20

 

Gavin blieb keinen Augenblick unter der Tür zu dem Büro stehen, das Admiral Kre’fey auf Dubrillion überlassen worden war. Er trommelte kurz mit den Knöcheln gegen den Türpfosten und fegte in den Raum. Er hatte bereits ein paar Schritte in das Büro zurückgelegt, als er sah, dass sich außer dem Admiral noch zwei weitere Personen darin aufhielten.

»Es tut mir Leid, Admiral, ich wusste nicht, dass Sie zu tun haben.« Gavin nahm Haltung an und grüßte militärisch.

Der Bothan erwiderte den Gruß. »Kein Problem, Colonel Darklighter, so viel ich weiß, kennen Sie Lando Calrissian und Leia Organa Solo bereits.«

Gavin spürte, dass er rot wurde. »Ja, wir sind uns schon mal begegnet, aber wir kennen uns nicht wirklich…« Lando und Leia waren Helden der Rebellion und hatten gemeinsam mit seinem Cousin Biggs gekämpft. Als er zum ersten Mal von ihnen hörte, war er noch ein halbes Kind gewesen und hatte sogar für Prinzessin Leia geschwärmt. Und obwohl er über seine Gefühle für sie längst hinweg war, ließ ihn die Begegnung mit den beiden wieder zu einem kleinen Jungen werden, der sich wie ein Hochstapler vorkam, nur weil er sich mit ihnen im selben Raum befand. »Ich kann später wiederkommen, Sir.«

Kre’fey schüttelte den Kopf. »Nein, nicht nötig.« Der Bothan deutete auf die holografischen Anzeigen diverser Daten und Tabellen. »Die agamarianischen Raumschiffe, die mit uns auf dem Planeten eingetroffen sind, haben mit ihren Fähren schon zahlreiche Leute von hier weggebracht. Die Yuuzhan Vong unternehmen nichts, um sie aufzuhalten, wir gehen daher davon aus, dass sie erst zuschlagen, wenn die Flüchtlingskonvois aufbrechen. Ihre Renegaten-Staffel wird sie uns vom Hals halten müssen.«

»Ich habe bereits daran gearbeitet, Admiral.« Gavin warf einen Blick auf seinen Datenblock. »Ich habe eine komplette startbereite X-Flügler-Staffel, und die Bewohner von Dubrillion verfügen über viele ›Missgeburten‹, die sie zuerst für Flüge durch den Asteroidengürtel umgebaut und anschließend mit Waffen ausgerüstet haben. Damit müsste uns ein weiterer Verband Sternjäger zur Verfügung stehen.«

Lando lächelte selbstsicher. »Die hiesigen Piloten sind sehr gut. Sie werden die Yuuzhan Vong schon von dem Konvoi fern halten.«

»Da bin ich ganz sicher. Was mir allerdings Sorgen macht, ist, dass nur eine Hand voll dieser Missgeburten mit einem Hyperantrieb ausgestattet wurde. Wir werden ein Schiff brauchen, das dazu in der Lage ist, die Piloten und ihre Raumer an Bord zu nehmen und als Letztes loszufliegen. Die Renegaten können die Vong ablenken, solange die Jäger aufgenommen werden, und erst dann in den Hyperraum springen.«

Kre’fey strich sich das schneeweiße Fell am Kinn. »Ich bin davon ausgegangen, dass die Ralroost als letztes Raumschiff startet. Wir werden die Jäger an Bord nehmen.«

Leia runzelte die Stirn. »Wir bringen Flüchtlinge auf die Ralroost. Wenn sie als Letztes aufbricht, werden sich die Yuuzhan Vong auf sie konzentrieren. Wollen Sie dieses Risiko wirklich eingehen?«

Der Bothan schnaubte knapp. »Ob ich das Risiko eingehen will? Nein. Glaube ich, dass wir keine andere Wahl haben? Ja.« Er beugte sich über den Tisch, auf dem der Holoprojektor installiert worden war. »Wir wissen doch längst, dass wir ungeachtet der Großzügigkeit der Agamarianer, die uns alle Raumschiffe geschickt haben, die sie besitzen, nicht alle Bewohner retten können.«

Gavin sah an ‘dem Admiral vorbei auf die verwüstete Stadt. Nachdem seine Staffel wieder an Bord genommen worden war, hatte der Admiral der Bitte der Agamarianer stattgegeben, mit der Ralroost einen Schiffskonvoi nach Dubrillion zu begleiten. Gavin glaubte, dass Kre’fey diese Aktion selbst eingefädelt hatte, um sein Schiff auf diese Weise an einen Schauplatz zu befördern, an dem ihm Coruscant die unmittelbare Feindberührung mit den Yuuzhan Vong unmöglich verweigern konnte. Die Yuuzhan Vong hatten beim Eintreffen des Geleitzuges ein halbes Dutzend Jäger in Marsch gesetzt, um ein paar der Schiffe zu belästigen, doch die X-Flügler hatten sie ohne eigenen Blutzoll zurückgeschlagen.

In den vier Tagen seit der Ankunft des Geleitzuges hatte der Feind kaum mehr inszeniert als einzelne Übergriffe, die indes dem Zweck zu dienen schienen, die Reaktionszeit der X-Flügler und der übrigen Sternjäger, die die Ralroost mitgebracht hatte, auf die Probe zu stellen. Gavin war überzeugt, dass jeder seiner Schritte beobachtet und genau protokolliert wurde. Er hatte sich nicht mehr so verwundbar gefühlt seit den Tagen vor Großadmiral Thrawns Ableben bei Bilbringi.

Die Bevölkerung von Dubrillion hatte die bevorstehende Invasion mit einer stoischen Ruhe kommen sehen, die Gavin erstaunte. In Anbetracht der Tatsache, dass nicht jeder gerettet werden konnte, wurden die Familien aufgefordert, eine furchtbare Auswahl zu treffen und zu bestimmen, wer weiterleben durfte und wer zurückbleiben musste. Zusammen mit Historikern, Künstlern und den führenden Köpfen des kulturellen Lebens wurden nur die besten und vielversprechendsten Kinder von Dubrillion herausgepickt und auf die Überfahrt nach Agamar vorbereitet. Für den Fall, dass einzelne Schiffe es nicht schaffen würden und um den Untergang einer ganzen Sippe zu verhindern, wurden die Kinder einer Familie getrennt; Mütter mussten ihre Liebsten ziehen lassen, Liebende wurden auseinander gerissen, Enkel nahmen tränenreich Abschied von Verwandten, die sie, wie sie genau wussten, niemals wieder sehen würden.

Kre’fey fuhr fort. »Die Bewohner von Dubrillion haben ihre schweren Entscheidungen getroffen. Wenn ich eine gleichermaßen schwierige Entscheidung vermeiden wollte, würde ich damit ihren Heldenmut verhöhnen. Und das werde ich auf keinen Fall tun.«

Leia nickte schweigend und legte Würde und schmerzliche Anteilnahme in ihre stumme Bekräftigung von Kre’feys Worten. »Dann werde ich selbst auch mit der Ralroost fliegen.«

Der Admiral schüttelte den Kopf. »Bei allem schuldigen Respekt, ich meine, Sie sollten an Bord von Senator A’Klas Raumschiffreisen.«

Leia lächelte. »Das hätte ich auch getan, aber ich denke, Sie werden feststellen, dass der Senator für sich und seine Reisebegleiter ebenfalls Platz auf der Ralroost beansprucht hat. Er hat die Fond Memory Piloten überlassen, die schon einmal nach Agamar geflogen und zurückgekommen sind, um eine weitere Flüchtlingsgruppe zu transportieren.«

»In diesem Fall wird es mir ein Vergnügen sein, Sie an Bord zu haben.« Der Admiral richtete sich wieder auf und sah Gavin an. »Gibt es noch etwas, Colonel?«

Gavin hielt ihm den Datenblock hin. »Ich habe die Piloten gefunden, mit denen ich die Renegaten-Staffel auffüllen will. Ich habe mir die Freiheit genommen, die Liste der Flieger durchzusehen, die an den Wettflügen durch die Asteroiden teilgenommen haben, und mir die Besten ausgesucht – von denen, die noch verfügbar sind.«

Leia streckte eine Hand aus. »Darf ich die Liste mal sehen?«

Der Admiral nickte, und Gavin reichte ihr den Datenblock. Leia prüfte die Namen, dann hob sie den Blick. »Meine Tochter steht nicht auf der Liste.«

»Nein, Prinzessin, sie ist nicht dabei.«

»Warum nicht? Sie war die beste Pilotin des Wettbewerbs.« Leia war bewusst, dass Jaina unruhig war, verärgert über ihre jüngsten Aufträge, und dass sie darauf brannte, ihren Beitrag zu leisten. Jaina wäre gewiss empört, wenn sie nicht als Pilotin für die Renegaten-Staffel ausgewählt wurde, nur weil sie Leias Tochter war. Und schließlich schwebte jeder von ihnen in Gefahr, ganz gleich, wie sein oder ihr Auftrag lautete.

»Ich weiß, aber sie ist zu jung.«

Die Prinzessin reckte das Kinn, und ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre«, sagte sie in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie sich nicht irrte, »aber meine Tochter ist doch in dem gleichen Alter, in dem Sie zu den Renegaten gekommen sind, oder, Colonel Darklighter?«

Eine Hitzewelle überzog sein Gesicht, als es sich feuerrot färbte. »Das stimmt, ja, aber das waren schlimme Zeiten…«

»Und diese sind es nicht?«

»Schon, nur…«

Leia nahm ihrer Stimme ein wenig von der vorherigen Schärfe. »Darf ich Sie fragen, Gavin, ob Sie einem Ihrer eigenen Söhne, wenn er einer der besten Piloten wäre, eine Stelle in ihrer Staffel vorenthalten würden?«

»Fragen Sie mich das lieber nicht.« Gavins Eingeweide schienen sich verknoten zu wollen. »Ich bin schon gegen die Vong geflogen. Ich weiß, wie unangenehm sie werden können. Ich bin nicht mal sicher, ob ich lebend von hier wegkommen werde. Ich möchte niemandes Kind zumuten, hier draußen ums Leben zu kommen. Und vor allem nicht Ihrem Kind, Prinzessin. Schließlich haben Sie bereits weit mehr als nur Ihr Pflichtteil an Opfern für die Neue Republik erbracht.«

Leia machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie sah ihm in die Augen und schenkte ihm ein tapferes Lächeln. »Gavin, Sie und ich, wir wissen beide, dass all jene, die die Fähigkeit besitzen, mit Schwierigkeiten fertig zu werden, nie die Möglichkeit erhalten, sich zu drücken, sich auszuruhen oder ein normales Leben zu führen. Leute wie wir übernehmen Verantwortung, um zu verhindern, dass das Leben anderer zerstört wird. Wir können uns wünschen, dass es anders wäre, aber das wird nicht geschehen.«

Sie gab ihm den Datenblock. »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, dass Sie Jaina beschützen wollten. Aber wenn wir sie fliegen lassen, können wir jemand anderen damit schützen. Sie ist eine wunderbare Pilotin. Sie kann einen X-Flügler lenken wie niemand sonst, und sie ist eine Jedi. Die Macht mag gegen die Yuuzhan Vong nicht so wirkungsvoll sein, aber wenn sie spürt, dass irgendeiner ihrer übrigen Leute in Schwierigkeiten steckt, kann sie ihm sicher helfen.«

Gavin würgte an dem Kloß, der ihm im Hals saß. »Zwei der Spitzenpiloten in der Geschichte der Staffel kamen von Corellia und Alderaan, es wird also sicher nicht schlecht sein, jemanden dabeizuhaben, in dessen Adern Blut von beiden Welten fließt. Wollen Sie es ihr sagen, oder soll ich das machen?«

»Sie sollten es ihr mitteilen, Colonel.« Leia lächelte voller Stolz. »Ich denke, wenn sie durch ihre Mutter von dieser Aufgabe erfahren würde, könnte das die Sache ein bisschen verderben.«

»Sie haben mein Wort, Prinzessin, dass wir gut auf sie aufpassen werden.«

»Das weiß ich, Gavin. Möge die Macht mit Ihnen sein.«

 

»Renegat-Elf, bitte melden.«

Jaina blinzelte und sprang fast von ihrem Sitz in der Kanzel, als ihr klar wurde, dass der Kom-Ruf ihr galt. Ich bin ein Renegat! Diese Erkenntnis hatte eine surreale Seite, da das Leben ihres Onkels, das dieser geführt hatte, bevor er ein Jedi-Ritter geworden war, in ihrer Kindheit für sie immer im Dunkel ferner Vergangenheit gelegen hatte. Obwohl Luke als der Gründer der Renegaten-Staffel galt, hatten erst Wedge Antilles und die übrigen Piloten, die dazugehörten, das Bild geprägt und die Legende begründet.

Obwohl sie wusste, dass sie eine gute Pilotin war, glaubte sie keineswegs, gut genug für diese Staffel zu sein, besonders nicht in Anbetracht ihres jugendlichen Alters. Aber verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen.

»Renegat-Elf, melden Sie sich. Wenn Sie Probleme mit Ihrer Kom-Einheit haben, geben Sie Handzeichen.«

Jaina schaltete ihr Mikro ein. »Tut mir Leid, Neun. Alles im grünen Bereich bei mir. Ich bin so weit.«

»Sie müssen da draußen auf der Hut sein, Sticks. Und nicht trödeln.«

»Zu Befehl, Neun.« Jaina grinste und freute sich, dass man ihr bereits eine Kom-Bezeichnung gegeben hatte. Wie sie wusste, verdankte sie diesen Namen der Tatsache, dass ihr X-Flügler – wie alle – über einen Steuerknüppel verfügte und dass sie außerdem ein Lichtschwert besaß, das die Piloten ebenfalls spöttisch Stick nannten.

Gavins Stimme drang knisternd aus dem Kom-Kanal. »Startbereitschaft für alle Renegaten. Wir treffen uns bei Punkt Angel-Eins. Kurs 342 Strich 55, und bleiben Sie auf Empfang.«

Jaina ließ zweimal ihr Kom klicken, um das Kommando zu bestätigen, und gab Energie auf den Repulsorantrieb. Der X-Flügler hob sanft ab und schwebte beinahe reglos auf der Stelle, während sie die Landekufen einholte. Sie sah sich nach den Fenstern des Beobachtungsdecks um und glaubte ihre Mutter zu erkennen, die von Elegos und Lando flankiert wurde. Sie streckte unübersehbar den Daumen in die Höhe, und als Renegat-Zehn den Hangar verließ, fuhr sie vorsichtig die Energie hoch und folgte ihrem Staffelkameraden. Als sie den Hangar hinter sich gelassen hatte, zog sie den Steuerknüppel an sich, gab volle Energie auf die Triebwerke und katapultierte den X-Flügler auf den Asteroidengürtel zu, der über ihr auf sie wartete.

Jaina konnte noch immer spüren, wie ihre Haut gekribbelt hatte, als Colonel Darklighter sie aufsuchte und ihr einen Posten bei den Renegaten anbot. Die Renegaten, das waren die Leute, die Coruscant von den Imperialen befreit hatten; sie hatten bei der Zerschlagung des Bacta-Kartells geholfen; sie waren am Sieg über Großadmiral Thrawn beteiligt gewesen und hatten eine Schlüsselrolle bei der Beendigung des langen Kampfes gegen das Imperium gespielt. So sehr ihr Onkel, ihr Vater und ihre Mutter auch Helden der Rebellion sein mochten, erst die Renegaten waren zu einem Symbol geworden, zu einem Verband von Helden, mit denen sich die meisten Bürger der Galaxis identifizieren konnten.

Obwohl sie ihre Familie aufrichtig liebte und ihr Dasein als Jedi ehrte, war die Aufforderung, sich der Renegaten-Staffel anzuschließen, etwas, das sie sich selbst verdient hatte, und nichts, das ihr nur wegen ihrer Fähigkeiten in der Macht oder aufgrund der Reputation ihrer Eltern zufiel.

Als Jaina den Rendezvouspunkt erreichte, warf sie einen Blick auf ihren primären Sensorbildschirm. Die Renegaten bezogen auf halber Strecke zwischen dem Asteroidengürtel und dem agamarianischen Konvoi Stellung. Weitere Sternjäger-Staffeln, die aus alten TIE-Jägern sowie einer Fülle unterschiedlicher Missgeburten bestanden, formierten sich hinter den Renegaten. Das Schlusslicht des Konvois bildete die Ralroost, während die beiden letzten Raumfähren von der Planetenoberfläche aufstiegen, um sich an Bord des bothanischen Angriffskreuzers nehmen zu lassen. Jaina griff mit der Macht hinaus und konnte auf einer der Fähren ihre Mutter und Danni spüren.

Sie haben den Planeten sicher verlassen. Jetzt müssen wir sie nur noch ebenso sicher aus dem System bringen.

»Staffelführer, ich habe Bewegungen auf meinen Scannern.« Die Stimme von Renegat-Vier beherrschte einen Moment lang den Kanal. »Bei 271 Strich 30.«

Jaina lenkte ihren Jäger in die angegebene Richtung und fühlte, wie sie eine Gänsehaut überlief. »Bei allem, was einen Hutt hässlich macht…«

Ein Kriegsschiff der Yuuzhan Vong schwebte langsam aus dem Asteroidengürtel auf sie herab, während die kleineren Korallenskipper um den Raumer schwirrten wie Fliegen um ein totes Tier. Das große Raumschiff hätte es hinsichtlich seiner Länge durchaus mit einem imperialen Sternzerstörer aufnehmen können, besaß aber, da es annähernd eiförmig war, mit Sicherheit weit mehr Masse. Auf der Schiffshülle lagen Streifen glatten, glasigen schwarzen Felsgesteins neben schrundigeren, zerklüfteten Stellen, in die Mulden eingelassen waren, die sie für Geschützstellungen und für die Behausungen der Dovin Basale hielt, die das Schiff antrieben.

Hinter der Spitze, entlang dem Rückgrat und am Heck des Schiffs wuchsen gewaltige lange Korallenarme von tiefroter und dunkelblauer Farbe, die mit Korallenskippern gesprenkelt waren wie Pflanzen mit ihren Knospen. Jaina vermutete, dass einige der größeren unbesetzten Höhlungen in den Armen Plasmaprojektoren Platz boten. Ihre Größe im Vergleich mit den Korallenskippern ließ darauf schließen, dass sie mit Leichtigkeit einen Sternjäger vom Himmel holen konnten.

Die ersten Schiffe des Konvois brachen bereits auf. Sie benutzten den Schwerkrafttrichter von Dubrillion, um einige Fahrt aufzunehmen, dann kamen sie auf einem Kurs an ihr vorbei, der ihnen den ersten Hypersprung auf ihrer Reise nach Agamar ermöglichte. Sie würden den Planeten nicht direkt ansteuern, da sie nicht vorhatten, die Yuuzhan Vong zu dieser Welt zu führen. Wenn sie, was noch wichtiger war, in einiger Entfernung einen Zwischenstopp einlegten und einen anderen Kurs einschlugen, würden sie die Reisezeit gegenüber einem einzigen Sprung um einige Tage verkürzen.

Die Korallenskipper, die bisher das große Schiff umkreist hatten, bildeten jetzt einzelne Staffeln und begannen mit dem Angriff auf den Konvoi. Die Gefechtsüberwachung an Bord der Ralroost machte sich unverzüglich daran, die feindlichen Staffeln als Ziele zuzuweisen, und erteilte den verschiedenen Staffeln von Dubrillion, die dem Geschehen am nächsten waren, Anweisungen für den Kampf. Jaina ließ ihre Sensormonitore nicht aus den Augen und sah zu, wie die kleinen Lichtpunkte, deren jeder für einen Sternjäger stand, sich in Bewegung setzten, sich teilten und inmitten wütender Luftkämpfe plötzlich zu blinken aufhörten.

Nach einem Zeitraum, der eine Ewigkeit zu sein schien, in Wahrheit aber viel zu schnell kam, unterbrach Gavins Stimme die leisen Gespräche auf den Kom-Kanälen. »Renegaten, uns wurde das als Rock-Eins bezeichnete Ziel zugewiesen. Halten Sie hohes Tempo und verursachen Sie so viele Schäden, wie Sie können. Jeder behält die anderen im Auge.«

Jainas R5-Droide, ein kastanienbraunes und weißes Modell, gab ein leises Stöhnen von sich.

»Was hast du, Sparky?«

Der Droide zwitscherte und gab das Ziel auf ihren primären Monitor.

Bei den schwarzen Knochen des Imperators, wir nehmen es mit dem Kriegsschiff auf. Auf merkwürdige Weise machte der Befehl, ein Großkampfschiff mit einer Gruppe Sternjäger anzugreifen, durchaus Sinn. Die großen Raumschiffe des Imperiums hatten sich den kleineren Raumern gegenüber im Nahkampf stets als verwundbar erwiesen. Die taktischen Kommandeure der Neuen Republik wussten das und setzten die Jäger daher überaus wirkungsvoll gegen ihre Gegner ein.

Gleichwohl fragte sich Jaina, ob die Yuuzhan Vong überhaupt eine Vorstellung davon hatten, wie sehr sie sich vor den Sternjägern fürchten mussten.

»Zu Befehl, Staffelführer.« Jaina lächelte und stieß die Energiezufuhr nach vorne. »Sparky, halt dich da hinten gut fest.«

»Zwölf hier, ich bin Ihr Flügelmann, Sticks.«

»Danke, Zwölf.« Jaina warf einen Blick auf ihre Waffenkonsole. »Neun, setzen wir auch unsere Protonentorpedos ein oder nur die Laser?«

»Wollen Sie Ihre Torpedos für irgendwas anderes aufsparen, Sticks?«

»Verstanden, Neun.« Jaina schaltete ihre vier Lasergeschütze zusammen und legte einen Finger auf den Auslöser für das Streufeuer. Sie wollte mit den Lasern zunächst die Verteidigung des Raumschiffs auf die Probe stellen und danach ein paar Torpedos abschießen, falls sie ein geeignetes Ziel finden würde.

Das Yuuzhan-Vong-Kriegsschiff wurde immer größer und größer, während die X-Flügler ihm entgegenjagten. Das hintere Ende des großen Schiffs hob sich, um die Rumpfstacheln des Rückgrats nach vorne in Flugrichtung ausrichten zu können. An den Spitzen erschienen goldene Lichtpunkte, dann schossen siedend heiße goldene Plasmakugeln ins All und bewegten sich auf die Raumschiffe des Flüchtlingskonvois zu.

Die aus einer Entfernung von ungefähr fünf Kilometern abgefeuerten Plasmaentladungen waren nicht so gut gezielt, dass sie die kleinen Frachtraumer hätten treffen können. Aber die Schiffe des Geleitzugs flogen für den Fall, dass eine übereilte Flucht aus dem System erforderlich wurde, auf einem vorausberechneten Kurs. Und da die Feuerstöße der Yuuzhan Vong diesen Kurs durchschnitten, war eine Kollision unvermeidlich.

Der erste Frachter, der getroffen wurde, erinnerte Jaina an den Millennium Falken. Die Plasmaentladung traf ihn an Steuerbord, brannte sich sauber durch die Kanzel und fraß eine tiefe Sichel in die Hülle. Das Schiff begann zu kreiseln wie ein Chip in einer Sabacc-Partie und spie Lebewesen und Trümmerteile aus. Dann trudelte es in Richtung der braunen Masse von Dubrillion davon, dazu bestimmt, in der Atmosphäre dieser freudlosen Welt zu verglühen.

Jaina sah das Schiff untergehen und begann mit einem Mal zu frieren – nicht körperlich, sondern emotional. Lebende Wesen auf der Flucht, die nicht darum gebeten hatten, dass ihre Welt angegriffen wurde, waren soeben vor ihren Augen ermordet worden. Und wenn sie nichts dagegen unternahm, würden andere mit ihnen ermordet werden. Ohne einen bewussten Gedanken und nur ihrem Gefühl folgend, kehrte sie den Schub ihres X-Flüglers um und stürzte sich auf das Raumschiff der Yuuzhan Vong. Sie kippte den Jäger über die Backbordstabilisatoren, balancierte die Maschine aus und jagte am Rumpf des Großraumers entlang.

Sie hielt den Steuerknüppel leicht in der Hand, wich nach links und rechts aus und ließ den Jäger ständig auf und ab springen. Die an den Stacheln klebenden Korallenskipper schossen goldene Ströme kleinerer Plasmaentladungen auf sie ab, doch ihre Ausweichmanöver schützten sie vor ihrem Feuer. Sie bemerkte, dass die schrundigen Stellen am Rumpf des Schiffs Dovin Basale beherbergten, die Schwarze Löcher erzeugten, um das Streufeuer ihrer Laser zu absorbieren; aber sie erkannte ebenfalls, dass diese Anomalien auch die Plasmaentladungen ablenkten.

Während ihr Raumer über die Oberfläche des Kriegsschiffs sauste, feuerte sie durch die Plasmaströme und kreuzte deren Schusslinie, so wie das Plasma den Kurs des Konvois kreuzte. Die Dovin Basale waren, um ihre Schüsse abzufangen, gezwungen, ihre Anomalien inmitten der Plasmaströme zu erzeugen. Daher schluckten sie das Laserfeuer ebenso wie die Plasmaentladungen. Auf diese Weise erschöpften sich die Dovin Basale nicht nur, sondern gerieten in die seltsame Lage, Jainas Sternjäger Deckung zu bieten.

Sie zog den Steuerknüppel zurück und nahm sich einen der Rumpfstachel vor. Da sie annahm, dass der Mechanismus, mit dem das Schiff die Plasmaentladungen steuerte, sich an deren Spitze befand, feuerte sie auf einen der Stachel ein paar Schüsse ab. Doch die rings um die Spitze verteilten Dovin Basale absorbierten die Feuerstöße bis auf einen. Dieser einzelne Schuss brannte sich, eine Sekunde bevor eine weitere Plasmaentladung auf den Konvoi losschoss, durch die Spitze.

Das macht Sinn. Die Dovin Basale schützen die Spitze so lange, bis es zu einer Entladung kommt. Jaina aktivierte ihre Kom-Einheit. »Staffelführer, die Stachelspitzen sind verwundbar. Kurz bevor sie feuern, haben wir ein Schussfenster. Ich werde eine ausschalten.«

»Vorsichtig, Sticks.«

»So wie alle anderen auch, Staffelführer.«

Jaina spürte, wie sie ein seltsam friedliches Gefühl überkam, als sie ihren X-Flügler in einer Spirale rings um einen der Rumpfstachel hochzog. Hinter ihr blitzten goldene Plasmaentladungen auf. Zwei streiften ihre Schutzschilde, doch sie konnte den Energieverlust auf der Stelle ausgleichen. An der Spitze des Stachels neigten sich die Entladungen in Richtung der von den Dovin Basale erzeugten Schwerkrafttrichtern. Sie schoss an diesem Bereich vorbei, scherte scharf nach backbord aus und kehrte den Schub ihres Schiffs um. Der X-Flügler drehte sich um hundertachtzig Grad, und als sie die Energiezufuhr auf null drosselte, schwebte der Jäger fünfhundert Meter vor dem Ende des Rumpfstachels reglos im Weltraum.

Jaina starrte genau in die Öffnung. Die Spitze des Stachels besaß am Ende eine dreigeteilte Klappe, die sie an eine Herzkammer erinnerte. Die Klappe würde sich ein oder zwei Sekunden lang öffnen, gerade lang genug, um das Plasma auszustoßen, und sich danach sofort wieder schließen und den Schacht darunter versiegeln. Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Eleganz, wirkte jedoch im Vergleich zu dem Sternjäger, in dem sie saß, äußerst primitiv.

Sie löste Streufeuer aus und ließ einen beständigen Regen von Energiesplittern auf die Klappe niedergehen. Die Plasmaentladungen, die zunächst in ihre Richtung stiegen, neigten sich aufgrund der Anomalie, die die Spitze beschirmte, nach innen und gingen fehl. »Sparky, sag mir Bescheid, wenn die Schwerkraftanomalie zu kollabieren beginnt.«

Der Droide trillerte eine Bestätigung und stieß gleich darauf einen schrillen Pfiff aus.

Jaina schaltete die Waffenkontrolle auf die Protonentorpedos um und schoss zwei davon ab. Die rosafarbenen Raketen zogen blaue Flammen hinter sich her und hielten genau auf ihr Ziel zu. Einen Herzschlag vor dem Aufprall öffnete sich die Klappe und offenbarte ein goldenes Leuchten, das aus den Tiefen des Schachts aufstieg. Die Torpedos setzten ihren Weg ungehindert fort. Jaina gab volle Energie auf die Triebwerke und kehrte den Schub um, während der X-Flügler wieder auf das Yuuzhan-Vong-Schiff zustürzte.

Die Torpedos trafen irgendwo in der Mitte des Rumpfstachels auf die Plasmaentladung. Sofort bildeten sich in dem dunkelblauen Schaft tiefe Risse. Sie setzten silbernes und goldenes Feuer frei, und der Schaft begann auseinander zu brechen. Das Zentrum verdampfte zu einer glühenden Wolke geschmolzener Yorik-Korallen. Eine lange Feuerfontäne knickte das Ende der oberen Hälfte des Schafts in einem schrägen Winkel ab. Das Bruchstück drehte sich und wankte, dann prallte es gegen einen benachbarten Rumpfstachel, und beide zerschellten.

Da schoss ein weiteres Paar Protonentorpedos auf den Schaft zu, den Jaina bereits getroffen hatte. Sie schlugen in einem spitzen Winkel auf, einer prallte von dem glühenden, geschmolzenen Ende ab und kollidierte mit dem Schiffsrumpf. Die Detonation riss eine tiefe Wunde in das Schiff, aus der Splitter von Yorik-Korallen ins All wirbelten. Der zweite Torpedo drang in den Schaft ein und ließ dessen Basis bei der Explosion von innen nach außen bersten.

»Guter Schuss, Zwölf.«

»Ich folge nur Ihrem Beispiel, Sticks.«

Jaina lachte, während sie ihren Jäger ausrichtete und anschließend nach oben lenkte, weg von dem Kriegsschiff. »Denen haben wir es gezeigt!«

»Das haben wir.«

»Schluss mit dem Geschwätz!« Gavins Befehl drang aus dem Kom-Kanal, ohne indes ein Zeichen von Verärgerung zu verraten.

»Zu Befehl, Staffelführer.« Jainas Grinsen wurde immer breiter, als sie beobachtete, wie die Ralroost sich dem Punkt, an dem sie zu ihrer Reise durch den Hyperraum starten würde, immer weiter näherte. Wir haben es geschafft.

Da erschütterte etwas ihr Schiff. Sie warf Blicke um sich, fürchtete, ein Dovin Basal könnte irgendwie ihre Schutzschilde ins Visier genommen haben, doch sie konnte in ihrer Nähe keine fremden Jäger ausmachen. Ihr Sekundärmonitor zeigte ihr zwar eine Schwerkraftanomalie im System, aber die Anzeigen gingen weit über das hinaus, was einer der Korallenskipper hätte generieren können. Ich habe eigentlich nur einmal solche Anzeigen gesehen, und das war, als ich im Simulator gegen einen Abfangkreuzer angetreten bin!

Das Herz rutschte ihr auf der Stelle in die Magengrube. Die Dovin Basale des Yuuzhan-Vong-Kriegsschiffs dienten nicht länger als Antrieb, sondern hatten einen engen Schwerkrafttrichter erzeugt, der die Ralroost sowie ein halbes Dutzend weiterer Schiffe daran hinderte, auf ihrem Weg nach Agamar in den Hyperraum zu springen. Dann müssen wir eben einen anderen Ausweg finden.

Im selben Moment, als dieser Gedanke in ihrem Kopf entstand, bestätigte Sparky zwitschernd den Empfang neuer Navigationsdaten. Jaina warf einen Blick auf die Daten, während Gavins Stimme aus dem Kom-Kanal drang. »Renegaten, unser Startvektor nach Agamar ist blockiert. Sie haben unser neues Ziel erhalten. Die Ralroost hat die Jäger aufgenommen, also los. Wir treffen uns dort in zwölf Stunden. Halten Sie sich gut.«

Jaina ließ ihre Kom-Einheit zweimal klicken. Sie warf abermals einen Blick auf das neue Ziel, richtete den Sternjäger auf einen fernen Stern aus und startete durch. Dantooine? Ich freue mich darauf, Mara wieder zu sehen. Ich hoffe nur, sie hat sich gut erholt, denn wenn wir verfolgt werden, wird sie unbedingt ausgeruht sein müssen.