Kapitel I2

Einmal vor vielen Jahren waren zwei Walfische an der Landzunge gestrandet. Den größten Teil ihrer Knochen hatten meine Leute als Schmuckstücke verwendet, der Rest aber lag immer noch dort, vom Sand halb zugedeckt. Ich fand eine ganze Anzahl Rippen, die ich vom Sand säuberte und auf den Platz trug, wo ich meinen Zaun errichten wollte. Die Rippen waren lang und an der Spitze gebogen. Nachdem ich Löcher in die Erde gebohrt und die Rippen hineingesteckt hatte, reichten sie mir immer noch bis über den Kopf. Ich steckte die Rippen dicht nebeneinander in den Boden, sodass sich ihre Kanten beinahe berührten. Ich achtete auch darauf, dass die gebogenen Spitzen nach außen ragten, dass niemand über sie hinwegklettern konnte. Über diese Pfähle hängte ich ein Netz aus vielen feuchten Salzkrautsträhnen, die sich beim Trocknen zusammenziehen. Anstelle des Salzkrauts hätte ich auch Robbensehnen verwenden können; sie sind viel stärker als Salzkraut, aber die wilden Tiere lieben Robbensehnen und hätten meinen Zaun in kurzer Zeit zernagt. Das Ganze kostete mich viel Mühe und hätte noch länger gedauert, wäre nicht der Felsen gewesen, der den Abschluss des Zauns und dessen eine Seite bildete. An einer besagten Stelle unterhalb des Zauns grub ich ein Loch, das mir als Eingang diente. Es war gerade breit und tief genug, um mich durchzulassen, wenn ich auf allen vieren kroch. Den Boden und die Seitenwände des kleinen Tunnels kleidete ich mit Steinen aus. Auf der Außenseite verhängte ich das Loch mit einer Matte aus Buschzweigen; innen versperrte ich es mit einem flachen Stein, den ich ohne großen Kraftaufwand beiseiteschieben konnte. Die Länge des Zauns maß acht Schritte. Mehr Platz brauchte ich nicht, um alle Dinge, die ich zusammengesucht hatte, aufzustapeln. Ich hatte als Erstes den Zaun erstellt, weil ich nicht länger auf dem Felsen schlafen konnte; die Nächte waren zu kalt und in dem Unterstand, wo mich die wilden Hunde jederzeit überfallen konnten, war an ein ruhiges Schlafen nicht zu denken. Die Arbeit an dem Haus erforderte bedeutend mehr Zeit als der Zaun. Das lag an den vielen Regentagen, noch mehr aber am Mangel an Holz. Es gab eine Sage in unserem Stamm, wonach einst hohe Bäume auf der Insel standen. Das war jedoch lange her, am Anfang der Welt, als Tumaiyowit und Mukat die Erde regierten. Diese beiden Götter stritten sich wegen vieler Dinge. Tumaiyowit wollte, dass die Menschen stürben, Mukat wollte es nicht. Schließlich geriet Tumaiyowit in Zorn und ging fort. Er ging mit allem, was er besaß, in eine andere Welt, eine Welt unter dieser Welt, und seither müssen die Menschen sterben. Zu jener Zeit also wuchsen hohe Bäume auf der Insel; jetzt aber gab es nur noch wenige und diese wuchsen vor allem in den Schluchten. Sie waren klein und krumm. Es war sehr schwierig, einen Baum zu finden, aus dem sich Pfosten schneiden ließen. Ich suchte tagelang, vom frühen Morgen bis tief in die Nacht hinein, ehe ich genügend Holz für das Haus beisammenhatte. Den Felsen benutzte ich als Rückwand. Vorne sollte das Haus offen sein, denn der Wind wehte selten aus dieser Richtung. Die Pfosten mussten alle die gleiche Länge haben. Ich sengte sie über dem Feuer an und zersägte sie an der verbrannten Stelle mit einem Steinmesser, das ich mir in umständlicher Arbeit angefertigt hatte, denn ich hatte, wie gesagt, keine Ahnung, wie man ein solches Werkzeug herstellt. Die Pfosten rammte ich in den Boden, je vier auf beiden Seiten. Für das Dach benötigte ich die doppelte Zahl. Ich befestigte sie mit Sehnen und bedeckte das Ganze mit weiblichen Salzkrautpflanzen, die sehr breite Blätter haben. Der Winter war schon halb vorbei, als das Haus fertig dastand. Ich schlief nun jede Nacht darin und fühlte mich hinter dem starken Zaun sicher und geborgen. Wenn ich kochte, kamen die Füchse und steckten schnuppernd ihre Nase in die Ritzen zwischen den Pfählen. Auch die wilden Hunde kamen wieder. Sie nagten an den Walrippen und knurrten, weil sie mir nun nichts mehr anhaben konnten. Wieder tötete ich zwei mit Pfeilen, doch den Anführer erwischte ich nicht. In der Zeit, da ich mich mit dem Zaun und dem Haus abmühte, ernährte ich mich von Schalentieren und Barsch. Den Barsch briet ich auf einem flachen Stein. Später sah ich mich nach einem Ersatz für die verlorenen Kochtöpfe um. An der Küste gab es eine Menge großer Steine, die das Meerwasser glatt geschliffen hatte. Fast alle waren kugelrund; ich fand jedoch zwei, die in der Mitte eine Vertiefung aufwiesen. Diese rieb ich mit Sand aus, bis sie für meine Zwecke groß genug waren. In den runden Löchern konnte ich nun meinen Fisch kochen, ohne dass die gute Brühe wie bisher verloren ging. Zum Sieden der Samenkörner und der Wurzeln benutzte ich einen Korb aus Schilfrohr. Ich hatte ihn selbst geflochten, denn aufs Flechten verstand ich mich gut. Meine Schwester Ulape hatte mir diese Kunst schon vor Jahren beigebracht. Ich ließ das Geflecht an der Sonne trocknen, dann holte ich ein paar Pechklumpen am Strand, weichte sie über dem Feuer auf und bestrich damit das Innere des Korbes, damit das Wasser nicht auslaufen konnte. Mithilfe von kleinen Steinen, die ich erhitzte und dann in eine Mischung aus Wasser und Körnern warf, brachte ich eine Art Schleimsuppe zustande, die ich sehr bekömmlich fand. Als Feuerstelle diente eine Vertiefung im Boden meines Hauses. Ich hatte sie von der Erde gesäubert und mit Steinen ausgekleidet. Im Dorf Ghalasat hatten wir jeden Abend ein neues Feuer angezündet; jetzt aber ließ ich das alte einfach weiterbrennen. Vor dem Schlafengehen bedeckte ich die Asche. Am Morgen entfernte ich die Asche und blies in die Glut. Damit ersparte ich mir viel Arbeit. Außer den Hunden und Füchsen gab es auch Mäuse auf der Insel. Sie waren grau und sie hatten es besonders auf die Reste meiner Mahlzeit abgesehen, die ich von einem Tag zum anderen aufzuheben pflegte. Um sie vor den Mäusen zu schützen, musste ich sie, wie auch die übrigen Vorräte, an einem sicheren Ort aufbewahren. Ein solches Versteck boten die Löcher und Spalten in der felsigen Rückwand meines Hauses. Ich säuberte sie und füllte sie mit Steinen aus. Da sie sich ziemlich hoch über dem Erdboden befanden, kamen die Mäuse nicht an sie heran. Als der Winter vorüber war und das Gras auf den Hügeln zu grünen begann, hatte ich mir ein wohnliches Heim geschaffen. Ich war vor Wind, Regen und wilden Tieren geschützt. Ich konnte mir jede Mahlzeit kochen, auf die ich gerade Lust hatte. Ich besaß alles, was ich zum Leben brauchte. Jetzt war es an der Zeit, daran zu denken, wie ich mich der wilden Hunde entledigen könnte. Sie hatten meinen Bruder getötet und es bestand kein Zweifel, dass sie auch mich töten würden, wenn ich ihnen nicht zuvorkam. Es konnte sich so fügen, dass sie mir über den Weg liefen, wenn ich zufällig keine Waffen bei mir trug, und dann, das wusste ich, war es um mich geschehen. Eines stand fest: Ich brauchte mehr und bessere Waffen. Ich brauchte einen größeren Speer, einen größeren Bogen und spitzere Pfeile. Viele Sonnen lang durchforschte ich die Insel nach Steinen und Holz und nachts arbeitete ich an den neuen Waffen, bis mir die Augen zufielen. Und da ich im schwachen Schein des Feuers nicht viel sah, fertigte ich nur aus kleinen Sai-sai-Fischen eine Anzahl Lampen an. Der Sai-sai ist silberfarben und nicht größer als ein Finger. In Vollmondnächten kommen diese winzigen Fische in Schwärmen an den Strand geschwommen, einer dicht neben dem anderen, sodass man auf ihnen fast wie auf einem Fell gehen könnte. Sie kommen mit den Wellen und winden sich im Sand, als ob sie tanzten. Ich fing viele Körbe voll Sai-sai ein, die ich zum Trocknen an die Sonne legte. Sie verbreiteten einen starken Geruch, wie sie da, die Köpfe nach unten, am Dachpfosten hingen; aber sie brannten sehr hell. Als Erstes schnitzte ich den Bogen und die Pfeile. Zu meiner Freude entdeckte ich gleich am ersten Tag, dass ich damit viel weiter schoss und viel besser traf als mit den alten Waffen. Den Speer hob ich mir bis zuletzt auf. Ich feilte und schabte an dem langen Schaft, bis er die richtige Form hatte; ich befestigte eine kleine Scheibe aus Stein, durch die ich ein Loch gebohrt hatte, an einem Ende des Schaftes, um dem Speer das nötige Gewicht zu geben; und bei alledem überlegte ich mir hin und her, wie ich es anstellen sollte, mir eine Speerspitze aus SeeElefanten-Zahn zu beschaffen. Unsere Männer hatten alle ihre Speerspitzen aus See-ElefantenZähnen geschnitzt, und ich sah nicht ein, weshalb mir nicht gelingen sollte, was ihnen gelungen war. Nächtelang dachte ich darüber nach. Irgendwie musste ich einen Weg finden, um eines dieser riesigen Tiere zu töten. Mit einem Salzkrautnetz konnte ich allein nicht umgehen; dazu bedurfte es der Kraft mehrerer Männer. Auch konnte ich mich nicht erinnern, dass ein Elefantenbulle jemals mit einem Pfeil oder mit einem Speer erlegt worden wäre. Man tötete ihn erst, nachdem er sich im Netz verfangen hatte, und als Waffe benutzte man eine Keule. Mit dem Speer konnte man höchstens die Kühe töten. Sie lieferten Fett und Tran, aber ihre Zähne waren zu klein und deshalb zu nichts zu gebrauchen. Ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte. Und doch, je mehr ich darüber nachdachte, umso bestimmter wusste ich, dass ich es versuchen würde, denn auf der ganzen Insel gab es nichts, das sich für Speerspitzen besser eignete als die Hauer eines Elefantenbullen.