Kapitel 13

 

Es war Abend geworden und Rebeccas freie Tage neigten sich dem Ende zu. Nach dem Abendessen ließ sie den erlebnisreichen Tag bei einem Glas Wein auf einer Bank im Innenhof ausklingen.

Zusammen hatten sie nach ihrer Mittagsmahlzeit in der urigen Trattoria unzählige bunte Blumenarrangements auf das Boot geladen und waren dann zum Hotelanleger zurückgefahren. Kaum hatte Gregorio das Boot vertäut, standen die Zimmermädchen Schlange, um die Sträuße in Empfang zu nehmen und im Hotel zu verteilen. Allen voran Emilia, die mit verschränkten Armen und grimmigem Gesichtsausdruck keinen Zweifel daran ließ, wie sehr sie Rebeccas Anblick auf dem Boot der Saveras störte.

Rebecca wollte helfen, doch Gregorio hatte darauf bestanden, dass sie ihren freien Tag noch bis zum Ende auskostete. Und eben das hatte sie getan: Sie hatte sich ein Stündchen hingelegt, um zu lesen, war dann aber eingenickt. Danach hatte sie geduscht, sich mit einer duftenden Lotion eingecremt und ihr Haar ausgebürstet, bis es in seidigen Wellen hinabfiel. Die hoteleigene Wäscherei hatte ihre frisch gewaschene Kleidung gebracht, sodass Rebecca nun all ihre luftigen Sommerkleider wieder zur Verfügung standen. Sie wählte einen schlichten weißen Slip und das türkisblaue Shirtkleid.

Barfuß und mit einem Liebesroman, hatte sie die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf der Bank, die ihrem Zimmer am nächsten lag, genossen. Kurz hatte sie zu Abend gegessen. Nun saß sie wieder hier und nippte an ihrem Glas.

 

Das Gespräch mit Gregorio hatte sie aufgewühlt. Selbst die einfache Lektüre hatte ihre Gedanken nicht davon abhalten können, immer wieder zu ihm zu schweifen. Er war so unglaublich attraktiv, dass selbst der Gedanke an ihn ihr Blut in Wallung brachte. Sein Äußeres allein war jedoch nicht der Grund. Es waren auch seine lebensfrohe Art, seine fast zärtlichen Gesten, mit denen er sie immer wieder bedachte, sein aufmerksames Erkennen ihrer Wünsche. Und letztendlich hatte die Wehmut in seiner Stimme, als er von seiner Schwester berichtete, Rebeccas Herz endgültig zum Schmelzen gebracht.

 

Sie trank den letzten Schluck Wein und beschloss, ins Bett zu gehen, als Gregorio im Innenhof auftauchte.

»Ich habe dich von meinem Fenster aus beobachtet«, sagte er. »Und ich gestehe, dass deine Mimik interessanter war als jeder Kinofilm.« Lässig ließ er sich neben Rebecca auf der Bank nieder und legte einen Arm hinter ihr auf die Rückenlehne. Der andere ruhte in seinem Schoß.

»Wie gern würde ich jetzt dieser Arm sein«, dachte sie und zwang sich, sich nicht vorzustellen, was sich hinter dem gewölbten Stoff seiner Jeans befand. Dennoch wurde es ihr warm. Sein herbes After Shave lag in der Luft und mischte sich mit dem sinnlichen Duft ihrer Lotion. Die Spannung zwischen ihnen stieg unaufhaltsam. Als seine Finger sanft ihren Nacken zu streicheln begannen, war es, als würde die Luft vor Energie flimmern. Hitze schoss von ihrem Nacken direkt in ihre Mitte. Wie konnte eine so zarte Berührung sie schon um den Verstand bringen? Das war ihr noch nie passiert. Sicher, so viel Erfahrung besaß sie nicht auf diesem Gebiet, doch ein oder zwei Mal glaubte sie schon, verliebt gewesen zu sein.

 

Mit wild klopfendem Herzen drehte sie den Kopf und versank kopfüber in seinen Augen, die zu glühen schienen. Ob er die Spannung zwischen ihnen auch fühlen konnte? Sein Blick glitt zu ihren Lippen, die sie unwillkürlich mit der Zunge befeuchtete. Gregorio lächelte und neigte seinen Kopf. Als seine Lippen die ihren berührten, war es wie beim ersten Mal. Die Welt um sie stand still. Gleichzeitig kam ihr Innerstes derart in Aufruhr, dass sie sich am liebsten in diesem Mann, seinen Lippen und der erotischen Hitze, die er ausstrahlte, verloren hätte. Doch das durfte nicht sein. Auf keinen Fall. Entschieden drückte sie Gregorio von sich fort, während ihre Lippen ihn unaufhörlich weiter küssten. Mit fragendem Blick ließ er von ihr ab.

»Was ist das Problem, piccola?«, fragte er mit rauer Stimme. »Ich bin verrückt nach dir. Und ich weiß genau, dass du mich auch willst. Ich kann es spüren. Jeder kann es spüren.«

 

Rebecca brauchte all ihre Körperbeherrschung, um sich nicht wieder in seine Arme sinken zu lassen.

»Ich möchte nicht, dass jemand uns hier sieht«, antwortete sie mit zitternder Stimme.

»Wer ist jemand?«

»Na, eigentlich alle: deine Eltern, die Zimmermädchen und vor allem Emilia.«

Gregorio verstand nicht. »Schämst du dich, einen Nichtsnutz zu küssen?«, fragte er grimmig.

»Aber nein! Nein, ganz sicher nicht!« Sie nahm sein markantes Kinn in beide Hände und musste ihn einfach wieder küssen. Doch er wich zurück und wartete auf eine Erklärung.

Zögernd gab sie Antwort: »Dein Vater sagt, du hast eine Schwäche für eure Zimmermädchen, für alle.«

Gregorio schnaubte verächtlich.

»Mit Emilia habe ich dich selbst gesehen. Sie gibt mir jeden Tag zu verstehen, dass sie mich hasst.«

Die Stimmung war dahin, jedenfalls für Rebecca. Sie hatte immer noch das Bild vor Augen, als Gregorios Hand in deren Ausschnitt steckte, und das war mehr, als sie jetzt ertragen konnte.

»Ma piccolina!« Sanft fuhr er mit dem Finger die Konturen ihrer Lippen nach.

»Als ich mich mit Emilia vergnügte, da wusste ich noch nicht, dass es dich gibt. Ich bin ein Mann. Die Mädchen wollen alle mit mir schlafen. Aber sie meinen nicht mich. Sie meinen eigentlich meinen Reichtum. Und wenn ich mit ihnen schlafe, dann liebe ich sie nicht, sondern ich habe Spaß mit ihrem Körper. Kannst du den Unterschied verstehen?« Rebecca nickte und senkte den Blick.

 

Sanft schob er einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn erneut anzusehen.

»Frag sie, wie viele von ihnen mich schon zum Blumenmarkt begleitet haben! Frag sie, wie vielen ich schon ein Eis spendiert habe! War Emilias Blick dir heute nicht Antwort genug? Noch nie hat sie mein Boot betreten und noch nie habe ich eine von ihnen in meine Lieblingstrattoria ausgeführt.«

Er hatte sich richtig in Rage geredet.

»Niemand hat je meine Zeichnungen gesehen«, setzte er erneut an, doch Rebecca verschloss seinen Mund mit einem langen Kuss, den er erst zögernd, dann immer leidenschaftlicher erwiderte. Schließlich löste sie sich von ihm, nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her zu ihrem Zimmer.