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Corran scherte sich nicht um den Sand, der in sein Gesicht stach, als er nach der Stelle Ausschau hielt, an der der Wind die Dalliance auszugraben begonnen hatte. Er griff mit der Macht hinaus und spürte Ganner und Trista irgendwo im Innern des Raumschiffs. Obwohl die Entfernung ihre Gefühle dämpfte, sagte ihm der Umstand, dass er überhaupt mehr als ihre bloße Gegenwart wahrnehmen konnte, dass die beiden in eine stürmische Diskussion verwickelt waren. Das war indes keine Überraschung, da die Gefühle aller aufgewühlt waren, seit feststand, dass die beiden Studenten tatsächlich verschwunden waren. Corran und Ganner hatten die meteorologische Station aufgesucht und waren auf ein heilloses Durcheinander gestoßen. Die Vorräte waren überall verstreut, und vier Paar Fußspuren führten von der Station weg. Das ließ nur einen Schluss zu: Vil und Denna befanden sich in der Hand von Yuuzhan-Vong-Kriegern.

Das Schaben von Stiefelabsätzen auf Fels lenkte Corrans Aufmerksamkeit wieder auf die unmittelbare Umgebung. »Ja, Doktor Pace?«

»Ich hasse es, wenn Sie das machen. Sie könnten mich wenigstens ansehen.«

Corran warf einen Blick über die Schulter. »Vergeben Sie mir, aber Ihre Präsenz in der Macht ist sehr stark. Außerdem verursachen die Ledersohlen Ihrer Stiefel ein unverwechselbares Geräusch. Ihre Studenten tragen Stiefel mit synthetischen Sohlen, die praktisch lautlos sind.«

Die Frau schürzte die Lippen und nickte. »Ein netter Trick, aber ich denke, bei Ihrem Unternehmen werden Sie mehr als Tricks benötigen. Sind Sie sicher, dass Sie wissen, was Sie tun?«

Corran lachte kurz auf, dann schüttelte er den Kopf. »Einer Ihrer Studenten, einer von denen, die in Gefangenschaft geraten sind, hat die Jedi beschuldigt, die Zukunft vorhersehen zu können. Manchmal kommt es tatsächlich zu Visionen, aber nicht im Augenblick. Ich weiß also nicht, ob unser Vorhaben Erfolg haben wird, aber ich weiß, dass wir nichts anderes tun können.«

Pace zog die Stirn kraus. »Mir gefällt das Ganze trotzdem nicht.«

»Das Ganze?« Corran deutete auf einige Ausrüstungsgegenstände aus Fiberplast, die vor dem Höhleneingang gestapelt waren. »Sie haben ziemlich überstürzt mit dem Einpacken der Yuuzhan-Vong-Artefakte begonnen und dafür sogar eigene Gerätschaften zurückgelassen.«

»Das war sowieso altes Zeug, und ich habe mein Budget noch nicht ausgeschöpft. Entweder gebe ich alles aus oder bekomme im nächsten Jahr weniger.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie wissen, was ich damit sagen will.«

»Vielleicht.« Seit der Gefangennahme der beiden Studenten hatten Corran und Ganner das Dorf der Yuuzhan Vong jeden Tag ausgespäht. Soweit sie feststellen konnten, nahmen die Yuuzhan Vong dort Proben der lokalen Flora und Fauna und schienen darüber hinaus nach etwas zu suchen. Sie trieben die Sklaven hinaus und ließen sie ausschwärmen und den Sand durchwühlen, aber Corran war sich ziemlich sicher, dass der Gegenstand ihres Interesses längst in gewisse Kisten verpackt war.

Die Studenten hatten herausgefunden, dass sich Bimmiels Magnetfeld von Zeit zu Zeit veränderte, und das bedeutete, dass die Yuuzhan Vong, falls sie bei ihrer Suche nach der Höhle auf alte Messungen zurückgriffen, ein wenig danebenliegen würden. Aber da sich Vil und Denna in ihrer Gewalt befinden, besitzen sie natürlich eine direkte Verbindung zu uns.

Corran war ehrlich überrascht, dass die Yuuzhan Vong noch nicht über sie hergefallen waren.

Corran und Ganner hatten bei ihren Erkundungsausflügen eine Reihe von Dingen festgestellt. Vor allem wussten sie jetzt, dass die beiden Studenten in dem größten Schneckenhaus festgehalten wurden. Sie waren in keiner guten Verfassung, aber ihre Wahrnehmung in der Macht zeigte, dass sie noch nicht schwächer geworden waren. Das nahm jedermann als ein gutes Zeichen.

Der Zustand der übrigen Gefangenen hingegen hatte sich verschlechtert. Die Jedi sahen keine weiteren Morde mehr, doch die Anzahl der Sklaven nahm trotzdem ständig ab. Die Auswüchse wurden größer und die Qualen, die die Sklaven ertragen mussten, immer unübersehbarer. Bei Nacht schienen sie kaum mehr zur Ruhe zu kommen.

Corran hatte nur jene zwei Krieger entdecken können und nahm daher allmählich an, dass es nur diese beiden gab. Ihm war klar, dass dies eine gefährliche Vermutung war, aber er hielt daran fest, weil ihre Rettungsmission, wenn es mehr waren, unmöglich Erfolg haben konnte. Er fühlte tief im Herzen, dass sie erfolgreich sein würde, zumindest teilweise, und sein Vertrauen in die Macht stärkte seine Überzeugung hinsichtlich der Zahl der Yuuzhan Vong, mit denen sie es zu tun bekommen würden.

Ganner hatte sich natürlich sofort begeistert auf Corrans Überzeugung geworfen und ihm damit unablässig zugesetzt. Der jüngere Jedi erinnerte ihn immer wieder daran, dass keiner der Studenten in Gefahr schweben würde und dass sie Bimmiel alle schon längst verlassen hätten, wenn sie in jener Nacht etwas unternommen hätten. Corran konterte, dass die Yuuzhan Vong vielleicht Verstärkung geschickt und ihre Lage damit noch verschlimmert hätten, wenn die regelmäßigen Meldungen der beiden auf dieser Welt stationierten Krieger ausgeblieben wären, aber er wusste selbst, dass dies ein vorgeschobenes Argument war. Wenn sie Meldungen von hier absetzen würden, wären aufgrund der Entdeckung menschlicher Wesen längst weitere Vong hier.

Er sah Doktor Pace an und ließ ein wenig die Schultern hängen. »Ich finde, wir haben das alles schon oft genug durchgekaut, und ich weiß, dass Sie etwas gegen einige Teile des Plans einzuwenden haben. Aber Ganner und ich werden uns in dieses Lager schleichen und Ihre Studenten herausholen. Trista kennt sich mittlerweile so gut mit dem Frachter aus, dass es ihr schon gelingen wird, das Schiff so weit zu fliegen. Es ist größer als ein Kanonenboot, aber ihre Erfahrung im Umgang mit einem solchen Raumer müsste genügen. Sie wird das Dorf mit dem Zeug eindecken, das Sie synthetisch hergestellt haben, dann treten Ganner und ich den Rückzug an, und wir verschwinden von hier.«

»Ja, wir verschwinden… und lassen diese Sklaven im Stich.« Pace kniff die Augen zusammen. »Wenn wir das Gebiet mit dem Virus besprühen, das die Bakterien verändern wird, setzen wir auch eine unglaubliche Menge von dem Tötungsgeruch frei. Ihrem Bericht zufolge haben die Schlitzerratten bereits Gänge unter dem Dorf gegraben. Sobald der Tötungsgeruch sich setzt, werden sie nach oben kommen und die ganze Gegend verseuchen. Die Sklaven haben dann nicht die geringste Chance.«

Corran lief eine Gänsehaut über den Rücken. »Das weiß ich, und ich weiß, dass wir Sie gebeten haben, sich auf uns und auf das zu verlassen, was Ganner und ich über die Sklaven herausgefunden haben. Sie sterben ganz langsam, Stück für Stück. Ich habe so etwas noch nie in der Macht gespürt, aber ich weiß, dass sie sehr krank sind und nicht überleben werden.«

Er reckte das Kinn. »Und Sie wissen, das wir sie unmöglich mitnehmen können. Wir haben keine Ahnung, worum es sich bei den Auswüchsen handelt und wie sie sich ausbreiten. Nach allem, was wir wissen, ist es eine Infektionskrankheit, und die Yuuzhan Vong haben ihr Dorf so gebaut, dass wir Gefangene daraus befreien können. Sie wollen anscheinend, dass wir Krankheitsüberträger mitnehmen. Und wenn wir das täten, würden wir der Neuen Republik und ihren Völkern einen kaum vorstellbaren Schaden zufügen.«

»Und was ist, wenn Vil und Denna auch infiziert sind?«

Corran seufzte. »Das ist der springende Punkt, nicht wahr? Ich habe selbst mit dieser Frage gerungen.«

»Und Ihre Entscheidung?«

Er warf einen Blick auf das Raumschiff in der Ferne und die beiden kleinen Gestalten, die langsam zur Höhle zurückgingen. »Wenn sie krank sind, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie dort zurückzulassen.«

»Und wenn wir sie heilen können?«

»Wollen Sie für diese vage Möglichkeit einen ganzen Planeten aufs Spiel setzen?« Corran klopfte sich an die Brust. »Ich nicht. Ich erinnere mich noch gut an das Krytos-Virus. Ich weiß sehr gut, wie verheerend eine solche Seuche sein kann. Wenn die beiden infiziert sind, werden sie Bimmiel nicht verlassen, wenn nicht, holen wir sie da raus und stecken sie auf dem Frachter in Raumanzüge. Dasselbe gilt für Ganner und mich, um Sie vor der Möglichkeit zu schützen, dass wir zu einem Problem werden könnten.«

»Und wenn das geschieht, erwarten Sie von uns, dass wir Sie alle vier in den Weltraum befördern?«

Corran drehte sich um und sah sie an. »Wissen Sie, Doktor, manche Entscheidungen sind eben nicht einfach. Ganner hinauszubefördern würde Trista das Herz brechen. Ich habe Frau und Kinder, und ich schätze, die wären nicht allzu erfreut über mein Ableben, aber wenn ich die Wahl zwischen dem eigenen Tod und dem von Milliarden habe, weiß ich, welche Entscheidung ich zu treffen habe. Ich diene der Macht, und die Macht ist nichts anderes als das Leben. Das macht die Entscheidung zwar nicht leicht, aber immerhin leichter.«

Pace schnaubte und schüttelte den Kopf. »Das hört sich bei Ihnen alles so einfach an.«

»Aus einem bestimmten Blickwinkel ist es das auch.« Corran seufzte. »Ich bezweifle allerdings, dass die Vong diesen Standpunkt teilen, also wird es wohl eher ein hartes und schmerzliches Stück Arbeit.«