Kapitel 28

Das Erdbeben verursachte geringen Schaden. Selbst die Quelle, die für einige Tage versiegte, begann wieder zu fließen; das Wasser floss sogar üppiger denn Aber die Sturmwogen hatten alle meine Vorräte und Waffen, die in der Höhle eingelagert waren, vernichtet, ebenso das Kanu, das mich so viel Arbeit gekostet hatte, und die Kanus unterhalb der südlichen Klippen. Die Kanus waren der größte Verlust. Ich hätte einen ganzen Frühling und einen ganzen Sommer lang suchen müssen, um genügend Holz für ein neues Kanu zu finden. Ich machte mich daher am ersten schönen Morgen auf den Weg zur Küste, wo vielleicht irgendwelche angeschwemmten Trümmer umherlagen, die ich verwenden konnte. Zwischen den Felsbrocken am Fuße der südlichen Klippen fand ich, von Sand und Salzkrautflechten edeckt das Wrack eines Kanus. Ich grub es halb zug, aus, wozu ich einen ganzen Morgen brauchte, und säuberte es vom Schmutz; danach aber wusste ich nicht mehr weiter. Ich konnte die Sehnen entzweischneiden und die Planken auf dem Rücken die Klippen hinauftragen, je zwei aufs Mal, und von die Korallenbucht. Das dort über die Dünen in würde viele Tage beanspruchen. Oder ich konnte das Kanu hier auf dem Felsen bauen, auf die Gefahr hin, dass ein neuer Sturm es fortschwemmte, ehe ich mit der Arbeit fertig war. Zum Schluss tat ich weder das eine noch das andere. Ich wartete einen Tag ab, da das Meer ruhig dann stieß ich das Wrack auf dem Wasser vor mir her um die Landzunge und in die Bucht. Dort war, nahm ich es auseinander. Die Planken trug ich den Pfad hinauf bis zu der Stelle, die von den großen Wellen nicht mehr erreicht worden war. Entdeckte auch die Überreste meines eigenen Kanus. Es war weit in die Höhle neingeschwemmt worden und ich konnte die Trümmer nicht herausschaffen. Ich kehrte daher zu den südlichen Klippen zurück, wo ich in den Salzkrauthaufen wühlte, bis ich, das Wrack in der Bucht miteingerechnet, genügend Holz beisammenhatte, um mit dem Bau eines neuen Kanus zu beginnen. Der Frühling war schon merklich fortgeschritten, doch das Wetter blieb unbeständig. Fast jeden Tag fiel ein leichter Regen. Trotzdem machte ich mich ans Werk, denn ich brauchte ein Kanu, um frische Muscheln von den Riffen zu holen. An die Aleuter dachte ich, wie gesagt, nicht mehr, aber solange ich kein Kanu besaß, mit dem ich jederzeit überall hinfahren konnte, fühlte ich mich unbehaglich. Die Planken hatten alle ungefähr die gleiche Länge, das heißt die Länge meines Arms, sie stammten jedoch von verschiedenen Kanus und ließen sich daher nicht leicht aneinanderfügen. Die Löcher waren zumindest schon vorhanden, sodass ich mir die langwierige Bohrarbeit ersparen konnte. Eine weitere Hilfe bedeuteten die langen, schwarzen Pechschnüre, die von den großen Wellen an Land gespült worden waren. Es gab sonst nicht viele Stellen auf der Insel, wo ich das Pech, das ich benötigte, gefunden hätte. Nachdem ich die Planken sortiert und zurechtgeschnitten hatte, ging mir die Arbeit rasch von der Hand und im Spätfrühling konnte ich mit dem Abdichten beginnen. An dem Morgen, als ich ein Feuer anzündete, um das Pech über den Flammen zu erhitzen, ging ein starker, eisiger Wind und ich hatte große Mühe, das Holz richtig in Brand zu stecken. Ich ging daher an den Strand hinunter und raffte einen Arm voll trockenen Seetangs zusammen, mit dem ich das Feuer schüren wollte. Ehe ich mit meiner Last den Rückweg antrat, drehte ich mich noch einmal um und suchte den Himmel nach Wolken ab, denn der Wind fühlte sich an, als lauerte hinter ihm ein Sturm. Im Norden war es hell, aber im Osten, wo um diese Jahreszeit die Stürme heraufzuziehen pflegten, lagerten Schichten von grauen Wolkenbänken. In diesem Augenblick sah ich in den tiefen Schatten, welche die Wolken aufs Wasser warfen, noch etwas anderes. Ich vergaß, dass ich den Seetang trug. Ich warf die Arme hoch. Der Seetang fiel zu Boden. Ein Segel, ein Schiff schwamm dort auf dem Meer, auf halbem Weg zwischen dem Horizont und der Insel. Bis ich die Bergkuppe erreicht hatte, war das Schiff schon viel näher gekommen. Es kam schnell vorwärts im starken Wind. Ich sah, dass es nicht den spitzen, roten Bugschnabel des Aleuterschiffs hatte. Es sah auch nicht wie das Schiff der weißen Männer aus, an das ich mich deutlich erinnerte. Warum kam es zur Insel der blauen Delfine? Ich kauerte auf der Kuppe und fragte mich mit ochendem Herzen, ob die Männer wohl hierherseten, um Otter zu fangen. Wenn es Jäger waren, musste ich mich verbergen, ehe sie mich erblickten. Sie würden mein Feuer und das Kanu, das ich baute, bald entdeckt haben; doch ich konnte immer noch in meine Höhle bei der Quelle laufen, wo ich vermutlich vor ihnen sicher war. Vielleicht aber hatten meine Leute sie ausgeschickt, um mich zu holen, und dann durfte ich mich nicht verstecken. Das Schiff glitt langsam an den schwarzen Felsen vorbei in die Korallenbucht. Jetzt konnte ich die Männer sehen und es waren keine Aleuter. Sie ließen ein Kanu an der Bordwand hinunter und dann paddelten zwei Männer auf den Strand zu. Der Wind wehte jetzt so stark, dass sie kaum landen konnten. Schließlich blieb einer der beiden im Kanu zurück, während der andere, der Mann ohne Bart, ins Wasser sprang, den Strand überquerte und den Pfad heraufkam. Ich konnte ihn nicht sehen, nach einer Weile aber hörte ich ihn rufen, einmal, zweimal, und da wusste ich, dass er mein Feuer und das Kanu entdeckt hatte. Der Mann in der Bucht antwortete nicht, auch die Männer auf dem Schiff riefen nicht zurück, deshalb nahm ich an, dass er nach mir gerufen hatte. Ich kroch vom Felsblock herunter und eilte nach Hause. Da meine Schultern nackt waren, warf ich mir den Umhang aus Otterfell über. Ich nahm meinen Kormoranrock und die Abaloneschachtel, in welcher ich meine Halskette und die Ohrringe aufbewahrte. So machte ich mich mit Rontuaru auf n Weg in die Korallenbucht. Ich kam an der Wiese vorbei, wo meine Vorfahren bisweilen den Sommer verbracht hatten. Ich dachte an sie und an die glücklichen Zeiten, die nun hinter mir lagen, an die Tage und Nächte in meinem Haus auf dem Berg und an mein Kanu unten beim Pfad, das ich nun unvollendet zurücklassen würde. Ich dachte an viele Dinge; doch noch stärker war die Sehnsucht, dort zu sein, wo Menschen lebten, ihre Stimmen und ihr Lachen zu hören. Ich wanderte an dem Hügel vorbei, wo grünes Gras aus den weißen Muschelschalen spross. Und da ich den Mann nicht mehr rufen hörte, begann ich zu laufen. Als ich zu der Stelle kam, wo die beiden Pfade sich kreuzten und wo ich mein Feuer angezündet hatte, entdeckte ich Fußstapfen im Sand. Ich folgte ihnen den Hang hinunter in die Bucht. Das Kanu war zum Schiff zurückgekehrt. Der Wind pfiff jetzt schrill, Nebelfetzen wehten in den Hafen, die Wellen schoben sich immer höher an die Küste heran. Ich winkte mit der Hand und rief. Ich rief und rief, aber der Wind trug meine Stimme fort. Ich lief über den Strand und watete ins Meer. Die Männer sahen mich nicht. Es begann zu regnen und der Wind peitschte mir die Regentropfen ins Gesicht. Ich watete weit hinaus in das aufgewühlte Wasser und streckte die Arme nach dem Schiff aus. Es fuhr langsam durch die Nebelschwaden davon. Es fuhr nach Süden. Ich stand dort, bis es meinen Blicken entschwand.