Zwanzig

Laurel streckte sich wohlig auf ihrem Bett aus und lächelte. Der Tag war einfach wunderschön gewesen – und die Pause hatte ihr sehr gutgetan. Als sie sich mit einem zufriedenen Seufzer auf die andere Seite wälzte, stieß sie mit dem Ellbogen an etwas Spitzes und entdeckte ein quadratisches Stück Pergament, das mit einem Bändchen verziert war. Es kam ihr vertraut vor, und sie fürchtete fast, es wäre eine verfrühte Aufforderung seitens der Akademie, in den Weihnachtsferien zurückzukommen. Sosehr sie den Sommer in Avalon genossen hatte, wollte sie doch nicht den Rest ihrer Highschool-Ferien in der Akademie verbringen. Sie hatte auch ein Leben!

Vorsichtig zog sie an den Enden des Schmuckbändchens und entfaltete das Pergament. Ihre Sorge wich freudiger Erregung.



Du bist herzlich zur Feier von Samhain eingeladen, um das neue Jahr festlich zu begrüßen. Solltest du diese Einladung annehmen, finde dich am Morgen des ersten November am Tor ein.

Festliche Kleidung ist erwünscht.



In die untere Ecke hatte jemand in jungenhafter Schrift noch etwas gekritzelt.



Ich werde dich begleiten. Tam



Das war alles.

Laurel legte einen Finger auf die Unterschrift. Sie sagte so viel aus und gleichzeitig so wenig. Es gab keine Abschiedsformel, kein »Love, Tam« oder »dein Tam«. Nicht mal »viele Grüße, Tam«. Aber er hatte mit Tam unterschrieben und nicht mit Tamani. Möglicherweise hatte er damit gerechnet, dass jemand anders den Brief öffnete. Vielleicht war ihm aber auch aufgefallen, dass sie ihn immer nur Tam nannte, wenn sie sich besonders nah waren.

Oder es hatte überhaupt nichts zu bedeuten.

Abgesehen davon hatte sie andere Sorgen. Wie sollte sie das hinkriegen? David durfte nichts davon erfahren, so wie er letztes Mal reagiert hatte, als sie Tamani besucht hatte. Auf einmal fragte sie sich, wie viel der heutige Ausflug damit zu tun hatte, dass sie den ganzen langen Samstag auf dem Grundstück verbracht hatte. David würde es sicher nicht gefallen, wenn sie ihm sagte, dass sie schon wieder einen Tag in Avalon verbringen wollte – in Begleitung von Tamani.

Aber ein Fest in Avalon! Das konnte sie sich nicht entgehen lassen. Sie würde sogar hinwollen, wenn Tamani nicht mitkäme.

David anzulügen, fiel ihr nicht leicht, aber in diesem Fall war es wahrscheinlich das Beste. Man musste seinem Freund schließlich nicht alles erzählen. Außerdem war David völlig fasziniert von Avalon. Es wäre geradezu selbstsüchtig, ihm davon zu erzählen, wenn er doch nicht mitkommen konnte. Die Elfen würden niemals einem Menschen Zutritt zu Avalon gewähren. Vielleicht war es wirklich am besten, wenn er gar nichts davon erfuhr.

Je länger Laurel darüber nachdachte, umso ängstlicher wurde sie bei dem Gedanken an das Fest. Sie schob die Einladung unter ihr Kopfkissen und setzte sich an ihren Schreibtisch, um sich mit den Zutaten für ihre Zuckerfläschchen abzulenken. Als das erste kaputtging – wie aufs Stichwort –, seufzte Laurel. Und fing von vorne an.

Der erste November war ein Samstag, da würde David wahrscheinlich arbeiten. Das war schon mal nicht schlecht. Doch Laurels Freundeskreis war leider sehr überschaubar. Wenn sie nicht zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit war, war sie stets mit David zusammen. Gut, und manchmal mit Chelsea.

Chelsea! Sie könnte behaupten, dass sie was mit Chelsea unternahm. Diese brillante Idee musste sie jedoch sofort wieder verwerfen. Chelsea log nicht mal im eigenen Interesse, geschweige denn für jemand anderen.

Dennoch konnte Laurel die Vorstellung nicht ertragen, die Feier zu verpassen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie es dort sein würde, aber sie wusste schon genau, was sie anziehen wollte. Dies war die beste Gelegenheit für das dunkelblaue Gewand, das sie am Ende ihres Aufenthalts in Avalon gefunden hatte. Damals hatte sie zwar einen Anflug von schlechtem Gewissen verspürt, aber jetzt kam es ihr vor wie Kismet.

Laurel lächelte bereits in Vorfreude, legte das Diamantröhrchen beiseite und begutachtete ihr Werk. Seit sie das erste Fläschchen zerbrochen hatte, hatte sie überhaupt nicht mehr auf die immer gleich ablaufenden Versuche geachtet.

Auf ihrem Schreibtisch standen säuberlich aufgereiht vier perfekt geformte Zuckerfläschchen.



Am Freitag quälte sich Laurel in der Küche mit ihren Spanischhausaufgaben. Bis zur Abschlussprüfung blieben ihr nur noch sechs Wochen, aber die Konjugation der Verben im Plusquamperfekt war ihr immer noch ein großes Rätsel. Ihre Blütenblätter hingen schlaff herunter; zwei waren schon ausgefallen und Laurels Erleichterung überwog ihre Enttäuschung. Es fühlte sich gefährlich an, in Blüte zu stehen, wenn Orks hinter ihr her waren. In den letzten Wochen hatte sie niemand mehr bedroht, aber Laurel und David waren auch extrem vorsichtig gewesen. Sie trafen sich nur selten außerhalb von Laurels Haus, und Laurel schleppte ihre Ausrüstung stets im Rucksack mit, sogar in die Schule.

An ihren Aufgaben für Avalon hatte sie ebenfalls hart gearbeitet. Der Erfolg mit den Zuckerfläschchen hatte ihr Auftrieb gegeben, aber ihre Zuversicht schwand wieder, weil sie beim Brauen von Zaubertränken beständig scheiterte. Seit Montag hatte sie nicht einmal mehr ein weiteres Zuckerfläschchen fertiggestellt. Außerdem fehlten ihr mittlerweile wichtige Zutaten für das Monastuolo-Serum, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als Düngemittel oder Insektenschutzmittel zu mischen – die ihr gegen einen Ork wenig nützen dürften. Doch sie durfte nicht aufhören zu üben, schon gar nicht, weil es so viele Menschen betraf, ob es ihr gelang oder nicht.

Heute, an Halloween, war Laurel besonders nervös. Die Vorstellung, dass so viele Leute in Masken herumliefen, gefiel ihr überhaupt nicht. Was sollte die Orks davon abhalten, die ganze Stadt zu terrorisieren? Dazu kam, dass Laurels Eltern an einem Halloween-Programm teilnahmen, in dessen Rahmen Kinder in den ortsansässigen Geschäften nach Süßem oder Saurem fragen durften. Laurel hätte sich wohler gefühlt, wenn sie zu Hause gewesen wären, wo sie – und ihre Elfenwächter – auf sie aufpassen konnten. Doch dafür hätte sie ihren Eltern von den Orks erzählen müssen, was sicher nicht gut ankommen würde. Zumal Laurels Mutter sich ohnehin rund um die Uhr im Schockzustand zu befinden schien, nur weil Elfen wirklich existierten. Nein, es war besser, wenn die beiden nichts erfuhren. Und die Orks hatten es bekanntlich nicht auf Laurels Eltern abgesehen, sondern auf sie selbst.

Als könnte ihre Mutter Gedanken lesen, kam sie die Treppe hinunter und schenkte sich einen Becher Kaffee ein, der vom Frühstück übrig geblieben war. »Ich gehe wieder ins Geschäft«, sagte sie, wobei sie darauf achtete, Laurels Blüte – oder was davon noch übrig war – nicht anzusehen. »Heute wird es spät. Du hast doch ein paar Freunde eingeladen, die dir helfen, Bonbons auszugeben, oder?«

»Sie kommen in einer halben Stunde«, antwortete Laurel. Diese geniale Idee war von ihr. Sie konnte nicht alle beschützen, aber immerhin konnte sie dafür sorgen, dass Ryan und Chelsea nichts passierte. Laurel fürchtete zwar nicht, dass die Orks für die beiden eine echte Gefahr darstellten, aber irgendwas an diesem Abend machte sie besonders paranoid.

»Viel Spaß«, sagte ihre Mutter und pappte den Deckel auf den Kaffeebecher. Sie nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »Bäh, der schmeckt ja ekelhaft. Die Bonbons sind übrigens da oben.« Sie zeigte auf einen Hängeschrank.

»Super! Danke, dass du sie besorgt hast.« Laurel lächelte vielleicht ein wenig zu sehr, aber sie wollte nichts unversucht lassen.

»Kein Problem. Und es sind genug da, du kannst ruhig auch welche essen.« Sie zögerte und ihre Blicke trafen sich. »Also, ich meine natürlich nicht dich persönlich. Du isst sie ja sowieso nicht. Aber David vielleicht oder Chelsea und Ryan – ich muss jetzt los.« Sie rauschte an Laurel vorbei, auf der Flucht vor der unangenehmen Situation. So war es ständig. Erst ging alles gut, aber dann wurde Laurels Mutter daran erinnert, wie sonderbar das Leben geworden war. Laurel seufzte. Diese Momente schlugen ihr aufs Gemüt. Sie wollte sich gerade in ihrer Enttäuschung suhlen, als ihre Mutter sich hinter ihr räusperte.

»Äh«, sagte sie zurückhaltend. »Du löst dich irgendwie auf.« Mit einem undeutbaren Blick starrte sie auf die drei Blütenblätter, die Laurel ausgefallen waren, während sie ihre Hausaufgaben machte. Ihre Mutter wollte wohl erst aus dem Haus stürzen, änderte jedoch ihre Meinung und hob eins der Blätter auf. Laurel saß ganz still und hielt die Luft an. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Ihre Mutter hielt die lange Blüte – die mit Sicherheit länger war als bei jeder anderen Pflanze, die sie je gesehen hatte – ans Fenster und gegen das Sonnenlicht. Als sie endlich etwas sagte, schaute sie Laurel an. »Darf ich … hast du was dagegen, wenn ich diese Blüte mit ins Geschäft nehme?«, fragte sie leise, fast schüchtern.

»Überhaupt nicht!«, sagte Laurel und wand sich, als sie hörte, wie ihre Stimme durch die Küche dröhnte – zu begeistert, zu fröhlich.

Aber ihre Mutter schien das gar nicht zu merken. Sie nickte und legte die Blüte vorsichtig in ihre Handtasche. Als sie auf die Uhr sah, holte sie scharf Luft. »Jetzt bin ich aber wirklich spät dran«, sagte sie und stürmte zur Tür. Nach zwei Schritten drehte sie sich noch mal um. Als kämpfte sie gegen eine unsichtbare Schranke, lief sie zu Laurel zurück und umarmte sie. So richtig.

Es war nur ein kurzer Moment – zu kurz –, aber die Umarmung war echt. Ihre Mutter ging ohne ein weiteres Wort. Ihre Absätze klackerten über den Holzboden, als sie die Tür öffnete und hinter sich zuschlug.

Lächelnd saß Laurel auf ihrem Stuhl. Es war ein kleiner Schritt, der am nächsten Tag schon nichts mehr zu bedeuten haben konnte, aber sie war bereit, ihn als solchen anzunehmen. Sie spürte noch die Berührung ihrer Mutter am Rücken, und ein Hauch ihres Parfüms hing in der Luft, so vertraut, wie wenn ein lang vermisster Freund heimkehrt.

Auf einmal ging die Haustür auf. Das Geräusch riss sie so ruckartig aus ihrer Träumerei, dass sie eine Seite zerknüllte und beinahe aufgeschrien hätte. Sie duckte sich hinter die Kochinsel in der Mitte des Raumes. Leise Schritte kamen auf sie zu. War es einem Ork gelungen, den Schutzwall rund um ihr Haus zu durchbrechen? Jamison hatte gesagt, nur die stärksten Orks hätten eine Chance durchzukommen, aber der Wall war nicht unüberwindbar.

Laurel dachte an die Wachtposten vor dem Haus. Wo waren sie? Die Schritte hielten am Treppenabsatz an. Er stand zwischen ihr und der Hintertür. Laurel nutzte den Moment und schnappte sich ein Küchenmesser von der Arbeitsplatte.

Das Fleischermesser. Super.

Vielleicht konnte sie ihn überrumpeln und mit dem Fleischermesser auf ihn losgehen. Ehe er sie fangen könnte, wäre sie schon zur Hintertür hinaus. Sie ging ein großes Risiko ein, aber das war ihre einzige Chance. Sie wäre in Sicherheit, wenn die Wächter sie aus dem Haus stürmen sahen. Laurel schlich zur Küchentür und hob das Messer. Die Schritte kamen näher.

Davids vertraute Gestalt bog um die Ecke. »Hilfe!«, schrie er und wich mit ausgestreckten Händen vor ihr zurück.

Laurel erstarrte. Sie umklammerte noch immer das Fleischermesser, während sie von Angst, Erleichterung und Scham überwältigt wurde. Angeekelt warf sie das Messer auf die Arbeitsplatte zurück. »Wie bin ich denn drauf?«

David kam zu ihr, zog sie an sich und rieb ihre Arme.

»Das ist meine Schuld«, sagte er. »Ich bin zu früh. Aber ich habe deine Mom getroffen, als sie aus der Einfahrt fuhr, und sie hat gesagt, ich soll einfach reingehen. Ich hätte nachdenken und klopfen sollen oder …«

»Es ist nicht deine Schuld, David, sondern meine.«

»Unsinn, es ist einfach … alles. Die Orks. Halloween. Klea …« Er raufte sich die Haare. »Wir stehen beide total unter Strom.«

»Ich weiß«, sagte Laurel, beugte sich vor und legte ihm die Arme um den Bauch. Sie zwang sich, das Thema zu wechseln. »Kurz bevor du gekommen bist, war es ganz schön mit meiner Mom.«

»Ach, echt?«

Laurel nickte. »Seit einem knappen Jahr warte ich darauf, dass es langsam besser wird. Vielleicht … wird’s allmählich. «

»Es wird sich alles klären.«

»Hoffentlich.«

»Ganz bestimmt«, sagte David und strich mit dem Mund über ihr Gesicht bis hinters Ohr. »Du bist viel zu schön, als dass man dir lange böse sein könnte.«

»Das ist eine ernste Angelegenheit!«, sagte sie, aber ihr Atem ging schneller, als er zärtlich mit den Lippen über ihren Hals fuhr.

»Oh, das auch«, sagte er und ließ seine Hände über die nackte Haut ihres Rückens gleiten. »Außerordentlich ernst.«

Sie lachte. »Du meinst doch nie etwas ernst.«

»Alles, was mit dir zusammenhängt«, sagte er und ließ seine Hände auf ihren Hüften zur Ruhe kommen.

Sie schmiegte sich an ihn, und er legte ihr die Hände auf den Rücken, ehe er sie Sekunden später wieder zurückzog.

»Was ist?«, fragte sie.

Er zeigte auf den Boden. Zwei weitere Blütenblätter lagen auf dem Teppich.

»Die sollten wir vielleicht besser aufheben, bevor Chelsea und Ryan kommen«, neckte er sie.

»Sehr lustig. Morgen oder übermorgen ist es vorbei damit. Gott sei Dank.«

»Wir können auch versuchen, sie jetzt sanft abzurubbeln«, schlug David vor und zeigte mit dem Kopf zum Sofa.

»Das klingt verführerisch«, sagte Laurel und trommelte mit den Fingerspitzen auf seine Brust. »Aber Chelsea und Ryan können jeden Augenblick kommen.«

»Die kann man gar nicht schockieren«, sagte David grinsend. »So wie die in der Schule rummachen – die ganze Zeit.«

Laurel sah ihn nur mit hochgezogener Augenbraue an.

»Na gut.« Er küsste sie noch mal und ging zum Kühlschrank. »Gibt es hier vielleicht auch noch was anderes zu trinken außer Sprite? Mountain Dew, zum Beispiel?«

»Gute Idee«, spottete Laurel. »Das würde meinen Augen und Haaren wirklich eine tolle Farbe verleihen. Außerdem würde mir von dem Koffein voll schlecht.«

»Ich habe ja auch nicht gesagt, dass du das trinken sollst«, erwiderte David und öffnete eine Dose Sprite für sie. »Ihr könntet es nur netterweise für andere Leute vorrätig haben.« Er machte sich auch eine Dose auf und setzte sich auf einen Barhocker. »Chelsea glaubt doch nicht etwa, dass wir uns schick machen, um Bonbons auszugeben, oder?«, fragte er und rümpfte die Nase.

»Nein, ich habe sie sicherheitshalber gefragt«, antwortete Laurel. »Außer mir macht sich keiner schick.«

»Aber du hast es vor?«, fragte David skeptisch.

»Jep. Ich schicke mich zum Menschen auf.«

David verdrehte nur die Augen. »Hätte ich mir denken können, dass so was kommt.« Er sah ihr zerknülltes Spanischbuch an. »Hausaufgaben?«, fragte er. »Das scheint deinem Buch schlecht zu bekommen.«

»Ich habe es versucht, bis du mich abgelenkt hast und ich dich beinahe mit dem Fleischermesser erledigt hätte.«

»Oh ja, das war lustig. Müssen wir demnächst noch mal machen.«

Laurel stöhnte und vergrub den Kopf in den Armen. »Ich hätte dich töten können.«

»Nichts da«, sagte David grinsend. »Ich war bestens vorbereitet.« Er griff nach hinten und zog die schwarze Pistole hervor.

Laurel hüpfte vom Hocker. »David! Du hast diese Pistole mitgebracht?«

»Ja«, antwortete er völlig unbekümmert.

»Die will ich nicht im Haus haben, David!«

»Hey, Moment mal«, sagte er und steckte die Pistole rasch wieder in ein verstecktes Halfter, das er hinten auf Hüfthöhe trug. »Dein Haus ist sicher … nun ja, so sicher, wie irgendetwas heutzutage überhaupt sein kann. Aber« – er sah sich um, als könnte es sein, dass sie belauscht würden – »Chelsea und Ryan übernachten heute hier. Und weil du wegen Halloween so nervös bist, bin ich auch etwas entnervt. Ich wollte bereit sein, für den Fall… für alle Fälle eben. Ehrlich gesagt dachte ich, du würdest dich auch sicherer fühlen. Da habe ich mich wohl vertan.«

Als er aufblickte und Laurel ansah, begegnete er ihrem bösen Blick mit entschuldigender und doch entschlossener Miene. Sie sah zuerst weg. »Es tut mir leid, aber ich hasse diese Teile.«

Er zögerte. »Wenn du unbedingt willst, bringe ich sie ins Auto.«

Es war nachvollziehbar, dass er etwas zu seiner Verteidigung haben wollte, aber ihre Abneigung gegen Waffen gewann die Oberhand. »Das wäre wirklich nett«, sagte sie leise. Als die Klingel schrillte, zuckte Laurel zusammen. »Sie sind da«, sagte sie verdrossen. »Versteck das Ding jetzt einfach. Ich will es nicht mehr sehen.«

Sie war gerade an der Küchentür, als David sie am Arm packte. »Deine Blüte«, flüsterte er. »Ich kümmere mich um die Blätter auf dem Boden.«

»Mist! Komme gleich!«, rief Laurel Richtung Haustür. Sie wickelte die Schärpe von ihrem Handgelenk und band sie eilig um ihre Taille. Im Augenblick musste sie die schlaffen Blütenblätter rasch außer Sicht bringen. Später konnte sie ins Bad gehen und alles ordentlich umwickeln.

David warf die abgefallenen Blätter weg, während Laurel die Tür öffnete. Sie lächelte Chelsea und Ryan herzlich an und hoffte, dass sie nicht merkten, wie aufgesetzt ihre Freude war. »Hallo, ihr zwei!«

Die beiden grinsten albern. Sie trugen neonfarbene Haarreifen mit Leuchtaugen, die an langen Sprungfedern über ihren Köpfen wippten.

Laurel zog eine Augenbraue hoch. »Toll«, sagte sie trocken.

»Nicht so toll wie das da«, sagte Chelsea und zeigte auf etwas in Laurels Rücken.

»Was?« Laurel drehte blitzschnell den Kopf, weil sie auf einmal voller Panik fürchtete, ihre Blütenblätter würden hochstehen. Doch kaum hatte sie das gemacht, wurde ihr etwas auf den Kopf gesteckt, und sie musste die Augen nach oben verdrehen, um ihr eigenes Exemplar schwankender Leuchtaugen zu sehen. »Vielen Dank«, sagte sie zuckersüß.

»Ach, hab dich nicht so«, sagte Chelsea. »Das macht voll Spaß!«

Laurel wandte sich skeptisch an Ryan.

»Sieh mich nicht so an«, sagte er. »Das ist alles auf Chelseas Mist gewachsen.«

»Na gut, ich lasse sie auf«, sagte Laurel mit einem verschwörerischen Grinsen. »Vorausgesetzt, ihr habt David auch so ein Ding mitgebracht.«

Chelsea hielt einen vierten Haarreifen hoch.

»Perfekt.« Laurel winkte Chelsea ins Haus und spähte in die Dämmerung, ehe sie die Tür hinter Ryan schloss.