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„Ich habe nichts Gutes über die Tunnel gehört“, sagte Remy, doch Maan schüttelte den Kopf und lächelte.

„Du machst Dir viel zu viele Sorgen, Remy. Ja, sie patrouillieren in ein paar der Tunnels, aber nicht in diesem hier. Vertrau mir.“

„Hast du auch nur einen überzeugenden Grund, warum ich dir dahingehend vertrauen sollte?“

Wieder lächelte der junge Mann ihn an.

„Nicht einen.“

Es hatte Remy irritiert, wie schnell sein junger Begleiter seinem Plan zugestimmt hatte, und sein Grund dafür schien auch nicht sonderlich überzeugend gewesen zu sein. „Ich habe nichts Besseres zu tun“, hatte Maan gesagt. „Warum also nicht?“ Und wieder waren seine Worte von diesem ansteckenden Lächeln begleitet gewesen. Er war ein Junge der Sorte, wie man sie in allen Kulturen finden konnte; ein unerschütterlich selbstbewusster, doch charmanter Jugendlicher.

Maan war überzeugt davon, dass er begriffen hatte, wie die Welt funktionierte, und Remy beneidete sein Selbstvertrauen. Er erinnerte sich an die Zeit, als die Welt auch für ihn noch einen Sinn ergeben hatte; er erinnerte sich an die Zeit, in der er geglaubt hatte, noch alles vor sich zu haben. Er wusste nicht, ob er Maan mochte, weil er einfach ein sympathischer Junge war, oder weil er ihm das Gefühl gab, wieder jung zu sein. Remy hatte nach einem Grund gesucht, warum er sich entschieden hatte, nach Zypern zu kommen und diese Reise fortzusetzen, die ihn eigentlich nichts anging. Und nun glaubte er, ihn vielleicht gefunden zu haben – er war ihm wortwörtlich auf den Kopf gefallen.

Aus diesem Grund fuhr er jetzt auf einem klapprigen, verrosteten Fahrrad auf die Grenze Nordzyperns zu. Sie befanden sich im Niemandsland, in der UN Pufferzone, der entmilitarisierten Zone zwischen den beiden Regionen, und waren nicht mehr als zwei winzige Fleckchen, die mit ihren abgefahrenen Reifen Staub aufwirbelten. Remy fiel es schwer, mit dem jungen Mann mitzuhalten, auch wenn er schon seit Tagen nicht mehr geraucht hatte – er hatte es einfach vergessen. Er war zu beschäftigt und besorgt gewesen, und doch musste er all seine Kraft aufwenden, nicht zu weit zurückzufallen.

„Mach langsamer!“, rief Remy, und der junge Mann bremste ab und wartete, bis dieser ihn eingeholt hatte, bevor sie mit gleichmäßiger Geschwindigkeit weiterradelten.

„Sie sind uns weit voraus“, sagte Maan beiläufig.

„Ich dachte, du wolltest nur von zu Hause weglaufen?“

„Nach der Geschichte, die Sie mir erzählt haben – wessen Interesse wäre da nicht geweckt? Selbst wenn nur die Hälfte davon wahr ist, würde ich sie gerne einholen.“

Remy war erstaunt über die Ausdauer des Jungen. Er hatte ihm die ganze Wahrheit erzählt, und diese Wahrheit beinhaltete eine ordentliche Menge Blutvergießens, doch er hatte keine Angst in Maans Augen gesehen. Er wollte wirklich Teil dieses Abenteuers sein. Remy fragte sich, ob es ein Fehler war, einen unschuldigen Teenager dieser Gefahr auszusetzen, doch er war sich nicht sicher, ob er eine große Wahl hatte. Er wusste nicht, wie er über die Grenze kommen sollte und Maan behauptete, es zu wissen.

„Wie weit ist es noch bis zu diesem angeblichen Tunnel?“, fragte Remy.

„Es ist kein angeblicher Tunnel. Er ist da, und er wird uns in den Norden bringen. Ist nicht mehr weit, vielleicht noch eine Meile.“

„Und woher weißt du, dass es ihn gibt?“

„Haben Sie wirklich gedacht, dass das das erste Mal ist, dass ich von zu Hause weglaufe?“

Remy konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. Welches Kind rannte von zu Hause weg direkt über die Grenze eines feindlichen Staats? Maan ließ seine eigenen Kindheitsprobleme so weit weg und unbedeutend erscheinen…

„Und jetzt wieder schneller“, sagte der Junge. Er trat in die Pedale und ließ Remy in einer Staubwolke zurück, bevor er protestieren konnte. Remy sah ihm nach und beschleunigte ebenfalls. Das war der Weg, den er gewählt hatte, und genau wie einige andere Männer in dieser Region hoffte auch er in diesem Augenblick, dass sein Vater stolz auf ihn wäre.

 

Die Jagd nach dem Heiligen Gral
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