KAPITEL 28
Ein neuer Name

Am nächsten Morgen gab Mr. Wilhere bekannt: Die Kirche würde Dallas und mich wegschicken, damit wir an einem anderen Ort wieder Ruhe finden und uns destimulieren konnten. Letzteres war eine von LRH empfohlene Methode im Umgang mit Menschen, die den Verstand verloren hatten. Aber ich achtete gar nicht darauf, was er sagte. Ich hörte nur »weg«. So wie es jetzt war, konnte es einfach nicht weitergehen. Mein Körper hielt diese Strapazen nicht länger aus. Ich wog nur noch dreiundvierzig Kilo und drohte jeden Moment zusammenzubrechen.

Noch am selben Tag fuhr Mr. Wilhere Dallas, unsere beiden Security-Guards und mich nach Big Bear hinauf, wo wir eine Hütte mit zwei Schlafzimmern bezogen. Meine Bewacherin und ich bekamen das Zimmer mit Doppelbett, während Dallas und sein Guard mit dem Etagenbett-Zimmer vorliebnehmen mussten. Ich warf einen Blick auf die komfortabel eingerichtete Hütte und die beiden Sicherheitsleute und begriff nicht, warum die Church sich für uns in solche Unkosten stürzte. Bestrafungen hatte ich im Laufe meines Lebens schon in allen möglichen Spielarten kennengelernt, doch diese war mir neu. Vor zwei Tagen noch schienen sie wild entschlossen, mich durch die Mangel zu drehen, und jetzt saß ich mitten in einem Erholungsgebiet. Das ganze Vorgehen kam mir äußerst merkwürdig vor, aber in diesem Fall hatte ich auch keine Lust, mich über den Wechsel zu beklagen.

Die nächsten Wochen vertrieben wir vier uns die Zeit mit Kochen, Wandern, Schwimmen im See und dem gegenseitigen Vorlesen von Büchern. Einmal die Woche brachte uns jemand die Post, zusätzliche Kleidung und Lebensmittel. Mir war es unangenehm, so viele Kosten zu verursachen. Nach etwa einer Woche kam Sylvia Pearl, um die Security-Checks mit mir fortzusetzen. Sie zog in eine der Nachbarhütten. Ihr Eintreffen erwies sich allerdings als Rückschritt. Ich ertrug die Sitzungen mit ihr noch immer nicht und lief wieder einfach hinaus. Auch Dallas wurde Security-Checks unterzogen, nur dass sie ihn permanent nach mir befragten, weil sie ihn über mich aushorchen wollten, was meine Wut noch steigerte. Später wurde Sylvia dann durch einen RTC-Auditor abgelöst, und mit einigen Schwierigkeiten gelang es uns, meinen Sec-Check abzuschließen.

Einmal die Woche sah Mr. Wilhere nach, wie es mir ging, und versorgte mich mit den Nachrichten, die er für mitteilenswert hielt. Während einer dieser Besuche erzählte er mir auch, dass es im Fall Lisa McPherson eine bedeutsame Entwicklung gegeben hatte. Bob Minton, der Hauptfinanzier hinter der zivilrechtlichen Klage der Familie, hatte die Seiten gewechselt. Jetzt unterstützte er nicht länger die Anklage, sondern die Haltung der Church. Ich kannte Bob Minton noch als Anführer der Lisa McPherson-Stiftung vor der Base. Wenn das OSA über unsere Feinde sprach, die Demonstrationen veranstalteten und die Church zerstören wollten, dann nahm sie regelmäßig auf ihn Bezug. Minton und seine Frau waren die lautstärksten Protestler vor der Flag Land Base gewesen. Doch nun hatte er in einer Verhandlung ausgesagt, dass der Anwalt der McPhersons ihn dazu gezwungen habe, falsch auszusagen, Prozessdokumente zu fälschen und Stimmung gegen Scientology zu machen. Im Gegenzug erklärte der Anwalt der McPhersons, Minton sei von der Church unter Druck gesetzt worden. Alle strafrechtlichen Anschuldigungen gegen die Church waren bereits 2000 verworfen worden, nachdem der Gerichtsmediziner die Todesursache von »unbekannt« in »Unfall« geändert hatte.

Abgesehen von den wöchentlichen Kontakten verlief unser Aufenthalt in Big Bear erstaunlich ungestört und friedlich. Ich habe nie wirklich verstanden, warum sie mich dorthin schickten. Vielleicht wollten sie damit bei meinen Eltern punkten. Vielleicht hing es mit meiner Selbstmorddrohung zusammen, die mich automatisch zu einer Geisteskranken und einer Potential Trouble Source machte. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich eine Miscavige war und die einzige Alternative zu diesem Zeitpunkt, nämlich mein Austritt, eine schlechte PR bedeutet hätte. Bestimmt waren sie davon ausgegangen, dass die Isolation in Big Bear mich beruhigen und milder stimmen würde. Zudem konnte sich in der Zwischenzeit die Aufregung über den Zwischenfall legen, und niemandem würde auffallen, wie harmlos meine Bestrafung ausgefallen war.

Worin auch immer die Absichten der Church gelegen haben mochten, beruhigend wirkte der Aufenthalt tatsächlich auf mich. Vor Big Bear war ich ein wandelndes Pulverfass gewesen, aber ein paar Wochen ohne Angst, Dallas zu verlieren, mit regelmäßigem Essen und ausreichend Schlaf, und es ging mir deutlich besser.

Meine Zweifel an der Church konnte das allerdings nicht ausräumen. Im Gegenteil, in gewisser Hinsicht verließ ich Big Bear entschlossener denn je, mich ihren Forderungen nicht mehr zu beugen. Es gab einfach Dinge an Scientology, mit denen ich nicht einverstanden war – die penetranten Fragen, das sinnlose Auditing, die endlosen Security-Checks. Manchen Menschen halfen diese Dinge womöglich, aber ich hatte erkannt, dass sie meinen Zustand nur verschlimmerten. Außerdem fand ich es ausgesprochen ungerecht und widersinnig, dass ich immer und immer wieder für Sachen bestraft wurde, an denen ich keine Schuld trug. Wenn ich auf meine Vergangenheit zurückblickte, wurde mir eins klar: Die Leute in der Church würden erst dann aufhören, mich auszunutzen, wenn ich nein zu ihnen sagte, selbst wenn ich sie damit zur Weißglut trieb.

Bisweilen brachte ich Dallas mit dieser Einstellung gegen mich auf. Zwar hatte auch er seine Probleme mit der Church und stellte vieles in deren Umgang mit uns in Frage, doch zugleich fiel es ihm schwer nachzuvollziehen, warum ich mich weigerte, zu kooperieren und die mir auferlegten Strafen abzuleisten. Seiner Meinung nach sollten wir diese Dinge einfach akzeptieren, hinter uns bringen und weitermachen. Doch in meinen Augen führte das nur dazu, dass sie uns noch mehr herumkommandierten. Je mehr Macht wir ihnen über uns gaben, desto mehr davon würden sie in Anspruch nehmen.

Solange wir nicht verheiratet waren, hatte sich im Grunde nichts geändert. Alles, was vorher passiert war, konnte erneut passieren. Bis wir verheiratet waren, würden wir ständig in Gefahr schweben. Und direkt bei unserer Rückkehr sechs Wochen später zeigte sich, dass diese Befürchtung auch berechtigt war.

Bevor wir alle nach L. A. zurückfuhren, kam Mr. Wilhere zu mir und verkündete mir unser Schicksal. Dallas und ich würden unserer Posten im Flag Liaison Office enthoben werden, degradiert und dem Werksbereich auf der PAC Base überstellt, um dort in der Holzwerkstatt zu arbeiten. Die abschließende Warnung lautete, dass wir auf der Kippe zum RPF stehen.

Die Vorstellung, auf der PAC Base einfache Hilfsarbeiten zu verrichten, klang gar nicht so schlecht. Es wäre schön, einmal weniger Verantwortung zu tragen. Wir würden in der Zimmerei mitarbeiten. Was ich dagegen hatte, war nur, dass sich nichts in den sechs Wochen geändert hatte. Noch immer würden wir für dieselben angeblichen Verbrechen bestraft: unser Out 2D, mein Selbstmordversuch, diverse Gehorsamsverweigerungen, die Liste war lang. Sie hatten uns den Aufenthalt in Big Bear bezahlt, nur um uns anschließend wieder in die alte Situation zu entlassen, in der wir eine ungerechte Strafe einfach hinnehmen sollten. In ihren Augen waren wir schuldig und mussten dafür bezahlen.

Dallas erklärte sich einverstanden, im Werk zu arbeiten. Ich weigerte mich. Einige Wochen herrschte Unklarheit, dann folgte eine Übereinkunft. Ich würde auf der CMO IXU bleiben und einen Posten in der Immobilienverwaltung des Flag-Verbindungsbüros antreten. Als sogenannter »Gestalter« sollte ich in dieser Stellung Bauskizzen und Modellansichten ausdrucken und dabei helfen, wenn daraus Tafeln und Schilder gemacht wurden. Dallas wurde erneut der PAC überstellt, also einer niedrigeren Organisationsstufe. Die zwei Stützpunkte lagen nur wenige Meilen voneinander entfernt, galten jedoch als unterschiedliche Bases, weshalb wir nicht gemeinsam essen und uns abends nicht treffen durften.

Zwar garantierte auch eine Hochzeit noch nicht eine gemeinsame Unterbringung, dennoch bestätigten sich mit dieser Trennung meine schlimmsten Befürchtungen. Und als wir uns endlich wiedersahen, erfuhr ich von Dallas auch noch, dass er weiter Security-Checks über sich ergehen lassen musste. Sie wurden durchgeführt von Jessica Feshbach, die wenig später als Auditor von Katie Holmes berühmt werden sollte. Genau wie unter Sylvia in Big Bear dienten diese Sitzungen offenkundig einzig dem Ziel, etwas über mich herauszufinden, nicht über ihn selbst. Sofort war mein Zorn wieder entfacht. Dallas ärgerte sich ebenfalls darüber, und so verfassten wir Briefe an Mr. Rathbun und Mr. Wilhere, in denen wir forderten, beide gemeinsam bei mir im Flag Liaison Office Dienst tun zu dürfen. Von Mr. Rathbun erhielten wir nie eine Antwort, während Mr. Wilhere mir schrieb, ich kümmere mich nur um meine erste und zweite Dynamik, um mich und Dallas, und vernachlässige alle anderen, etwa die Gruppe oder unsere Mission, die Menschheit zu retten. Als seine Erwiderung eintraf, schredderte ich sie und schickte die Schnipsel an ihn zurück. Natürlich bereitete mir das nur noch mehr Ärger.

Ins RPF wurde ich jedoch immer noch nicht geschickt. Meine Fähigkeit, nein zu sagen, perfektionierte ich entsprechend weiter. In Big Bear war mir bewusst geworden, dass sie mich nur kontrollieren konnten, solange ich bereit war, mir ihre Behandlung gefallen zu lassen. Aus irgendeinem Grund wollten sie mich unbedingt bei sich behalten, womit die Church in einer verzwickten Situation steckte: Für die Dinge, die ich tat, wollte sie mich bestrafen, während sie mich zugleich bei Laune halten musste. Also gab ich mich störrisch bei allem, was mir gegen den Strich ging, und das war zu dieser Zeit so einiges.

Trotz meiner Unzufriedenheit konnte ich mich nicht dazu durchringen, den nächsten Schritt zu wagen und Scientology zu verlassen. Die Vorbedingungen dafür waren zwar vorhanden, aber solange Dallas der Church die Treue hielt, kam ein Austritt für mich nicht in Frage, wenn ich mit ihm zusammenbleiben wollte. Es war ihnen schon fast gelungen, innerhalb der Grenzen der Church einen Keil zwischen uns zu treiben, da konnte man sich ja leicht vorstellen, was geschehen würde, wenn ich ging und er blieb. Dallas war inzwischen der Hauptgrund, warum ich bei Scientology blieb. Die Lage war frustrierend, aber ich fand mich damit ab, weil wir auf diese Weise zusammenbleiben konnten. Diese Beziehung war zu wertvoll, um sie aufs Spiel zu setzen.Wir hatten die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir heiraten würden. Dallas und ich waren zwar nicht immer einer Meinung, wie wir am besten aus dem Schlamassel kamen, in dem wir gerade steckten, letztlich wünschten wir uns aber weiterhin nur das eine, wir wollten zusammen sein. Wir waren beste Freunde, und wir liebten einander. Was immer wir auch hatten durchmachen müssen, es hatte uns nur enger zusammengeschweißt, und wir waren fest entschlossen, aus der ganzen Sache am Ende – so oder so – als Ehepaar herauszukommen.

Einige Wochen nach unserer Rückkehr aus Big Bear wurde ich aufgefordert, umgehend den täglich verkehrenden Minibus zur Int zu nehmen – eine höchst sonderbare Anweisung, da ich dort seit Jahren nicht mehr gewesen war. Unterwegs überlegte ich zwei Stunden lang, wen ich dort wohl aus welchem Grund treffen würde. Schließlich stellte sich heraus, dass ich ein Gespräch mit Mr. Wilhere hatte, in dem es um meine Heirat ging. Er bat uns, noch ein wenig Geduld zu haben, da die Probleme mit dem Onkel von Dallas noch nicht ausgeräumt seien. Es überraschte mich wenig, dass Onkel Larry sich als unlösbares Dauerproblem erwies.

Ich erklärte mich einverstanden damit, noch ein wenig zu warten, sofern er bereit wäre, Dallas zum FLO zu versetzen, damit wir zumindest zusammen sein konnten. Zu meiner Überraschung willigte er ohne zu zögern ein.

Nachdem dieser Punkt geklärt war, dachte ich mir, dass sie an Onkel Larry nur die Gefahr zu beschäftigen schien, er könne auf der Hochzeit meine Eltern kennenlernen und mit ihnen gemeinsam irgendein Komplott aushecken, könnte man die beiden auch einfach bitten, nicht an der Feier teilzunehmen. Und so bot ich an, meinen Eltern einen entsprechenden Brief zu schreiben, wenn darin das Problem lag. Mr. Wilhere dachte eine Weile darüber nach und ließ mich dann tatsächlich ein Schreiben aufsetzen, in dem ich fälschlicherweise betonte, wie glücklich ich war und wie gut es mir ging. Ich erzählte ihnen, dass ich jemanden gefunden hatte, den ich liebte, und dass er ihnen bestimmt auch gefallen würde. Anschließend bat ich sie um Verständnis, dass ich nun mein eigenes Leben führte. Ich lud sie nicht ausdrücklich von der Hochzeit aus, hoffte aber, dass ihnen auch so nicht verborgen bleiben würde, worauf die Nachricht hinauslief.

Mr. Wilhere hielt Wort. Am nächsten Tag wurde Dallas der FLO-Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit als Drucker überstellt. Diese Abteilung war verantwortlich für die Herstellung von Werbebeiträgen zu Scientology-Broschüren, Zeitschriften und anderen Publikationen. Es war uns jetzt möglich, gemeinsam essen zu gehen, uns tagsüber zu treffen und abends sogar mit demselben Bus ins Quartier zurückzufahren.

Ein paar Wochen später erschien Mr. Wilhere unangekündigt in meinem Büro und wollte mit mir sprechen. Er überreichte mir einen bereits geöffneten Brief meiner Eltern. Sie schrieben, dass sie inzwischen nicht mehr in Mexiko wohnten, sondern in Virginia. Sie freuten sich sehr darüber, mich glücklich zu sehen, und verstanden schon, nicht selbst an der Hochzeitsfeier teilnehmen zu können.

Ihre Antwort erleichterte mich, doch es erstaunte mich auch ein wenig, wie sich alles plötzlich fügte. Damals wusste ich noch nicht, dass mein Onkel Dave sich gerade in Kirchenangelegenheiten an der Ostküste aufhielt und ihnen den Brief höchstpersönlich zugestellt hatte, was auch bewies, wie aufmerksam er meine Situation verfolgte. Laut den Berichten meiner Eltern hatten sie meinen Onkel mit seinem Gefolge in einem schicken Hotel in Washington D.C. getroffen, in dem er abgestiegen war. Er händigte meinen Eltern nicht nur den Brief aus, sondern machte meinen Vater auch mit einem örtlichen Immobilienhändler bekannt, der ihm beruflich weiterhelfen konnte, und fand für meine Mutter einen Job in einer Anwaltskanzlei. Darüber hinaus erklärte er meinen Eltern, dass sie nicht länger SPs wären. Sie hatten der Bitte der Church entsprochen, eine Weile in Mexiko zu bleiben, und im Wesentlichen die erforderlichen Schritte A-E absolviert, um entdeklariert zu werden.

Bei diesem Treffen gab Onkel Dave auch sein Einverständnis, dass mein Vater jetzt das Gespräch mit seiner Mutter führen durfte, um das er gebeten hatte. Was meine Hochzeit betraf, so hatte meine Mutter schon wegen meiner Zugehörigkeit zur Sea Org mit einer frühen Heirat gerechnet und war von der Nachricht daher wenig überrascht. Onkel Dave erzählte ihnen, dass er selbst Dallas nicht kenne, aber gehört habe, er sei ein netter Kerl.

Wie gesagt wusste ich damals von alldem nichts. Ich fühlte mich einfach nur erleichtert, dass sie nicht zu meiner Hochzeit kamen. Erst später, nachdem ich die Church verlassen hatte, erzählte mir meine Mutter die ganze Geschichte.

»Und«, meinte Mr. Wilhere sarkastisch, »jetzt wirst du bestimmt schon morgen heiraten, wie?« Es war unübersehbar, wie sehr es ihn wurmte, dass sich all meine Wünsche erfüllt hatten, sogar die Überstellung von Dallas zur Base.

»So ungefähr«, erwiderte ich ungerührt.

»Na dann, viel Glück«, sagte er und nuschelte noch ein paar obligatorische gute Ratschläge herunter, worauf in einer guten Ehe zu achten sei. Ich hörte seinem Vortrag kaum zu. Ich würde heiraten.

Am nächsten Tag fuhren Dallas und ich schon frühmorgens zum Standesamt, um unsere Heiratserlaubnis zu beantragen. Wie waren viel zu nervös und aufgeregt, um zu bemerken, dass der Wagen kaum noch Benzin hatte, und rollten schließlich im Leerlauf den Hügel zur nächsten Tankstelle hinunter. Der Tankdeckel an Dallas’ Auto musste mit dem Zündschlüssel geöffnet werden. Dabei zitterte Dallas so stark, dass er beim Öffnen den Schlüssel im Schloss abbrach. Mit einer vom Tankwart geborgten Zange brauchte er fast eine Stunde, um das abgebrochene Teil wieder herauszuziehen. Wir hofften nur inständig, der Motor würde sich damit noch starten lassen, und jubelten begeistert, als es funktionierte. Die Rechnung bezahlten wir mit den fünf Dollar, die wir von unserem Lohn zusammengespart hatten. Ich möchte gar nicht wissen, was der Tankwart gedacht haben mag, als wir ihm den Berg Fünf- und Zehn-Cent-Münzen überreichten. Da der Sprit für die gesamte Strecke noch immer knapp bemessen war, rollten wir nach Möglichkeit im Leerlauf weiter. Als wir endlich am Courthouse ankamen, mussten wir die Wagentüren auflassen, da der Schlüsselrest im Zündschloss feststeckte. Aber unsere Heiratserlaubnis bekamen wir.

Der Vater von Dallas war nicht nur Schmuckhändler, sondern auch Scientology-Geistlicher. Er erklärte sich bereit, nach Los Angeles zu kommen, um eine kurze kirchliche Zeremonie durchzuführen. Geplant war, dass wir ihn um Mitternacht im Celebrity Center treffen würden, da wir dann erst Dienstschluss hatten.

Zu meiner großen Überraschung waren auch Dallas’ Mutter, seine Schwester mit Freund sowie sein Bruder mit Frau und kleinem Töchterchen anwesend. Bis auf den Freund der Schwester gehörten alle Scientology an. Als Trauzeugen hatte ich meine beiden Freunde Phil und Clare mitgebracht. Dafür waren weder Bitty und Ronnie Miscavige noch Onkel Dave oder Tante Shelly noch Onkel Larry anwesend. Ich war sehr gerührt, dass sich so viele Verwandte von Dallas extra die Mühe gemacht hatten, an der Feier teilzunehmen. Obwohl ich sie nicht sonderlich gut kannte, bedeuteten wir ihnen offensichtlich genug, um die zwei Stunden von San Diego hinaufzufahren.

Die Zeremonie entsprach nicht unbedingt meiner Traumhochzeit. Dallas und ich trugen beide unsere Uniform. Ich hatte mich nicht einmal frisch schminken können, und meine Schuhe waren von dem Sprühkleber verdreckt, den wir an diesem Tag für die Schautafeln benutzt hatten. Die Zeremonie dauerte nur fünf Minuten, es gab keine Blumen, kein festliches Essen, keinen Sekt und keine Musik, aber das spielte alles keine Rolle. Jetzt waren wir verheiratet.

Den Augenblick, in dem Dallas mir den Ring über den Finger streifte, halte ich noch immer in liebevoller Erinnerung. Ich schwor mir selbst, dass ich alles für seinen Schutz und sein Wohlergehen tun und mich nie wieder von ihm trennen lassen würde. Eigentlich durfte er mir nicht wichtiger sein als die Church, das wusste ich natürlich, aber das war mir egal. Wir hatten es endlich geschafft. Am 20. September 2002 wurde ich Jenna Hill.