29

 

Corran kauerte in Sichtweite des Yuuzhan-Vong-Lagers zwischen den Felsen und warf Jens einen Blick zu. Die Technikstudentin saß mit dem Rücken gegen einen großen Felsblock gelehnt; sie hatte die Knie angewinkelt und balancierte eine klobige Fernbedienung obenauf. Sie legte ein paar Schalter an dem Gerät um, worauf eine kleine, kugelrunde Sonde zu summen begann und vom Boden abhob. Dann wurde eine Antenne ausgefahren, und an der Unterseite erschien ein kleiner Satz Sensoren.

Corran nickte ihr zu, und sie lenkte die Sonde in einem Bogen nach links, sodass sie sich dem Lager von Norden nähern würde. Die kleine schwarze Kugel schwebte sanft in das Lager hinab, umkreiste mehrere der kleineren Schneckenhäuser und schoss dann direkt auf die mittelgroßen Exemplare zu. Vor den Behausungen, die den beiden Yuuzhan-Vong-Kriegern Unterkunft boten, setzte Jens ein Stroboskoplicht ein, das den Bereich in grelle Blitze tauchte, dann ließ sie die Sonde den Rückzug nach Norden antreten.

Die beiden Krieger kamen aus ihren Schneckenhäusern gerannt und deuteten auf die Sonde. Einer stürzte in seine Behausung zurück und kam mit Waffen, Rüstungen sowie dem Yuuzhan-Vong-Äquivalent von Sandschuhen wieder zum Vorschein. Er wappnete sich, während er weiter die Sonde im Auge behielt und dem anderen Krieger damit Gelegenheit gab, sein eigenes Schneckenhaus aufzusuchen und sich seinerseits zu rüsten. Als er wieder auftauchte, machten sich die beiden daran, der Sonde, die bereits zwischen den Sanddünen im Norden des ausgetrockneten Sees verschwunden war, mit großen Schritten zu folgen.

Corran sah Jens an. »Sorgen Sie dafür, dass die was zu tun haben, und dafür, dass Trista startet, sobald wir in dem großen Schneckenhaus sind. Sie ist in fünf Minuten hier, deckt das Gebiet mit den Geruchsbomben ein, nimmt Sie mit und holt uns raus. Wenn wir bis dahin nicht draußen sind, gehen Sie davon aus, dass wir tot sind, und verschwinden von hier. Alles klar?«

Jens nickte. »Viel Glück.«

»Danke, Ihnen auch.«

Er sah an ihr vorbei zu Ganner. »Fertig?«

Der jüngere Mann nickte und setzte über einen Felsen, während Corran um den großen Stein herumkam, der ihm als Versteck gedient hatte, und so schnell losrannte, wie die Sandschuhe es zuließen. Ganner erreichte den sicheren Boden zuerst und bückte sich, um rasch die Verschlüsse seiner Sandschuhe zu lösen. Er ließ die Schuhe einfach liegen und rannte auf das große Schneckenhaus zu. Dabei packte er sein Lichtschwert, ohne indes die Klinge zu zünden.

Corran trat sich die Sandschuhe von den Füßen, sammelte sie jedoch mit der Rechten vom Boden auf. Dann lief er hinter Ganner her und gelangte nur wenige Schritte hinter ihm zu der großen Behausung. Corran warf die Schuhe am Eingang von sich und zückte sein Lichtschwert. Er ließ die Waffe deaktiviert, doch sein rechter Daumen schwebte dicht über dem Zündknopf.

Ganner war im Eingang des großen Schneckenhauses stehen geblieben, dessen Wände und Boden ebenso wie alle übrigen Flächen völlig glatt waren und deren Farben von einem dunklen Elfenbeinton bis zu einem blassen Rosa variierten. An einigen Stellen waren die Wände mit dunkelgrauen Flecken gesprenkelt, doch Corran konnte darin kein Muster erkennen. Sie schienen außerdem ein wenig zu leuchten, aber er dachte, dass es sich dabei lediglich um das Licht der Sonne handelte, das irgendwie in die Behausung fiel.

Ganner marschierte weiter und ließ ein paar Stufen hinter sich, die in die Hauptkammer hinabführten. Dort zweigten einige Gänge ab, von denen Corran annahm, dass sie in kleinere Kammern mündeten, und die ihn sich fragen ließen, was für ein Lebewesen dieses Schneckenhaus geschaffen haben mochte. Obwohl der Boden sehr glatt war, erwies er sich als nicht sonderlich rutschig. Die einzigen Geräusche, die sie hörten, waren ihre eigenen Atemzüge und das Knirschen von Sand unter den Stiefelsohlen.

Als sie um eine Biegung der Treppe kamen, weitete sich die große Kammer. Ganner stöhnte auf und wich einen Schritt zurück. Corran kniff die Augen zusammen, doch er zwang sich dazu, die Kammer zu betreten. Er sah die beiden Studenten und hoffte inständig, dass sie tot waren.

Die beiden hingen von Gestellen herab und waren an den Füßen, Beinen und Händen gefesselt. Sie hingen kopfüber und konnten ihre Glieder nicht bewegen. Beiden Männern waren die Kleider abgenommen worden, und kleine, an Krabben erinnernde Kreaturen von der Größe eines Stapels Sabacc-Karten krochen ihnen weiß wie Maden über den Rücken, zwickten sie mit winzigen Zangen oder gruben nadelartige Gliedmaßen in ihr Fleisch. Dünne blutige Rinnsale sickerten in Streifen über ihre Leiber und befleckten den Boden.

Unter ihnen bewegte sich etwas langsam über den Boden, das mehr wie eine Zunge als wie eine Schnecke aussah, und säuberte ihn vom Blut.

Corran griff in die Macht hinaus und spürte die Präsenz der Studenten. Sie litten große Schmerzen, doch er konnte sie in der Macht deutlich wahrnehmen. Sie mochten geschlagen und gefoltert worden sein, aber noch waren sie nicht dem Tode nah.

Ganner trat vor und machte eine Geste in Vils Richtung. Die Krabben lösten sich von seinem Rücken, klatschten gegen die Wand und glitten daran zu Boden, wo sie eine schimmernde, schleimige Lache bildeten. Ganner zündete sein Lichtschwert und holte damit zu einem Schlag aus, der einen Arm des Gestells abtrennen und Vil wenigstens teilweise befreien würde.

Doch Corran empfing einen scharfen Schmerz von Vil und hob die Hände. »Nein, Ganner, warten Sie!«

»Wir haben keine Zeit zu warten, Corran.«

»Der Schmerz durchzuckte ihn erst, nachdem Sie diese Krabben entfernt hatten. Machen Sie dasselbe mit Denna. Mal sehen, was dann mit ihm geschieht.«

Ganner nickte, und die Krabben auf dem Rücken des zweiten Studenten segelten davon. Der zu erwartende Schmerz durchfuhr Denna, und Corran spürte, wie sich im selben Moment seine Handfesseln zusammenzogen. »Das habe ich mir gedacht. Die Gestelle sorgen dafür, dass das Ausmaß ihrer Schmerzen immer gleich bleibt.«

»Weshalb?«

»Ich weiß es nicht.« Corran starrte Ganner irritiert an. »Wir haben es hier mit der Logik der Vong zu tun. Ich habe keine Ahnung, was sie denken oder weshalb sie was tun. Wir müssen nur einen Weg finden, wie wir diese Jungs von ihren Fesseln befreien.«

Corrans Komlink summte. »Horn, sprechen Sie.«

»Hier Jens. Die Yuuzhan Vong sind auf dem Rückweg zu Ihnen. Sie haben es aufgegeben, hinter der Sonde herzujagen.«

»Das ist nicht gut. Lenken Sie sie ab. Tun Sie irgendwas, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Wir brauchen noch Zeit.«

»Viel Zeit wird Ihnen nicht bleiben. Trista ist auch schon unterwegs.«

»Sithbrut!« Corrans Nüstern flatterten. »Keine Zeit für Experimente, keine Zeit für Überlegungen.«

Ganner hob erneut das Lichtschwert. »Wir schneiden sie da raus.«

»Und wenn ein Schnitt nicht reicht? Die Fesseln werden immer strammer und reißen ihnen die Arme aus den Gelenken. Das bringt nichts.«

»Und was machen wir dann?«

Corran fuhr sich mit den Fingern durch das braune Haar, dann ging er zu Denna und stieß einen steifen Finger tief in die Achsel des Mannes. Er konnte einen stechenden Schmerz in der Macht fühlen, der durch den Körper des Mannes raste. Außerdem sah er, wie die Fesseln des Gestells, an dem er hing, ein wenig nachgaben.

»Das ist es. Das Ausmaß ihrer Schmerzen bleibt ständig gleich. Wenn das Gestell zu viel Schmerz wahrnimmt, lockert es den Druck. Wir müssen ihnen also zusätzliche Schmerzen zufügen, große Schmerzen, damit das Gestell sie freigibt.«

Der jüngere Jedi legte die Stirn in Falten. »Wie? Wollen Sie sie schlagen? Ihnen ein paar Knochen brechen? Sie mit den Lichtschwertern bearbeiten?«

»Das würde vermutlich klappen – und sie ohne Zweifel umbringen.« Corran lächelte grimmig. »Ich werde sie dazu bringen, dass sie nur glauben, sie würden Schmerzen empfinden.«

Ganner reckte das Kinn, dann nickte er Corran respektvoll zu. »Ah, ich verstehe. Fangen Sie an.«

»Das ist nicht so einfach…« Corran machte sich daran, den linken Ärmel aufzukrempeln. »… sondern bedarf einiger Anstrengungen.«

»Wovon reden Sie?«

»Haben Sie sich schon mal einen Knochen gebrochen?«

Ganner nickte. »Mein Bein.«

»Dann wissen Sie ja noch, dass so was weh tut, stimmt’s?«

»Ja.«

»Aber Sie wissen sicher nicht mehr, wie weh. So ist das mit unserem Gehirn. Man vergisst die schlimmsten Schmerzen, um weitermachen zu können.« Corran seufzte. »Ich kann Schmerzen in diese beiden projizieren, aber um es richtig zu machen, muss ich dasselbe empfinden.«

»Wie?« Ganners Frage kam sehr zögerlich.

Corran stellte sich unter die beiden Gestelle, wandte sich Vil zu und behielt Denna im Rücken. »Sie beobachten Denna. Wenn die Fesseln sich lösen, durchtrennen Sie sie mit einem einzigen Schnitt. Sie nehmen ihn, ich nehme Vil.«

»Gut.«

»Und jetzt der schwere Teil.« Corran streckte den linken Unterarm aus und hielt Ganner die geöffnete Hand hin. »Einer meiner anderen Fähigkeiten in der Macht ist ziemlich selten. Ich kann unter bestimmten Bedingungen eine gewisse Menge Energie absorbieren, ohne dass mir dabei irgendwas zustößt. Um die Schmerzen zu erzielen, die ich brauche, möchte ich, dass Sie Ihr Lichtschwert gegen meinen Unterarm drücken. Nicht zu fest – ich mag meinen Arm, wie er ist. Strecken Sie einfach die Klinge aus, und ich drücke dann selbst den Arm dagegen.«

Ganners Kinnlade klappte runter. »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Wollen Sie die beiden hier befreien oder nicht?«

»Aber…«

»Nichts aber. Sind Sie so weit?«

Ganner nickte und streckte sein Lichtschwert aus.

Während Corran langsam den Arm hob, spürte er die Klinge an seiner Haut knistern. Die Hitze ließ winzige Haare in Rauch aufgehen und erfüllte die Luft mit dem Gestank von verbranntem Eiweiß. Corran wusste, dass dieser Geruch, verglichen mit dem, was noch kommen würde, gar nichts war. Er schluckte einmal hart, streckte flach die Hand aus und hob den Arm noch einen Zentimeter mehr.

Silbrige Qual fuhr wie ein Blitz durch den Arm in sein Gehirn. Er setzte unwillkürlich eine Jedi-Technik ein, um den Schmerz zu verdrängen, und ließ es im nächsten Augenblick sein. Stattdessen konzentrierte er sich und nahm die Energie der Laserklinge in sich auf. Er spähte durch zu Schlitzen verengte Augen und sah, dass seine Haut sich rötete und Blasen zu werfen begann. Rauch stieg auf, und der Schmerz nahm weiter zu. Und als er die ersten Anzeichen von verkohlendem Fleisch erkannte, nahm er Zugriff auf die Macht und überschüttete die beiden Studenten mit seinen Qualen.

Eine Sekunde, zwei, drei. Corran ließ das sengende Brennen durch seinen Körper und weiter in Vil und Denna fließen. Sie zuckten, während er nur am ganzen Leib zitterte; sie schrien, während sein Fleisch knisterte. Er mahlte mit dem Kiefer und biss die Zähne aufeinander, bis er Blut schmeckte.

Die Gestelle reagierten und ließen die beiden Studenten um einen halben Meter zu Boden sacken. Die Fesseln, die sie mit den Gestellen verbanden, schimmernd und schwarz wie feuchtes Leder, strafften sich daraufhin erneut. Corran zündete sein Lichtschwert und holte mit der Klinge aus. Er kappte die Fesseln, sank auf die Knie und fiel über Vils erschlaffte Gestalt.

Er schnappte nach Luft und versuchte die Jedi-Technik anzuwenden, die Schmerzen zu verdrängen vermochte, doch er konnte sich nicht genug konzentrieren. Die Welt ringsum verschwamm ihm vor den Augen und verdunkelte sich an den Rändern. Er war so geistesgegenwärtig, sein Lichtschwert zu deaktivieren, und schwankte anschließend zwischen einer völligen Ohnmacht und der Notwendigkeit, aufzustehen und sich in Bewegung zu setzen.

Er wuchtete den Oberkörper in eine aufrechte Position und wäre gleich wieder vornübergesackt, wenn Ganner ihn nicht am Kragen gepackt hätte.

»Corran, sind Sie…?«

»… in Ordnung? Ja.« Er ließ die Besorgnis, die aus Ganners Stimme sprach, an seinen Sinn für Eitelkeit appellieren und pumpte gleichsam Stahl in sein Rückgrat. Ich werde einfach nicht zulassen, dass Ganner mich schwach erlebt. Er unternahm größte Anstrengungen, um den linken Fuß unter den Körper zu bekommen, dann griff Ganner nach seinem linken Arm, um ihm aufzuhelfen, doch Corran zischte eine Warnung. »Fassen Sie bloß den Arm nicht an!«

»Wie schlimm ist es?«

»Schön, äh, knusprig, würde ich sagen.« Corran war dankbar, dass der Ärmel wieder über den Arm geglitten war, doch sein geschwärzter Finger verriet ihm mehr, als er wissen wollte. Er kam schwankend hoch und schmiegte den linken Arm an die Brust. »Wie geht es den beiden?«

»Weggetreten. Wir werden sie tragen müssen…«

Ein scharfes Zischen und der Knall einer Peitsche schnitten Ganner das Wort ab. Corran richtete sich langsam auf und sah zu der Treppe. Da standen in ihrer ganzen schrecklichen Größe die beiden Yuuzhan-Vong-Krieger. Ihre kastanienbraunen Rüstungen und die grünlichen, lederartigen Gelenke unterstrichen ihre fremdartige Natur. Der erste Krieger erteilte den Jedi-Rittern bellend einen Befehl, den er mit einem weiteren Peitschenknall seines Amphistabs untermalte.

Corran zwang sich zu einem mageren Lachen. »Sieht aus, als hätten sie was dagegen, dass wir die beiden wegtragen wollen, Ganner. Anscheinend benötigen wir einen besseren Plan, um von hier verschwinden zu können.«