Kapitel 14

Als ich das Haus erreichte, schmerzte mich das Bein so sehr, dass ich kaum mehr durch das Loch unter dem Zaun kriechen und den schweren Stein beiseiteschieben konnte. Fünf Sonnen lang lag ich untätig in meiner Hütte, weil das Bein so stark geschwollen war, dass ich unmöglich darauf stehen konnte. Auch hatte ich nicht daran gedacht, mir einen Vorrat an schmerzstillenden Kräutern anzulegen. Zu essen hatte ich genug, doch am dritten Tag drohte das Trinkwasser auszugehen. Ich wartete noch zwei Tage, bis kein Tropfen mehr im Korb war, dann musste ich mich wohl oder übel auf den Weg zur Quelle machen. Bei Sonnenaufgang brach ich auf. Ich nahm einen Korb voll Muscheln zum Essen mit, außerdem meinen Speer, den Bogen und die Pfeile. Ich kam nur langsam voran, weil ich auf allen vieren kriechen musste. Den Korb mit den Muscheln hatte ich mir auf den Rücken gebunden, die Waffen schleppte ich hinter mir her, so gut es ging. Es gab zwei Wege, die zum Bach führten. Ich wählte den längeren von beiden, obwohl er sich über weite Strecken durch dichtes Buschwerk schlängelte. In meinem Zustand war es mir unmöglich, der Abkürzung zu folgen, der Pfad war zu steinig und zu uneben. Der Abhang, an welchem sich die Quelle befand, bildete das Kopfende einer engen Schlucht. Als ich endlich deren Rand erreicht hatte, war die Sonne schon bis zur Mitte des Himmels vorgerückt. Von hier bis zur Quelle war es nicht mehr weit, weshalb ich mich ein wenig ausruhte und meinen quälenden Durst stillte, indem ich an dem saftigen Blatt eines Kaktusstrauchs kaute. Während ich dalag und den Saft aus dem Kaktusblatt saugte, tauchte im Gebüsch neben mir unvermutet ein grauer Hundekopf auf. Ich sah sofort, dass es der Anführer des wilden Rudels war. Er hielt die Schnauze gesenkt. Offenbar schnupperte er an meinen Spuren. Als er mich erblickte, gleich nachdem ich ihn entdeckt hatte, blieb er stehen. Hinter ihm drängten sich die anderen Hunde. Auch sie blieben stehen. Ich nahm meinen Bogen und spannte die Sehne. Doch noch ehe ich den Pfeil abschießen konnte, verschwand der graue Hund im Gestrüpp. Die anderen folgten. Alles ging so schnell, dass ich nicht einmal Zeit zum Zielen fand. Es war, als hätte ich Geister gesehen. Eine Weile lang horchte ich angestrengt. Die Hunde bewegten sich so leise durch die stacheligen Büsche, dass kein Tappen, kein Rascheln zu hören war. Trotzdem wusste ich, dass sie in der Nähe waren und dass sie versuchen würden, mich einzukreisen. Langsam kroch ich weiter. Von Zeit zu Zeit hielt ich an, um zu lauschen und zu spähen und um die Entfernung bis zur Quelle abzuschätzen. Das Bein brannte wie Feuer. Im Weiterkriechen ließ ich den Bogen und die Pfeile fallen, denn das Gestrüpp wurde immer dichter und die Waffen behinderten mich. Den Speer schleppte ich mit einer Hand mühsam nach. Ich erreichte die Quelle ohne weiteren Zwischenfall. Sie sprudelte aus einer Felsspalte und das Becken, aus welchem ich das Wasser schöpfte, war auf drei Seiten von höhen Felswänden umgeben. Aus dieser Richtung hatte ich keinen Angriff von den wilden Hunden zu befürchten. Ich streckte mich auf dem Boden aus und trank, wobei ich die Schlucht unter mir im Auge behielt. Ich trank in vollen Zügen und ließ auch meinen Korb mit Wasser volllaufen. Danach fühlte ich mich besser. Einige Schritte oberhalb des Wasserbeckens erblickte ich die Öffnung einer Höhle. Ich kroch darauf zu. Über der Höhle wölbte sich ein schwarzer Felsrücken. Dieser war mit niedrigem Buschwerk bestanden und über den Büschen konnte ich eben noch den Kopf des großen grauen Hundes erkennen. Er stand ganz still, aber ich spürte den Blick seiner gelben Augen auf mir, als ich mich der Höhle näherte. Hinter ihm tauchte ein zweiter Kopf auf, dann ein dritter. Die Hunde waren jedoch zu weit von mir entfernt, um ein sicheres Ziel für meinen Speer abzugeben. Plötzlich nahm ich eine Bewegung im Gestrüpp auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht wahr. Offenbar hatte sich das Rudel in zwei Gruppen aufgeteilt, die mir jetzt zu beiden Seiten der Schlucht auflauerten. Die Höhle befand sich dicht vor mir. Ich kroch hinein. Über mir konnte ich das Geräusch fliehender Pfoten und raschelnder Zweige hören, dann wurde es still. Ich war gerettet. Ich wusste, die wilden Hunde würden bei Einbruch der Dunkelheit zurückkommen, was sie auch taten, aber sie wagten sich nicht bis zur Höhle vor. Sie irrten scheinbar ziellos im Gebüsch umher, bis es Morgen wurde. Der Höhleneingang war niedrig und schmal. Drinnen aber bildeten die Felswände eine hohe Wölbung, sodass ich mühelos aufrecht stehen konnte. Von der Decke tropfte Wasser. Es war sehr kalt hier und ich besaß nichts, womit ich ein Feuer hätte anzünden können. Trotzdem blieb ich sechs Sonnen lang in diesem Versteck, bis mein Bein wieder gesund war. Und in dieser Zeit kroch ich nur ein einziges Mal ins Freie, um an der Quelle frisches Wasser zu holen. Ich beschloss, die Höhle als zweite Wohnstätte zu benutzen, für den Fall, dass ich wieder verletzt oder krank sein würde. Sobald ich mich stark genug fühlte, begann ich, sie herzurichten. Von der Höhle führte ein gewundener Gang tief in den Felsen, doch ich begnügte mich mit dem vorderen Teil, der gleich hinter dem Eingang lag und der zu einer bestimmten Zeit des Tages sogar von der Sonne erhellt wurde. Diese Höhle musste vor langer Zeit von meinen Vorfahren benutzt worden sein; wozu, weiß ich nicht. Aber jedenfalls hatten sie Zeichnungen in die Felswände geritzt. Sie hatten Pelikane gezeichnet, die fliegen oder sich auf dem Wasser treiben lassen, aber auch Delfine und Walfische, SeeElefanten, Möwen, Raben, Hunde und Füchse. Außerdem hatten sie neben dem Eingang zwei Mulden in den Fels gehauen. Diese wollte ich als Wasserbecken benutzen, da sie viel größer waren als meine Körbe. In den Ritzen und Löchern der Felswände würde ich, ähnlich wie in meinem anderen Haus, alle meine Vorräte verstauen - die getrockneten Abalonen, die gedörrten Fische und Früchte, die Samenkörner, alles, was ich im Laufe der Zeit gesammelt hatte. Ich holte auch Heilkräuter vom Hügel oberhalb der Quelle, damit ich sie bei Bedarf gleich zur Hand hatte. Meinen alten Bogen und die kleinen Pfeile brachte ich ebenfalls in der Höhle unter. Und ganz zum Schluss, nachdem ich aus Seegras ein weiches Lager aufgeschichtet und dürres Holz zum Anfeuern bereitgelegt hatte, versperrte ich den Eingang mit Steinen. Zuoberst ließ ich eine kleine Öffnung frei, die gerade groß genug war, um mich durchzulassen. All dies tat ich in Erinnerung an die beschwerliche Zeit, da ich krank und ohne Wasser in meiner Hütte gelegen hatte. Es war eine harte Arbeit, eine Arbeit für Männer, aber ich kehrte nicht eher in mein erstes Haus zurück, als bis ich mit allem fertig war. Bei Ebbe kletterte ich auf die Klippen, um mich nach den SeeElefanten umzusehen. Oben am Hang lag die Leiche des alten Bullen. Die Möwen hatten alles Fleisch von den Knochen gepickt. Ich fand jedoch, was ich brauchte. Die Zähne des Bullen waren etwa so lang wie meine Hand und halb so breit. Sie hatten gebogene Spitzen und einige waren zerbrochen, aber nachdem ich die am besten erhaltenen Zähne mit Sand geglättet hatte, besaß ich vier ausgezeichnete Speerspitzen mit breiten Sohlen und sehr scharfen Enden. Ich fertigte noch zwei weitere Speere an und so ausgerüstet konnte ich mich endlich auf den Weg zur Höhle der wilden Hunde machen.