KAPITEL 36

»Carl meint, ich hätte ein bisschen viel geredet. Scherzkeks.«

Hi saß auf dem Boden und spielte Tauziehen mit Coop. Der Welpe zerrte und knurrte und gab alles, was er hatte.

»Hm, lecker!« Shelton schaufelte Hundefutter in den Napf. »Karsten hat mich ganz schön in die Enge getrieben. Fast hätte ich es vermasselt.«

Coop schnüffelte in die Luft und trabte dann zu seinem Napf hinüber.

»Der verdächtigt uns«, sagte Ben.

Ich fragte mich im Stillen, ob ich den anderen vom Verlauf meines Gesprächs erzählen sollte. Ben hatte recht. Und Karsten hatte mir alles auf den Kopf zugesagt.

»Den Naiven zu spielen, hat bisher ganz gut geklappt«, entgegnete Shelton. »Meine Eltern haben nicht den geringsten Verdacht.«

»Wir müssen uns immer noch mit Dr. Arschloch herumschlagen. « Hi, immer so poetisch.

Wir hatten uns nach dem Abendessen getroffen. An den Wochenendabenden dürfen wir in der Regel tun und lassen, was wir wollen. Und wenn sie denken, dass wir am Strand sind, kommen wir im Bunker zusammen.

Shelton lächelte. »Aber deine Strategie war goldrichtig. Karsten hat nach vielen Details gefragt. Nach Bens Unglück, der dicken Frau, sogar nach dem Pudel. Ich kann euch sagen, der war total angepisst.«

Hi verbeugte sich im Sitzen. »Notlügen sind meine absolute Spezialität. Hättet ihr meine Eltern, dann wärt ihr jetzt auch Profis.«

»Der Typ hat sogar gefragt, wo ich mein Boot liegen habe«, sagte Ben. »Und dann hat er sich erkundigt, ob ich in letzter Zeit krank war. Wahrscheinlich wollte er mich nur aus dem Konzept bringen.«

In meinem Gehirn meldete sich eine winzige Alarmglocke.

»Was genau wollte er wissen?«, fragte ich.

»Ob ich krank war. Nichts anderes. Ich glaube, er hat sogar zweimal gefragt.«

»Komisch«, sagte Hi. »Mich hat er dasselbe gefragt. Hat mich auf dem falschen Fuß erwischt. Aber ich habe gelogen und meinen Ohnmachtsanfall auf dem Boot natürlich nicht erwähnt.«

»Mich auch!« Shelton machte Karstens Sprechweise nach. »Haben Sie sich in letzter Zeit unwohl gefühlt, Mr Devers? Abgeschlagen? Nichts dergleichen?« Er rollte mit den Augen. »Keine Ahnung, was er damit bezwecken will.«

»Karsten muss irgendeinen Grund haben«, entgegnete ich. »Mich hat er das nämlich auch gefragt.«

Eigentlich war es eine Anklage, keine Frage gewesen, aber das sagte ich nicht.

»Warum sollte es uns denn nicht gut gehen?« Shelton wischte Coop einen Rest Hundefutter von der Schnauze.

»Und warum interessiert ihn das?«, fügte Ben hinzu.

»Ich weiß es nicht.« Halb gelogen. »Der Einbruch hat doch während eines Gewitters stattgefunden. Vielleicht vermutet er, dass die Einbrecher sich erkältet haben.«

Die anderen schauten mich an, als wäre ich plemplem.

»Um ehrlich zu sein, hab ich mich in letzter Zeit wirklich nicht besonders gut gefühlt.« Hi klang ein wenig nervös. »Und warum bin ich auf dem Boot in Ohnmacht gefallen?

»Mach dir keine Sorgen. Ich bin auch nicht ganz auf der Höhe.« Ich zwang mich zu einem kurzen Lachen. »War ja auch eine anstrengende Woche.«

Von meinem eigenen Anfall wollte ich noch nichts sagen.

»Okay …«, begann Shelton zögerlich. »Ich wollte es eigentlich nicht erzählen, aber gestern hab ich echt was Komisches erlebt.«

Wir warteten gespannt.

»Als ich unter der Dusche stand, sind plötzlich meine Beine eingeknickt. Ich fiel hin und konnte mich nicht mehr bewegen. Mir war total heiß. Dann, zack, war alles wieder normal.«

Hörte sich so ähnlich an wie bei mir.

»Wie geht es dir seitdem?«, fragte ich.

»Gut, sehr gut sogar.«

»Genau so war es auch bei mir«, sagte Hi mit belegter Stimme. »Ich lag plötzlich auf dem Boden, hatte das Gefühl, innerlich zu brennen, und dann war alles wieder wie vorher. Aber seitdem fühle ich mich ein bisschen matt.«

»Ben?« Ich war immer noch nicht bereit, die anderen an meiner Geschichte teilhaben zu lassen.

»Nichts. Bin topfit.«

Kann auch ein Zufall sein. Jetzt bloß nicht in Panik geraten.

»Ist vielleicht nur eine Erkältung«, sagte ich. »Schließlich waren wir den ganzen Tag im Regen unterwegs.«

Shelton und Hi nickten, wirkten aber bedrückt. Das gab den Ausschlag. Ich würde meinen eigenen Anfall vorerst für mich behalten.

Dasselbe galt für Karstens Anschuldigungen. Es gab keinen Grund, die anderen noch mehr zu beunruhigen.

Themenwechsel.

»Wenn Karsten irgendwelche Beweise gegen uns hätte, dann würde er sie auch benutzen. Solange wir uns nicht selbst verraten« — ich schaute zu Coop hinüber –, »und Coop in unserem Versteck bleibt, kann uns nichts passieren. «

Klang doch überzeugend.

Wie aufs Stichwort stubste Coop Shelton in die Seite, weil er gekrault werden wollte. Als Shelton ihm den Gefallen tat, rollte sich der Welpe auf den Rücken und wedelte mit dem Schwanz. Er war so hinreißend, dass mir die Worte fehlten.

»Was sollen wir jetzt mit dem Wolfswelpen machen?«, fragte Ben.

»Wir suchen ein Zuhause für ihn.« Obwohl mir davor graute, Coop weggeben zu müssen, war er eine tickende Zeitbombe. Wenn Karsten ihn fand, würden wir ins Jugendgefängnis wandern.

»Wir müssen jemand finden, der absolut vertrauenswürdig ist«, sagte ich. »Irgendwo außerhalb der Stadt, wo Karsten ihm mit Sicherheit nicht über den Weg läuft.«

»Wie geht’s weiter mit Katherine Heaton?«, fragte Shelton. »Ich hab zwar noch nichts vor, aber ich hätte gern gewusst, ob für morgen ein Banküberfall oder so was geplant ist.«

»Du solltest für die Simpsons schreiben«, erwiderte ich grinsend.

»Ich werd drüber nachdenken«, sagte Shelton. »Aber im Ernst. Was machen wir mit Heaton?«

»Die Fingerabdrücke sind unsere einzige Spur. Wenn die zu nichts führt, weiß ich auch nicht weiter.«

»Wir sind also von Chance Claybourne abhängig.« Ben schüttelte den Kopf. »Na super.«

»Für einen stinkreichen Schnösel ist der doch gar nicht so unsympathisch«, erklärte Shelton.

»Also, ich pack’s dann.« Hi stand auf. »Ich hau mich aufs Ohr, ehe es mir noch schlechter geht. Bin schon paranoid genug.«

Hi sprach mir aus dem Herzen.

Die Jungs tätschelten Coop den Rücken, bevor sie nach draußen gingen. Er jaulte noch einmal, dann rollte er sich an seinem Platz zusammen und war im nächsten Moment eingeschlafen.

Wir brauchen bald eine Tür, dachte ich. Coop kann jeden Moment anfangen, durch die Dünen zu tollen. Ein echtes Problem.

»Träum was Schönes, mein Kleiner.«

Ich folgte den anderen hinaus in die Nacht.

VIRALS - Tote können nicht mehr reden - Reichs, K: VIRALS - Tote können nicht mehr reden
e9783641059323_cov01.html
e9783641059323_toc01.html
e9783641059323_ack01.html
e9783641059323_fm01.html
e9783641059323_p01.html
e9783641059323_c01.html
e9783641059323_c02.html
e9783641059323_c03.html
e9783641059323_c04.html
e9783641059323_c05.html
e9783641059323_c06.html
e9783641059323_c07.html
e9783641059323_c08.html
e9783641059323_c09.html
e9783641059323_c10.html
e9783641059323_p02.html
e9783641059323_c11.html
e9783641059323_c12.html
e9783641059323_c13.html
e9783641059323_c14.html
e9783641059323_c15.html
e9783641059323_c16.html
e9783641059323_c17.html
e9783641059323_c18.html
e9783641059323_c19.html
e9783641059323_c20.html
e9783641059323_c21.html
e9783641059323_c22.html
e9783641059323_c23.html
e9783641059323_c24.html
e9783641059323_c25.html
e9783641059323_c26.html
e9783641059323_c27.html
e9783641059323_c28.html
e9783641059323_c29.html
e9783641059323_c30.html
e9783641059323_c31.html
e9783641059323_p03.html
e9783641059323_c32.html
e9783641059323_c33.html
e9783641059323_c34.html
e9783641059323_c35.html
e9783641059323_c36.html
e9783641059323_c37.html
e9783641059323_c38.html
e9783641059323_c39.html
e9783641059323_c40.html
e9783641059323_c41.html
e9783641059323_c42.html
e9783641059323_c43.html
e9783641059323_c44.html
e9783641059323_c45.html
e9783641059323_c46.html
e9783641059323_c47.html
e9783641059323_c48.html
e9783641059323_c49.html
e9783641059323_c50.html
e9783641059323_c51.html
e9783641059323_c52.html
e9783641059323_c53.html
e9783641059323_c54.html
e9783641059323_p04.html
e9783641059323_c55.html
e9783641059323_c56.html
e9783641059323_c57.html
e9783641059323_c58.html
e9783641059323_c59.html
e9783641059323_c60.html
e9783641059323_c61.html
e9783641059323_c62.html
e9783641059323_c63.html
e9783641059323_c64.html
e9783641059323_c65.html
e9783641059323_c66.html
e9783641059323_c67.html
e9783641059323_c68.html
e9783641059323_c69.html
e9783641059323_c70.html
e9783641059323_c71.html
e9783641059323_bm01.html
e9783641059323_ata01.html
e9783641059323_cop01.html