Sulfur

Grundzug: das inspiriete Ego

Elementarer Schwefel ist immer mit Feuer assoziiert worden. Sulfur ist entzündlich und verbrennt mit einem Gestank, den man in der Nähe von Vulkanausbrüchen riechen kann, und Schwefel in seiner natürlich vorkommenden mineralischen Form ist angeblich der Stoff, der das Höllenfeuer nährt. Wenn Schwefelpulver auf die Haut kommt, führt es zu einer brennenden Reizung, deshalb wird Sulfur homöopathisch zur Behandlung von Hautkrankheiten eingesetzt. Sogar die gelbe Farbe von Schwefel erinnert uns an seinen Bezug zum Feuer. Der Sulfur-Mensch ist feurig in jedem Sinne des Wortes. Feuer war immer ein Synonym für den göttlichen Geist im Menschen, der den Lehm des materiellen Körpers belebt. Die meisten Sulfur-Menschen haben eindeutig ein spirituelles Element, das über den bloßen Intellekt hinausgeht.

Feuer ist auch ein Sinnbild für Leidenschaften, und es gibt keinen leidenschaftlicheren Typen als Sulfur, sei es nun in bezug auf die fleischlichen Gelüste, auf intellektuelle Inspiration oder romantische Liebe, oder sei es im Hinblick auf die grenzenlose Begeisterung für nahezu alles unter der Sonne. Was Sulfur interessiert, damit beschäftigt er sich leidenschaftlich. Feuer symbolisiert gleichzeitig den Zorn, und Sulfurs Lebhaftigkeit kann leicht in Reizbarkeit und Wutausbrüche umschlagen, wenn man sich seinem entschiedenen Willen widersetzt oder wenn er sich falsch verstanden fühlt. Schließlich ist Feuer auch ein Ausdruck für den Funken der Kreativität und des Genies. Sulfur-Menschen sind im allgemeinen sehr kreativ, besonders intellektuell. Ich glaube, daß echte Genies fast immer eine Sulfur-Konstitution haben und daß fast alle großen Geister aus der Geschichte der Wissenschaft und Philosophie Sulfur waren, von Sokrates bis Einstein, ebenso die größten der großen Komponisten. Die Welt wäre ein langweiliger Ort ohne die Inspiration, die Kreativität und die Exzentrizität von Sulfur.

Intellektuelle Inspiration

Die Gabe der Inspiration ist wahrscheinlich die charakteristischste Eigenschaft von Sulfur-Menschen. (Die einzigen Sulfur-Menschen, die nicht inspiriert sind, sind diejenigen, die einmal inspiriert waren, aber dann durch Enttäuschung und widrige Umstände zynisch geworden sind.) Wenn man einen Sulfur-Mann trifft, kann man ihn für eine inspirierte Seele halten oder auch nicht, je nachdem in welcher Stimmung er ist und was er von einem hält. Hat man jedoch die Gelegenheit, ihn näher kennenzulernen, erlebt man bald die ansteckende Begeisterung, mit der er seine Leidenschaften mit anderen teilt. Wenn er, wie viele Sulfur-Menschen, ein Intellektueller ist, erfährt man schon bald etwas von seinen Theorien und Meinungen. Kalium und Lycopodium sprechen auch gerne über ihr Wissen, aber sie tun es weitaus trockener und nüchterner als Sulfur, der es sichtbar genießt, seine Begeisterung mit jedem zu teilen, der bereit ist, ihm zuzuhören. Für den intellektuellen Sulfur haben Ideen etwas Inspirierendes, auf ganz ähnliche Weise wie für ein Kind, das zum ersten Mal damit in Berührung kommt. Inhaltlich kann es dabei um alles mögliche gehen, von der Struktur des Universums bis zu der Frage, wie man einem Tennisball den richtigen »Dreh« versetzt. Gleich welche Idee dem Sulfur-Menschen gefällt, sie wird seinen Geist beflügeln, und er wird sie schätzen und versuchen, sie anderen schmackhaft zu machen. Diese können jedoch häufig Sulfurs Begeisterung nicht teilen und wundern sich, wovon er so fasziniert ist.

Der Sulfur-Verstand neigt dazu, sich intensiv in das zu vertiefen, was ihn interessiert, und zwar mit einer Leidenschaft, die den betreffenden Menschen immer weiter zum Verständnis der Gesamtheit des Themas mit all seinen Verzweigungen und Unklarheiten treibt. Infolgedessen zeigt Sulfur im Hinblick auf seine Lieblingsthemen oft ein erstaunlich detailliertes Wissen, das vor allem bei solchen Sulfur-Typen überrascht, die nur eine geringe Ausbildung genossen haben und, wie so viele, Autodidakten sind.

Kent gibt in seinen Vorlesungen zur homöopathischen Arzneimittellehre eine schöne Beschreibung von Sulfurs fast fanatischer Methode, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er schreibt: »Sulfur bewährt sich bei Menschen, die ständig auf der Suche nach der letzten Ursache aller Dinge sind. Es hat einen Patienten geheilt, der nichts tat, als darüber nachzudenken, was die Ursache für dieses und jenes sei, schließlich alles bis zur göttlichen Schöpfung zurückverfolgte und dann fragte: »Und wer schuf Gott?«

Im allgemeinen interessiert sich Sulfur mehr für das große Ganze als für die Details (was typischer für Kalium carbonicum und Arsenicum ist). Der Genius Einsteins ist ein gutes Beispiel. Einstein war als Schüler eine Niete in Mathematik, wahrscheinlich weil er keine Lust dazu hatte, Rechenaufgaben um ihrer selbst willen zu lösen. Als er später jedoch über die Zeit, den Raum und die Struktur des Universums nachdachte, widmete er sich seinen Berechnungen mit großer Entschlossenheit und Genauigkeit. Das weist auf einen anderen sehr charakteristischen Zug von Sulfur hin, der seine persönlichen Interessen leidenschaftlich verfolgt, aber was ihn nicht interessiert, einfach links liegenläßt. Es ist fast unmöglich und nicht der Mühe wert, Sulfur dazu zu bewegen, daß er etwas tut, wozu er keine Lust hat, und wenn er sich doch dazu aufrafft, dann tut er es so halbherzig, daß er besser gar nicht damit angefangen hätte. (Ehefrauen und Eltern von Sulfur-Menschen wissen das nur zu gut.)

Sulfur-Menschen sind weit mehr als andere Typen geistige Visionäre. Ihnen geht es um die umfassendere Bedeutung neuer Kenntnisse, und gewöhnlich tun sie ihr Bestes, um ihre Vision zu verbreiten und zu realisieren. Der amerikanische Dichter Walt Whitman war ein gutes Beispiel für den visionären Sulfur. Er schrieb über das gemeine Volk, die Arbeiter, ihre Frauen und Kinder und ihren Alltag, und doch glorifizierte er sie gleichzeitig. In echter Sulfur-Manier ließ sich sein expansiver und optimistischer Geist inspirieren von den Wellen des Fortschritts, die den amerikanischen Kontinent in der Mitte des 19. Jahrhunderts überrollten. Daraus entstand Ich singe den Leib, den elektrischen, eine erhebende und leidenschaftliche Hymne auf das gemeine Volk, seine unerschöpfliche Energie und die glorreiche Zukunft, die es durch die industrielle Entwicklung und neue Technologien gestalten würde. Whitman glaubte, die Menschheit könne durch neue Technologien und wissenschaftlichen Fortschritt von Armut und Knechtschaft befreit werden, aber er sah nicht voraus, welche entsetzliche Langeweile und geistige Armut ein industrialisierter, materialistischer Lebensstil mit sich bringen würde. Wie die meisten Sulfurs war er von seiner wunderbaren Vision völlig eingenommen und dachte nicht an die Kehrseite.

Ich glaube, es ist symptomatisch für unsere Zeit, daß wir nicht mehr so viele Sulfur-Anführer haben wie im letzten Jahrhundert. Visionäre und inspirierte Anführer wie Abraham Lincoln oder der intellektuelle Liberalismus der Whigs in Großbritannien stimmten mit den Erwartungen der Menschen überein, die zu Beginn der Industrialisierung mit einer großen Zukunft rechneten, dabei aber immer noch die traditionellen Werte wie Ehrlichkeit, harte Arbeit und Loyalität gegenüber der Familie respektierten. Heute leben wir in einer weitaus zynischeren, materialistischeren Zeit, und die wenigen Sulfur-Visionäre, die an die Spitze des Staates aufsteigen, wie Winston Churchill und Jimmy Carter, werden meist sehr schnell von der Bürokratie kaltgestellt, die einer Gesellschaft dient, in der das finanzielle Wohlergehen wichtiger als alles andere ist. Eine Ausnahme ist Ronald Reagan, ein klassischer Sulfur-Typ, dem es mit seiner dramatischen Rhetorik gelungen ist, nach dem beschämenden Vietnamkrieg den Nationalstolz der Amerikaner wiederherzustellen. Daß er ohne Scham und aus tiefstem Herzen die traditionellen amerikanischen Werte wie Fleiß, Unternehmergeist und Unabhängigkeit wieder zu Leitbildern erklärte, hat ihm eine außerordentliche Popularität eingetragen, die es ihm ermöglichte, einen Skandal nach dem anderen zu überstehen, ohne daß etwas davon an ihm hängenblieb, was zu dem Spitznamen »the non-stick president« (der Präsident mit Antihaftbeschichtung) führte. Er hatte vielleicht seine Schwachstellen, wenn es um politische Details ging, aber das wurde in den Augen der Wähler durch sein Charisma und seine idealistische Vision aufgewogen.

Der inspirierte Sulfur-Verstand kann ebenso originell wie unerschöpflich sein (Kent: »Ideen im Überfluß, Klarheit des Geistes«). Weil sie offen für die übergreifenden Zusammenhänge einzelner Beobachtungen waren, haben viele große Sulfur-Denker umfassende gedankliche Systeme entwickelt und ihren jeweiligen Disziplinen zu einem besseren Verständnis verholfen. Ich bin sicher, daß beispielsweise die meisten großen europäischen Philosophen der letzten drei Jahrhunderte Sulfur-Menschen waren. Abstraktes Denken fällt Sulfur leicht (Kent: »philosophische Manie«), und sogar der Sulfur-Bauer oder -Arzt hat wahrscheinlich eine Vorliebe für Philosophie, die dann gewöhnlich hausgemacht ist. Ich habe einmal einen Koch behandelt, der entlassen worden war, weil er mehr Zeit damit zubrachte, mit anderen über den Sinn des Lebens zu reden, als zu kochen. Er nahm sein Mißgeschick sehr philosophisch und erklärte mir, seine Kollegen seien nicht daran schuld, daß sie unfähig seien, die tiefere Bedeutung des Lebens zu erkennen. Während der Fallaufnahme wirkte er angeregt und fand besonderen Gefallen daran, mir seine Einsichten über die menschliche Natur, Spiritualität und dergleichen mehr mitzuteilen. Ich konnte zwar mühelos nachvollziehen, warum er entlassen worden war, aber ich genoß es in vollen Zügen, an seiner Begeisterung teilzuhaben. Seine geringfügigen körperlichen Beschwerden waren nach einigen Dosen Sulfur vollkommen beseitigt, aber ich behandelte ihn nicht lange genug, um herauszufinden, ob das Mittel ihm auch geholfen hat, einen Arbeitsplatz längerfristig zu behalten.

Die Faszination des Sulfur-Intellektuellen für ein bestimmtes Thema führt dazu, daß er sich immer intensiver damit beschäftigt, und im Laufe der Zeit entdeckt und sammelt er dabei wahrscheinlich einen Berg von Informationen, deren überwiegender Teil nur ihm bekannt ist. Ein gutes Beispiel dafür ist der Pionier der Psychiatrie, C. G. Jung, der eine völlig neue Schule der analytisehen Psychologie entwickelte. Jungs Einsichten in das menschliche Unterbewußtsein waren ebenso revolutionär und nützlich wie die seines ursprünglichen Mentors Sigmund Freud, aber sie waren wesentlich abstrakter und spiritueller als die Erkenntnisse Freuds. Freud könnte gut ein Arsenicum gewesen sein, wenn man bedenkt, wie leidenschaftslos er das Bewußtsein seiner Patienten analysierte und dabei zu einer sehr starren und begrenzten Sichtweise der Menschheit kam, bei der sich das menschliche Bewußtsein nicht wesentlich von dem eines Tieres unterscheidet, das von der Gesellschaft gezwungen worden ist, seine ursprünglicheren Instinkte zu unterdrücken und in ein sozialeres Verhalten umzuwandeln. Im Gegensatz dazu sah der mehr spirituell orientierte Jung den Menschen als Erben eines göttlichen Kerns, den er das »kollektive Unbewußte« nannte, welches sowohl tierische Instinkte als auch weitaus subtilere Triebe zur »Ganzheit« enthält.

Jung hatte einen phantastischen Intellekt, und in echter Sulfur-Manier war er nicht nur in der Welt der objektiven Wissenschaft zu Hause, sondern auch in den höheren Reichen der Philosophie, der Mythen und Legenden. Nichts könnte den Unterschied zwischen dem reduktionistischen Verstand von Arsenicum (oder Kalium) und dem synthetisierenden Geist von Sulfur besser verdeutlichen als die Theorien von Freud und Jung über Mythen und Legenden. Freud glaubte, daß alte Legenden, die Jahrtausende überdauert hatten, der Versuch des Menschen sind, seine animalischen Instinkte darzustellen und ihnen einen Sinn zu verleihen, besonders seiner Aggression und seinen sexuellen Impulsen. Im Gegensatz dazu meinte Jung, der sein Leben lang die Mythologie studierte, Legenden seien die spontanen Produkte des kollektiven Unbewußten und enthielten verborgene Weisheit, die darauf warte, von sensiblen Geistern entdeckt zu werden. Jungs Ziel war ein System der Psychotherapie, aus dem »selbstverwirklichte« Individuen hervorgehen sollten, das heißt Menschen, die sowohl zur kosmischen Ebene als auch zur mythischen Ebene der Dichter und der Heiligen Zugang haben. Im Vergleich dazu hatte Freud ein bescheideneres Ziel: Er strebte eine Therapie an, die »volle Genitalität« herstellen sollte, so daß der betreffende Mensch die sexuelle Beziehung zu seinem Partner oder seiner Partnerin uneingeschränkt genießen konnte.

Ebenso bezeichnend sind die Meinungen, die diese beiden großen Denker im Hinblick auf die psychologischen Abwehrmechanismen vertraten. Freud sah die Neurose als Schwächung der erwünschten Abwehrmechanismen und versuchte, mit seiner Therapie die Abwehr des Patienten gegen seine unterbewußten Triebe zu stärken. (Diese Abwehr ist bei niemandem stärker als bei Arsenicum.) Im Gegensatz dazu sah Jung psychologische Abwehrmechanismen als Blockaden gegen die erleuchtenden Erfahrungen des kollektiven Unbewußten. Er versuchte, seine Patienten in das unbekannte Terrain jenseits ihrer Verteidigungswälle zu führen. Wie die meisten Sulfurs war Jung ein Forscher und Visionär, und er war bestrebt, seine Patienten auf eine phantastische Entdeckungsreise mitzunehmen.

Jungs gesammelte Werke zu lesen ist eine hervorragende Einführung in die Art, wie ein Sulfur-Genie denkt. Jung verbindet einzelne Informationsfäden aus verschiedenen Quellen und webt daraus ein schwindelerregend kompliziertes Bild der Psyche. Seine erschöpfende und subtile Analyse der Symbole reicht aus, um den engagierten Studenten jahrelang schwitzen zu lassen bei dem Versuch, das alles in seiner vollen Bedeutung zu verstehen, ohne daß er dabei je bis zu Jungs Abhandlungen über die »Komplexe«, Persönlichkeitstypen und eine Fülle anderer, ähnlich detaillierter und abstrakter Themen kommen würde. Genauso schwierig ist es für den gewöhnlichen Sterblichen (oder sogar den gewöhnlichen Intellektuellen), die enorme Bedeutung der Theorien eines anderen Sulfur, Albert Einstein, zu erfassen, und sogar die Mysterien des Organon und anderer Werke des Begründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, machen dem Leser Mühe, wenn seine grauen Zellen all diese abstrakten Theorien aufnehmen sollen.

Keine Abhandlung über Sulfur wäre vollständig, ohne Hahnemann selbst zu berücksichtigen. Der Begründer der Homöopathie war zweifellos ein intellektuelles Genie, und er zeigte eine Menge von klassischen Sulfur-Persönlichkeitszügen. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß Sulfur der Grundstein des therapeutischen Arsenals von Hahnemann war. Homöopathen haben schon seit langem erkannt, daß sie ihren eigenen Konstitutionstyp meist ungewöhnlich oft unter ihren Patienten finden.

Hahnemann hatte ein umfassendes Wissen über viele Gebiete jenseits der konventionellen Medizin seiner Zeit. Er hatte die Schriften der alten Ärzte wie Hippokrates und Paracelsus studiert, und er interessierte sich sehr für die philosophischeren Aspekte der Krankheit, was man feststellen kann, wenn man das Organon und Die chronischen Krankheiten liest. Hahnemanns nachdrücklicher Hinweis darauf, man müsse die »Lebenskraft« des Patienten stärken, ist ein Beispiel für Sulfurs Fähigkeit, abstrakte und konkrete Informationen zu einem Ganzen zu verschmelzen. Weil er einen Blick für das Ganze hatte, wenn er die Gesundheit eines Patienten betrachtete, konnte Hahnemann eine so mächtige therapeutische Methode entwickeln, die das psychische und allgemeine Wohbefinden des Patienten höher bewertet als die meisten anderen Therapien. Wenn Homöopathen Hahnemanns konstitutionellen Ansatz aufgeben, haben sie bei ihren Patienten wahrscheinlich weniger Erfolg.

Viele Sulfur-Intellektuelle haben die Gabe, die Zuhörer mit ihrer eigenen Begeisterung für ihr Lieblingsthema anzustecken. Ein gutes Beispiel dafür ist der exzentrische Astronom Patrick Moore, der seit vielen Jahren auf den britischen Bildschirmen erscheint. Das eine Auge geschlossen, während das andere mit fast manischer Intensität blickt, beginnt er eine Geschichte über einen neuentdeckten Asteroiden mit dem Eifer eines auf die Bibel schlagenden Predigers, gestikuliert dabei mit seinen Händen und hebt seine buschigen Augenbrauen zum Himmel, der ihn so fasziniert. Wie viele Sulfurs spricht Patrick Moore sehr schnell, wenn er erregt ist (Kent: »Beredsarnkeit«), weil er der Welt soviel mitzuteilen hat. Sein widerspenstiges Haar und seine Fliege ergänzen die typische Sulfur-Erscheinung des exzentrischen Professors und machen ihn beliebt beim Publikum, das seine komische Person mindestens genauso schätzt wie seine Informationen. Ein anderer, etwas komisch wirkender Sulfur-Wissenschaftler, der wissenschaftliche Themen in der britischen Öffentlichkeit populär gemacht hat, ist Magnus Pyke. Sein wildes Gestikulieren und seine dramatischen Beschreibungen physikalischer Phänomene haben ihn zu einem festen Begriff werden lassen. Selbst sein Name scheint überlebensgroß (»Magnus«), eine Eigenschaft, die Sulfur-Menschen so unterhaltsam macht und dafür sorgt, daß sie häufig in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Überlebensgroß

Ob sie nun im öffentlichen Blickpunkt stehen oder nicht, die meisten Sulfur-Menschen haben eine Tendenz, dramatisch und enthusiastisch zu sein und in einem größeren Rahmen zu handeln als die meisten anderen Leute. Einige von ihnen sind tatsächlich körperlich groß – Visionäre wie William Blake und William Wordsworth, Denker wie Albert Einstein und C. G. Jung, politische Führer wie Winston Churchill und Abraham Lincoln. Andere werden von wahrer Größe inspiriert, und weil ihre geistige Einstellung mit der ihrer Helden in Resonanz steht, können sie ihrerseits andere Menschen, zumindest bis zu einem gewissen Grad, inspirieren. Die geistige Einstellung ist eine Eigenschaft, die sich schwer definieren läßt; man muß sie fühlen und an ihren Früchten erkennen. Sulfurs geistige Einstellung ist expansiv und mündet in grenzenlose Begeisterung, Dramatik und Exzentrizität.

Die meisten Sulfurs sind extrovertiert und in ihrem Selbstausdruck keineswegs schüchtern. Im Grunde genießt der durchschnittliche Sulfur nichts mehr als ein Publikum. Die besten Erzähler sind beispielsweise immer Sulfur. Während andere Typen wie Lycopodium und Natrium einen dramatischen Tonfall annehmen, um ihre Geschichte interessanter zu machen, braucht Sulfur nur er selbst zu sein, um seine Geschichte zum Leben zu erwecken. Er muß nicht lernen, wie man dramatisch oder leidenschaftlich ist; er ist einfach dramatisch und leidenschaftlich. Deshalb sind viele Entertainer Sulfur. Außerdem hat Sulfur im allgemeinen so viele Interessen, und seine Lebenserfahrungen sind dank seiner furchtlosen, abenteuerlustigen Natur so vielfältig, daß er in der Regel viele Geschichten zu erzählen hat. Sir Peter Ustinov ist ein gutes Beispiel. Wie viele Sulfurs ist er ein Weltbürger, nicht nur, weil er weit gereist ist, sondern auch, weil er den für Sulfur typischen Weitblick hat. Die meisten Sulfur-Menschen haben mehr Gemeinsamkeiten mit anderen fortschrittlichen, zukunftsorientierten Menschen in der ganzen Welt als mit ihren eigenen Nachbarn. Ustinov scheint überall gewesen zu sein, jeden getroffen zu haben (wenn man seinen Geschichten glaubt), und doch klingt er, wenn er über seine Abenteuer berichtet, weder arrogant noch wie jemand, der am Rockzipfel der Reichen und Berühmten hängt. Wie viele Sulfurs hat er eine natürliche, würdevolle Ausstrahlung und bleibt er selbst, ob er nun in einer Bar in Brooklyn sitzt oder beim Dinner mit Angehörigen der königlichen Familie. Der Ritterschlag paßt gut auf Sulfurs breite Schultern, ohne lächerlich oder pompös zu wirken, wie das bei anderen oft der Fall ist.

Die meisten Sulfur-Menschen haben eine große Begabung, sich mit allen möglichen anderen Leuten zu identifizieren oder mit ihnen Beziehungen einzugehen. Ihre expansive Geisteshaltung schließt die Liebe zu Männern und Frauen aller Klassen und Konfessionen ein und erlaubt ihnen, mit jedem, der ihnen über den Weg läuft, jovial umzugehen und ins Gespräch zu kommen. Hier muß man zwischen Sulfur und dem Lycopodium-Alleswisser unterscheiden, der auch mit jedem spricht, weil er mit seinen Kenntnissen angeben will. Letzterer ist viel gehemmter und eher beleidigt, wenn er Ablehnung oder Widerspruch erfährt. Sulfur nimmt das philosophischer, genießt die Auseinandersetzung, wenn das Publikum nicht seiner Meinung ist, und geht gelassen seiner Wege, wenn die Zuhörer das Interesse verlieren. Er kann jedoch genauso ermüdend sein wie der Lycopodium-Alleswisser, weil er sich von seinem Lieblingsthema davontragen läßt und endlos redet, wobei er die Höflichkeit der Zuhörer als Interesse mißdeutet.

Ein anderer geselliger Typ, den man mit Sulfur verwechseln kann, ist der Natrium-Mann, der ziemlich viel Selbstvertrauen hat, aber Wert darauf legt, daß ihn jeder mag. Er ist extrem höflich, redet aber selbst völlig Fremde unaufgefordert mit ihrem Vornamen an, auch seinen Arzt und den Bankdirektor. Er redet geschliffen über fast alles, aber hinter dem, was er sagt, steckt kein echtes Gefühl. Es ist alles nur Schau, um die Leute zu beeindrucken. Im Gegensatz dazu kümmern sich die meisten Sulfurs nicht darum, ob sie andere Leute beeindrucken oder nicht. Sie sind zu sehr am Gesprächsthema interessiert und genießen es viel zu sehr, ihre Wärme und Begeisterung mit anderen zu teilen. Es gibt natürlich Ausnahmen – gemeine oder asoziale Sulfurs, arrogante oder sogar furchtsame Sulfurs, aber solche Ausnahmen bestätigen nur die Regel.

Shakespeares Falstaff ist ein klassisches Beispiel für einen in jeder Hinsicht überlebensgroßen Sulfur. Obwohl er nur eine phantastische Fiktion ist, fällt es einem nicht schwer, eine Beziehung zu ihm zu finden, weil er der wirklichen Essenz von Sulfur so genau entspricht. Falstaff ist voller Widersprüche, deren er sich überwiegend auch bewußt ist, und das macht ihn noch amüsanter. Er ist ein Ritter – Sir John Falstaff –, aber er hat kein Geld und verbringt seine Zeit mit gemeinen Dieben in der Kneipe. Er ist ein unverbesserlicher Lügner, aber die Ehre bedeutet ihm viel, und er glaubt echt daran, zumindest manchmal. Er ist intelligent, belesen und witzig, läßt sich aber mit Narren ein und verbringt die meiste Zeit damit, zu essen, zu trinken und den Frauen nachzustellen. Trotz seines frivolen Verhaltens bewahrt sich Falstaff eine gewisse Würde. Wie viele Sulfurs ist er zu verantwortungslos und zu verspielt, um ein akzeptables, »produktives« Mitglied der Gesellschaft zu sein, aber sein Witz, seine hervorragende Erzählkunst und seine naive Selbstakzeptanz sorgen dafür, daß er nicht nur geduldet, sondern geliebt wird. Die meisten seiner Lügen sollen die Leute eher unterhalten als täuschen, und in echter Sulfur-Manier sind sie ebenso sorgfältig durchdacht wie unglaublich. Sulfur neigt zu Übertreibungen, weil er viele Dinge aufregend findet und gerne die dramatischeren Aspekte eines Themas betont, manchmal bis zu dem Punkt, wo er den Kontakt mit der Realität verliert.

Sulfur lügt auch, wenn er in die Enge getrieben wird oder um sein Gesicht zu wahren. Wie Lycopodium und Phosphor ist er ein Opportunist und biegt oder bricht die Regeln des akzeptierten Verhaltens, damit niemand seine Schwächen bemerkt oder um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dabei beruft er sich oft auf ziemlich großartige Motive, um seine wahren Beweggründe zu verschleiern, was sowohl seinem Stolz als auch seiner Neigung, ein bestimmtes Thema »aufzuwerten«, entspricht. Als Falstaff von Prinz Hal gefragt wird, warum er geflohen sei, als der verkleidete Prinz ihn während eines nächtlichen Streichs angegriffen habe, erklärt er, er habe den Prinzen erkannt und ihn deshalb seinerseits nicht angreifen können, denn »der Löwe greift niemals den Kronprinzen an«. Auf diese Weise stellt er seine Feigheit als Tapferkeit dar. Auf einer prosaischeren Ebene rechtfertigt Sulfur oft Faulheit und Pflichtvergessenheit, indem er behauptet, er sei mit wichtigeren Dingen beschäftigt, was in der Regel bedeutet, daß er seinen Lieblingsinteressen nachgeht.

Die meisten Sulfurs reden gerne. Einige sind hochintellektuell und sprechen nur mit wenigen Leuten, von denen sie annehmen, daß sie ihre Theorien und Beobachtungen verstehen, aber viele reden auch mit jedem über alles. Sulfur hat im allgemeinen wesentlich umfassendere Interessen als die meisten Leute und weiß gewöhnlich genug, um sich über viele Themen intelligent zu unterhalten. Das gilt sogar für den provinziellen Sulfur, der keine formale Ausbildung hat. Viele von ihnen verachten jede formale Ausbildung, weil sie sehen, welche begrenzten Perspektiven daraus oft hervorgehen, und auch weil sie ärgerlich darüber sind, daß man ihnen weniger Respekt zollt als Menschen mit einem Titel, obwohl letztere vielleicht weniger vom Leben verstehen und oft weitaus weniger Persönlichkeit und Geistesgröße haben als Sulfur. (Kent: »Er verachtet Bildung, Gelehrte und Wissenschaft und glaubt, jedermann müsse einsehen, daß er mit Recht darüber erhaben sei.«)

Ich habe einmal einen Schildermacher wegen seiner Ekzeme behandelt. Es war für mich fast sofort offensichtlich, daß er konstitutionell Sulfur war, weil er auf eine typische Art gerne redete, nicht nervös, sondern mit Genuß, Humor und echter Freundlichkeit. Irgendwie begann er über Bankdarlehen zu sprechen und erzählte, wie der Bankangestellte ihn aufgefordert habe, haufenweise Formulare auszufüllen, bei denen es im wesentlichen um Sicherheiten für das Darlehen ging. Zunächst wollte er sie ausfüllen und nach einem Bürgen suchen, aber dann wurde er ärgerlich und verlangte, den Direktor zu sprechen, dem er sagte: »Ich lebe auf dem Land, und wo ich herkomme, ist mein Name Sicherheit genug. Wenn er für Sie nicht gut genug ist, dann stecken Sie sich Ihr Geld in den Hintern.« Der Direktor fand das zwar nicht sehr fein, wollte aber keinen Kunden verlieren und ließ sich darauf ein, ihm das Darlehen ohne die üblichen Formalitäten zu geben. Mein Patient berichtete die Geschichte voller Stolz und sagte am Ende, früher habe er einmal Angst gehabt, sich gegen Autoritätsfiguren wie Ärzte und Bankdirektoren aufzulehnen, aber diese Zeit sei vorbei. Er habe seinen Beruf gelernt und sie ihren, und sie seien auch nichts Besseres als er. Sulfur ist wie Nux ein natürlicher Anführer und erträgt es nicht, von Bürokraten mit irgendwelchen Titeln, aber ohne Geist herumkommandiert zu werden.

Der moderne Traditionalist

Sulfurs natürliche und optimistische, expansive Geisteshaltung macht ihn im allgemeinen zu einem ziemlich liberalen Menschen. Freiheit ist etwas, das er hochschätzt: die Freiheit zu tun, was er will, und jedem nach Belieben zu sagen, was ihm gefällt. Er ist ein Individualist und gewöhnlich glücklicher, wenn er seinen eigenen Weg gehen kann, und er ist lieber selbständig, als für andere zu arbeiten. Oft verteidigt er seine Freiheit, zumindest verbal, gegenüber jedem Angriff, und er sympathisiert immer mit Menschen, die Schwierigkeiten mit irgendwelchen Autoritäten haben, besonders mit staatlichen.

Man sollte meinen, daß so ein schwungvoller und liberal eingestellter Typ zukunftsorientiert und fortschrittlich ist, und das stimmt im allgemeinen auch, aber gleichzeitig hat Sulfur meist viel Respekt vor traditionellen Werten. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens lieben die meisten Sulfur-Menschen die Weisheit im Gegensatz zum bloßen Lernen, und deshalb werden sie von den religiösen und philosophischen Lehren der Vergangenheit angezogen, seien sie nun orthodox, mystisch oder radikal. Zweitens ist Sulfur bei all seiner Schwäche ein stolzer Typ, der meist über eine natürliche Würde verfügt, die er in Werten wie Ehre, Tapferkeit und Barmherzigkeit wiedererkennt. Dem modernen amoralischen, materialistischen Lebensstil fehlt für die meisten Sulfurs das Seelische, denn sie träumen von einer besseren Zukunft, die viele traditionelle Werte mit einschließt. Drittens hat Sulfur bei all seiner intellektuellen Gewandtheit eine schlichte und ziemlich kindliche Mentalität. Statt im Sumpf subtiler ethischer Unterscheidungen steckenzubleiben oder sich den Kopf über das richtige moralische Handeln zu zerbrechen, übernimmt Sulfur lieber einfache Grundwerte wie Ehrlichkeit und Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer und führt sein Leben, ohne allzuviel über Moral nachzudenken. Oft benutzt er die traditionellen Werte als Prüfstein oder Handlungsempfehlung, aber anders als Arsenicum und manche Natriums, die starr an diesen Werten hängen, ändert Sulfur sie bei Bedarf ab oder ignoriert sie sogar. Wie Falstaff kann er in einem Moment an unser Ehrgefühl appellieren, während er im nächsten lügt, um sein Gesicht zu wahren.

Obwohl die meisten Sulfurs die Größe vergangener Zivilisationen bewundern, einschließlich ihres Edelmuts und ihrer Weisheit, sind nur wenige konservativ in dem Sinne, daß sie die Uhr gerne zurückdrehen würden. Sie lesen vielleicht alle Klassiker und kleiden sich möglicherweise ziemlich traditionell, aber im allgemeinen ist ihnen klar, welche positiven Fortschritte sowohl wissenschaftlich als auch sozial sich in den letzten 200 Jahren vollzogen haben, und sie rechnen für die Zukunft mit noch größeren Ereignissen.

Bodenständigkeit

Beim Sulfur-Typ kann man zwei Pole unterscheiden, die man als den bodenständigen und den luftigen bezeichnen könnte. Mit bodenständig meine ich, daß der betreffende Mensch sich im wesentlichen auf die Befriedigung seiner materiellen Bedürfnisse konzentriert, was gleichzeitig einen gewissen Mangel an Kultiviertheit beinhaltet. Einige Sulfurs sind sehr bodenständig und überhaupt nicht intellektuell oder idealistisch. Im allgemeinen sind sie die selbstsüchtigsten und starrsinnigsten aller Sulfurs, aber das muß nicht immer so sein. Der bodenständige Sulfur ist eine schlichte Seele, der lebt, um zu essen, zu trinken, Sex zu haben und zu spielen, ganz gleich ob es sich dabei um sportliche oder einfach gesellschaftliche Spiele handelt. Er ist körperlich robust, entweder drahtig oder übergewichtig, abhängig vom Ausmaß seiner körperlichen Aktivitäten. Er ist nicht unbedingt dumm, aber sein Intellekt rangiert hinter seinen sinnlichen Empfindungen und seinem Ego. Die bodenständigsten Sulfurs erinnern etwas an Barium carbonicum, indem sie schlicht, robust und ziemlich ungehobelt wirken. (Kent: »Jedes feinere Gefühl scheint ihm verlorengegangen zu sein.«)

Die Frau eines solchen Sulfur-Patienten von mir klagte einmal darüber, ihr Mann bringe sie in der Öffentlichkeit in Verlegenheit, indem er ungeniert in der Nase bohre oder laut im Theater furze. Er ignorierte es, wenn sie sich darüber beschwerte, und das ist typisch für die ungehobelte Sturheit, die man bei dem bodenständigeren Sulfur oft findet. Anders als der stärker materiell orientierte Barium hat der bodenständige Sulfur im allgemeinen viel Selbstvertrauen und brüstet sich oft mit seinen Leistungen. Er ist in den meisten Fällen wesentlich geselliger als Barium und kann innerhalb seines eigenen Kreises eine Art Anführer sein. Oft ist er ziemlich herrisch und wird leicht wütend, wenn er frustriert oder verärgert ist.

Selbst unter den bodenständigen Sulfurs gibt es viele verschiedene Charaktervarianten. Einige sind sehr materiell orientiert, dabei aber gelassen und freundlich, während andere sich selbstsüchtig, dominierend und aggressiv verhalten. Erstere haben wie ihre intellektuelleren Sulfur-Brüder im allgemeinen eine schwungvolle, positive Lebenseinstellung und leuchtende Augen, während letztere engstirnig und verbittert werden können. Diese eher negativen bodenständigen Sulfurs sind schwer von etwas negativen bodenständigen Vertretern anderer Typen wie Natrium und Tuberculinum zu unterscheiden. Zusammen mit anderen Sulfurs neigen sie zu einem aufgeblähten Ego und zur Gleichgültigkeit gegenüber den Meinungen anderer, während sie ihrerseits von anderen Respekt erwarten. Sie sind in der Regel relativ furchtlos, besonders wenn es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommt, und anders als der bodenständige Natrium tendieren sie nicht dazu, sich Sorgen zu machen. Einige sind Weltenbumrnler, Soldaten oder Seeleute, die eine Liebste in jedem Hafen haben, tausend Geschichten kennen und sich oft ihr Abendessen als Geschichtenerzähler verdienen können, Andere sind handfeste Arbeiter, die ihren Feierabend in der Kneipe verbringen, Frauen anmachen und schließlich nach Hause gehen, wo die eigene Frau schon längst schlafend im Bett liegt.

Aber selbst der rauhbeinigste Sulfur hat eine weiche Seite, und bei romantischen oder tragischen Begebenheiten hat er oft Tränen in den Augen. Falstaff ist ein gutes Beispiel für diesen Typ, obwohl er wie viele andere auch einen scharfen Intellekt hatte, den er jedoch nur selten benutzte, weil er zu faul dazu war. Er war leicht gerührt, sowohl von seinen eigenen Geschichten als auch vom Unglück anderer, und obwohl er ein Gauner war, war er doch nicht herzlos. Im allgemeinen ist Sulfur ein warmer und leidenschaftlicher Typ, und sogar der selbstsüchtigste Sulfur hat irgendwo seine weiche Seite, im Gegensatz zu den härteren Arsenicum-, Kalium- und Nux-Typen, die eiskalt bleiben können.

Das Gegenteil des bodenständigen Sulfur ist der luftige oder ätherische Sulfur, der seinen Kopf in den Wolken hat und über philosophische und spirituelle Fragen meditiert. Dazwischen liegt der Denker, der Wissenschaftler und Erfinder, der intellektuelle Sulfur. Sie alle sind unterschiedliche Sulfur-Typen, die jedoch ein gemeinsames Kontinuum bilden. Die meisten Sulfur-Intellektuellen und -Philosophen haben auch ihre bodenständige Seite. Oft ist es bloß ein großer Appetit, oder sie fühlen sich unwiderstehlich zu Frauen hingezogen, aber je weiter sie sich vom Philosophen weg auf der Skala nach unten bewegen, desto bodenständiger werden sie.

Auf einer Stufe mit Männern wie Falstaff steht der Sulfur-Mann des Handelns, der sehr geschickt und praktisch veranlagt ist, Dazu gehören Handwerker ebenso wie Abenteurer, aber auch Soldaten und Seeleute, von denen viele in hohe Ränge aufsteigen. Der handlungsorientierte Sulfur-Mann ist einfach und direkt wie der handlungsorientierte Nux-Mann. Gewöhnlich geht ihm seine Arbeit leicht von der Hand, und er macht klaglos Überstunden, wenn es sein muß, um anschließend seine Freizeit zu genießen. Die meisten Sulfurs sind begabt und unternehmungslustig genug, um eine Arbeit zu finden, die ihnen Spaß macht, und der handlungsorientierte Sulfur-Mann beschäftigt sich oft genauso gerne mit seiner Arbeit wie mit seiner Familie und seinen Hobbys. Solche Männer stärken das Selbstvertrauen anderer Menschen, und es macht Spaß, sie um sich zu haben. Sie sind auch sehr einfallsreich, und es ist wunderbar, sie zu kennen, wenn man praktische Hilfe braucht, die sie im allgemeinen gerne leisten, solange sie sich nicht ausgenutzt fühlen. Der Sulfur-Schildermaler, den ich behandelt habe, war ein Australier, und wie viele Australier anwortete er, wenn man ihn um etwas bat oder sich bedankte, mit der Phrase »No worries«, was grob übersetzt soviel bedeutet wie »aber sicher«, »kein Problem« und »aber gerne«, Anders als die meisten anderen Australier legte er soviel Begeisterung in diese Worte, daß ich wußte, er meinte es wirklich so, und ich mußte jedesmal lächeln, wenn er es sagte.

Während ich über den handlungsorientierten Sulfur-Mann schreibe, erinnert mich das an die alten Pioniere im Wilden Westen. Viele von ihnen waren nicht nur einfallsreiche Handwerker, die ihre eigenen Häuser, Wagen und Pflüge bauen konnten, sondern sie hatten auch die positive Geisteshaltung und das Selbstvertrauen, das sie beflügelte, den neuen Kontinent zu überqueren. In diesen wettergegerbten, barschen Gesichtern glänzten klare blaue Augen mit einer Mischung aus Abenteuerlust und Übermut. Ihre großen weißen Schnurrbärte erhöhten nur ihre (leicht komische) Würde, ebenso wie die stolzen Posen, die sie auf jenen frühen Fotos einnahmen. Zweifellos waren viele der frühen Pioniere Sulfurs, deren Mut und natürliche Führerschaft andere inspirierte, ihnen zu folgen, und deren Loyalität gegenüber den traditionellen Werten ihre Gefolgsleute beruhigte und eine gewisse Identität und Stabilität der neuen Gemeinschaften sicherstellte.

Ego, Selbstsucht und der liebenswerte Gauner

Sulfur ist nicht der selbstgefälligste Typ (diesen Preis gewinnt wahrscheinlich Platina), aber er ist nicht weit davon entfernt. Mit Typen wie Lycopodium und Nux liegt er im Wettstreit um das größte Ego und übertrifft mit seiner Geltungssucht im allgemeinen Tuberculinum und Phosphor und mit Sicherheit Natrium muriaticum. Ein aufgeblähtes Ego hat viele Facetten, und man findet sie alle bei Sulfur. Vor allen Dingen glaubt er noch an sich selbst, wenn alle anderen schon nicht mehr an ihn glauben. Das kann einerseits ein großer Vorzug sein, denn es ermöglicht ihm, schwierige Zeiten ohne Unterstützung zu überstehen, besonders wenn er eine Aktivität oder ein Projekt verfolgt, an dem ihm viel liegt. Erfinder sind oft Sulfur-Menschen, und sie müssen ihre Arbeit häufig ohne Beachtung oder finanzielle Unterstützung leisten. Genauso sind viele Schauspieler Sulfur, und sie müssen an sich selbst glauben, bevor sie die Anerkennung ihres Publikums gewinnen.

Selbst bei einer Niederlage tendiert Sulfur dazu, sein Versagen eher der Kurzsichtigkeit oder Gemeinheit anderer Leute anzulasten, als einen Blick auf seine eigenen Mängel zu werfen. In solchen Situationen kann Sulfurs Selbstvertrauen eher ein Nachteil als ein Vorteil sein. Einige Sulfurs verfolgen Projekte, die nicht praktikabel sind, weil sie entweder den Leuten, auf deren Unterstützung Sulfur angewiesen ist, nicht gefallen oder weil sie an sich schon Schwachstellen haben oder unrealistisch sind. In diesen Fällen kann Sulfur verbissen bis zum bitteren Ende daran festhalten und sich weigern anzuerkennen, daß seine Einschätzung falsch war (Kent: »starrsinnig«). Das hat teilweise mit seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen und teilweise mit seiner zwanghaften Leidenschaft für das fragliche Projekt zu tun.

Ein anderer Aspekt von Sulfurs Stolz ist seine Neigung, sich zu brüsten, Er tut das im allgemeinen subtiler als der Lycopodium-Angeber, der ein zerbrechliches Ego hat, das er aufzublasen versucht. Sulfurs Ego ist nichts weniger als zerbrechlich, und es kann viele Schläge einstecken, ohne auch nur eine Beule zu bekommen. Ein Sulfur-Vater kann einem das Foto seiner Tochter zeigen und dann vor Stolz strahlen, wenn er erzählt, daß sie an einem örtlichen Schönheitswettbewerb teilnimmt. Wie Nux und Ignatia kann der Sulfur-Geschäftsmann und der Sulfur-Künstler für sich selbst eine aktive Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Im allgemeinen geschieht das stilvoll und ohne sich selbst ausgesprochen zu brüsten, was die Leute abstoßen würde. Die Sulfurs, die glauben, sie hätten das Monopol auf Wahrheit und Weisheit (und davon gibt es viele), können ihre überlegene Sicht der Dinge ziemlich diktatorisch ausdrücken. Hahnemann ist ein klassischer Fall. Es stimmt zwar, daß er eine wunderbare neue Therapie entwickelt hat, aber die arrogante Art, mit der er seine neuen Erkenntnisse verkündete und die »alte Schule« angriff, hat die Popularität der Homöopathie nicht gerade gefördert.

Moderne spirituelle Führer und Gurus sind ziemlich oft Sulfur, und es sind vor allem die Sulfur-Typen, die außergewöhnliche Behauptungen über ihre einzigartigen Qualifikationen als spirituelle Führer der Menschheit aufstellen. Sie tun das in allem Ernst und glauben, was sie sagen, aber ihre spirituelle Arroganz kann abstoßend sein, besonders wenn sie gleichzeitig andere spirituelle Führer diffamieren. Vor allem »Feuer-und-Schwefel«-Prediger sind meist Sulfur. Sie folgen mit Leib und Seele ihrer Berufung, verlorene Seelen zu retten, und setzen zu diesem Zweck ihre ganze feurige Leidenschaft ein. Ihre Predigten werden durch einen dramatischen Tonfall und phantastische Beschreibungen himmlischer Freuden und höllischer Qualen belebt, ganz ähnlich wie die Ansprachen von Ronald Reagan, dessen phantasievolle (aber unpraktikable?) Vision einer Technologie für den »Krieg der Sterne« die gottesfürchtigen Bürger der Vereinigten Staaten vor dem »Reich des Bösen« schützen sollte.

Ein amüsantes Beispiel eines besonders arroganten Sulfur aus Shakespeares Werken ist der walisische Kommandeur Owen Glendower in Heinrich IV., Teil 1. Als Glendower den genauso feurigen Soldaten Hotspur trifft, der ein Verbündeter sein soll, erleben wir eine Konfrontation zwischen dem »walisischen Windbeutel«, der sich gerne auf übernatürliche Kräfte beruft, und dem trockenen Humor seines Nux-Gastes. Wiederholt versucht Glendower Hotspur zu erklären, bei seiner Geburt habe der Erdball gezittert, und der Himmel sei von feurigen Gestalten und brennenden Meteoren erfüllt gewesen, worauf Hotspur antwortet: »Das würd' er getan haben, wenn in der nämlichen Stunde eurer Mutter Katze Junge gehabt hätte und ihr nie geboren worden wäret.« Der mächtige und von seiner eigenen Bedeutung überzeugte Sulfur Glendower weist daraufhin, daß er sich eine solche Unverschämtheit von keinem anderen würde bieten lassen, und in der Tat kann das Pormat eines Sulfur-Führers nur von einem Nux-Führer oder einem anderen Sulfur-Führer erreicht werden. Sulfur wirkt deshalb arrogant, weil er ein Gespür für seine eigene innere Größe hat. Leider spüren manche Sulfurs mehr innere Größe, als tatsächlich vorhanden ist (Kent: »alberner Stolz«).

Chauvinismus ist ein Beispiel für Arroganz, das man bei Sulfur- und Lycopodium-Männern häufiger findet als bei jedem anderen Typ. Beide haben die Tendenz, Frauen als etwas Selbstverständliches hinzunehmen und davon auszugehen, daß sie einer Frau einen großen Gefallen tun, wenn sie sie mit ihrer Gesellschaft beehren. Die meisten Sulfur-Männer glauben, sie seien anderen Männern überlegen (Kent: »überheblich«) und Männer seien Frauen überlegen, obwohl nur wenige das heutzutage so unverblümt ausdrücken würden. Bei all seiner Arroganz ist Sulfur jedoch im allgemeinen eine freundliche Seele, und deshalb nimmt er Frauen gegenüber eine väterliche Haltung ein, beschützt sie und macht ihnen Komplimente über ihr Aussehen, erwartet aber im Gegenzug, daß sie ihn bedienen, und geht davon aus, daß sie keinen Verstand haben. Sulfur-Ehemänner sind oft sehr faul und denken, ihre Aufgabe sei allein der Broterwerb, während die Frau für alle anderen Arbeiten im Haus zuständig ist einschließlich der Kinderbetreuung, sogar in den Ferien.

Zu Hause kommt Sulfurs Selbstsucht oft am stärksten zum Vorschein. Er betrachtet seine Frau vielleicht als völlig selbstverständlich, denkt, daß er Wichtigeres zu tun hat, als die Kinder abzuholen (beispielsweise mit seinem Kumpel zu reden oder ein Fußballspiel anzusehen), und wenn seine Partnerin schließlich einen Wutanfall bekommt, ist er völlig verblüfft und nennt sie eine alberne, hysterische Frau. Ich habe dieses Szenario zwischen einem Sulfur-Ehemann und seiner seit langem leidenden Frau oft genug beobachtet und erwarte es mittlerweile fast. (Kent: »Er pflegt herumzusitzen und nichts zu tun, während seine Frau sich abschuftet und sich um ihn sorgt; er denkt, das sei alles, wofür sie taugt.«) Der schon erwähnte Sulfur-Koch vertraute mir an, seine Frau sei ein wenig schlicht, weil ihr Gehirn während einer emotionalen Krise unter Sauerstoffmangel gelitten habe. Er betonte, sie sei eine wunderbare Frau, und er liebe sie innig, aber sie sei nun mal ein wenig einfältig und könne viele Dinge nicht verstehen. Schließlich lernte ich seine Frau kennen und fand sie überdurchschnittlich intelligent, aber sie war der kindischen Träume ihres Mannes von Weltfrieden und Bewußtseinserweiterung ein wenig müde.

Wie man sich vorstellen kann, steht das Ausmaß, in dem Sulfur seine Frau (und seine Kinder) vernachlässigt, oft in einem direkten Verhältnis zu dem Charme, mit dem er hübsche Frauen umwirbt. Wie Lycopodium sind viele Sulfurs Schürzenjäger, und wegen ihres größeren Selbstwertgefühls sind sie bei ihren Seitensprüngen weniger vorsichtig. Der Sulfur-Koch erzählte mir, er glaube, verheiratete Partner sollten einander gelegentlich die Freiheit zugestehen, auch mit anderen zu schlafen. Er sagte, er habe darüber auch mit seiner Frau gesprochen, aber seltsamerweise sei sie von der Idee nicht sonderlich begeistert gewesen. (Sulfur kann von dieser Art »weiblicher Logik« echt überrascht sein.) Die Frau eines anderen Sulfur-Patienten erzählte mir, ihr Mann flirte offen mit ihren Freundinnen und versuche sogar, sie ins Bett zu bekommen. In echter Sulfur-Manier rechtfertigte er sein Verhalten, indem er großartige Motive vorgab und erklärte, er habe so viel Liebe in seinem Herzen, daß er vielen anderen etwas davon abgeben müsse. Aber der Charme des durchschnittlichen Sulfur-Mannes ist so stark, und seine Herzenswärme und Großzügigkeit sind so echt, daß seine Partnerin ihm solche Eskapaden immer wieder vergibt. Wenn sie ihn jedoch verläßt, stellt er gewöhnlich sehr schnell fest, wie hoffnungslos abhängig er emotional und praktisch von ihr war.

Sulfur ist emotional oft ein echtes Kind, das glaubt, es könne haben, was es will, ohne Verantwortung dafür zu übernehmen. Wenn er plötzlich seine Liebste oder seinen Job verliert, weil er zu nachlässig war, dann reagiert er meist völlig verblüfft und verständnislos. Ich erinnere mich an ein Paar, das ich wegen ehelicher Probleme beraten habe. Die Frau klagte darüber, daß ihr Mann ein leidenschaftlicher Fußballspieler und -trainer sei, was seine ganze Freizeit in Anspruch nahm, so daß für sie und die Kinder nichts übrigblieb (wenn sie nicht zum Fußballplatz gingen). Er saß während des ganzen Gesprächs ungerührt da, und als ich ihn fragte, was er denn zu den Klagen seiner Frau zu sagen habe, erklärte er, sie sei geisteskrank und übertreibe deshalb enorm. Ich sagte, ich könne verstehen, was für ein Mann er sei und daß er es eigentlich gut meine, aber mir sei auch klar, daß seine Frau einen echten Grund zur Klage habe. Darauf erwiderte er einfach: »Ich bin wie ich bin, und ich werde mich nicht ändern.« Er legte Wert darauf, daß seine Frau sich einer Psychotherapie unterzog, »um ihr ein bißchen Verstand einzutrichtern«, aber als die Therapie ihr Selbstwertgefühl stärkte und sie ihn verließ, brach er körperlich und geistig zusammen. Seine Haltung wechselte dann zwischen pathetischem Flehen, sie möge zurückkommen, und Beschuldigungen, sie sei die Ursache all seiner Lebensprobleme. Er nahm sogar an einem Wochenendkurs in »Selbsterfahrung« teil, worauf er seiner Frau erklärte, er habe sich nun von seinen Komplexen befreit und könne sehen, wie sehr sie immer noch emotional krank sei.

Solche Sulfur-Männer müssen durch die eigene Not lernen, daß Selbsterfahrung mehr bedeutet, als an einem Wochenendkurs teilzunehmen. Wenn sie auf die Nase fallen, reagieren sie meist wie Kinder, weinen und suchen Zuwendung oder irgend jernanden, dem sie die Schuld geben können. Die Neigung zum Selbstmitleid ist bei einem Sulfur-Mann in Not größer als bei jedem anderen Typ. In solchen Zeiten kann er jeden Lebensmut verlieren und das genaue Gegenteil des leidenschaftlichen Sulfur werden. Dann wird er sich vernachlässigen, sich schlecht ernähren, zu spät oder gar nicht am Arbeitsplatz erscheinen und langsam wie durch eine Nebelwand sprechen (Kent: »zu faul, um sich aufzurichten, und zu unglücklich, um zu leben«). In solch einem Zustand ist Sulfur oft davon abhängig, daß eine Freundin ihn motiviert und wieder in Form bringt. (In manchen Fällen schafft es niemand, Sulfur wieder auf die Füße zu helfen, und er bleibt ein verwirrter und völlig erschöpfter Schatten seines alten Selbst.)

Vermutlich ist Ihnen inzwischen klar, daß viele Sulfur-Männer nur ihren eigenen Gesetzen folgen. Sie mögen zwar einsehen, daß Gesetze und Regeln notwendig sind, aber wenn es ihnen paßt, brechen sie die Regeln, ohne sich irgendwelche Gedanken darüber zu machen. Wenn diese Eigenschaft in Verbindung mit der Liebe zum Abenteuer und zum Alkohol auftritt, was oft der Fall ist, dann haben wir die Bedingungen, unter denen sich ein Sulfur-Gauner entwickelt. Sulfur hat eine überschwengliche Natur und das Bedürfnis zu spielen, und weil er sich gelegentlich von seiner Begeisterung davontragen läßt, kann er manchmal wild werden und verrückte Dinge tun, von denen die einen schockiert sind, während sich die anderen darüber amüsieren.

Zwei bemerkenswerte Beispiele für diese Haltung sind beide klassische Bühnenschauspieler, beide Iren, und beide haben den Ruf, ausgesprochen trinkfest zu sein. Ich denke an Peter O'Toole und Richard Harris. Beide sind überlebensgroße Charaktere, auf der Bühne ebenso wie in Wirklichkeit, und sie sind wegen ihres wilden Lebens und ihrer Trunksucht verrufen. Auf der Bühne und im Film haben sie liebenswerte Gauner gespielt, was nicht überrascht, denn genau das sind sie ja. Ebenso wie Falstaff werden diese beiden Hitzköpfe von der Öffentlichkeit toleriert und geliebt, denn ihr Charme ist genauso groß wie ihre Verantwortungslosigkeit. Dieser Charme ist nicht nur eine Frage der Frechheit und des Selbstvertrauens. In echter Sulfur-Manier ist ihr Verhalten oft genauso edel und inspiriert, wie es wild und ausschweifend ist.

Die meisten Sulfur-Gauner haben ein weiches Herz, und wenn ihre Eskapaden vorbei sind, können sie echte Reue über den Schaden ernpfinden, den sie angerichtet haben, sowohl materiell als auch und besonders emotional. Die Frau eines Sulfur-Gauners muß Masochistin sein, aber gerade in dem Moment, in dem sie es nicht mehr aushält und ihre Koffer packt, ist er zurück und fleht sie tränenüberströmt an zu bleiben, leistet Liebesschwüre und verspricht, sich zu ändern. Bei Sulfur sind solche Gefühlsausbrüche wahrscheinlich echt, und er hat oft Erfolg damit. Danach wird er freilich aufs neue seine Versprechen nicht einhalten, sich schlecht benehmen und untreu sein.

Der Sulfur-Gauner ist genauso großzügig wie jeder andere Sulfur und wird häufig kriminelle Partner finden, die ihn bei seinen Abenteuern begleiten. Einige von ihnen sind weniger selbstsichere Zeitgenossen, die durch Sulfurs Beispiel ermutigt werden, das Leben etwas lockerer zu nehmen, während andere Zyniker sind, die Sulfurs Großzügigkeit und Leichtgläubigkeit ausnutzen. Ein ausgezeichnetes Beispiel eines Sulfur-Gauners, der ausgenutzt wird, kann man in dem Film Arizona Junior sehen, einer schwarzen Komödie über ein kinderloses Paar im tiefen Süden der USA, die ein Kind aus einer Fünflingsschar entführen, deren Vater ein reicher Geschäftsmann ist. Herb, gespielt von Nicholas Cage (der gewöhnlich Sulfur-Typen spielt und höchstwahrscheinlich selbst Sulfur ist), ist anfangs ein kleiner Sulfur-Krimineller, der sich jedesmal, wenn er wieder ins Gefängnis muß, ein bißchen mehr in die Polizistin Edwina verliebt, die ihn für die Akten fotografiert. Schließlich steckt er ihr einen Ring an den Finger, bevor er in die Zelle abgeführt wird, und behauptet dann bei der Entlassung, sie sei seine Braut.

Kurz nachdem sie das Kind gekidnappt haben, bekommt das glückliche Paar Besuch von zwei Knastbrüdern, die gerade aus dem Gefängnis entlassen worden sind und nun im Haus ihres alten Kumpels Herbert auftauchen. In typischer Sulfur-Manier freut sich Herb, seine zwielichtigen Freunde wiederzusehen, und gewährt ihnen jede Gastfreundschaft, worüber Edwina sehr besorgt ist, denn sie weiß, daß sie einen schlechten Einfluß auf Herb haben, und sie weiß auch, wie leicht er zu beeinflussen ist. Herb versucht sauber zu bleiben, weil er nun ein Familienvater ist, aber je länger er mit seinen alten Kumpels zusammen trinkt, desto attraktiver erscheint ihm sein altes Leben, und als sie ihn auffordern, bei einem Banküberfall mitzumachen, kann er nicht widerstehen (weil er gerade seinen Job verloren hat, nachdem er seinem Chef, der eine Runde Frauentausch vorgeschlagen hatte, einen Kinnhaken versetzt hat). Bevor er in der Nacht aufbricht, schreibt Herb in Tränen aufgelöst einen Abschiedsbrief an seine Frau, in dem er ihr mitteilt, er werde nie der Mann sein, den sie verdiene. Er ist ein ausgezeichnetes Beispiel für den Sulfur-Gauner, der ein warmes Herz hat, aber verantwortungslos wie ein Kind ist und die Konsequenzen seines verrückten Handelns nicht übersieht.

Sulfur-Menschen sind oft seltsam blockiert, wenn es darum geht, aus der Vergangenheit zu lernen, und sie gehen immer von neuem den Weg des geringsten Widerstands. Mit zunehmendem Alter werden sie schließlich vielleicht verantwortungsbewußter, trinken weniger, reduzieren oder beenden ihre Seitensprünge und arbeiten regelmäßig. Diese gereiften Sulfur-Gauner sind mit ihrem Schicksal oft sehr zufrieden, besonders wenn sie eine gute Frau und ausreichend Beschäftigung haben.

Kopf in den Wolken

Verantwortungslosigkeit findet man bei allen opportunistischen Typen einschließlich Lycopodium, Phosphor und Mercurius, aber bei keinem anderen Typ ist sie so verbreitet wie bei Sulfur. Sulfur ist so strahlend, warm und inspiriert, daß er einen Pferdefuß haben muß, und sein größter Pferdefuß besteht darin, daß er häufig ein unpraktischer Träumer ist, der seinen Inspirationen folgt und die materiellen und emotionalen Realitäten des Lebens vernachlässigt. Ein verbreitetes Beispiel ist der Sulfur-Familienvater, der den Geburtstag seiner Frau vergißt, weil er zu sehr mit seiner Lieblingstätigkeit beschäftigt ist, sei es nun seine Arbeit oder irgend etwas anderes. Er verspricht seinen Kindern regelmäßig, mit ihnen zum Angeln oder zum Fußball zu gehen, vergißt es aber genauso regelmäßig und plant statt dessen etwas anderes. Jedesmal tut es ihm ehrlich leid, und er meint es wirklich, wenn er verspricht, daß er nächstes Mal daran denken wird, aber allmählich lernt seine Familie, nicht mehr auf seine Versprechungen zu achten, und erkennt, daß er in vieler Hinsicht einfach ein Kind ist, auf das man sich nicht verlassen kann. Wie ein Kind tut Sulfur, was er will und wann er es will, und es fällt ihm schwer, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen.

Als ich ein Teenager war, war mein bester Freund ein Sulfur-Rebell, der sich leidenschaftlich für den Kommunismus engagierte und glaubte, er enthalte das Versprechen, die Menschheit zu vereinen und Armut und Unrecht zu überwinden. In typischer Sulfur-Manier wußte er alles, was es über den Kommunismus und dessen Erzfeind, den Kapitalismus, zu wissen gab, und er konnte stundenlang über die Geschichte der russischen und der Französischen Revolution reden und ein Detail nach dem anderen über das unmoralische Verhalten früherer und gegenwärtiger Regierungen zitieren. Er war ein Idealist, der wie viele Sulfurs ein Sendungsbewußtsein hatte, und insofern war es aufregend, mit ihm zusammenzusein. Seine Eltern und meine eigenen Eltern waren von ihm etwas weniger begeistert als ich, denn er hatte nicht die geringsten Manieren, war unglaublich faul (Kent: »Indolenz«) und ziemlich unwillig, sich mit den Unterrichtsfächern zu beschäftigen, die ihn nicht interessierten. Schließlich ging er an eine radikale Universität, studierte politische Wissenschaften, flog aber dort raus, weil er überhaupt nicht arbeitete und die meiste Zeit damit verbrachte, politische Protestveranstaltungen zu organisieren. Aber schließlich änderte er sich doch noch und absolvierte mit Fleiß und Begeisterung eine Ausbildung zum Lehrer. Sulfurs sind großartige Lehrer, weil es ihnen wichtiger ist, das Wunderbare ihres jeweiligen Themas zu vermitteln, als bloße Fakten darzustellen.

Die intellektuelleren Sulfurs neigen besonders dazu, praktische Details zu vernachlässigen. Das Stereotyp des zerstreuten Professors hat den Sulfur-Intellektuellen zum Vorbild, der auf seinem Fachgebiet brillant ist, sich aber nicht erinnern kann, wo er seine Autoschlüssel gelassen hat. Sein Vernachlässigen der praktischen und materiellen Aspekte des Lebens (Kent: »Gleichgültigkeit gegenüber äußeren Dingen«) kann manchmal zu der charakteristischen schmuddeligen Erscheinung des Sulfur-Intellektuellen führen, des »Philosophen in Lumpen«, Heutzutage kommt es jedoch selten vor, daß Sulfur so exzentrisch ist, Lumpen zu tragen. Meist ist er ordentlich gekleidet, aber irgendein Aspekt seiner Erscheinung fällt aus dem Rahmen oder ist vernachlässigt. Beispielsweise kann sein Hemd zerknittert und ungebügelt sein, oder seine Krawatte hängt schief, oder seine Frisur ist wild und dramatisch wie die von Einstein, der sich allen Berichten zufolge in jeder Frage seiner materiellen Existenz voll auf seine Frau verließ, angefangen von den Rechnungen, die bezahlt werden mußten, bis zu dem Punkt, an dem sie ihn zwingen mußte, regelmäßig zu essen.

Sulfur ist berühmt für seine Unsauberkeit, und dafür gibt es gute Gründe. Er achtet oft wenig auf materielle Dinge, und dazu gehört der Zustand seines Hauses genauso wie der Zustand seines Körpers und seines Bankkontos. Auf der anderen Seite erspart er sich damit die vielen kleinen Sorgen anderer Leute, die ein makellos sauberes Haus haben müssen oder ständig ihre Pfennige zählen. Relativ unbehelligt von materiellen Sorgen kann er sich nicht nur tief in seine intellektuellen Forschungen versenken, sondern auch den Sonnenuntergang, eine gute Mahlzeit oder anregende Gesellschaft genießen. Sulfurs distanzierte Haltung zu den materiellen Lebensbedingungen ist ein zweischneidiges Schwert, das ihm genausoviel Freiheit gewährt, wie es ihm Probleme einträgt (wenn beispielsweise der Strom abgestellt wird, weil er die Rechnung nicht bezahlt hat, oder wenn sein Auto einen Motorschaden bekommt, weil er nicht daran gedacht hat, Motoröl nachzufüllen). Die Sulfurs, die eine praktisch veranlagte Ehefrau finden, haben meist das Beste aus beiden Welten: die Freiheit, sie selbst zu sein, und den Luxus, daß jemand ihre Welt in Ordnung hält, während sie spielen. Was für die Frau dabei herauskommt, ist unterschiedlich. Schlimmstenfalls ist sie eine vernachlässigte Sklavin, deren Dienste als selbstverständlich angenommen werden, und bestenfalls hat sie einen liebevollen und aufmerksamen Partner, der ihr Leben mit seiner Begeisterung und seinem Humor aufhellt und für den sie ganz gerne die praktischen Dinge des Alltags regelt.

Wie schon gesagt, gibt es bei Sulfur ein Kontinuum vom bodenständigsten und materiellsten bis zum ätherischsten und idealistischsten. Letzterer neigt mehr dazu, den Kontakt mit der Realität zu verlieren und sich ganz in seine Träume zu versenken. Der schon erwähnte Sulfur-Koch ist ein gutes Beispiel dafür. Er war in der Küche so damit beschäftigt, über philosophische Fragen zu reden, daß ihn das seinen Job kostete. Der Grat ist schmal zwischen einem rationalen und praktikablen Idealismus und einem törichten Idealismus, und oft sind Sulfur-Idealisten ihrer Zeit einfach voraus, aber wenn man den gegenwärtigen Zeitgeist nicht einschätzen kann, kann man auch nicht mit den Menschen kommunizieren und redet dann oft in den Wind. Viele Sulfurs sind so weltfremd, daß sie sich lächerlich machen.

Die sanften, naiven Charaktere, die der Schauspieler James Stewart oft dargestellt hat, sind häufig solche Typen. Sie leben in einer Welt, in der die Leute nur nach edelsten Motiven handeln, und stets vergeben sie denen, die sich selbstsüchtig und grausam verhalten, und entschuldigen sie damit, daß sie es nicht besser wissen. Die meisten Sulfurs sind »Softies« in dem Sinne, daß sie die Bedürftigen unterstützen und Schulden erlassen, bis sie schließlich in vielen Fällen ausgenutzt werden, aber einige sind so idealistisch und so gleichgültig gegenüber materiellen Dingen, daß sie sich selbst die schlimmsten Feinde sind. Obwohl solche Sulfur-Menschen vielleicht glauben, daß sie von einer höheren, mehr spirituellen Warte aus handeln, vermeiden sie in Wirklichkeit oft eine Konfrontation und verstecken sich in einer Phantasiewelt, in der alles eitel Harmonie ist und keine harten Entscheidungen getroffen werden müssen.

Der Unterschied zwischen echter Spiritualität und den Träumereien, denen sich Sulfur manchmal hingibt, ist ausgesprochen subtil. Eine gute Möglichkeit der Unterscheidung besteht darin, daß ein wirklich spiritueller Mensch (sei er nun Sulfur oder ein anderer Konstitutionstyp) anderen Leuten nicht zur Last fällt und sich selbst nicht durch körperliche Vernachlässigung schädigt. Der Sulfur-Träumer ist sehr entspannt und lehnt sich gerne zurück, aber er ist nicht wirklich präsent, sondern irgendwo anders und geistig mit seinen abstrakten Gedanken und Vorstellungen beschäftigt. Im Gegensatz dazu ist ein wirklich gesunder Sulfur stets präsent und glücklich, im Hier und Jetzt zu sein, statt die ganze Zeit nur zu philosophieren.

Der Homöopath muß den Sulfur-Idealisten von anderen Idealisten unterscheiden. Causticum ist wahrscheinlich am schwierigsten allein aufgrund seiner Persönlichkeit zu unterscheiden. Die hilfreichste Eigenschaft ist die gerechte Empörung, die Causticum empfindet, wenn er Ungerechtigkeiten entdeckt. Sulfur ist meist weniger davon besessen, alle Irrtümer dieser Welt zu korrigieren, und er ist auch weniger verärgert darüber, zumal wenn sie nicht ihn selbst und seine Familie betreffen. Ein anderer nützlicher Unterschied besteht darin, daß Sulfur im allgemeinen geltungssüchtiger und stolzer als Causticum ist und weniger Bereitschaft zeigt, seine eigene Freizeit und sein Vergnügen für die Sache zu opfern. Er neigt auch mehr dazu, sich zu seinem eigenen Vorteil zwanghaft mit intellektuellen Fragen zu beschäftigen.

Die anderen weitverbreiteten Idealisten sind Natrium und Phosphor. Der Phosphor-Idealist ist emotionaler, sensibler und weniger geltungssüchtig als Sulfur. Phosphor ist auch weniger intellektuell und legt mehr Wert auf seine Beziehungen zu anderen Menschen als Sulfur, und er neigt sehr viel mehr dazu, sich von anderen beeinflussen zu lassen. Im Gegensatz dazu sind Sulfur-Idealisten gewöhnlich dogmatisch und lassen sich nicht im geringsten beeinflussen.

In der medizinischen Ausbildung lernen die Studenten, daß Syphilinum der große Nachahmer ist, der eine solche Bandbreite von klinischen Symptomen entwickeln kann, daß die Möglichkeit besteht, ihn mit jedem anderen Typ zu verwechseln. Das gilt meines Erachtens auf ähnliche Weise für Natrium muriaticum. Es gibt so ein weites Spektrum von Natrium-Persönlichkeiten, daß sie oberflächlich betrachtet an fast jeden Konstitutionstyp erinnern können. Es gibt zwei Arten von Natrium-Männern, die man leicht mit Sulfur verwechseln kann. Das ist erstens der robuste, joviale Typ, der ständig lacht und scherzt. Diese Natriums sind gewöhnlich sehr dick. Hinter ihrer Jovialität verbergen sie den inneren Schmerz, und wenn der Homöopath vorsichtig nachfragt, zeigt sich meist, daß sie eine sehr traurige Vergangenheit und auch ein geringes Selbstwertgefühl haben. Im Gegensatz dazu hat der joviale Sulfur ein hohes Selbstwertgefühl, und auch wenn er eine schmerzliche Vergangenheit hat, läßt sich seine Jovialität nicht so leicht erschüttern wie bei Natrium.

Der andere Sulfur-ähnliche Natrium-Mann hat Philosophie und Religion zu seinem hauptsächlichen Lebensinhalt gemacht und spricht kaum über etwas anderes. Wiederum wird vorsichtiges Nachfragen gewöhnlich typische Natrium-Charakteristika enthüllen (die vielleicht auch nur früher bestanden haben). Dazu gehören Selbstkritik, Angst vor Intimität, Klaustrophobie und die Furcht davor, was andere Leute denken. Dagegen interessiert den Sulfur-Idealisten die Meinung der Leute noch weniger als andere Sulfur-Typen, und er ist sich selbst gegenüber sehr tolerant.

Der Romantiker

Eng verbunden mit dem Idealisten ist der Romantiker, wobei der prinzipielle Unterschied darin besteht, daß der Idealist denkt, während der Romantiker fühlt. Sehr oft findet man auch beides in einer Person vereint. Viele Sulfur-Menschen sind romantisch, selbst wenn sie zur Egozentrik neigen und ihren Hochzeitstag vergessen. Für viele Sulfurs ist das Leben eine einzige große Romanze, eine Reise voller Wunder und Aufregungen, deren Sinn die Liebe ist. Wenige Sulfur-Menschen sind ohne eine tiefe, dauerhafte Liebesbeziehung mit ihrem Leben zufrieden, und Sulfurs Herz ist im allgemeinen offen für die Liebe und auch fähig zu lieben. Einer meiner Sulfur-Patienten erzählte mir, er habe geweint, als er ein sterbendes Reh auf der Straße gefunden habe, und er habe es getötet, um es von seinem Elend zu erlösen. Diese Art von Mitgefühl findet man auch bei vielen anderen Typen, aber sie ist besonders charakteristisch für Sulfur, Phosphor, Causticum und Natrium muriaticum. Obwohl oft sehr intellektuell, ist Sulfur selten eine trockene, emotionslose Person wie Kalium carbonicum, Lycopodium und einige Natriums. Gewöhnlich hat er etwas von einem Dichter, und er liebt meist bewegende, emotionale Lieder von menschlichen Tragödien und Triumphen ebenso wie Balladen über die Liebe. Es gibt zwar mit Sicherheit Sulfurs, die so in ihre intellektuellen Leidenschaften verstrickt sind, daß sie Familie und Freunde vernachlässigen, aber es gibt genauso viele, denen ihre persönlichen Beziehungen wichtiger sind als alles andere.

Der sensiblere Sulfur ist ein aufmerksamer und liebevoller Ehemann und Vater. Oft ist er vernarrt in seine Frau und seine Kinder und außergewöhnlich stolz auf sie. Für einen solchen Mann ist seine Frau eine echte Königin, was nur natürlich ist, weil er selbst etwas von einem König hat, dem unabhängig von seiner Herkunft Edelmut und Autorität angeboren sind. Der durchschnittliche Sulfur-Familienvater ist der Beschützer seiner Familie, aber das heißt nicht, daß er sich von anderen Menschen abkapselt. Er neigt im Gegenteil dazu, alle und jeden zu sich nach Hause einzuladen, weil er gerne mit Menschen zusammen ist und es liebt, sich in der menschlichen Wärme zu sonnen, die von Freunden und der Familie ausgeht.

Kent listet Sulfur in der Rubrik »sentimental« auf, und das trifft besonders für diejenigen zu, die schwere Zeiten erleben und deshalb trostsuchend in die Vergangenheit blicken. Häufiger jedoch richtet sich Sulfurs Romantik nach außen und ist zukunftsorientiert. Wie bei einem Dichter schlägt sein Herz höher angesichts von Schönheit und menschlicher Liebe, und in solchen Situationen neigt er charakteristischerweise zu großen Worten über das Entzücken, das er empfindet. Viel früher als andere wird ein Sulfur-Mann seiner neuen Flamme sagen, daß er sie liebt, so früh, daß sie ihm wahrscheinlich nicht glaubt, und doch fühlt er, was er sagt, auch wenn er in einem Monat vielleicht die gleichen starken Gefühle für eine andere Frau empfindet. Ich habe einmal einen alten Sulfur-Seemann behandelt, der stolz erklärte, er habe injedem Hafen eine Frau. Er hatte sich von vielen Sprachen ein paar Brocken angeeignet, gab jedoch zu, daß er auf Russisch nur zweierlei sagen könne: »Eiscreme« und »Ich liebe dich«.

Im Vergleich zu den sentimentaleren Typen wie Natrium und sogar Lycopodium hat Sulfurs Romantik etwas Unpersönliches. Wie die meisten anderen Sulfur-Eigenschaften ist auch diese von einer größeren und umfassenderen Dimension. Damit meine ich, daß Schönheit und Liebe Sulfur dazu inspirieren, sich als Teil eines größeren Ganzen zu fühlen, zu Hause im Universum zu sein und gewiß, daß alles so ist, wie es sein sollte. Wenn ein Sulfur-Mann beispielsweise erfährt, daß seine Frau schwanger ist, hat er vielleicht das Bedürfnis, in die Nacht hinauszugehen und die Sterne zu betrachten, dabei dem Wunder des Lebens nachzuspüren und aus ganzem Herzen dankbar zu sein. Wie Phosphor fühlt Sulfur sich viel stärker als die meisten anderen Menschen als Kind des Universums und als Weltbürger. Sein Horizont ist weit, und sein Blick ist nicht nur analytisch, sondern auch zutiefst romantisch, nicht in dem Sinne, wie ein Ignatia-Teenager auf die Liebe wartet, sondern eher wie jemand, der vom Mysterium des Lebens gekostet hat und dadurch seinen Sinn erkennt.

Nicht alle Sulfurs sind religiös, aber die meisten, die ich kennengelernt habe, hatten ein Gefühl der Verbundenheit mit einer größeren Macht, aus dem sie Kraft schöpften, auch wenn sie sich nur wenig Gedanken darüber machten. Ich habe einmal im Krankenhaus einen älteren Sulfur-Mann behandelt, der sich bei einem Sturz seine Halswirbel gebrochen hatte und wußte, daß er nicht mehr zu Hause leben konnte. Ich fragte ihn nach seinen religiösen Überzeugungen, und er sagte friedlich: »Ich bin zwar seit Ewigkeiten nicht mehr in der Kirche gewesen, aber Jesus und ich sind Kumpel«, und ich wußte, daß er in vollem Ernst meinte, was er sagte.

Senilität, Introversion und der alte Sulfur

Wenn Sulfur in die Jahre kommt, wird er wahrscheinlich noch individualistischer und kann sogar exzentrisch wirken. Er kümmert sich überhaupt nicht mehr darum, was andere von ihm halten, tut genau das, was er will, und sagt genau das, was er meint. (Das erinnert mich an William Blake, den brillanten und flammenden Sulfur, der einmal eine Gruppe ehrenwerter Herren von Stand zum Essen einlud und sie dann selbst vollkommen nackt bediente.) Sofern Sulfur relativ ausgeglichen und zufrieden ist, wird er ein schrulliger, aber freundlicher alter Herr, der das eine oder andere über das Leben gelernt hat, aber seine Weisheit nicht an diejenigen verschwendet, die nichts davon wissen wollen. Meist kommt er sehr gut mit Kindern aus, weil er ganz er selbst ist und die Kinder spüren, daß er sie respektiert und sie als intelligente Wesen behandelt. Ein genialer alter Sulfur ist ein wunderbarer Großvater. Er weiß tausend Geschichten zu erzählen, liebt angenehme Gesellschaft (womit er wahrscheinlich alle Leute meint, die sich selbst treu sind und die Dinge beim Namen nennen), und er hat immer noch das Augenzwinkern, das für den glücklichen Sulfur so charakteristisch ist. Seine Liebe zur Dramatik verleitet ihn vielleicht von Zeit zu Zeit dazu, seinen Enkeln einen Schrecken einzujagen, indem er allzu überzeugend das Gespenst mirnt, aber auch deshalb macht es großen Spaß, ihn um sich zu haben. Wahrscheinlich sitzt er gerne eine ganze Weile friedlich in einer Ecke, aber dann kommt er wieder hervor, leiht jedem sein mitfühlendes Ohr und versprüht seinen brillanten Witz.

Diejenigen Sulfurs, die in ihren früheren Jahren eine gewisse Unzufriedenheit angesammelt haben, können im Alter sehr kratzbürstig werden. Sie werden meist zunehmend ungesellig (Kent: »Abneigung, angesprochen zu werden«, »will allein gelassen werden«), besonders gegenüber ihrer Frau und der Familie. Ich habe einmal einige Tage mit einem älteren Paar in einer bergigen Region von Kalifornien verbracht. Der alte Herr war groß und hager und für seine etwa 80 Jahre noch sehr aktiv. Als ehemaliger Ingenieur und Erfinder verbrachte er viel Zeit damit, in der Scheune an alten Motorteilen herumzubasteln. Stolz zeigte er mir eine Standuhr, die er entworfen und gebaut hatte, und erklärte mir ihren einzigartigen Mechanismus. Er schleppte auch einige geliebte Notizbücher herbei, in denen er seine Briefe an die Lokalzeitungen ordentlich aufbewahrt hatte. Er hatte die Angewohnheit, über fast jedes Thema unter Gottes Himmel an die Presse zu schreiben, angefangen von den Gefahren chemischer Düngemittel bis zur richtigen Interpretation der Evangelien. Es war klar, daß er begeistert davon war, einen bereitwilligen Zuhörer zu haben, den er mit seinen verschiedenen Leistungen beeindrucken konnte, und er reagierte kaum auf zunehmend unverblümte Hinweise, daß es mir reichte und ich andere Dinge zu tun hatte. Er war schrullig und freundlich, wenn auch etwas ermüdend, nur seine Frau behandelte er absolut respektlos. Er schloß sie völlig aus unserer Unterhaltung aus und sprach nur mit ihr, um mehr Kaffee zu verlangen oder ihr irgendwelche Befehle in bezug auf das Haus zu geben, und sie gehorchte völlig unterwürfig. Später bekannte sie mir gegenüber, ihr Mann sei im Laufe der Jahre zunehmend selbstsüchtig und diktatorisch geworden und nehme wenig Rücksicht auf ihre Wünsche. Dieses grausame und arrogante Verhalten kann man auch bei einigen jungen Sulfurs beobachten, aber im allgemeinen wird es mit zunehmendem Alter schlimmer.

Der ältere Sulfur, der immer reizbarer wird, reagiert damit vielleicht auf die Enttäuschungen eines Lebens, das nicht das wunderbare Abenteuer war, mit dem er gerechnet hatte. Je unrealistischer seine Träume waren, desto wahrscheinlicher ist es, daß er desillusioniert und verärgert reagiert. Mit ihm zu leben kann ziemlich unerträglich sein, denn er erwartet unbedingten Gehorsam von anderen, meckert über jede Kleinigkeit und schmollt wie ein kleines Kind, das seinen Willen nicht bekommt. Viele Menschen werden im Alter kindisch, und das gilt besonders für Sulfur, der immer mehr von einem Kind hatte als die meisten. Jede der negativeren Sulfur-Eigenschaften kann im Alter extremer werden. Die Besessenheit ist ein gutes Beispiel. Einige alte Sulfur-Männer sprechen über nichts anderes als ihr Lieblingsthema, sei es nun Bienenhaltung oder eine religiöse Offenbarung, und mit der Zeit können sie jeden Kontakt zur Umgebung verlieren und senil werden, zunehmend gleichgültig gegenüber ihren Angehörigen, während sie Selbstgespräche über ebendie Leidenschaft führen, die schon seit Jahrzehnten ihr Lebensinhalt ist.

Einige pflegen leidenschaftlich ihren Gram, der genauso bitter und beständig sein kann wie der Gram von Natrium und Nux vomica. Ein älterer, außerordentlich exzentrischer Herr suchte mich einmal auf, weil er mich um Hilfe für seine Frau bitten wollte, die seit Jahren unter Halluzinationen litt. Seine äußere Erscheinung war der klassische Sulfur – schlank, knochig und ungepflegt –, und er schleppte ein altes, zerfleddertes Notizbuch mit sich herum, auf dessen Seiten er Telefonnumrnern, Adressen und andere lebenswichtige Informationen gekritzelt hatte (Sulfur-Menschen kritzeln oft irgendwelche Ideen auf Zettel, die sie aber in den meisten Fällen verlieren). Während ich mit dem alten Herrn sprach, begann er bitterlich zu weinen, als er den Zustand seiner Frau beschrieb. Dann verwandelten sich seine Tränen plötzlich in Wut, als er mir mit zusammengebissenen Zähnen berichtete, seine Schwiegertochter habe seine Frau verhext, und das sei die Ursache ihrer Halluzinationen. Er nannte sie eine »Tochter des Teufels« und schwor, wenn er könnte, würde er sie zur Hölle schicken. Seine Wut stand in einem bemerkenswerten Kontrast zu der freundlichen Art, mit der er sonst sprach. Wie viele ältere Sulfurs war er ein religiöser Mann, und er weinte, als er über seine Befürchtung sprach, auch er könne als Ehemann einer besessenen Frau verflucht sein. (Kent: »stöhnt vor Verzweiflung. Er denkt, durch seine Sünden habe er den Tag der Gnade verspielt.«)

Der ältere, exzentrische Sulfur redet oft so sprunghaft, daß der unerfahrene Homöopath ihn mit Lachesis verwechseln kann. Wie dieser springt er von einem Thema zum anderen (Kent: »wechselt Thernen«), aber er spricht im allgemeinen langsamer als ein geschwätziger Lachesis. Beide Typen springen von einem Thema zu einem anderen, das irgendwie einen Bezug zum ersten hat, aber dieser Bezug kann ziemlich oberflächlich und ohne Bedeutung für das ursprüngliche Thema sein. Der gestreßte Sulfur-Ehemann sagte beispielsweise: »Mein Vater war ein Eisberg, kein Eismann. Er rief nicht ›Eis!‹ oder ›Fisch!« (Er stellte kleine dramatische Szenen wie diese dar, indem er mit seinen Händen einen Trichter vor dem Mund bildete und in den Raum hineinrief, so als sei er wirklich ein Eis- oder Fischhändler.)

Viele ältere Sulfurs verbringen viel Zeit mit Selbstmitleid. Wenn man ihnen Gelegenheit dazu gibt, liegen sie einem mit traurigen Geschichten über ihre zahlreichen Mißgeschicke in den Ohren, in denen sich so viel Selbstmitleid ausdrückt, daß es kindisch wirkt. Wie ein Kind ist vor allem der ältere Sulfur unfähig, Unglück zu akzeptieren, und gibt dann meist anderen die Schuld, um seine Frustration abzubauen. Ob der geschwätzige Sulfur nun ärgerlich ist oder nicht, er neigt jedenfalls dazu, immer weiterzureden ohne Rücksicht darauf, ob der Zuhörer Interesse zeigt oder nicht.

Natürlich ist der ältere Sulfur meist vergeßlicher als früher. Vor allem vergißt er die Namen von Leuten. Selbst jüngere Sulfurs haben oft ein schlechtes Namensgedächtnis. Sobald man ihnen jemanden vorgestellt hat, ist der Name schon wieder vergessen. Das müssen sie dann entweder vertuschen oder später noch einmal nachfragen. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß Sulfur sich gerne als den Nabel der Welt betrachtet und andere Menschen ihm deshalb unwichtiger erscheinen, etwa so wie Statisten im Vergleich zum Hauptdarsteller.

Einige intellektuelle Sulfurs werden im Laufe der Jahre immer zynischer. Ich habe einmal mit einem Sulfur-Arzt zusammengearbeitet, der ursprünglich enorm idealistisch gewesen war und viel über spirituelle Fragen geschrieben hatte. Nachdem ich eins seiner Bücher gelesen hatte, wollte ich ihn gerne kennenlernen, aber dann mußte ich feststellen, daß er seine spirituellen Interessen völlig aufgegeben hatte und ebenso verlegen wie zynisch reagierte, wenn man ihn darauf ansprach. Früher hatte er als Homöopath praktiziert, aber auch das aufgegeben, und seine ehemalige Begeisterung hatte sich in Unglauben verwandelt. Er war immer noch hochintelligent und diskutierte gerne über neue wissenschaftliche Erkenntnisse, aber ich war überrascht, wie zurückgezogen und einsam er wirkte. In seinen Augen war nichts von der Leidenschaft zu sehen, die man normalerweise bei Sulfur findet, und doch bestätigten mir seine Erscheinung, seine intellektuelle Tiefe und Breite und seine etwas reservierte Art, daß er konstitutionell Sulfur war.

Ich habe seitdem Sulfur-Patienten kennengelernt, die nach einem schweren Leben oder harten Zeiten viel von ihrem Glanz verloren hatten, sich im sozialen Leben vorsichtig verhielten und weit weniger idealistisch waren als der durchschnittliche Sulfur. Man kann sie leicht mit Natrium oder Causticum verwechseln, denn sie neigen zu melancholischen Phasen und vielerlei Ängsten, besonders zur Menschenangst (Kent: »Furcht vor Menschen«). Ihre körperlichen und Allgemeinsymptome passen nicht auf Natrium oder Causticum, was mich dann veranlaßt, etwas genauer hinzusehen, und in diesem Moment fällt mir auf, daß der Patient sehr neugierig und einfallsreich ist und eine Vorliebe für abstrakte und philosophische Gedanken hat. Ein solcher Mann, den ich einmal behandelte, betätigte sich in seiner Freizeit als Erfinder. Er wirkte äußerlich sehr ernst und gab zu, daß er oft unter Selbstzweifeln und Depressionen litt, was er auf einen sexuellen Mißbrauch in seiner Kindheit zurückführte. Er hatte mich wegen chronischer Kopfschmerzen konsultiert, die mit einem chronischen Müdigkeitssyndrom zusammenhingen. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm Natrium oder Sulfur geben sollte, aber dann überzeugte mich die direkte Art, mit der er mich ansah und sprach. Wie Nux ist Sulfur im allgemeinen sehr direkt, und das hilft, ihn von anderen Typen zu unterscheiden. Mein introvertierter Sulfur-Patient reagierte sehr schnell auf Sulfur 1M und bestätigte damit, daß Sulfur nicht immer selbstsicher und extrovertiert sein muß.

Wie andere introvertierte Menschen auch will der introvertierte Sulfur oft alleine sein (Kent: »Abneigung, angesprochen zu werden«) und fühlt sich vielleicht in größeren Gesellschaften unwohl. Er versenkt sich entweder gerne in Bücher und intellektuelle Fragen, oder er sucht die Einsamkeit auf dem Land und bei körperlicher Arbeit. Auch er hat oft den scharfen Sulfur-Verstand, ist aber trockener und boshafter als seine mehr inspirierten Brüder. In seinen extrovertierteren Momenten kann er aber gelegentlich auch ein guter Selbstdarsteller sein. Homöopathen müssen der Versuchung widerstehen, Konstitutionstypen, die eine bestimmte erbliche Veranlagung haben, aber genauso durch Lebenserfahrungen geprägt werden, nach einem bestimmten Stereotyp zu beurteilen. Die Kunst des Homöopathen besteht darin, hinter der Oberfläche der Persönlichkeit des Patienten die innere Essenz zu erkennen. Nur dann kann man die meisten Typen korrekt identifizieren.

Körperliche Erscheinung

Mir ist nie eine Frau begegnet, die konstitutionell Sulfur gewesen wäre. Das hat nichts mit meiner Erwartungshaltung zu tun, denn in den ersten Jahren meiner Praxis habe ich mich darüber gewundert, daß ich nie Sulfur-Frauen sah, obwohl ich nicht gelernt hatte, daß Sulfur ein ausschließlich männlicher Typ sei. Es gibt zwar gelegentlich Frauen, die Sulfur zur Behandlung akuter oder subakuter Krankheiten brauchen oder um eine pathologische Schicht zu entfernen, aber ich rate jedem Homöopathen, sehr vorsichtig zu sein, bevor er davon ausgeht, daß eine Frau konstitutionell Sulfur ist. Ich habe mehrere Frauen kennengelernt, die dachten, sie seien Sulfur, einschließlich einer Homöopathin, aber bei der Fallaufnahme habe ich festgestellt, daß sie alle extrovertierte Natriums waren. (Die Homöopathin nahm Natrium muriaticum und war sehr überrascht davon, wie sich ihr Zustand besserte.)

Es gibt drei verschiedene Arten des Körperbaus, die charakteristisch für Sulfur sind und mit den drei typischen Sulfur-Persönlichkeiten recht gut übereinstimmen. Der erste von ihnen ist der ektomorphe Typ. Er ist groß und hager, hat einen großen Kopf und vor allem eine hohe Stirn. Dieser Typ ist gewöhnlich hochintelligent und oft spirituell interessiert.

Der zweite ist der polymorphe Typ. Er ist dick und kann entweder groß oder klein sein. Er ist gewöhnlich bodenständiger und sinnlicher und ißt sehr viel, obwohl er ebenso praktisch wie intellektuell veranlagt sein kann (z. B. Sir Winston Churchill). Drittens gibt es den mesornorphen Typ, der einen festen muskulösen Körper hat und oft, aber nicht immer, groß ist. Er ist der Sulfur-Mann des Handelns.

Sulfur-Menschen können jeden beliebigen Teint haben, aber die meisten sind blond oder rothaarig mit blauen, grauen oder grünen Augen oder schwarzhaarig mit blauen oder grauen Augen. Die Augen haben oft einen spezifischen Glanz und auch einen verträumten Blick, als sei der Betreffende weit weg. Die Augenbrauen sind vielfach sehr buschig und kräuseln sich entweder an beiden Außenseiten nach oben, oder die eine Seite kräuselt sich nach oben und die andere nach unten, was dann etwas komisch wirkt (wie die buschigen Augenbrauen des britischen Politikers Dennis Healy).

Das Gesicht ist im allgemeinen knochig und gewöhnlich breit mit einer ausgeprägten Nase, die häufig gerade oder auch zur Hakennase gekrümmt ist – was ich eine »Feuernase« nenne, weil sie auf eine Verbindung mit dem Feuerelement hinweist, Sehr oft hat Sulfur einen Kopf, der im Vergleich zum Körper groß wirkt. Das stimmt mit seinem ausgeprägten Ego sowie seinen geistigen und spirituellen Interessen überein. (Das eindrucksvolle Gesicht des Shakespeare-Schauspielers Brian Blessed ist ein gutes Beispiel dafür. Seine Rollen entsprechen ebenfalls dem klassischen »überlebensgroßen« Sulfur.)

Sulfurs Kinn ist gewöhnlich breit und fest, was auf Selbstvertrauen hindeutet. Ausnahmen bilden die ektomorphen Intellektuellen, bei denen das Kinn im Vergleich zur breiten Stirn spitz wirkt.

Ihrer überschwenglichen Persönlichkeit entsprechend tragen Sulfur-Menschen gerne extravagante Farben. Die Kleidung kann modisch oder edel sein, wie beispielsweise die Fliegen und Krawatten, für die Sulfur schwärmt, oder sie kann einfach exzentrisch sein. Mein Sulfur-Schulfreund trug gerne einen Mantel, der an ein Yakfell oder ein pelziges Mammut erinnerte und seine ohnehin kräftige Gestalt in etwas verwandelte, das ziemlich spektakulär aussah.