37:

 

Gabriel Mizrahi war ein geduldiger Mann. Er befand sich in Santander und harrte der Dinge. Zumindest war sein alter Freund so nett gewesen, ihn in eine so schöne Stadt zu bringen. Seine treuen Mitarbeiter würden ihn finden. Es könnte eine Weile dauern, doch sie würden ihn finden. Er verbrachte seine Zeit damit, an den Booten zu arbeiten, stets begleitet von zwei namenlosen Wächtern. Unter den Männern, mit denen Gabriel arbeitete, gab es viele Gerüchte und Theorien darüber, wer die Männer waren, mit denen Gabriel lebte.

Es war eine wunderschöne Strandvilla, die er mit den beiden Männern teilte. Die anderen Männer, die an den Booten arbeiteten, versuchten, irgendetwas aus Gabriel herauszubekommen, doch Gabriel beharrte darauf, dass sie seine „Bodyguards“ waren, was nicht ganz gelogen war. Er ging nie näher darauf ein und erklärte auch nicht, warum ein Bootsbauer einen Bodyguard brauchte und erst recht zwei. Sie bekamen nichts aus ihm heraus. Er arbeitete und blieb allein. Er schien ein erfahrener Seemann zu sein, doch er redete nie davon, wo er in der  Vergangenheit gearbeitete hatte. Für die Männer am Strand war er ein Geschenk. In den Monaten, in denen Gabriel Mizrahi bei ihnen war, hatten sie beim Mittagessen immer ein Gesprächsthema.

Santander war eine überwiegend touristisch geprägte Stadt. Die Fischerei war das einzige, was noch wirklich traditionell war. Nicht, dass es kein schöner Ort war, doch man konnte wie die Touristen nur begrenzte Zeit die Straßen und Strände bestaunen, bevor sie verdorben und alltäglich wurden. Die Einheimischen blieben weitgehend unter sich und ihre Lieblingsplätze wurden nur selten von Touristen besucht – von ein paar ganz wagemutigen einmal abgesehen, die von ausgetretenen Pfaden abwichen.

Gabriel hatte kein Problem, sich in die lokale Routine einzuordnen und für sich zu bleiben. Ein paar der Männer an den Docks behaupteten, ihn gelegentlich im Stadtzentrum zu sehen. Dort kaufte er immer Bücher und trug sie an die Küste. Sie nahmen an, dass er eine Menge Zeit zum Lesen hatte, da er die Villa nur verließ, um zur Arbeit zu gehen und Bücher zu kaufen. Was war mit ihm los? Das sollten sie nie herausfinden. Eines Morgens kam er einfach nicht zur Arbeit und kehrte nie wieder zurück. Sie tratschten noch ein paar Wochen nach seinem Verschwinden über ihn, doch irgendwann vergaß das schläfrige kollektive Bewusstsein der Einwohner von Santander Gabriel Mizrahi, und es war, als wäre er nie da gewesen.

An dem Morgen, an dem er nicht mehr zur Arbeit gekommen war, hatte er es ernsthaft vorgehabt. Doch als er in der Frühstücksecke der Villa ankam, fand er seine beiden „Bodyguards“ zusammengesackt über ihren Kaffeetassen – tot. Vorsichtig hatte er ihren Puls gefühlt. Sie waren wirklich tot. Es stimmte ihn froh und keineswegs alarmiert. Er folgte seiner morgendlichen Routine wie an jedem anderen Morgen auch. Er rührte Pulverkaffee in das kochend heiße Wasser in seiner Tasse und setzte sich an den Fensterplatz der Essecke. Gleich mussten sie vorbeikommen. Er beobachtete, wie ein Tourist, der versuchte, Parasailing zu lernen, von einer Welle umgeworfen wurde und kicherte. Als er hörte, wie die Haustür der Villa geöffnet wurde, nahm er einen großen Schluck von seinem Kaffee und rieb seine Hände an seinem Seemanns-Overall. Er würde sich umziehen müssen und nahm an, dass sie Kleider für ihn mitgebracht hatten.

„Hallo“, sagte er, als sein Mitarbeiter in die Küche kam. „Gute Arbeit.“

„Mr. Mizrahi“, sagte der Mann und verneigte sich vor ihm. „Tut mir leid, dass wir so lange gebraucht haben, sie zu finden.

Gabriel hob die Hand, um den Mann und seinen anderen Mitarbeiter zum Schweigen zu bringen, der nun ebenfalls den Raum betrat.

„Ich danke Ihnen für Ihre Dienste. Ihnen beiden. Ich wusste, dass ich mich darauf verlassen konnte, dass sie mich finden würden. Wie lange es gedauert hat, ist dabei unwichtig. Santander ist schön, auch wenn die Einheimischen ein wenig neugierig sind.“

Er lachte, und seine Männer lachten mit ihm, wenn auch ein wenig irritiert über die gute Laune ihres Bosses.

„Wenn Reginald so schlau wäre, wie er immer tut, hätte er mich getötet, nicht wahr?“, sagte er und trank seine Tasse aus. Seine Männer schwiegen. „Schon in Ordnung“, sagte er. „Es ist nun einmal so. Er hat es nicht übers Herz gebracht. Doch jetzt wieder zurück an die Arbeit. Hat jemand eine Idee, wo wir als nächstes hin müssen?“

„Zurück nach Paris?“, fragte einer seiner Männer zögerlich.

Gabriel klatschte erfreut in die Hände.

„Ja, mein Freund! Ja! Wirklich gut gemacht!“

 

Die Jagd nach dem Heiligen Gral
titlepage.xhtml
part0000_split_000.html
part0000_split_001.html
part0000_split_002.html
part0000_split_003.html
part0000_split_004.html
part0000_split_005.html
part0000_split_006.html
part0000_split_007.html
part0000_split_008.html
part0000_split_009.html
part0000_split_010.html
part0000_split_011.html
part0000_split_012.html
part0000_split_013.html
part0000_split_014.html
part0000_split_015.html
part0000_split_016.html
part0000_split_017.html
part0000_split_018.html
part0000_split_019.html
part0000_split_020.html
part0000_split_021.html
part0000_split_022.html
part0000_split_023.html
part0000_split_024.html
part0000_split_025.html
part0000_split_026.html
part0000_split_027.html
part0000_split_028.html
part0000_split_029.html
part0000_split_030.html
part0000_split_031.html
part0000_split_032.html
part0000_split_033.html
part0000_split_034.html
part0000_split_035.html
part0000_split_036.html
part0000_split_037.html
part0000_split_038.html
part0000_split_039.html
part0000_split_040.html
part0000_split_041.html
part0000_split_042.html
part0000_split_043.html
part0000_split_044.html
part0000_split_045.html
part0000_split_046.html
part0000_split_047.html
part0000_split_048.html
part0000_split_049.html
part0000_split_050.html
part0000_split_051.html
part0000_split_052.html
part0000_split_053.html
part0000_split_054.html
part0000_split_055.html
part0000_split_056.html
part0000_split_057.html
part0000_split_058.html
part0000_split_059.html
part0000_split_060.html
part0000_split_061.html
part0000_split_062.html
part0000_split_063.html
part0000_split_064.html
part0000_split_065.html
part0000_split_066.html
part0000_split_067.html
part0000_split_068.html
part0000_split_069.html
part0000_split_070.html
part0000_split_071.html
part0000_split_072.html
part0000_split_073.html
part0000_split_074.html
part0000_split_075.html
part0000_split_076.html
part0000_split_077.html
part0000_split_078.html
part0000_split_079.html
part0000_split_080.html
part0000_split_081.html
part0000_split_082.html
part0000_split_083.html