22. Kapitel
Am nächsten Morgen hatte Tess länger geschlafen als beabsichtigt. Wie schon in der Nacht zuvor hatte sie stundenlang wach gelegen und über die Geschehnisse in Shadow Lake nachgegrübelt. Erst in den frühen Morgenstunden war sie in einen unruhigen Schlaf gefallen. Als um sieben Uhr ihr Wecker geklingelt hatte, war sie noch so müde gewesen, dass sie ihn einfach ausgestellt hatte und liegen geblieben war.
Beim nächsten Blick auf das große Zifferblatt stellte sie fest, dass es bereits kurz nach halb zehn war. Sie erschrak. Sie war doch tatsächlich wieder eingeschlafen.
In Windeseile duschte sie und zog sich an. Dann stellte sie die Kaffeemaschine in der Küche an und schob sich noch rasch ein paar Kekse in den Mund. Gerade als sie fertig war, klingelte es an der Tür.
Tess zog sich schnell noch das Handtuch vom Kopf und öffnete. Auf der Veranda stand Ryan.
»Bin ich zu früh dran?«, fragte er mit einem schiefen Grinsen nach einem kurzen Blick auf Tess` immer noch nasse Haare.
Tess merkte, dass sie rot wurde. Sie war immer noch ein wenig verlegen wegen ihres heftigen Gefühlsausbruchs am See. Mit einer möglichst lässigen Antwort versuchte sie ihre Unsicherheit zu überspielen. »Nee, schon in Ordnung. Ich habe einfach nur schlecht geschlafen und heute Morgen ein bisschen länger gebraucht. Komm doch rein.« Sie hielt die Tür ganz auf und machte eine einladende Handbewegung.
Nachdem sie am Vorabend vom See zurückgekehrt waren, hatte Tess zuerst das Büro des Sheriffs über den Steinschlag verständigt. Sie hatte darauf bestanden, dass sich jemand die Stelle ansah und falls nötig absperrte. Dann hatten Ryan und sie sich noch ins Lakeview Inn gesetzt und gemeinsam eine Flasche Wein getrunken. Tess war zuerst skeptisch gewesen, als Ryan sie eingeladen hatte. Sie hatte gewusst, dass alle anwesenden Einwohner von Shadow Lake sie mit Argusaugen beobachten würden, wenn sie zusammen am Tisch saßen. Und ihr war auch klar gewesen, dass sie nach ihrer Heulattacke ziemlich übel aussah. Sie konnte sich gut vorstellen, welche Gerüchte jetzt bereits über sie im Umlauf waren.
Trotzdem hatte sie Ryans Einladung angenommen. Sie war froh gewesen, den Abend nicht allein verbringen zu müssen. Doch sie kannten sich noch zu flüchtig, als dass sie ihn schon ins Ellens Haus einladen wollte.
Die beiden hatten über sich selbst, ihre Arbeit und ihre Interessen geredet und sich dabei langsam besser kennengelernt. Nur ein Thema hatten sie den ganzen Abend nicht angeschnitten: die toten Frauen. Erst beim Abschied hatten sie verabredet, sich heute noch einmal gemeinsam die Ermittlungsakten zum Tod von Joanna und Ellens Notizen vorzunehmen.
Obwohl sich Tess davor fürchtete, wieder mit allen Details von damals konfrontiert zu werden, musste sie sich eingestehen, dass sie sich über Ryans Anwesenheit freute. Nach den letzten Tagen, in denen ihr fast alle Einwohner von Shadow Lake ablehnend gegenübergestanden hatten, gab es endlich jemanden, der offenbar gern mit ihr zusammen war.
»Sind das Bilder von deiner Tante?«, erkundigte sich Ryan, als er das Haus betrat und die vier großen Illustrationen entdeckte, die direkt neben der Haustür hingen. Tess hatte ihm im Lakeview Inn von Ellens Arbeit für mehrere Kinderbuchverlage erzählt. Die Bilder zeigten Szenen von Elfen, die an zierlichen Pulten inmitten riesiger Blumen saßen, und einem Zwergenlehrer zuhörten.
Tess nickte. »Die hat Tante Ellen für ein Kinderbuch entworfen, als ich gerade fünf oder sechs Jahre alt war. Damals war ich völlig hingerissen von den Elfen. Ellen musste sie für mich hier am Eingang anbringen, damit ich sie immer gleich sehen kann, wenn ich das Haus betrete. Ich hatte das Gefühl, sie würden mich vor allem Bösen beschützen.« Sie lächelte bei der Erinnerung daran.
»Sie gefallen mir.« Ryan begann zu grinsen. »Auch wenn ich das als Kind natürlich nie zugegeben hätte.« Er folgte Tess in Ellens kleine Küche, wo sie ihm eine Tasse Kaffee anbot, die er dankend annahm. Danach setzten sich die beiden an den Esstisch, auf dem Tess schon die Unterlagen aus der Schreibtischschublade bereitgelegt hatte.
Als sie ihm den großen braunen Umschlag zuschob, der die Tatortfotos enthielt, zitterten ihre Finger leicht.
Ryan bemerkte es und warf ihr einen prüfenden Blick zu. »So schlimm?«, fragte er leise.
Tess nickte. »Mach dich auf einen hässlichen Anblick gefasst«, warnte sie ihn vor.
Während er die Bilder aus dem Umschlag zog und anzusehen begann, beobachtete sie ihn genau. Schon beim Anblick des ersten Fotos wich die Farbe aus seinem Gesicht. »Oh mein Gott«, murmelte er und starrte fassungslos auf die Großaufnahme von Joannas Leiche. Dann sah er auf. »So schlimm hatte ich es mir ehrlich gesagt nicht vorgestellt. Jetzt verstehe ich, warum du gestern am See so aufgewühlt warst.« Er schüttelte erschüttert den Kopf und atmete laut aus. »Allein die Fotos reichen ja schon aus, dass einem ganz anders wird, aber du hast das Ganze ja im Original erlebt. Das muss schrecklich gewesen sein. Wie kommst du damit klar?«
»Es war beinahe nicht zu ertragen.« Tess gelang ein gequältes Lächeln. »Vergessen werde ich diesen Anblick nie. Aber irgendwie muss ich wohl damit weiterleben.«
Es kostete sie viel Überwindung, ebenfalls auf die Fotos zu sehen. Wie schon beim ersten Mal krampfte sie sich bei dem Anblick ihrer toten Freundin innerlich zusammen. Aber sie stellte erstaunt fest, dass sie es dieses Mal wesentlich besser ertragen konnte. Möglicherweise lag es daran, dass sie die Bilder schon kannte und auf das vorbereitet war, was sie erwartete. Vielleicht war es aber auch das Gefühl, alles nicht mehr ganz allein durchstehen zu müssen.
Ganz in Ruhe gingen Tess und Ryan die Fotos durch, wobei Tess auf jedes Detail einging und genau erklärte, was es damit auf sich hatte. Als eine Großaufnahme von Joannas Händen an der Reihe war, fiel es ihr jedoch schwer weiterzusprechen.
»Joanna muss sich mit aller Kraft gegen ihren Mörder gewehrt haben«, bemerkte Ryan nach einem Blick auf die vielen Schnittwunden, die sich über die Handflächen und sämtliche Finger zogen.
Tess schluckte schwer. Ihre Kehle fühlte sich rau wie Sandpapier an und ihre Stimme war heiser, als sie weitersprach. »Joanna war stark, eine echte Kämpferin. Aber was sollte sie schon gegen ein großes Messer mit scharfer Klinge ausrichten?«, fragte sie leise. Sie blätterte weiter und zog das Foto des blutigen Küchenmessers hervor.
»Wir haben das Messer aus der Küche meiner Tante mitgenommen, für das Picknick. Ich habe es immer gern benutzt, weil es so schön scharf war. Kurz davor habe ich noch Obst damit geschnitten.« Als Tess aufsah, standen Tränen in ihren Augen. »Hätte ich das Obst doch bloß schon vorher geschnitten und dieses blöde Messer hiergelassen!«
Sofort legte Ryan die Bilder zur Seite und wandte sich Tess zu. Sanft legte er ihr die Hand auf den Arm und sah sie eindringlich an. »Was immer passiert ist, ist nicht deine Schuld, verstehst du? Schuld hat ganz allein derjenige, der zugestochen hat!«
Schließlich nickte Tess zaghaft. »Ich weiß. Es ist nur …« Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich frage mich immer wieder, was passiert wäre, wenn ich an diesem Abend irgendetwas anders gemacht hätte. Wenn ich das Messer nicht mitgenommen hätte, oder wenn ich nicht zum Auto zurückgegangen wäre …«
»Dann wärst du jetzt vielleicht auch tot«, unterbrach Ryan sie ungeduldig. »Ich verstehe dich ja, aber hör auf, dir Vorwürfe zu machen, okay?«
Tess presste die Lippen aufeinander, doch dann nickte sie. »Okay, ich versuche es«, gab sie nach. »Lass uns weitermachen. Ich möchte das Ganze endlich hinter mich bringen.«
Sie legte das Bild von dem Küchenmesser zur Seite. Als Nächstes folgte das Foto eines Armbands, das in einer kleinen Blutlache auf einem flachen Felsen lag. Es bestand aus einer zierlichen Silberkette, an der kleine Silberkugeln und sternförmig geschliffene Türkise baumelten.
»Was ist das?«, wollte Ryan wissen.
»Joannas Armband. Sie muss es verloren haben, als sie sich gegen den Angreifer verteidigt hat.« Tess lächelte traurig. »Ich habe das Gleiche. Und die anderen Mädchen aus Shadow Lake, die mit uns in einer Klasse waren, auch. Wir haben es uns bei einem Schulausflug als Souvenir mitgebracht. Es gab uns ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Aber nach Joannas Tod habe ich es nicht mehr getragen. Irgendwie hatte ich immer dieses Bild vor mir, das Armband in der Blutlache.« Sie verzog das Gesicht. »Die Einzige, bei der ich das Armband dann noch gesehen habe, war Millie.«
»Millie Walls? Die Millie, die auch auf der Liste steht?«, hakte Ryan nach.
Tess nickte. »Irgendwie gruselig, oder?«
Ohne weiter darauf einzugehen, fragte Ryan: »Wie viele Armbänder gab es denn noch?«
»Insgesamt fünf. Außer Joanna, Millie und mir hatten noch Shannon Ciprati und Kate Reynolds eines.« Tess runzelte die Stirn. »Meinst du, die Armbänder haben etwas mit Joannas Tod und Millies Verschwinden zu tun?«
Einen Augenblick überlegte Ryan, dann zuckte er die Achseln. »Wahrscheinlich nicht. Mir fällt jedenfalls kein plausibler Zusammenhang ein, den es da geben könnte.«
Tess rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Der Anblick der Fotos hatte sie ziemlich mitgenommen, wenn auch nicht so schlimm wie erwartet. »Du hast recht«, meinte sie schließlich. »Es war wohl einfach Zufall. Claire und Susannah hatten ja auch keins der Armbänder.«
Nachdem sie die Akten und Ellens Notizen über den Mord an Joanna gemeinsam durchgegangen waren, beschlossen sie, eine kleine Pause einzulegen. Tess presste ein paar Orangen aus und füllte den Saft in zwei Gläser. Eine kleine Erfrischung konnten sie beide nach den grauenhaften Fotos gut gebrauchen.
Ryan stand währenddessen am Küchenfenster und blickte in den kleinen, aber gepflegten Garten hinaus.
»Deine Tante hat sich mit ihren Pflanzen viel Mühe gegeben«, bemerkte er nach einem Blick auf die geschickt verteilten bunten Blüten. »Ich habe selten einen so schönen Garten gesehen.«
»Ich denke sie hatte das, was man gemeinhin einen grünen Daumen nennt«, gab Tess lächelnd zurück. »Ich weiß nicht, wie es in den letzten Jahren gewesen ist, aber früher hat sie immer selbst Obst und Gemüse angebaut. Vor allem nach den frisch gepflückten Erdbeeren waren Jared und ich ganz verrückt.« Sie reichte Ryan das Glas mit dem Orangensaft.
Nachdem er einen großen Schluck getrunken hatte, fragte er vorsichtig: »Sag mal, vorhin, als wir über Joannas Tod gesprochen haben, hast du immer vom Täter oder vom Mörder geredet, aber nie von Jared.« Er musterte sie forschend. »Glaubst du eigentlich, dass er Joanna erstochen hat?«
Eine Weile schwieg Tess nachdenklich, dann seufzte sie: »Wenn ich das nur wüsste. Irgendwie bin ich in dieser Frage hin- und hergerissen. Manchmal bin ich ganz fest davon überzeugt, dass er so etwas niemals getan hätte, und dann wieder bekomme ich Zweifel und denke, er war es vielleicht doch. Weißt du, Jared war an sich sehr charmant und hilfsbereit. Für mich war er immer da. Wir sind ja zusammen aufgewachsen und er war für mich immer wie ein großer Bruder.«
Tess zögerte einen Moment. Sie drehte sich zum Fenster und starrte abwesend in den Garten, als sie weitersprach. »Aber andererseits war er auch sehr impulsiv und aufbrausend, manchmal sogar jähzornig. Im Streit hat er oft Dinge gesagt, die er hinterher bereut hat. Ich hatte schon einige Male Angst vor ihm, wenn wir uns wegen irgendwas heftig gefetzt haben. Aber er ist mir gegenüber nie handgreiflich geworden, zumindest nicht mehr, seit wir auf der Highschool waren. Deshalb will es mir auch nicht in den Kopf, dass er auf Joanna mit einem Messer eingestochen haben soll.«
»Kannst du dir irgendeinen Grund vorstellen, warum er und Joanna sich so heftig gestritten haben könnten? Lief da was zwischen den beiden? War er vielleicht eifersüchtig?«, hakte Ryan nach.
»Du meinst, ob sie ein Paar waren oder so etwas?« Tess lachte kurz auf. »Nein, mit Sicherheit nicht. Sie haben sich immer gut verstanden, aber nur rein freundschaftlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da tiefere Gefühle im Spiel waren, weder von seiner noch von ihrer Seite. Allerdings …« Tess stockte.
»Ja?«
»Da ist noch etwas, woran ich lange nicht mehr gedacht habe.« Tess kniff die Augen zusammen, als sie versuchte, sich genau an den Abend am See zu erinnern.
»Als wir am See angekommen sind und Jared kurz ans Wasser gegangen ist, wollte Joanna mir etwas erzählen«, fuhr sie fort. »Etwas, das für sie sehr wichtig war. Den Eindruck hatte ich zumindest. Aber dann kam Jared zurück und Joanna hat mich auf später vertröstet.«
Ryan sah sie aufmerksam an. »Und du meinst, das, was sie dir erzählen wollte, hatte etwas mit Jared zu tun?«
Angestrengt dachte Tess nach. Dann machte sie mit beiden Händen eine ratlose Geste. »Kann sein. Ich weiß es nicht«, gab sie mit matter Stimme zu.
»Ich fürchte, das bringt uns dann auch nicht weiter. Anscheinend hatte dein Cousin kein Motiv, Joanna umzubringen, zumindest keins, das uns bekannt wäre. Trotzdem sind wohl so ziemlich alle Einwohner von Shadow Lake der Meinung gewesen, dass er der Täter war«, wandte Ryan ein.
Tess goss sich noch ein Glas Saft ein, während sie antwortete. »Naja, verstehen kann ich das schon«, gab sie zu. »Es ist ja naheliegend. Er war an dem Abend am See und er ist seitdem nicht mehr gesehen worden. Außerdem war Jared nicht unbedingt ein Heiliger. Er hat ein paar Mal über die Stränge geschlagen und ist dabei auch ab und zu mit dem Gesetz in Konflikt geraten«. Dann wandte sie sich Ryan zu und sah ihm direkt ins Gesicht. »Das waren alles nur dumme Jungenstreiche, nichts Ernstes. Aber selbstverständlich hatte er dadurch hier im Ort seinen Ruf weg. Und als dann der Mord passiert ist, lag es natürlich auf der Hand, ihn zu verdächtigen. Er konnte sich ja auch nicht wehren.« Sie verzog unglücklich das Gesicht.
Ryan nickte nachdenklich. »Für alle anderen ist es selbstverständlich praktisch, wenn gleich ein Schuldiger feststeht. So kann man auf keinen Fall selbst in Verdacht geraten.«
»Nur meine Tante hat nie geglaubt, dass Jared der Täter war. Sie hat immer vermutet, dass jemand aus Shadow Lake nicht nur Joanna, sondern auch ihn umgebracht hat«, sagte Tess düster. »Und damit hat sie sich überall zur Außenseiterin gemacht.«
»Deine Tante wollte demnach beweisen, dass alle Mädchen auf ihrer Liste von demselben Täter getötet worden sind«, überlegte Ryan. »Das würde dann gleichzeitig bedeuten, dass Jared nicht der Mörder von Joanna sein kann.«
»Genau«, nickte Tess. »Ich denke, das wollte sie mit ihrer Liste bezwecken.« Sie ging zum Tisch heraus, nahm das Blatt Papier, auf dem ihre Tante die Namen notiert hatte, aus dem Ordner und legte es vor sich auf die Tischplatte.
Nehmen wir mal an, dass Ellen wirklich recht hatte«, schlug sie vor. »Dann müssten wir davon ausgehen, dass Millie tot ist, Claires Tod kein Unfall war und Susannah sich nicht das Leben genommen hat.«
»Und es würde wiederum bedeuten, dass alle Mädchen eine Verbindung zu ein und derselben Person gehabt haben müssen«, ergänzte Ryan. »Nur wird es nicht einfach werden herauszufinden, wer das war. Wenn der Täter wirklich ein Einheimischer aus Shadow Lake ist, können wir natürlich davon ausgehen, dass sowohl Joanna als auch Millie ihn kannten. Bei Claire sieht das aber ganz anders aus. Sie war ja nur ein paar Tage zu Besuch hier und kann eigentlich nicht so viele Leute kennengelernt haben. Und ganz schwierig wird es bei meiner Schwester.«
»Sie hat doch bei Red Devil Engines gearbeitet, oder?«, fragte Tess nach. Als Ryan nickte, fuhr sie fort: »Dann hatte sie zumindest einige Arbeitskollegen, die in Shadow Lake wohnen.«
Ryan grinste. »So ist es. Und ich habe sogar eine Liste von ihnen.« Er zog einen Zettel aus der Hemdtasche und faltete ihn auseinander. »Die habe ich aus der Ermittlungsakte zu dem Fall. Die Assistentin im Büro des Sheriffs war nicht gerade begeistert, als ich die Namen abgeschrieben habe.«
»Ruth Montgomery? Das kann ich mir vorstellen.« Tess lachte. »Solange ich die kenne, war die noch nie über irgendetwas begeistert. Es ist mir immer noch ein Rätsel, dass meine Tante mal mit ihr befreundet war. Die beiden hatten überhaupt nichts gemeinsam.« Dann wurde sie wieder ernst. »Wenn du die Namen sowieso schon hast, wäre es wahrscheinlich am besten, wenn du dich um die Kollegen von Susannah kümmerst. Dir als ihrem Bruder werden sie bestimmt mehr erzählen als mir. In der Zwischenzeit versuche ich etwas mehr über Millie und über Claire herauszufinden«, schlug sie vorsichtig vor.
Ryan lächelte. »Okay, du bist der Boss.«
»Naja, das nicht gerade.« Tess verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Aber so scheint es mir am sinnvollsten zu sein. Allerdings muss ich zuerst meinem Nachbarn hier einen Besuch abstatten. Vielleicht kann ich ihm ja Ellens Haus verkaufen.«
Als Ryan sich kurz darauf verabschiedete, hielt Tess ihn am Arm zurück.
»Ich muss dir noch etwas sagen«, begann sie leise. »Ganz egal, ob wir bei unserer Suche Erfolg haben oder nicht, ich bin dir wirklich dankbar für alles. Ich glaube, du bist im Moment der einzige Mensch auf der Welt, der mich nicht für völlig verrückt hält.«
Ryan sah sie einen Moment ernst an, dann gab er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Ich bin mir sicher, in ein paar Tagen hält ganz Shadow Lake uns beide für total verrückt«, meinte er mit einem schiefen Grinsen.