Causticum
Causticum ist ein faszinierender Konstitutionstyp. Er kommt nicht häufig vor, und die Persönlichkeit von Causticum ist in den alten Arzneimittellehren nur bruchstückhaft beschrieben. Infolgedessen haben viele Homöopathen auch nur eine vage Vorstellung von der Mentalität des Typs.
Idealismus, Mitgefühl und Ungerechtigkeit
Einer der wichtigsten Aspekte der Persönlichkeit von Causticum, der in den alten Arzneimittellehren fast vollständig fehlt, ist der Idealismus. Es gibt mehrere idealistische Typen (Sulfur, Staphisagria, Phosphor, China), und jeder hat eine andere Art von Idealismus. So entwirft Sulfur beispielsweise großartige Pläne, um eine ideale Welt zu schaffen, tut aber nichts, um seine Ideen praktisch umzusetzen; Staphisagria interessiert sich oft vage für spirituelle Dinge und träumt theoretisch davon, als spiritueller Sucher nach Indien zu gehen; Phosphor läßt sich dagegen von den großen Visionen anderer Idealisten inspirieren, ist aber oft nicht besonders urteilsfähig. (China ist oft tatsächlich medial und spirituell veranlagt, hat aber Schwierigkeiten, sich an die Härten der materiellen Welt anzupassen.) Der Idealismus von Causticum basiert auf zwei Faktoren: erstens ein tiefes Mitgefühl mit allen leidenden Kreaturen (Kent: »mitfühlend«), und zweitens ein scharfer Sinn für Gerechtigkeit. Kein anderer Typ verbindet diese beiden Elemente in einem solchen Ausmaß. Ein drittes Element (das hilft, Causticum von Phosphor zu unterscheiden) ist der außerordentlich analytische Verstand. Diese drei Elemente verbinden sich oft zu einem praktischen Idealisten – jemand, der wirklich etwas Konkretes tut und versucht, seine Vision von einer gerechteren und besseren Gesellschaft umzusetzen. (Die Mehrheit der Causticum-Menschen ist männlich.)
Causticum interessiert sich oft für die übergreifenden sozialen Themen und gerät in Wut, wenn Politiker oder andere Autoritäten individuelle Freiheiten einschränken wollen. Wenn man vermutet, daß ein Patient konstitutionell Causticum sein könnte, ist es oft hilfreich, ihn zu fragen, ob er stark auf die Nachrichten im Fernsehen oder Radio reagiert. Viele Causticum-Menschen sagen, daß sie sich aufregen oder ärgern, wenn sie die Nachrichten hören, und es deshalb nicht allzuoft tun. Typischerweise wird der Causticum-Idealist oft Briefe an Zeitungen und Politiker schreiben und damit versuchen, soziale Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Einige konzentrieren sich auf große Themen wie die Rassendiskriminierung und die von der Wirtschaftspolitik verursachte Spaltung der Gesellschaft, während sich andere auf lokaler Ebene für mehr individuelle Freiheit engagieren. Ein Patient suchte mich kürzlich wegen seines Muskelrheumatismus auf, dessen Schmerzen ihn bei jeder Erkältung oder Grippe oder nach kaltem Wind zum Krüppel machten. Er wirkte ziemlich ernst und zurückgezogen, so daß ich an Natrium muriaticum dachte, aber es paßte nicht zu seinen Symptomen. Dann erwähnte er, daß er mitten in einer Kampagne steckte, bei der es darum ging, die lokalen Gesetze abzuschaffen, die das Tragen von Fahrradhelmen vorschrieben. Auf weitere Fragen bestätigte er, daß er oft Briefe über Ansichten, die ihm wichtig waren, an die Herausgeber von Zeitungen schrieb und daß viele dieser Briefe auch veröffentlicht wurden. Er hatte sich auch für die Rechte der australischen Ureinwohner eingesetzt. Da war mir klar, daß er ein relativ introvertierter Causticum war, und ich gab ihm Causticum 1M, worauf sich alle seine Symptome einschließlich der Tendenz zu nervöser Spannung rasch besserten.
Es ist wichtig, zwischen dem Causticum-Kämpfer und dem Natrium-muriaticum-Kämpfer zu unterscheiden. Ersterer ist, was ich einen natürlichen Kämpfer nenne, weil es der Natur von Causticum entspricht, gegen Ungerechtigkeit und die Einschränkung persönlicher Freiheiten zu Felde zu ziehen. Bei Natrium geht es dagegen um mehr persönliche Gründe. Die Natrium-Typen, die selbst unter Ungerechtigkeiten, körperlichen Behinderungen oder Krankheiten gelitten haben oder leiden, tendieren dazu, für andere zu kämpfen, die ähnliche Probleme haben. Wenn das Kind eines Natrium-Vaters an Muskeldystrophie stirbt, entwickelt er sich zum Wohltäter und wird leidenschaftlich in seiner Unterstützung anderer. Eine Natrium-Frau, die Opfer sexueller Belästigung geworden ist, wird eine Kampagne gegen Männer starten, die Frauen sexuell belästigen. Im Gegensatz dazu fühlt sich Causticum auf eher unpersönliche und universelle Weise der Gerechtigkeit und der Freiheit verpflichtet. Er muß nicht selbst zum Opfer geworden sein, um zu kämpfen; es ist seine Natur. Die besten Enthüllungsjournalisten sind konstitutionell oft Causticum. Causticum ist in der Hauptsache ein intellektueller, analytischer Typ und hat die besten Voraussetzungen, um Ungerechtigkeit und Korruption in der Gesellschaft durch seine informativen Artikel aufzudecken. Der kritische australische Journalist John Pilger ist ein gutes Beispiel. Sein dokumentarischer Stil ist gründlich und kompromißlos, und zwar so sehr, daß er nur diejenigen anspricht, die sich ernsthaft für die politischen und sozialen Zustände interessieren. Sein hauptsächliches Ziel besteht darin, Korruption aufzudecken und die offizielle Geheimhaltung zu durchbrechen, im Interesse einer größeren individuellen Freiheit und einer besser informierten Gesellschaft, in der die Menschen sich mehr füreinander interessieren.
In vielen Fällen widmet sich Causticum der Wahrheit so hingebungsvoll, daß er andere damit schon langweilt. Er will über nichts anderes reden als über Politik und soziale Ungerechtigkeit oder über seine Ideen zur Veränderung der Gesellschaft. Folglich wird er leicht zum Einzelgänger, denn die meisten Menschen fühlen sich von ihm intellektuell und moralisch zu sehr bedrängt. (Seine moralischen Vorstellungen sind fast immer eher liberal als konservativ.) Auch Sulfur kann die Leute mit seinem leidenschaftlichen und endlosen Theoretisieren langweilen, ist aber im allgemeinen mehr in seine Ideen verliebt als in praktische und disziplinierte Versuche, Veränderungen durchzusetzen.
Natürlich kann man davon ausgehen, daß viele Revolutionäre konstitutionell Causticum waren oder sind. Ihre Leidenschaft und ihr wacher Intellekt ziehen andere, weniger brillante Idealisten in ihren Bann. Marx war vermutlich Sulfur, der intellektuelle Gigant hinter der Revolution, der in angenehmer Gesellschaft in London lebte. Im Gegensatz dazu gehörten zu den jungen Revolutionären an der Basis, die für ihre Ideale zu sterben bereit waren, zweifellos viele Causticum-Typen. Causticum kann in seinem Eifer etwas fanatisch werden, aber ohne den Causticum-Fanatismus würde es viele revolutionäre Veränderungen in der Gesellschaft nicht geben.
Nicht alle Causticum-Menschen sind politische Aktivisten. Selbst unter den Idealisten (einige Causticum-Typen sind keine Idealisten – siehe unten) ziehen einige einen mehr spirituellen Ansatz vor. Ich erinnere mich an einen älteren christlichen Prediger, der mich wegen seiner Stimmbandpolypen aufsuchte, die sein Predigen beeinträchtigten. Er war ein warmherziger und deutlich inspirierter Mann, der sowohl menschliche Großzügigkeit als auch » Vernunft« ausstrahlte. Wie viele Causticum-Typen war er ein extrovertierter Mensch, kontaktfreudig, und er hörte ebenso gerne zu, wie er selber sprach (anders als Sulfur). Ein wichtiger Teil seiner Arbeit bestand darin, ein Zentrum für Obdachlose zu betreiben, für die er sich mit großer Begeisterung und Leidenschaft einsetzte. Ähnliche Heime hatte er in den Vereinigten Staaten aufgebaut, bevor er nach England gezogen war. Dieser Mann hatte die Herzenswärme von Phosphor und den Intellekt von Sulfur, aber er hatte kein Sulfur-Ego. Ich gab ihm einige Dosen Causticum 1M, und zwei Wochen später kam er wieder, um mir und Gott zu danken, weil wir ihm seine Stimme zurückgegeben hatten. (Es ist bemerkenswert, wie schnell Polypen sich bei der richtigen Behandlung zurückbilden.)
Ernüchterung und Gram
Es ist nicht überraschend, daß ein Idealist wie Causticum sich leicht ernüchtert fühlt, wenn die Welt auf seine Visionen nicht reagiert. Der Sulfur-Idealist wird jeden Widerspruch vom Tisch fegen und jede Gleichgültigkeit ignorieren, und wenn ein Plan versagt, wird er eine Woche später den nächsten aus der Tasche ziehen. Causticum reagiert etwas empfindlicher. Wenn sein Kampf zu nichts führt, wird er sich zutiefst grämen, weil sein Mitgefühl mit den Unterdrückten so groß ist. Solche »erfolglosen« Causticum-Typen versinken allmählich in Verzweiflung und Bitterkeit.
Ich habe einmal einen korpulenten älteren Herrn behandelt, der das typische ausgezehrte, tief zerfurchte Gesicht eines Causticum-Menschen hatte, der zu viele Schlachten geschlagen und verloren hat. Seine hauptsächliche Beschwerde war Osteoarthritis, aber es wurde bald deutlich, daß er auch Depressionen hatte. Es kam heraus, daß er viele Jahre lang dafür gekämpft hatte, daß der Stadtrat den Bau eines Waisenhauses finanzierte, und sogar in eine andere Gegend gezogen war, in der Hoffnung, dort eine Bürgervertretung zu finden, die seinem Anliegen positiver gegenüberstünde. Doch er hatte keinen Erfolg gehabt, und die Tatsache, daß er seinen Traum nicht realisieren konnte, hatte ihm das Herz gebrochen. Währenddessen war auch noch seine Frau gestorben, aber er sagte, er habe es geschafft, auch ohne sie weiterzukämpfen, weil er eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Nun war er dabei aufzugeben, und sein Leben hatte keinen Sinn mehr. Als er das sagte, weinte er offen und wie ein Kind in seiner Unschuld.
Glücklicherweise gaben ihm ein paar Dosen Causticum 10M (das man bei degenerativer, aber nicht bei entzündlicher Arthritis verordnen darf) seinen Lebensmut so weit zurück, daß er sich in der Lage fühlte weiterzukämpfen und wieder einen Sinn in seinem Leben sah. So stark ist die Kraft der Hochpotenzen. Vor der Behandlung war er nicht nur deprimiert und zurückgezogen (Kent: »geistige Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung«), sondern auch verbittert über das, was ihm als Dummheit und Blindheit der von ihm angesprochenen Bürgervertretungen erschienen war (Kent: »Beschwerden nach langdauerndem Kummer und nach Sorgen«). Causticum sollte in Kents Repertorium fettgedruckt unter der Rubrik »Empörung« ergänzt werden.
Versagen bei der Realisierung seiner Träume ist nicht die einzige Belastung, die Causticum zur Verzweiflung bringt. Viele Causticum-Menschen pflegen neben ihrem sozialen Engagement auch ein reiches Privatleben, und der Verlust eines geliebten Menschen kann für sie verheerend sein. Causticum ist eins von nur fünf Arzneimitteln, die in Kents Repertorium fettgedruckt unter der Rubrik »Gram« stehen. Man darf dabei nicht vergessen, daß Causticum meist sehr warmherzig und romantisch ist und gewöhnlich mit leidenschaftlicher Liebe an seinen Angehörigen hängt. Deshalb ist sein Gram so tief, wenn er sie verliert. Dieser tiefe Gram ist auch ein Beleg dafür, daß der Causticum-Charakter tiefgründiger ist als Phosphor, der sich nach einem zunächst geradezu hysterischen Schmerz meist bald wieder erholt, und auch empfindsamer als Sulfur, der ebenfalls einen schmerzlichen Verlust rascher überwindet als Causticum. Causticum grämt sich bis zur Agonie, weil das Bild des Menschen, den er verloren hat, und die Erinnerung an ihn ihm nicht aus dem Sinn geht, und sein empfindsames Herz weint mit jeder Erinnerung von neuem. Diejenigen, die eine Aufgabe haben, in die sie sich vertiefen können, erholen sich schneller als die anderen, die sich oft noch jahrelang nach dem Verstorbenen sehnen.
Besessenheit, Introversion und Ängstlichkeit
Nicht alle Causticum-Typen sind extrovertiert und leidenschaftlich. Die meisten sind idealistisch, aber manche drücken ihren Idealismus auch eher still aus, indem sie schreiben. Sie sind dann ziemlich schüchtern und leben von der Gesellschaft zurückgezogen. Tatsächlich ist der introvertierte Causticum genauso verbreitet wie der extrovertierte, und wie bei Lachesis liegen manche auch dazwischen.
Der introvertierte Causticum ist für Ängste viel anfälliger als sein extrovertierter Vetter. Causticum-Frauen sind eher introvertiert und ängstlich (aber auch gut die Hälfte der Männer sind so). Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß Causticum ein Kaliumsalz ist, und so ist es nicht überraschend, daß die meisten der introvertierten Causticum-Menschen manche Ähnlichkeiten mit den anderen Kalium-Typen haben. Zu diesen gemeinsamen Zügen gehört die Besessenheit. Je introvertierter Causticum ist, desto mehr neigt er zur Besessenheit. Sie kann sich wie bei Arsenicum und Natrium in einem besonders anspruchsvollen Wesen äußern. Einige Causticum-Typen sind extrem ordentlich und werden die Bilder im Haus eines Fremden gerade hängen. Andere sind perfektionistisch bei der Arbeit.
Die Kaliumsalze haben alle eine gewisse geistige Starrheit. Beim mehr extrovertierten Causticum kann sich das darin äußern, daß er mit großer Verbissenheit allerleijuristische Auseinandersetzungen verfolgt. Der mehr introvertierte Causticum kann dagegen Probleme mit immer wiederkehrenden negativen Gedanken haben. Genauso wie Lachesis ängstlich wird, wenn er kein Ventil für seine starke sexuelle Energie hat, so scheint Causticum ängstlich zu werden, wenn er kein äußeres Ziel für seine geistige Energie hat. Das drückt sich unter anderem in fixen Ideen und Zwangsvorstellungen aus. Nach anhaltendem Streß beginnt Causticum vielleicht, zwanghaft zu kontrollieren, ob die Türen abgeschlossen sind. Möglicherweise leidet er auch unter Sauberkeits- und Waschzwängen, ein Krankheitsbild, das man häufiger bei Syphilinum findet.
Ich habe einmal einen netten alten Mann behandelt (die pathologischen Geistessymptome von Causticum treten meist im höheren Lebensalter auf), der über einen Schreibkrampf klagte. Er berichtete mir, er habe früher einen Nervenzusammenbruch gehabt, was mich überraschte, weil er sowohl offen als auch emotional ziemlich gesund wirkte. Sein Nervenzusammenbruch hatte sich darin ausgedrückt, daß er sich zwanghaft immer wieder mit unangenehmen Ereignissen aus der Vergangenheit beschäftigen mußte. Selbst Jahre danach fiel es ihm immer noch schwer, bestimmte Erlebnisse loszulassen. Diese Angewohnheit, die man häufiger bei Natrium muriaticum findet, in Kombination mit einer relativ warmen und offenen Erscheinung führte mich zu Causticum, was nicht nur den Schreibkrampf heilte, sondern auch das ängstliche Wiederkäuen der Vergangenheit erheblich reduzierte. Dabei fällt ein Widerspruch bei den Geistessymptomen des introvertierten Causticum auf. Ein solcher Mensch mag offen wirken und jemand sein, zu dem man im Sprechzimmer leicht Zugang findet und der ohne Hemmungen oder Emotionen über sich selbst reden kann; dennoch beschreibt er sich selbst als introvertiert und still. Beide Eindrücke sind korrekt. Im Vergleich zu anderen Kalium-Typen behält selbst der introvertierte Causticum ein gewisses Maß an Offenheit und Idealismus. Wie sein mehr extrovertierter Vetter wird er bei Ungerechtigkeiten oft zornig und kann ein starkes Interesse an Politik entwickeln. Seine Ansichten sind im allgemein liberal, und er zeigt nicht die soziale »Steifheit«, die man gewöhnlich bei Kalium carbonicum oder Kalium bichromicum findet. Ebensowenig hat er die defensive Haltung eines introvertierten Natrium. Er wirkt ernsthaft, intelligent, objektiv und menschlich, und dieser Eindruck führt dazu, daß man annimmt, solch ein Mensch hätte wenig Probleme mit Ängsten. Und doch leidet Causticum darunter.
Eine besonders charakteristische Angst beim introvertierten Causticum ist das Gefühl, daß irgend etwas Schreckliches passieren wird (Kent: »ständige Furcht vor einem schrecklichen Ereignis«). Dieses Problem taucht meist nach jahrelangem Streß auf, besonders wenn Causticum alt wird. Im Alter werden viele Causticum-Typen ängstlicher und ziehen sich mehr zurück. Der jugendliche Idealismus schwindet und mit ihm auch das Selbstvertrauen und die geistige Klarheit (Kent: »alte, zusammengebrochene Konstitutionen«). Wenn die Ängstlichkeit zunimmt, entwickelt sie sich zu dem entsetzlichen Gefühl, daß etwas Schreckliches geschehen wird. Es ist so, als ob all die Jahre, in denen Causticum beobachtet hat, wie furchtbare Dinge in der Gesellschaft passieren, ohne daß er etwas daran hätte ändern können, nun dazu geführt hätten, daß er generell mit Katastrophen rechnet. Diese Angst mag sich speziell darin äußern, daß er fürchtet, ihm oder seiner Familie könnte etwas zustoßen, und das kann zu Argwohn oder einer leichten Paranoia führen. Ebenso kann es Angst vor dem Tod auslösen. Ältere Causticum-Menschen sind oft gebrechlich, furchtsam und neigen zu Verwirrung. Sie reagieren sehr empfindlich auf die geringsten negativen Einflüsse wie beispielsweise Lärm oder auf die geringsten schlechten Nachrichten, und manchmal reichen Kleinigkeiten, um sie zu entnerven, was sich in Zittern, Aufregung und einer leichten Form von Panik äußert.
Das Nervensystem von Causticum wird mit zunehmendem Alter angespannt und überempfindlich, besonders wenn er Belastungen im Privatleben ausgesetzt ist oder gesundheitliche Probleme hat, und die Verschlechterung seines Zustandes kann das Ergebnis einer Abwärtsspirale zunehmender Ängstlichkeit sein, die allmählich zur Verzweiflung führt. Sehr häufig wird der ältere Causticum ängstlicher, nachdem seine Partnerin gestorben ist. Sie hatte seinem Leben Beständigkeit gegeben, und nachdem er sie verloren hat, kann Causticum unsinnige Ängste entwickeln und immer verwirrter werden. Vielleicht fürchtet er sich, wenn er nachts alleine ist (Kent: »Ängstlichkeit vor dem Einschlafen«), vielleicht entwickelt er auch völlig unrealistische Ängste, beispielsweise, daß er abgeschoben werden soll oder daß er Krebs hat, obwohl das gar nicht stimmt. Diese Ängste sind nur ein Ausdruck des allmählichen Verfalls seiner Geisteskräfte nach Jahren der Anspannung.
Die Causticum-Frau
Etwa drei Viertel aller Causticum-Typen sind Männer. Die Causticum-Frau ist im allgemeinen introvertiert und dabei weniger idealistisch und weniger analytisch als der introvertierte Mann. Sie wirkt sensibel, unabhängig und ängstlich, ist leicht zu Tränen gerührt, aber nicht sehr emotional. Insofern hat sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der Silicea-Frau, ist aber weniger zart und kultiviert. Gleichzeitig hat sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Natrium carbonicum, ist aber mitfühlend und großzügiger. Man findet auch eine starke Ähnlichkeit mit der Kalium-carbonicum-Frau, aber die Causticum-Frau ist weniger starr und formal. Sehr oft sind die körperlichen Symptome besser geeignet als die geistigen, um die Causticum-Frau zu identifizieren, weil der typische Idealismus bei ihr nicht so deutlich erscheint.
Zusammenfassung
Causticum ist für den Homöopathen ein schwieriger Konstitutionstyp, weil er einerseits so selten vorkommt und andererseits so offensichtliche Widersprüche in sich birgt. Intellektueller Idealismus ist ein Schlüsselsymptom für den Causticum-Mann, zusammen mit einem Haß auf jede Ungerechtigkeit. Der extrovertierte Causticum ist so warmherzig und mitfühlend wie Phosphor, aber intellektueller und sozial engagierter. Er ist so leidenschaftlich und hat soviel Selbstvertrauen wie Sulfur, ist aber empfindsamer und weniger egoistisch. Der introvertierte Causticum ist idealistisch und analytisch und leidet unter Ängsten und Zwängen. Die Causticum-Frau ist im allgemeinen sensibel und ängstlich, neigt zu Zwängen und ist etwas introvertiert. Wenn sie nicht unter einer angstbedi ngten Verwirrung leidet, hat sie im allgemeinen einen scharfen Verstand.
Körperliche Erscheinung
Causticum ist körperlich meist schlank und drahtig. Das Gesicht ist eckig und wird mit zunehmendem Alter hohl und ausgezehrt mit tiefen Falten. (Der Rockmusiker Bob Dylan ist ein gutes Beispiel dafür. Seine Texte sind inhaltlich ebenfalls typisch für Causticum.) Das Gesicht hat oft einen gräulichen Farbton.