bin nur total erledigt. Ich werde eine kalte Dusche nehmen, bevor wir zum Essen zu Mariella hochgehen.«
»Gut, dann gehe ich kurz hoch und sage ihnen Bescheid, dass wir in einer halben Stunde zum Essen kommen. Und dass sie bitte die doppelte Menge für dich auftragen sollen.« Er lachte und Rebecca boxte ihn in die Seite. Gregorio griff nach dem Rucksack und begann ihn auszuleeren, während Rebecca Kleid und Slip abstreifte, in seine Richtung warf und dann im Bad verschwand.
Der kühle Regen, der aus dem Duschkopf auf ihren Körper prasselte, war herrlich belebend. Sie seifte sich die langen Haare ein und spülte sie sorgsam aus. Gerade begann sie, das duftende Duschgel des Hotels Savera auf ihrem Körper zu verteilen, als der Duschvorhang zur Seite geschoben wurde. Mit einem schiefen Grinsen sah Gregorio Rebecca dabei zu, wie sie sich nun besonders intensiv ihrer Körperpflege widmete.
»Ti posso dare una mano? Kann ich dir helfen?«, fragte er, trat, ohne eine Antwort abzuwarten, zu ihr und nahm ihr die Flasche aus der Hand.
Sie stand ganz still, als er jeden Zentimeter ihrer Haut mit dem cremigen Schaum einrieb und sorgfältig einmassierte. Keine Stelle ließ er aus. Ihre Augen hielt sie dabei geschlossen, als gäbe sie sich ganz ihren erotischen Empfindungen hin.
Als Gregorio fertig war, öffnete sie die Augen und sagte mit zittriger Stimme:
»Jetzt darf ich aber auch mal, sì?«
Seine sonst so leuchtend grünen Augen waren dunkel und das Etwas, das ständig hart ihr Bein streifte, war ihr Antwort genug. Sie ließ eine üppige Menge des Gels in ihre rechte Hand laufen und begann dann mit ihrer Arbeit. Dabei sah sie ihm die ganze Zeit tief in die Augen. Sie liebte es, den Sturm der Lust, der in seinem Inneren tobte, in seinen Augen zu erkennen. Bis auf den Grund seiner Seele wollte sie ihm blicken, denn alles, was er spürte, kam doppelt zu ihr selbst zurück. Als sie beherzt zwischen seine Beine griff und damit begann, auch dort ihr ausgiebiges Waschwerk zu verrichten, konnte er ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken. Ungestüm riss er sie an seine Brust und vergrub seine Hände in ihren nassen Locken. Fest drückte er seinen Mund auf ihren und als sie ihre Lippen bereitwillig öffnete, verschmolzen ihre Zungen in einem lustvollen Spiel. Mit dem Rücken presste er sie gegen die Armatur. Es tat nicht weh. Im Gegenteil! Der Schmerz vermischte sich mit ihrer Erregung. Das Wasser prasselte nun auf die beiden erhitzten Körper herab und befreite sie vom Schaum. Vollkommen selbstvergessen rieben sie ihre feuchten Körper aneinander, bis Gregorio es nicht länger aushielt, sie auf seine Hüften hob und tief in sie eindrang.