33. Kapitel

 

Greg Koborski tippte nervös mit den Fingerspitzen auf die Platte des kleinen Küchentresens. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er sich zusammenzureimen, was in den letzten Stunden passiert war.

Wie immer in den letzten Tagen hatte er das Nachbarhaus im Auge behalten. Seine regelmäßigen Blicke aus dem Küchenfenster waren inzwischen beinahe schon zur Gewohnheit geworden.

Vor einer Weile war Tess nach Hause gekommen. Zu seinem Ärger war sie schon wieder in Begleitung dieses Kerls gewesen, mit dem sie in letzter Zeit anscheinend ständig zusammenhing. Beim Einkaufen hatte Greg erfahren, dass es sich dabei um den Bruder von Susannah MacIntyre handelte. Zum wiederholten Mal fragte er sich, was der wohl in Shadow Lake machte. Soweit Greg wusste, stammte Susannah von der Ostküste, und dort wohnte auch seine Familie. Es konnte eigentlich nur der Tod seiner Schwester sein, der ihn hierher geführt hatte. Aber warum? Ob er hier herumschnüffelte?

Greg atmete einmal tief durch. Es würde ihn jedenfalls nicht wundern, wenn MacIntyre über kurz oder lang bei ihm auftauchen und versuchen würde, ihn auszuquetschen. Immerhin war er derjenige gewesen, der die Leiche von Susannah am See gefunden hatte.

Er schüttelte sich kurz, um die Gedanken an sie zu vertreiben. Das war ein Kapitel in seinem Leben, das er besser vergessen wollte.

Außerdem beschäftigte ihn etwas Anderes momentan viel mehr: Er hatte genau beobachtet, was sich in der vergangenen halben Stunde abgespielt hatte.

Nachdem Tess und dieser Kerl ins Haus gegangen waren, hatten sie es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Diesmal hatten sie die Vorhänge am Wohnzimmerfenster nicht zugezogen, und Greg hatte mit eifersüchtigen Blicken verfolgt, wie sie gemeinsam Wein getrunken und sich dabei anscheinend bestens unterhalten hatten.

Doch dann hatte Greg plötzlich eine dunkle Gestalt entdeckt, die durch Tess` Garten geschlichen war. Er hatte versucht zu erkennen, wer es war, aber in der Dunkelheit war nur die schwarze Silhouette zu sehen gewesen. Die Gestalt war auf das Haus zugehuscht, hatte ausgeholt und etwas geworfen. Es musste etwas Schweres gewesen sein, denn der Knall der zersplitternden Fensterscheibe war so laut gewesen, dass sogar er in seinem Haus zusammengezuckt war.

Dann war die Gestalt blitzschnell wieder in Richtung Straße gerannt, in ein am Straßenrand abgestelltes Auto gestiegen und mit quietschenden Reifen weggefahren.

Gregs erster Impuls war gewesen, sofort zu Tess hinüberzurennen, um sich zu versichern, dass es ihr gut ging. Doch ein Blick durch das zerbrochene Fenster ins hell erleuchtete Wohnzimmer hatte schon ausgereicht, um festzustellen, dass ihr nichts passiert war.

Außerdem hatte sich dieser MacIntyre schon um sie gekümmert, dachte er verächtlich. Wahrscheinlich hatte er sich als großer Beschützer aufgespielt. Der Kerl ging ihm zunehmend auf die Nerven. Greg hätte es zumindest nicht gestört, wenn sein Nebenbuhler beim Zersplittern des Fensters ein paar Blessuren abbekommen hätte.

Kurze Zeit darauf hatte Greg auch noch mit ansehen müssen, wie Tess in Begleitung des Kerls das Haus verließ, eine große Tasche in der Hand. Dass sie jetzt auch noch bei ihm übernachtete, gab ihm den Rest. Frustriert trat er mit dem Fuß gegen den Küchentresen. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck. Er musste beinahe lachen.

»Verdammt, du entwickelst dich noch zu einem Stalker«, murmelte er sich leise selbst zu. Er nahm sich fest vor, in Zukunft keinen Gedanken mehr an diese Frau zu verschwenden. Es wurde sowieso Zeit, dass er sich endlich wieder mehr um seine Arbeit kümmerte.

Eine Sache allerdings bereitete ihm immer noch Kopfzerbrechen. Er hatte zwar die Gestalt nicht erkannt, die das Fenster des Nachbarhauses eingeworfen hatte, aber deren Auto kannte er ganz genau. Als er darüber nachdachte, schüttelte er den Kopf. Was brachte die sonst so brave, beinahe langweilige Bankangestellte Kate Reynolds dazu, so etwas zu tun?

See der Schatten - Kriminalroman
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