Silicea

Grundzug: zart und entschlossen

Silicea ist ein relativ seltener Konstitutionstyp. Wie alle hochkultivierten Typen findet man ihn nur bei einem kleinen Teil der Bevölkerung, vielleicht bei ein oder zwei Prozent, und weil Silicea so selten ist, wird das Mittel einerseits leicht verfehlt und andererseits zu häufig verordnet. Silicea hat einige Charakteristika mit Pulsatilla, Calcium, Nux vomica, Graphites und Arsenicum gemeinsam und kann mit jedem dieser Mittel verwechselt werden, aber die Gesamtheit der Silicea-Persönlichkeit ist ziemlich ausgeprägt und einzigartig (ebenso wie die körperliche Erscheinung). Alle Siliceas, die ich kennengelernt habe, waren Frauen.

Intellektuelle Kultiviertheit und Tiefe

Silicea ist wahrscheinlich der kultivierteste aller Konstitutionstypen. Fast alles an ihr ist kultiviert, ihr Intellekt, ihr Geschmack, ihre moralische Sensibilität und ihre Erscheinung. Nur Ignatia und Arsenicum kommen ihr in dieser Beziehung nahe, und beide sind ziemlich deutlich von ihr unterscheidbar.

Silicea ist in den meisten Fällen eine Intellektuelle. Das allein reicht schon aus, um sie von Pulsatilla zu unterscheiden, mit der sie manchmal wegen ihrer Furchtsamkeit verwechselt wird. Siliceas Intellekt ist kultiviert und subtil, mehr noch als der von Sepia und Arsenicum. Solange sie einen klaren Kopf hat, kann Silicea sehr genau differenzieren, ganz gleich ob es sich um ein mathematisches Problem handelt, um die Persönlichkeit eines neuen Bekannten oder um komplexe moralische oder philosophische Fragen. Anders als Arsenicum, die oft überwiegend materiell orientiert ist, denkt Silicea gewöhnlich tiefgründiger, ebenso wie viele Sepias und Ignatias. Beispielsweise kann sie sich für metaphysische Gedichte interessieren, für spirituelle oder religiöse Themen oder auch für soziale Fragen. Kent bezieht sich auf diese Tiefe, wenn er über Silicea (im Unterschied zu Pulsatilla) sagt: »Es ist ein tiefer wirkendes, bis auf den Grund gehendes Mittel.«

Das gilt nicht nur auf der körperlichen Ebene, sondern auch in bezug auf die Persönlichkeit von Silicea. Sie nimmt das Leben ziemlich ernst, nicht etwa, weil sie depressiv wäre, sondern eher, weil sie – vor allem intellektuell– seine Tiefen ausloten möchte. Weit davon entfernt, frivol zu sein, ist sie still und bedächtig und begibt sich oft in die Rolle der Beobachterin. Silicea hält sich aus der Betriebsamkeit des Lebens heraus und beobachtet das Geschehen mit einem Blick, der mehr sieht, als sie zugibt. Ihre Zurückhaltung beruht teilweise auf der Furcht, daß sie nicht robust genug sein könnte, um mit eventuellen Schicksalsschlägen fertig zu werden, hängt aber auch damit zusammen, daß sie sich von allem Vulgären fernhalten will. In ihrer zarten Empfindsamkeit fühlt sie sich abgestoßen von der Brutalität, dem Mangel an Bewußtsein und der Unehrlichkeit, die sie in der Welt sieht, und deshalb hält sie sich etwas abseits von allen Menschen, die nicht ausgeprägt freundlich und aufrichtig sind (ähnlich wie China).

Alle Silicea-Frauen, die ich kennengelernt habe, waren intelligente Menschen, die differenzieren konnten und mehr an den subtilen Fragen des Lebens, beispielsweise an Psychologie, Medizin (in einem Fall auch Fußpflege) oder an Kunst, interessiert sind als am Hauen und Stechen des Geschäftslebens. Kent bemerkt dazu: »Silicea paßt nicht für die Reizbarkeit und nervöse Erschöpfung der Geschäftsleute, sondern mehr für jene Formen der Hirnmüdigkeit, wie wir sie bei geistigen Berufen, Studenten, Rechtsanwälten und Geistlichen beobachten.« Mit anderen Worten, sie hat meist kein Interesse daran, ihren subtilen, gründlichen Verstand nur zum Geldverdienen einzusetzen, sondern ihr geht es eher um Wissen und Erkenntnis, deren Anwendung sowohl Silicea selbst als auch der Gesellschaft dienen soll.

Silicea ist nicht nur zu zart für die Geschäftswelt, sie hat auch zu viele Prinzipien und ein zu starkes Interesse an den geistigen und mehr spirituellen Aspekten des Lebens. Alle Silicea-Frauen, die ich behandelt oder persönlich kennengelernt habe, waren idealistische Menschen, aber wie viele Sepia-Frauen sind sie gewöhnlich auch praktisch veranlagt und keine Träumer, wie viele Sulfur- und Phosphor-Typen und manche Natriums. Silicea konzentriert sich meist auf eine oder zwei Fertigkeiten, die entweder künstlerischer Art sind oder der Menschheit auf irgendeine Weise dienen, und daran hält sie sich gewissenhaft, statt sich für verschiedene idealistische Bewegungen zu begeistern. Sie ist grundsätzlich von Natur aus vorsichtig (Silicea sollte in Kents Repertorium in den Rubriken »vorsichtig« und »sorgfältig« ergänzt werden), und obwohl sie leicht erregbar ist und eine angenehme Überraschung oder eine neue Idee sie zunächst aus der Fassung bringen kann, kommt sie bald wieder auf den Boden zurück und orientiert sich an den praktischen Realitäten.

Siliceas Verstand ist höchst präzise wie der von Arsenicum. Auch bei ihr haben gewöhnlich alle i's einen Punkt und alle t's einen Strich, und im allgemeinen arbeitet und forscht sie sehr exakt. Sie ist meist gewissenhaft (Kent: »gewissenhaft bei Kleinigkeiten«) und gründlich, aber weniger zwanghaft als Arsenicum, und sie zwingt ihre Standards anderen nicht so stark auf wie letztere. Das hat damit zu tun, daß sie gewöhnlich mehr am Inhalt als an der äußeren Form des Wissens interessiert ist. Die Silicea-Musiklehrerin kann beispielsweise ein sehr differenziertes Musikverständnis haben, aber im Unterricht geht es ihr mehr darum, den Geist der Musik, die Liebe zur Musik und die Fertigkeit, ein Instrument zu spielen, zu vermitteln, als sicherzustellen, daß jeder Schüler Noten lesen und jeden Akkord korrekt identifizieren kann, was für den Arsenicurn-Musiklehrer das wichtigste Anliegen sein dürfte. Siliceas Kenntnisse werden oft unterschätzt, weil sie selten damit hausieren geht wie Kalium, Arsenicum, Sulfur und Lycopodium. Sie stellt ihr Licht lieber unter den Scheffel und zeigt nicht, was sie weiß oder kann. Sie gibt gerade so viel preis, wie in der jeweiligen Situation angemessen ist, und behält alles andere für sich, bis sie jemanden findet, der es zu schätzen weiß. Und selbst dann äußert sie ihre Kenntnisse und Meinungen vorsichtig und zurückhaltend. Sie möchte viele Dinge verstehen, und sie genießt es, mit Gleichgesinnten zu diskutieren, aber sie hat kein besonderes Geltungsbedürfnis. Eher wirkt sie ernsthaft, und genau das ist sie auch.

Furchtsamkeit, Entschlossenheit und Hartnäckigkeit

Es gibt einen auffälligen und sehr charakteristischen Widerspruch in der Silicea-Persönlichkeit, Obwohl sie der furchtsamste aller Konstitutionstypen ist, ist sie gleichzeitig der hartnäckigste und entschlossenste. Sie ist furchtsam, weil es ihr an Selbstvertrauen fehlt und weil sie Angst vor Aggressionen und den unberechenbaren Ereignissen des Lebens hat. Deshalb äußert sie sich nur zurückhaltend und ist bei neuen Unternehmungen vorsichtig, weil sie Angst hat, sie könnte versagen oder mit irgendwelchen Schwierigkeiten nicht fertig werden. Alles, was sehr kulti viert ist, wird zugleich zart, und Silicea ist so zart, daß sie versucht sich zu schützen, indem sie sich zurückzieht, still ist und Abstand hält. Ihre Zartheit besteht sowohl auf der körperlichen als auch auf der geistigen Ebene. Körperlich reagiert sie sehr empfindlich auf widrige Umstände wie schlechte Ernährung und Streß bei der Arbeit, und sie ermüdet sehr leicht, wenn sie sich übernimmt. Weil es ihr an Stehvermögen fehlt und sie stark auf ungünstige äußere Bedingungen reagiert, bekommt sie leicht Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden, wenn sie sich zuviel zumutet. Silicea wächst häufig bei überbesorgten Eltern sehr behütet auf, und schon das kann sie noch ängstlicher machen.

Psychisch ist Silicea oft stärker, als sie selbst glaubt. Sie unterschätzt ihre Fähigkeiten und fürchtet, bei neuen Aufgaben zu versagen. Deshalb zögert sie vielleicht lange, bevor sie überhaupt einen Versuch macht. Ich kannte einmal eine junge Silicea-Frau, die eine Massageschule besuchte. Am Ende ihrer Ausbildung bestand sie die Prüfung und beschloß dann, die gesamte Ausbildung noch einmal zu wiederholen, um sich ihrer Fähigkeiten sicherer zu fühlen, bevor sie eine professionelle Praxis eröffnete. Eine andere Silicea Frau, die ich kannte, besuchte einen Therapiekurs nach dem anderen und machte zusätzlich eine Ausbildung als Musiklehrerin, weil sie das Gefühl hatte, ihre Zeugnisse seien nicht gut genug, um Klienten zu werben, obwohl sie eine sehr begabte Heilerin und Musiklehrerin war. Die Ergebnisse, die sie bei ihrer Arbeit erzielte, befriedigten sie, aber sie hatte immer Angst vor einem geschäftlichen Ruin oder daß sie nach einer Weile keine guten Resultate mehr bekommen würde, weil sie nicht genügend qualifiziert sei.

Silicea hat auch deshalb Bedenken, sich mit allzuviel Energie in irgendwelche Aktivitäten zu stürzen, weil sie weiß, daß ihre Standfestigkeit nicht besonders groß ist. Das gilt besonders bei der geistigen Arbeit. Nachdem sie eine Weile ihre Aufgaben gemacht hat, wird ihr Denken verschwornrnen, und sie kann sich nicht mehr konzentrieren (Kent: »Stumpfsinn durch geistige Überanstrengung«). Hier beginnt dann ein Teufelskreis, bei dem Verwirrung zu Angst führt und diese wiederum noch mehr Verwirrung auslöst. Silicea neigt zu Erwartungsängsten und gerät besonders vor Prüfungen und öffentlichen Auftritten leicht in Panik. Weil sie sich sorgfältig vorbereitet, beherrscht sie ihr Thema gewöhnlich gut und ist im allgemeinen trotz ihrer Nervosität erfolgreich, aber es kann sein, daß sie bestimmte Aufgaben nicht übernimmt oder sich Gelegenheiten entgehen läßt, weil sie Angst hat, sie könnte es nicht schaffen. Mit zunehmendem Alter wird sie meist selbstsicherer und wagernutiger, weil sie jahrelang die Erfahrung gemacht hat, daß sie erfolgreich ist, wenn sie erst einmal den Mut gefunden hat, sich auf ein Projekt einzulassen.

Siliceas Furchtsamkeit ist größer als ihr Glaube an die eigenen Fähigkeiten und beeinträchtigt sie auch im sozialen Bereich. Meist ist sie schüchtern, bis sie Menschen gut kennt und weiß, daß sie harmlos sind. Selbst dann ist sie gewöhnlich etwas stiller als ihre Freunde, obwohl es ihr nicht an Humor fehlt. Ihre Angst ist am größten, wenn sie es mit Autoritätspersonen oder mit aggressiven Menschen zu tun hat. Ich kenne eine Silicea-Frau, die immer so undeutlich sprach, daß die Leute dauernd nachfragen mußten. Der Hang dazu wurde noch stärker, wenn sie nervös war, besonders bei Bewerbungsgesprächen, und deshalb verkaufte sie sich ständig unter Wert, weil die Leute sie für unfähig hielten. Tatsächlich war sie bei ihrer Arbeit durchaus selbstsicher und fähig, konnte das jedoch im Bewerbungsgespräch nicht vermitteln.

Trotz ihrer Furchtsamkeit weiß Silicea im allgerneinen, was sie denkt und was sie will. Vielleicht hat sie nicht den Mut, zu sagen, was sie denkt, oder zu tun, was sie will, aber sie ändert ihre Meinung nicht leicht. Im Grunde ist sie sogar bemerkenswert störrisch. Um das zu verstehen, muß man berücksichtigen, daß Silicea ein intellektueller Typ ist, der einen besonders subtilen Verstand hat. Wenn sie etwas begriffen hat, vertraut sie auf ihre eigene Meinung, und sie hält auch bei Widerspruch daran fest. Wenn es zu einer intellektuellen Debatte komrnt, kann Silicea manchmal sogar lebhaft werden und mit einer Bestimmtheit in die Diskussion eingreifen, von der andere überrascht sind, weil sie zunächst nur still und etwas nervös dem Gespräch gefolgt ist, solange es sie nicht besonders interessierte. Silicea liebt die Wahrheit, und sie vergißt ihre Angst, um die Wahrheit vehement zu verteidigen, wenn sie das Gefühl hat, daß diese angegriffen wird. Dann spricht sie so leidenschaftlich und entschlossen, als hänge ihr Leben davon ab (Kent: »Furchtlosigkeit«), und sie wird sich standhaft gegen jeden Widerspruch zur Wehr setzen (Kent: »duldet keinen Widerspruch«).

Ein Beispiel für den offensichtlichen Widerspruch zwischen Siliceas Furchtsamkeit und ihrer Entschlossenheit ist ihre Neigung, gleichzeitig unentschlossen und fest in ihren Ansichten zu sein. Ihre Unentschlossenheit tritt am stärksten in Erscheinung, wenn sie nervös bzw. geistig oder emotional erschöpft ist. Dann fehlt ihr das Selbstvertrauen, um eigene Entscheidungen zu treffen, und sie wird sich diesbezüglich auf andere Leute verlassen. Dabei kann es sich um ganz triviale Dinge handeln, wie die Frage, welchen Film man sich im Kino ansieht, oder um so wichtige Angelegenheiten wie die Frage der Berufswahl. Je furchtsamer sie im allgemeinen ist, desto unentschlossener wird sie sein (Kent: »Unentschlossenheit«). Beides hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von ihrer Erziehung (und besonders davon, in welchem Ausmaß ihre Eltern ihre Ansichten respektiert haben) und von ihrer aktuellen emotionalen und finanziellen Sicherheit. Jeder dieser Faktoren kann Siliceas Entscheidungsfähigkeit negativ beeinflussen, und die Situation kann sich jeden Tag ändern. Wenn sie jemanden um Entscheidungshilfe bittet und der Betreffende das ablehnt, gerät sie leicht in Angst, oder sie quält sich lange Zeit damit ab, vor allem weil sie Angst vor den Konsequenzen einer falschen Entscheidung hat. Das ist nur ein anderer Aspekt ihres allgemeinen Mangels an Selbstvertrauen.

Die andere Seite der Medaille ist Siliceas Neigung zu festen Überzeugungen. Obwohl sie in vielen Dingen unsicher sein kann, fühlt sie sich bei einigen Fragen sicher. Wenn sie beispielsweise Christin ist, wird sie absolutes Vertrauen in ihre religiösen Überzeugungen haben, obwohl diese nicht unbedingt mit den orthodoxen Glaubenssätzen übereinstimmen müssen, die sie als Kind gelernt hat. Sie wird das alles für sich selbst überdenken, zurückweisen, was der Prüfung nicht standhält, und an den restlichen Überzeugungen unbeirrt festhalten. Ich erinnere mich an ein Gespräch über Religion mit einer solchen Silicea-Frau, einer Freundin von mir, deren Arthritis positiv auf eine Behandlung mit Silicea ansprach. Sie hatte ziemlich radikale christliche Ansichten, die sich stark von der üblichen christlichen Lehre unterschieden und viel zeitgenössisches, fortschrittliches Denken enthielten, aber sie war nicht bereit, einige wenige traditionelle Überzeugungen, an denen sie weiter festhielt, in Frage zu stellen. Es war so, als habe sie das Territorium ihres Glaubens eingezäunt und abgesichert, indem sie zu sich selbst sagte: »Bis hierhin und nicht weiter.«

Man kann den intellektuellen Eigensinn von Silicea verschieden interpretieren. Er könnte eine Folge ihrer Angst vor Unsicherheit sein und eine konsequente Reaktion zur Verteidigung der Sicherheit. Andererseits könnte er mit Siliceas Wahrheitsliebe zusammenhängen und wäre dann eine Weigerung, etwas zu akzeptieren, was im Widerspruch zur Wahrheit steht. Schließlich könnte er auch durch das extreme Festhalten an bestimmten Ideen zustande kommen, so wie Arsenicum oft an der Vorstellung festhält, jeder sei seines Glückes Schmied, oder Kalium carbonicum darauf fixiert ist, man müsse rational sein. Ich vermute, daß alle drei Aspekte eine gewisse Rolle spielen. Mit Sicherheit hält Silicea manchmal an bestimmten Vorstellungen fest, seien sie nun religiös, politisch, moralisch oder wissenschaftlich. Genauso hängt sie oft an bestimmten vertrauten Dingen oder bevorzugten Angewohnheiten.

Ich erinnere mich an ein Treffen von Therapeuten, an dem ich einmal teilgenommen habe, als ich eine Zeitlang in einem Krankenhaus in England arbeitete. Eine Teilnehmerin war Phytotherapeutin, eine junge Frau mit sehr charakteristischen Silicea-Zügen, schlank mit leichtem Knochenbau, sehr blasser Haut, knochigen Gesichtszügen und einem zarten gelben Flaum auf der Oberlippe. Sie schwieg die meiste Zeit, und wenn sie sprach, dann äußerte sie sich vorsichtig und fast entschuldigend. Ihre Haltung veränderte sich plötzlich, als wir darüber diskutierten, ob Zeitungen für die Patienten im Wartezimmer ausliegen sollten. Einige der Therapeuten waren der Ansicht, sie sollten entfernt werden, weil sie voll von negativen Berichten seien, die niemandem etwas nützten. An diesem Punkt meldete sich meine Silicea-Kollegin zu Wort und hielt ein beherztes Plädoyer für die Zeitungen. Ihr Gesicht bekam durch die Erregung Farbe, als sie darauf bestand, daß die Zeitungen weiterhin im Wartezimmer liegen sollten. Als wir nach dem Grund fragten, antwortete sie, sie habe oft freie Zeit in der Klinik und lese die Zeitungen dann gerne. Solche überempfindlichen Reaktionen überraschen bei einer normalerweise sanftmütigen und nüchternen Silicea. Sie erinnern an die Leidenschaft, mit der Silicea ihre Vorlieben verteidigt, und die Entrüstung, die sie empfindet, wenn sie sich darin bedroht sieht.

Ebendiese Silicea-Phytotherapeutin, die ihr Recht auf die Zeitungen so vehement verteidigt hatte, kam eines Tages in meine Sprechstunde. Ihre hauptsächliche Beschwerde war Unentschlossenheit (ja, die Fälle sind wirklich manchmal so einfach und folgerichtig!), unter der sie zeit ihres Lebens gelitten hatte. Sie sagte, sie wisse nie, was sie tun solle, und zögere deshalb jede Handlung und jede Entscheidung hinaus. Ich gab ihr Silicea 10M und war sicher, daß es ihr helfen würde. Eine Woche später fand ich heraus, daß sie es nicht genommen hatte. Als ich sie nach dem Grund fragte, sagte sie, sie könne sich nicht entscheiden, ob es richtig sei oder nicht. Ich erklärte ihr, der einzige Weg, zu einer Entscheidung zu kommen, bestehe darin, das Mittel zu nehmen.

Siliceas Eigensinn ist oft die Weigerung, eine vertraute oder geliebte Angewohnheit oder Überzeugung aufzugeben. Diese starre Haltung ist oft zu ihrem eigenen Nachteil, wie das folgende Beispiel zeigt. Ich habe einmal eine junge Silicea-Frau wegen einer leichten Form von rheumatoider Arthritis behandelt. Sie hatte mäßige Schmerzen in den Händen, weigert sich aber, irgendwelche konventionellen Medikamente zu nehmen. Sie erzählte mir, ihre Großmutter sei allmählich durch Arthritis zum Krüppel geworden, und sie hatte Angst, es könne ihr am Ende genauso gehen. Ich verordnete ihr regelmäßige Dosen Silicea C30, die deutlich halfen, und später gelegentliche Gaben von C200, wiederum mit guter Wirkung. Nach einer Weile stellte ich fest, daß das Mittel nicht mehr sehr lange wirkte, und ich entdeckte, daß sie gegen meinen Rat Marihuana nahm. Ich sagte ihr, die Droge vertrage sich nicht mit der Behandlung, aber sie erklärte, das sei ihr einziges Laster und das werde sie nicht aufgeben. Das überraschte mich angesichts der Tatsache, daß sie hochintelligent war, die Droge nur gelegentlich nahm, emotional stabil wirkte und Angst davor hatte, ein Krüppel zu werden. Mir wurde klar, daß dies nur ein weiteres Beispiel dafür war, wie Silicea an bestimmten Dingen hängt, in diesem Fall an einer Angewohnheit, die ihr mehr Schaden zufügte als die meisten anderen.

Es ist diese Art von Bindung, die Kent wahrscheinlich veranlaßte, Silicea in seinem Repertorium unter der Rubrik »Monomanie« aufzuführen, was ein altmodischer Ausdruck für Zwangsverhalten ist. Ich habe nicht festgestellt, daß Silicea ein zwanghafter Typ ist, abgesehen von ihrem Festhalten an bestimmten Ideen und Gewohnheiten, die sie zwar anderen Leuten nicht aufzuzwingen versucht, selbst aber auch nicht aufgeben will.

Ein weiteres Beispiel für Siliceas Entschlossenheit ist die Art, wie sie manchmal auf dominierende Persönlichkeiten reagiert. Obwohl sie furchtsam ist, wehrt sie sich oft gegen den Übereifer anderer Leute und leistet ihnen bewußt Widerstand, selbst wenn sie dabei innerlich zittert. Es ist für Silicea durchaus nichts Ungewöhnliches, gleichzeitig Wut und Angst zu empfinden. Sie ist wütend, wenn jemand versucht, sie zu unterdrücken, und empfindet im selben Moment Angst vor der Konfrontation. Während andere wie Lycopodium und Staphisagria sich in solchen Situationen eher ducken, bleibt Silicea trotz ihrer inneren Angst oft standhaft.

Lucinda Leplastrier, die reiche, aber unerfahrene Eigentümerin einer Glasfabrik in Peter Careys Roman Oscar und Lucinda ist das perfekte Beispiel einer Silicea-Frau. Eine ihrer hauptsächlichen Leidenschaften ist das Glücksspiel, und eines Abends findet eines der frömmsten Gemeindemitglieder (in Sydney um die Jahrhundertwende) sie und Oscar, den neuen Vikar, beim Poker. Das Gemeindemitglied ist außer sich über das unwürdige Verhalten der beiden, und während Oscar versucht, den Mann freundlich zu beruhigen, wird Lucinda sehr förmlich und beschimpft den Eindringling, weil er stört, und fordert ihn auf, zusammen mit seiner dicken Frau sofort durch das gleiche Fenster zu verschwinden, durch das er hereingeklettert war, als er die beiden beim Kartenspiel beobachtet hatte.

Silicea kann sich erstaunlich gut wehren, wenn sie sich angegriffen fühlt. Plötzlich schießt ihr das Blut in die Wangen, und sie verwahrt sich nachdrücklich gegen diese Art der Behandlung. Im allgemeinen ist sie nicht aufgeblasen oder geltungsbedürftig, aber sie duldet keine Mißachtung, denn sie hat ein hohes Maß an Selbstrespekt, auch wenn es ihr manchmal an Selbstvertrauen fehlt. Genauso setzt sie sich bisweilen für Opfer ein, die schlecht oder ungerecht behandelt worden sind, auch wenn sie die Leute kaum kennt. Ihr eigenes Gespür für Gerechtigkeit und Anstand ist nicht beliebig oder konventionell, sondern tiefgründig und sehr persönlich, und wenn sie unschuldige Opfer verteidigt, ist das nur ein natürlicher Ausdruck ihrer starken Überzeugungen.

Wegen ihrer Furchtsamkeit kann Silicea manchmal zu defensiv sein, besonders wenn sie starken Persönlichkeiten gegenübersteht. Sie hat Angst, daß ihre zerbrechliche Unabhängigkeit bedroht sein könnte, und reagiert dann manchmal übereilt und unangemessen. Ich erinnere mich, daß ich meiner Phytotherapeuten-Kollegin ziemlich selbstsicher erklärt habe, Silicea werde ihre Unentschlossenheit bessern, und dann feststellen mußte, daß meine selbstsichere, fast nonchalante Art dazu führte, daß sie das Mittel nicht nehmen wollte. Es war so, als habe sie das Gefühl, ich dränge sie in die Ecke und lasse ihr keine Wahl, so daß sie sich behaupten mußte, um ihre Freiheit zu verteidigen.

Diese Tendenz wirkt bei Silicea-Kindern oft wie Eigensinn (Kent: »halsstarrig«). Sie verhalten sich ihren Eltern gegenüber gerne kooperativ, solange sie sich respektiert fühlen, aber sobald sie den Eindruck haben, daß man ihnen etwas befiehlt, stellen sie sich auf die Hinterfüße und leisten Widerstand, gleichgültig ob sie das, was ihnen befohlen wurde, tun wollen oder nicht. Das Silicea-Kind bekommt wahrscheinlich keinen Anfall wie Sulfur oder Tuberculinum, zwei andere eigensinnige Typen, aber es geht genauso oft seinen eigenen Weg, indem es passiven Widerstand leistet. Wird dieser Widerstand gewaltsam gebrochen, verzeiht das Kind den Eltern nur schwer und entzieht ihnen wahrscheinlich die Zuneigung, um sie zu strafen. Wie die Silicea-Frau ist auch das Silicea-Kind stolz und störrisch, ohne dabei arrogant oder aggressiv zu sein. Das kleine Mädchen erwartet, daß seine Ansichten und Vorlieben respektiert werden, und solange das geschieht, wird es gerne zu Kompromissen und zur Kooperation bereit sein. Wird ihm der Respekt verweigert, entzieht das Kind den Erwachsenen sein Vertrauen, und es erfordert eine Menge Überredungskunst, bis Silicea wieder zur Kooperation bereit ist.

Ein Aspekt der Halsstarrigkeit, die Silicea unter Druck entwickelt, ist ihre Weigerung, sich zur Eile treiben zu lassen. Sie nimmt sich gerne viel Zeit, um über etwas nachzudenken, und das kann für entscheidungsfreudigere Typen wie Nux oder Sulfur nervenaufreibend sein. In einer Ehe wird Silicea oft die Begeisterung ihres Mannes bremsen, nicht weil sie ein Spielverderber wäre, sondern weil sie, bevor sie sich auf etwas einläßt, erst alles durchdenken und sicherstellen will, daß die Pläne kein Risiko beinhalten und finanzierbar sind. Diese Weigerung, übereilt zu handeln, zeigt sich sogar in Siliceas Bewegungen. Sie geht nicht nur gelassen, wobei sie sich im allgemeinen aufrecht, aber entspannt hält, sondern sie hat manchmal auch einen Hang zum Trödeln. Ich spiele Tennis mit einer Silicea-Freundin, die bereit ist zu rennen, um einen Ball kurz hinter der Linie zu bekommen, aber zwischendurch bewegt sie sich so langsam, daß man denken könnte, sie sei erschöpft, und sie weigert sich, den Aufschlag in der üblichen gespannten Aufmerksamkeit zu erwarten, sondern steht lieber nonchalant da und hält den Schläger zur Seite. Dies ist wahrscheinlich ein weiteres Beispiel für Siliceas Neigung, Energie zu sparen, für den Fall, daß sie sie später braucht. Niemand wird sie dazu bringen, ihre Selbstbeherrschung zu verlieren, wenn die Situation nicht wirklich furchtbar ist, und selbst dann gerät sie wahrscheinlich eher in Panik, als daß sie schneller wird.

Integrität

Integrität ist eine Eigenschaft, die schwer zu definieren ist, über die aber fast alle Silicea-Menschen in hohem Maße verfügen. Siliceas Integrität hat nicht so sehr damit zu tun, daß sie sich an einen ethischen Kodex halten würde, was eher für Natrium, Arsenicum und Kalium typisch ist, sondern es handelt sich um ein angeborenes Gespür dafür, was sie selbst für richtig und falsch hält. Lucinda Leplastrier bricht ein Tabu nach dem anderen, weil sie keine Zeit für die spießige, heuchlerische Moral der viktorianischen Oberklasse hat, aber ihr Moralbewußtsein ist außerordentlich sensibel und läßt ihr keine Ruhe, wenn sie das Gefühl hat, sie hätte jemanden unfreundlich behandelt (es sei denn, er hätte es verdient). Silicea-Menschen haben strenge Grundsätze, ohne rigide oder moralistisch zu sein. Sie wenden ihre Prinzipien mehr auf sich selbst als auf andere an und üben wenig Kritik am Verhalten anderer, sofern dadurch nicht jemand eindeutig verletzt wird. Sie leben und lassen leben, und obwohl sie sich vielleicht von der Masse fernhalten, geschieht das mehr aus Respekt vor ihrer eigenen Zerbrechlichkeit und Empfindsamkeit als aus Arroganz.

Silicea weiß, daß sie sehr kultiviert ist, aber sie verhält sich selten, wenn überhaupt, geringschätzig. Häufiger ist sie bescheiden und neigt dazu, ihre Begabungen und Leistungen zu unterschätzen. Sie hält Eigenlob für vulgär (obwohl sie sich einen kurzen Moment des aufgeregten Schwelgens erlaubt) und versucht selten, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, aber sie neigt auch nicht zur Selbstverleugnung. Meist ist sie in ihren Aktivitäten und Ansichten maßvoll und vernünftig und verfügt über eine gewisse Gelassenheit und Selbstkontrolle, die eher angemessen als rigide wirkt. Ich denke, daß die Prinzessin auf der Erbse eine Silicea war. Sie spürte die Erbse, weil sie ungewöhnlich sensibel war (Kent: »Sinne überempfindlich«), und ihre Sensibilität bewies, daß sie eine Prinzessin war. Wie Arsenicum umgibt Silicea oft ein Hauch von Würde, so als sei sie adeliger oder königlicher Abstammung, aber anders als bei Arsenicum ist ihre Würde still und bescheiden und nicht aufdringlich.

Loyalität ist ein Aspekt von Integrität, und ich habe festgestellt, daß meine Silicea-Freundinnen und -Patientinnen gegenüber Freunden und Menschen, denen sie sich verpflichtet fühlen, sehr loyal sind. Das mag gelegentlich zu ihrem eigenen Schaden sein, weil sie vielleicht von weniger vorsichtigen und skrupelloseren Freunden in Schwierigkeiten gebracht werden, aber das ist der Preis, den Silicea für ihren eigenen Selbstrespekt zu zahlen bereit ist. Ich kannte einmal eine sehr kultivierte Silicea-Frau, die einen Drogenabhängigen zum Freund hatte. Sie tat alles, um ihm zu helfen, war immer für ihn da, wenn er sie brauchte, und ließ ihn auch nicht im Stich, als sich sein körperlicher und geistiger Gesundheitszustand verschlechterte. In dieser Beziehung war sie die Fürsorgliche und er ihr Schützling, ohne daß Sexualität oder Verliebtheit eine Rolle gespielt hätten. Die Würde und das Selbstbewußtsein der Silicea-Frau standen in starkem Kontrast zu der rauhen Art ihres Freundes, aber das machte ihr nichts aus. Sie reagierte auch nicht besonders emotional auf sein Leiden.

Silicea hat gewöhnlich ein fürsorgliches Herz, aber wie den anderen intellektuellen Typen auch gelingt es ihr oft, Sentimentalität und eine übermäßige Bindung an ihre Schützlinge zu vermeiden, ohne daß sie dadurch kalt wirken würde. Diese unabhängige und doch sensible Art erinnert sehr daran, wie Sepia-Krankenschwestern sich um ihre Patienten kümmern. Silicea hat viel mit Sepia gemeinsam. Beide Typen sind von Natur aus sensibel, unabhängig und haben einen relativ subtilen Intellekt. Abgesehen von dem im allgemeinen offensichtlichen Unterschied in der Hautfarbe (der dunkelste und der hellste aller Konstitutionstypen) unterscheiden sie sich dadurch, daß Silicea sehr zart – Sepia ist in der Regel robuster und weniger ängstlich –, starrsinnig und milde ist.

Obwohl Silicea-Frauen hohe Prinzipien haben, konnte ich bisher nicht feststellen, daß sie übertrieben gewissenhaft sind wie manche Arsenicum- und Kalium-Menschen. Alle Silicea-Frauen, die ich kenne und behandelt habe, waren präzise, wenn es um ihre Arbeit oder ihre Kunst ging, aber keine von ihnen quälte sich mit unwichtigen Kleinigkeiten ab.

Wärme und Spontaneität

Gerade weil Silicea einen so subtilen Verstand und eine so würdevolle, sensible Natur hat, sollten wir nicht unterstellen, sie sei eine langweilige oder übermäßig ernsthafte Person. Die meisten Silicea-Menschen haben eine gewisse Leichtigkeit, denn sie sind fröhlich und neigen nicht zu einer starken Unterdrückung von Gefühlen. Wenn Natrium, Sepia und Ignatia emotional nicht gesund sind, unterdrücken sie negative Gefühle, was zu einer Art brütender Schwerfälligkeit führt. Da sie intellektueller und weniger emotional ist als diese Typen, wirkt Silicea meist heller und leichter, nicht nur im Hinblick auf ihre Hautfarbe und ihren Körperbau, sondern auch bezüglich ihrer Stimmungen. Andere intellektuelle (oder zumindest »mentale«) Typen wie Lycopodium und Argentum haben auch eine gewisse Leichtigkeit, aber ihnen fehlt die Freundlichkeit und Gründlichkeit von Silicea. Nur Silicea hat diese Kombination von Subtilität, Leichtigkeit und Tiefe, obwohl ihr die meisten gesunden Mercurius-, Sepia- und Ignatia-Menschen nahe kommen. Im Gegensatz dazu ist Arsenicum subtil und oft auch »tief«, aber ihm fehlt die Leichtigkeit (weil er sich über zu viele materielle Dinge Sorgen macht), während Phosphor subtil und leicht ist, aber weder die emotionale noch die intellektuelle Tiefe hat.

Die Leichtigkeit in der Stimmung, die man häufig bei Lycopodium, Phosphor und einigen Staphisagrias findet, ist oft Ausdruck einer Flucht vor unangenehmen Wahrheiten. Siliceas Leichtigkeit hat selten etwas mit Flucht zu tun. Wenn sie in ihrem Leben Probleme hat, macht sie sich eine Menge Sorgen, stellt sich diesen Problemen aber schließlich, wenn sie den nötigen Mut dazu gefunden hat. Wenn aber alles in Ordnung ist, entspannt sich Silicea und genießt das Leben. Sie versucht den Schwierigkeiten weder auszuweichen, noch ist sie opportunistisch, aber wenn die drückenden Probleme gelöst sind, genießt sie das Leben mit einer stillen Freude, die nicht weniger köstlich ist als die aufgeregte Ekstase von Phosphor oder Tuberculinum. Die meisten Siliceas haben genausoviel Freude daran, sich alleine oder mit meditativen Dingen wie Kunst, Lesen oder schönen Spaziergängen zu beschäftigen wie an gemeinschaftlichen Aktivitäten. Obwohl Silicea zunächst schüchtern ist, wird sie einem angenehmen Fremden gegenüber schnell aufgeschlossen, und sie hat meist mehrere Freunde und Freundinnen und ist keine Einzelgängerin. Zu den attraktiveren Aspekten der Persönlichkeit von Silicea gehört es, daß sie mit allen Arten von Menschen umgehen kann. Das hat teilweise mit ihrem Mangel an Geltungsbedürfnis zu tun. Obwohl sie sehr genau unterscheiden kann, tendiert sie nicht dazu, andere zu verurteilen, sondern handelt gewöhnlich nach dem Motto »im Zweifel für den Angeklagten«. In größeren Gruppen verhält sie sich meist still, aber in einer kleinen Gruppe oder zu zweit plaudert sie gerne und ist verspielt.

Obwohl sie oft eine Intellektuelle ist, bleibt Silicea selten im analytischen Denken stecken wie viele Sulfur-, Kalium-, Lycopodium- und Natrium-Menschen. (Vor allem Sulfur und Lycopodium haben oft Schwierigkeiten, ihr Ego von ihrem Intellekt zu trennen, den sie benutzen, um andere Menschen zu beeindrucken. Natrium und Kalium verstecken sich gerne hinter ihrem Intellekt, weil sie sich oft vor menschlicher Nähe fürchten.) Wenn Silicea sich sicher fühlt, kann sie in Gesellschaft gewöhnlich sie selbst sein und sich entspannen, ohne daß der Verstand ihr dabei im Weg steht. Sie hält nicht übermäßig viel von Heimlichkeiten, aber es entspricht ihrer natürlichen Würde, über ihr Privatleben nur mit engen Freunden zu sprechen, denen sie vertrauen kann, und das Privatleben anderer selbstverständlich zu respektieren. Infolgedessen schließt sie meist feste und loyale Freundschaften. Wegen ihrer natürlichen Würde und Gelassenheit ist Silicea bei vielen Menschen beliebt und genießt großen Respekt. Selbst wenn sie sich amüsiert, bewahrt sie meist ihre Gelassenheit, so wie Phosphor in der Regel ihren Charme bewahrt, selbst wenn sie versucht, anderen Angst einzuflößen. (Sogar bei einer Kissenschlacht behält Silicea eine gewisse Würde und zieht es vor, ein paarmal gezielt zu werfen, statt einen wüsten Generalangriff zu starten.)

Silicea verzeiht zwar leichter als die meisten anderen Menschen, aber wenn sie jemanden nicht mag, kann sie in ihrer Feindseligkeit genauso starrsinnig sein wie in anderen Angelegenheiten. Es ist zwar unwahrscheinlich, daß sie aggressiv reagiert, aber sie wird ihr Mißfallen deutlich machen, indem sie den anderen meidet und sich ihm gegenüber unkooperativ verhält, genauso wie das Silicea-Kind den Eltern gegenüber seinen Mißfallen ausdrückt. Die sensible Silicea schützt sich auf diese Weise vor Unannehmlichkeiten, weil sie weiß, daß sie nicht dafür geschaffen ist, mit ernsthaften Aggressionen umzugehen oder ihnen etwas entgegenzusetzen.

Körperliche Erscheinung

Körperlich hat Silicea ein charakteristisches Aussehen. In Übereinstimmung mit ihrer Psyche ist sie körperlich kultiviert und zart wie Phosphor, aber sogar noch schlanker und leichter gebaut. Ihre Gliedmaßen sind oft so dünn, daß man den Eindruck hat, sie müßten wie Streichhölzer durchbrechen. Bei Europäerinnen ist das Haar blond (oft hellblond) oder hellbraun, und es ist glatt und außerordentlich fein. Die Haut ist im allgemeinen sehr blaß und so zart, daß sie manchmal fast transparent wirkt. Feine blaue Venen schimmern hindurch, und die Haut ist oft von einem feinen blonden Flaum bedeckt. Die Gesichtszüge sind länglich, dünn, zart und hager und spiegeln den kultivierten Intellekt. Die Augen sind im allgemeinen blau, grau oder grün.