6. Kapitel
Mariann lehnte sich an Bastien, und jetzt weinte sie nicht mehr, sondern genoss es, dass ihre Wange so wunderbar an seine Schulter passte, als wäre sie eigens dafür geschaffen worden.
Obwohl ihr Geruchssinn stärker ausgeprägt war als zuvor, roch Bastien noch besser: nicht nur nach Wald, sondern wie ein Mann – ein bisschen salzig und mit einem Hauch von Moschusduft. Genauso angenehm waren seine starken, aber sanften Arme, die sie umschlangen. Mit einem leisen, zufriedenen Seufzer lehnte er den Kopf an ihren. Falls sie sich je so geborgen gefühlt hatte bei ihrem Ex, konnte Mariann sich nicht daran erinnern.
Und auch wenn die Zufriedenheit, die sie empfand, vielleicht nur eine Illusion war, widerstrebte es ihr, Bastien gehen zu lassen.
»Diese Küche ist eine Katastrophe«, bemerkte sie ohne Gewissensbisse oder den Ehrgeiz, sie in Ordnung zu bringen. »Wenn jetzt jemand hereinkäme, würde er denken, ich sei von hungrigen Einbrechern überfallen worden.«
»Ich helfe dir, sie aufzuräumen«, schlug er vor.
Sie lächelte im Stillen, als auch er sich nicht von der Stelle rührte, aber dann fiel ihr Blick auf die Uhr am Herd.
»Oh, verdammt!«, schimpfte sie und richtete sich auf. »Es ist vier Uhr morgens. Ich müsste längst in der Bäckerei sein. Heather wird sich schon fragen, warum ich nicht in die Gänge komme.«
»Ich kann sie anrufen wie gestern und ihr sagen, dass du dich von deinem Unfall noch nicht ganz erholt hast.«
»Das ist unmöglich. Heather hat noch nie das Backen ganz allein … Oh, nein.« Mariann schlug sich an die Stirn. »Gestern Nacht. Da habe ich meine Schicht verschlafen.«
»Ich bin sicher, dass Heather gut zurechtgekommen ist«, meinte Bastien, doch Mariann stopfte bereits Müll in eine Tüte. »Lass mich wenigstens mitgehen. Du wirst meine Hilfe brauchen, um menschlich auszusehen.«
»Verdammt«, sagte sie, erneut verärgert, als ihr alles wieder einfiel, aber dann entschuldigte sie sich schnell. Sie war es nicht gewohnt, für Dinge wie diese auf andere angewiesen zu sein, wichtige Dinge, die sie nicht entbehren konnte. Ihre Nervosität ließ erst wieder nach, als sie nebeneinander über die Straße gingen und Bastien nach ihrer Hand griff.
»Du kannst dich auf mich verlassen«, sagte er, doch das war nicht das Problem.
Sich von ihm helfen zu lassen war viel zu leicht – und viel zu angenehm. Mariann spürte die Macht, die über die Verbindung ihrer Finger in warmen Wellen auf sie überging. Dieses Kribbeln hatte sie vorher schon verspürt, aber jetzt nahm sie es viel stärker wahr. Sie fragte sich, ob er nur versuchte, sie zu beruhigen, und ob das eine seiner Gaben war.
»Wie alt bist du eigentlich?«, wollte sie wissen und blickte zu seinem vom Sternenlicht erhellten Profil auf. Seine Gesichtszüge hätten aus Marmor gemeißelt sein können, so unbewegt und ruhig waren sie. Ihn so zu sehen brachte Mariann zu Bewusstsein, wie viel von seiner Natur ihr bisher verborgen geblieben war.
»Ich wurde um elfhundert herum geboren«, antwortete er. »Anno Domini. Ich war Förster – oder Wildhüter, wie ihr es nennen würdet – auf einem ausgedehnten Besitz in Burgund.« Sein Mund verzog sich spöttisch in dem ansonsten reglosen Gesicht. »Ich war nicht beliebt, da es meine Aufgabe war zu verhindern, dass das hungernde Volk meinem Herrn die Kaninchen klaute, und ich oft zu ziemlich drakonischen Mitteln greifen musste. Eines Tages fing ich einen Wolf, der keiner war, in einer meiner Fallen. Die Zacken der Falle waren aus Eisen, das wir nicht vertragen können, und es hatte ihm seine ganze Upyr-Kraft genommen. Mein Pech, als ich die Falle öffnete, um den vermeintlichen Kadaver herauszunehmen, war, dass der Wolf aufsprang und sich in einen Mann verwandelte. Und da ich mehr Sturheit als Vernunft besaß, kämpfte ich mit ihm … bis fast zu meinem Tod. Doch ich glaube, meine Wildheit beeindruckte meinen Gegner, denn Auriclus beschloss, mich zu verwandeln, statt mich an meinen Verletzungen sterben zu lassen.«
»War das sein Name? Auriclus?«
Bastien riss sich von der Vergangenheit los und erwiderte Marianns Blick. Obwohl sie ihn aufmerksam beobachtete, konnte sie nicht sagen, was er von dem Mann, der ihn verwandelt hatte, hielt. »Ja. Wir haben nicht viele Älteste, aber er ist einer von ihnen. Nur ein Ältester kann einen Menschen in das verwandeln, was wir sind.«
»Dann bist du also auch ein Ältester.«
»Nicht offiziell, doch eigentlich ja.«
Sie wusste, dass seine Antwort nur einen Teil der Geschichte erzählte, denn seine Finger fühlten sich zwischen ihren merklich verkrampfter an. »Könntest du Schwierigkeiten bekommen, weil du mich gerettet hast?«
»Das wäre möglich, aber nicht wahrscheinlich. Viele der Upyrs im Rat sind meine Freunde. Wahrscheinlich muss ich beten, dass sie mir zutrauen zu wissen, was ich tue.«
Ein Ernst, den Mariann nicht verstand, warf einen Schatten auf seine Worte. »Nun«, sagte sie, da sie nicht zu neugierig erscheinen wollte, »dann muss ich wohl ganz besonders dankbar sein, dass du dich nicht an die Regeln gehalten hast.«
Er blieb stehen und wandte sich ihr zu, mit dem Rücken zu der dunklen Straße und seine Hand ganz fest um ihre. Das Glühen, das sie in jener anderen Nacht gesehen hatte, flammte wieder in seinen Augen auf. »Es war meine Entscheidung zu handeln, wie ich gehandelt habe. Ich hätte dich nicht sterben lassen können. Ich liebe dich, Mariann. In all den Jahren meines Lebens habe ich so etwas noch nie empfunden.«
Die Leidenschaft in seiner Stimme verschlug ihr den Atem. Er klang wie ein Kreuzritter vor einer Schlacht. In ebendiesem Moment konnte sie ihn sich sogar sehr gut vor beinahe tausend Jahren vorstellen.
Er liebt mich, dachte sie, als ihr bewusst wurde, dass er die Wahrheit sprach. Doch ihre Freude über seine Liebeserklärung und ihr Bedürfnis, ihm zu glauben, ließen auch ein Misstrauen in ihr erwachen, bei dem sich ihr die Nackenhaare sträubten. Wer verliebte sich so schnell? Und dazu auch noch in sie?
»Das … ist … sehr schmeichelhaft«, erwiderte sie stockend, weil ihr die Luft zum Atmen fehlte. »Angesichts dessen, wie lange du schon auf dieser Welt bist.«
Sie bemerkte nicht, wie sein Ausdruck sich veränderte, doch von einem Moment auf den anderen sah er traurig aus. Er hob die rechte Hand, um eine Locke zurückzustreichen, die der Wind ihr über die Wange geweht hatte. »Meine Worte waren nicht als Schmeichelei gedacht.«
»Bastien«, sagte sie leise.
Vielleicht spürte er, dass sie ihn warnen wollte, sie nicht zu sehr zu bedrängen. Sie konnte ihm noch nicht das Vertrauen schenken, das eine gute Beziehung erforderte. Falls es das war, was er erwartete, wollte er es nicht hören, denn er deutete auf die Kreuzung, die den Rand der Stadt bezeichnete.
»Wir sollten uns beeilen«, meinte er. »Heather wird sich schon Sorgen machen.«
Einige Upyrs wurden mit dem Geschick geboren, andere zu blenden, doch Mariann gehörte nicht dazu. Bastien vermutete, dass sie es auf die harte Tour würde lernen müssen, indem sie in der nächsten Zeit viel experimentierte. Während er selbst ihr zwar den Anschein von Normalität verleihen konnte, musste er sie ständig berühren, um ihn aufrechtzuerhalten, was die Zusammenarbeit mit ihrer Gehilfin ziemlich erschweren würde.
»Das ist nicht dein Ernst!«, entfuhr es Mariann, sowie er sie darüber aufgeklärt hatte. »Warum hast du mich dann überhaupt erst herkommen lassen?«
Sie standen vor der Tür der Bäckerei und sprachen in Tönen, die kein menschliches Wesen wahrnehmen konnte.
»Ich könnte Heather in meinen Bann schlagen«, sagte er. »Das hält länger an als Zauber.«
»Sie in deinen Bann schlagen?«
»Es ist eine Art Hypnose oder auch Gehirnwäsche. Es verändert die Gedanken und Überzeugungen der Leute und lässt sie sehen, was ich sie sehen lassen will.«
Mariann kräuselte die Nase.
»Dazu muss ich sie allerdings erst beißen«, fügte Bastien der Ehrlichkeit halber hinzu. »Ein Blutband hilft, meine Macht zu festigen.« Mariann öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, als Bastien eine Hand um ihr Kinn legte. »Da ist noch etwas, was du wissen solltest. Deine Freundin ist schwanger. Ihrer Aura nach zu urteilen ist der Vater der Junge mit dem Tattoo.«
»Schwanger.« Marianns Stimme war so gedämpft, dass sogar er Mühe hatte, ihre Antwort zu verstehen. »Und du kannst das sehen? Wow.« Sie rieb sich die Arme, als fröre sie. »Sie wird das Kind haben wollen. Sie ist verrückt nach Eric, und sie liebt Kinder. Aber sie wird ihren Job jetzt mehr denn je benötigen. Sie hat ja gar nichts anderes gelernt. Falls ich die Bäckerei nicht halten kann, weiß ich nicht, wie sie sonst Geld verdienen könnte.«
»Emile und ich könnten ihren Freund als Hausmeister einstellen und dafür sorgen, dass er einen guten, regelmäßigen Lohn bezieht.«
»Das ist sehr nett von dir, doch es wäre besser, wenn Heather in der Lage wäre, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Und offen gestanden kann ich sie mir nicht mit einem Hammer in der Hand vorstellen.«
Bastien lächelte und fragte sich, ob Mariann bewusst sein mochte, wie modern solche Überlegungen für ihn waren.
Sie blickte auf und zog die Brauen zusammen. »Würde das Beißen Heathers Baby schaden?«
»Nicht körperlich. Nach einer kurzen Zeit der Schwäche verstärkt sich das menschliche Immunsystem nach einem Biss. Das Baby würde also auch davon profitieren. Es wäre aber auch möglich, dass das Kind mit einer Prädisposition für meinen Einfluss geboren würde. Unter unseren Leuten gelte ich, teilweise auch meines Alters wegen, als geschickter Präger des Geistes. Die Frage ist, ob du bereit bist, darauf zu vertrauen, dass ich meine Macht nicht missbrauchen würde?«
Er steckte die Hände in die Hosentaschen, um Mariann nicht sehen zu lassen, wie sie zitterten. Obwohl er nicht versucht hatte, in ihre Gedanken einzudringen, waren die Zweifel, die sie in Bezug auf ihn und Männer im Allgemeinen hegte, offensichtlich.
Sie musterte ihn mit einem Blick, der scharf war wie ein Messer. Das war eine Eigenschaft, die sie sich aus ihrer menschlichen Zeit bewahrt hatte.
»Heather gehört zu dir, so wie Emile zu mir gehört«, sagte Bastien. »Ich würde sie nicht ohne deine Zustimmung beißen.«
»Es ist meine Aufgabe, sie zu beschützen, meinst du?«
»Ja.«
Mariann entfernte sich ein paar Schritte und blieb stehen. Sie hatte den Kopf gesenkt und die Arme vor der Brust verschränkt und tippte mit der Spitze ihres himmelblauen Turnschuhs auf das Gras. »Mich hast du noch nie in deinen Bann geschlagen«, bemerkte sie, ohne sich umzudrehen.
»Ich wollte deine Liebe gewinnen, nicht erzwingen.«
Sie seufzte und wandte sich ihm wieder zu. »Das will ich auch. Ich will, dass Heather genauso mit mir umgeht wie zuvor, selbst wenn sie mich als Menschen sieht. Ich will nicht, dass ihr freier Wille in irgendeiner Form geschmälert wird. Wenn du mir versprechen kannst, dass das nicht passieren und dass dem Ungeborenen kein Schaden zugefügt wird, ist meine Antwort ja.«
Bastien atmete erleichtert auf. »Das kann ich dir versprechen. Ich bin sehr, sehr gut in meinem Metier.«
Sie lachte, obwohl es nicht als Scherz gemeint gewesen war. »Und bescheiden bist du auch.«
Und da entdeckte er ihre Gabe, das Upyr-Talent, das am stärksten in ihr zutage trat: Sie kam mit einer Schnelligkeit zu ihm, die kaum noch als Bewegung zu erkennen war und einem Menschen völlig unvorhergesehen erschienen wäre. Mariann legte ihm die Hände auf die Schultern und erhob sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen.
»Ich verlasse mich darauf, dass du Wort hältst«, raunte sie ihm zu, »was mehr ist, als ich über die meisten Leute sagen würde.«
Er zog sie in die Arme und drückte sie an sich. Dabei dachte er, dass sie nicht wissen konnte, was für ein unermessliches Geschenk sie ihm gemacht hatte.
Bastien trat zurück. Er hatte Tränen in den Augen. Mariann konnte es kaum glauben, als sie es sah. Ihre Zustimmung bedeutete ihm anscheinend sehr viel.
»Möchtest du mit mir hineingehen?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich dir vertraue. Trotzdem«, sagte sie und rieb sich mit einem Finger über die Lippen, »glaube ich nicht, dass ich zusehen möchte, wie du es genießt. Nach meiner eigenen Erfahrung mit einem kalten Glas von dem Zeug zu urteilen ist es ziemlich unmöglich, Blut zu trinken, ohne Vergnügen zu empfinden. Doch mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht die Art von Freundin, die wegen jedes Lächelns ausflippt, sondern eine reife, moderne Frau. Also geh, und tu, was wir besprochen haben.«
Das Schmunzeln, das um seine Lippen gespielt hatte, entfaltete sich zu einem breiten Grinsen. »›Freundin‹«, wiederholte er. »Damit kann ich leben. Aber mach du dir keine Sorgen.« Er beugte sich weit genug vor, um ihr ins Ohr flüstern zu können. »Ich rechne fest damit, ja hoffe sogar, dass du mit der Zeit besitzergreifender wirst.«
Seine Frotzelei verunsicherte Mariann. Sie konnte nur tatenlos zusehen, wie er beschwingten Schrittes die Bäckerei betrat. Draußen zu bleiben, während er hineinging, erschien ihr wie die surrealste Erfahrung ihres Lebens.
»Reif«, sagte sie zu dem hin- und herschwingenden O’Faolain’s Bäckerei-Schild über der Tür. »Ich bin eine reife, moderne Frau.«
Sie ließ fünf Minuten vergehen, dann zehn, bevor ihre Neugier sie in die Bäckerei trieb. Das Ladenlokal war still und sauber, der Boden frisch gewischt. Obwohl Heather sich selbst überlassen gewesen war, hatte sie es geschafft, die Vitrinen aufzufüllen. Mariann sah zwar arg viele Teilchen und Plätzchen, aber sie schienen sich gut verkauft zu haben.
»Inspizierst du meine Waren?«, fragte Heather von der Küchentür. Mariann war nicht sicher, was sie erwartet hatte, doch Heathers Grinsen hatte sich nicht verändert, es war so breit und frech wie immer. Sie musterte ihre Arbeitgeberin von Kopf bis Fuß. »Du siehst gut aus, Boss. Das Schwänzen scheint dir zu bekommen.«
»Ich … ich habe nicht …«
Bevor Mariann sich eine Erklärung zurechtlegen konnte, umarmte Heather sie. Hinter dem Rücken des jungen Mädchens lächelte Bastien sie an und zuckte mit den Schultern. Er sah ungemein zufrieden mit sich aus, fand Mariann.
»Ich bin froh, dass es dir wieder gut geht«, sagte Heather. »Nicht, dass ich dir deine freie Nacht etwa missgönne. Ihr seid wie geschaffen füreinander, Bastien und du. Ich fand es bloß stinklangweilig, allein zu arbeiten. Ich vermisse es, wenn du mir nichts Neues beibringst. Diese Blödmänner in der Kochschule waren viel zu aufgeblasen und erwarteten von mir, eine Meisterköchin zu sein, bevor ich dort auch nur erschien. Aber du hast mir den Glauben zurückgegeben, dass ich was lernen kann.«
Das Kompliment rührte Mariann mehr, als sie erwartet hatte. Blinzelnd, um die Tränen zurückzuhalten, die plötzlich in ihren Augen brannten, tätschelte sie Heather den Rücken. »Ich lasse dich nicht mehr allein«, versprach sie. »Zumindest für eine Weile nicht. Du darfst dich jetzt nicht überanstrengen.«
Heather löste sich von ihr und starrte sie mit offenem Mund an, bevor sie sich anklagend Bastien zuwandte. »Du hast es ihr gesagt! Es war schlimm genug, dass du es erraten hast. Ich wollte ihr die Neuigkeiten selbst erzählen.«
Bastien legte eine Hand an sein Herz. »Ich bitte aufrichtig um Verzeihung, Mistress Heather. Wie kann ich das wiedergutmachen?«
»Gar nicht«, erklärte Heather. »Und red mich nicht mit diesem lächerlichen Namen an! Mann! Alte Leute glauben, sie brauchten für gar nichts um Erlaubnis zu fragen.«
Ohne die Spöttelei über Bastiens Alter zu beachten – womit Heather richtiger lag, als sie dachte –, versicherte Mariann ihr, dass sie sich freute, solange Heather glücklich war. Die Kleine errötete und murmelte irgendetwas darüber, dass sie und Eric zwar noch nicht heiraten würden, sich aber darauf geeinigt hätten, »ein gutes Team« zu sein. Wie auch immer Bastien sie seiner Suggestion unterworfen hatte, ihr wahres Ich hatte er nicht geändert.
»Ich bin stolz auf dich, Kleines«, versicherte Mariann, »dass du es ganz allein geschafft hast, das Geschäft zu führen. Viele Angestellte hätten einfach alles hingeschmissen, du jedoch nicht. Das zeigt mir, dass du und dein Eric gut zurechtkommen werdet. Warum gehen wir nicht …« Sie unterbrach sich, um tief Luft zu holen. »Warum gehen wir nicht in die Küche, und ich zeige dir, wie die berühmte Vermonter Karamelltorte meines Großvaters gebacken wird?«
»Wirklich?« Heather neigte fragend den Kopf. »Nach dem Originalrezept deines Opas? Du meinst, dass ich es mir aufschreiben darf und alles?«
»Darauf kannst du wetten«, sagte Mariann und spürte, wie ihr schon viel leichter ums Herz wurde. »Wir beide sind jetzt auch ein Team, und es wird Zeit, dass ich dich so behandele.«
»Wow«, murmelte Heather. »Cool.«
»Sie hält mich für eine gute Lehrerin«, sagte Mariann, deren Freude über Heathers Kompliment noch nicht verflogen war. »Und sie schien es auch nicht merkwürdig zu finden, dass ich sie alles probieren ließ und selbst nichts anrührte. Ich weiß, dass wir noch ganz am Anfang stehen, doch vielleicht wird es ja wirklich klappen.«
Bastien drückte nur schweigend ihre Hand. Aber er brauchte auch nichts zu sagen. Mariann wusste, dass er erriet, wie glücklich ihr Optimismus sie machte, nicht minder glücklich als das Wissen, wie gut ihre Gedanken miteinander in Einklang standen. Jedes Mal, wenn ihre Finger sich verschränkten, fühlte der Kontakt sich noch natürlicher an – bis Mariann es aufgab, gegen ihre Freude ankämpfen zu wollen. Im Moment befanden sie sich auf der eindrucksvollen Treppe des Night Owl Inn und folgten den geschwungenen Mahagonistufen zum ersten Stock hinauf. Das Inn lag im Dunkeln, doch Mariann konnte alles deutlich sehen, bis hin zu den gedämpften Grün- und Brauntönen der geschmackvollen Tapete an den Wänden.
Sie musste zugeben, dass sie Gefallen fand an ihren geschärften Sinnen. Ihre Nase hatte ihr die Qualität ihrer Erzeugnisse fast ebenso gut verraten wie früher ihre Geschmacksknospen.
Oben am Treppenabsatz blieben sie stehen, um die schwarz-weißen Rauten des Marmorbodens unten in der Halle zu bewundern. Bis auf einige wenige Stellen im Dekor schienen die Renovierungen abgeschlossen zu sein. Bastien, der irgendwie nervös wirkte, ließ ihre Hand los, und Mariann tat so, als störte es sie nicht.
»Und?«, fragte er. »Wie wirkt das Inn auf dich?«
»Ruhig. Edel. Und obwohl viele Dinge neu sind, sieht alles stilgerecht und echt aus. Ich fühle mich schon fast so wie auf einer Zeitreise.«
»Gut«, meinte er. »Das ist es, was ich wollte.«
»Glaubst du, du kriegst die Menschen dazu, dir auf halbem Weg entgegenzukommen?«
»Vielleicht. Obwohl der halbe Weg für mich natürlich mehr so etwas wie die Renaissance wäre.«
»Ich fürchte, ich war nie besonders gut im Rechnen und Zählen, wenn es nichts mit Tassen, Löffeln oder Kuchengabeln zu tun hatte.«
»Ah«, erwiderte er in einem Ton, der sich ebenso befangen wie erfreut anhörte. Mariann vermutete, dass er Angst hatte, das Falsche zu sagen. Ihr neues Verhältnis musste ihm noch ebenso fragil erscheinen wie ihr selbst.
»Ich frage mich nur, Bastien«, meinte sie, um ihn ein wenig zu entspannen, »warum du ein Inn führen willst? Das scheint doch ein etwas merkwürdiges Geschäft für einen … Upyr zu sein.«
»Willst du die leichter oder die schwerer zu verstehende Antwort hören?«
»Beide.«
Sie wandte sich ihm zu und lehnte sich mit der Hüfte an das Geländer, das er mit den Händen umklammerte. So fest, dass die Fingerknöchel eines Menschen weiß hervorgetreten wären. »Die leichter zu verstehende ist, dass ich ein Fenster zur Welt der Menschen wollte, einen Ort, an dem meine Freunde und ich lernen können, uns unter Sterblichen aufzuhalten und unbemerkt zu bleiben. Denn je mehr Jahre vergehen, desto mehr verlieren wir den Bezug zu dem, was wir einmal waren.«
»Und wie lautet die andere Antwort?«
Er lachte ein bisschen beschämt. »Dass ich ein kleines Königreich aufbauen wollte. Ich muss regieren, Mariann. Dieser Drang ist ebenso stark in mir vorhanden wie der Überlebenstrieb.«
»Du sagst das, als wäre es etwas Schlechtes.«
Er stieß sich vom Geländer ab, um sich mit der Hand über das Gesicht zu fahren. »Weder Emile noch ich reden gern darüber, aber vor langer Zeit, während eines Kampfs um Vorherrschaft, belegte unser Rudelführer in Frankreich Emile mit einem Fluch, der ihn nach und nach so schwächte, bis er sein Leben zu beenden drohte. Ein schneller Tod ist eine Sache, Mariann, doch langsam dahinzusiechen finden wir ganz besonders grauenvoll. Für uns kann Schmerz eine Ewigkeit andauern. Hugo wählte diese Art von Folter, um mich und jeden anderen, den er als Rivalen ansah, einzuschüchtern. Emile und ich konnten nach Schottland fliehen, doch auch die Entfernung brachte keine Besserung. In meiner Verzweiflung versuchte ich, ein bestehendes Rudel zu übernehmen. Ich wollte seine Mitglieder als Soldaten benutzen, um den Mann zu besiegen, der meinen Freund verflucht hatte. Ich setzte Magie ein, Kraft und jede List, die mir einfiel, um meinen Willen durchzusetzen. Am Ende erwies ich mich als nicht besser als mein Feind.«
»Du hast Magie benutzt?« Das Wort war ihm erstaunlich leicht über die Lippen gekommen. »Ist ein Vampir zu sein nicht schon Magie genug?«
»Es gibt Zauber, die wir anwenden können«, sagte er, und sein Blick verriet, dass er sich ihres Unbehagens bewusst war, »um unsere natürlichen Gaben zu verstärken: unsere Suggestivkraft, unser Talent für Zauber und all unsere anderen angeborenen Fähigkeiten. Die meisten Zauber sind verboten, doch hin und wieder brechen wir die Regeln.«
»Und du hast diese verbotenen Zauber benutzt.«
»Ich hätte jedes Verbrechen außer Mord begangen, um Emile zu retten.« Bastien seufzte. »Damals begann ich meine eigene kleine Schreckensherrschaft gegen Leute, die mir nichts Böses angetan hatten. Ich hoffe, dass ich mich seither verändert habe, doch ich kann nicht mit Sicherheit sagen, inwieweit.«
Mariann biss sich auf den Daumennagel. »Was wurde aus den Upyrs, denen du Unrecht zugefügt hattest?«
»Sie haben mir verziehen, sogar der Mann, dessen Rudel ich stehlen wollte. Sie nahmen Emile und mich bei sich zu Hause auf und fanden einen Weg, seine Verletzungen zu heilen. Es war ein Wunder, für uns beide, das ich ihnen wahrscheinlich nie wieder vergelten kann. Denn leider haben die Jahre mich zu mächtig werden lassen, um das Territorium unseres neuen Rudelführers teilen zu können. Ein Zusammenstoß wäre irgendwann unvermeidlich. Das ist der Grund, warum Ulric mich nach Amerika verbannt hat.«
Seine Stimme war rau vor Kummer und offenbarte ein Bedauern, das die ganze Bürde seines langen Lebens in sich trug. Wer auch immer dieser Rudelführer war, Bastien bewunderte ihn. Mariann vermutete, dass es ihm das Herz gebrochen hatte, ins Exil verbannt zu werden.
Und jetzt begann sie zu verstehen, was für ein großes Herz er haben musste.
»Ich weiß nicht«, sagte sie und bemühte sich um einen leichten Ton. »Das klingt, als hätte dieser Ulric es nur gut mit dir gemeint. Vielleicht wollte er genauso wenig mit dir kämpfen wie du mit ihm. Möglicherweise hat er dich hierhergeschickt, weil er der Meinung war, du würdest einen guten Führer abgeben. Vielleicht war es seine Variante eines freundschaftlichen Tritts in den Hintern.«
Bastien wiegte zweifelnd den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte das glauben.«
»Verzeih mir, falls es dich kränkt, Bastien, aber ich bin noch niemandem begegnet, der sich vor dir fürchtet. Du behandelst Emile wie einen geschätzten Partner. Heather hast du mit einem Psychozwang belegt, und sie schreckt immer noch nicht davor zurück, dir auf den Nerv zu gehen. Und nicht zuletzt bin ich ja auch noch da. Ich mag zwar ein Würstchen sein, verglichen mit deinem Rudelführer, aber glaub mir, ich bin kein Einfaltspinsel.«
»Nein, das bist du nicht. Du bist die wunderbarste Frau, der ich je begegnet bin. Ich wünschte …« Er brach ab, und seine Miene wurde ernst.
»Ich weiß, was du dir wünschst«, sagte Mariann so sanft, wie sie konnte. »Und ich kann kaum zum Ausdruck bringen, wie erfreulich ich das finde. Ich kann nur sagen, gib mir eine Chance aufzuholen. Immerhin weiß ich erst seit ein paar Tagen, dass dir etwas an mir liegt.«
»Glaubst du denn, dass du aufholen kannst?«
Trotz seiner Attraktivität und seiner Macht war er schüchtern wie ein Schuljunge.
Mariann legte lächelnd eine Hand an seine Wange. »Oh, ich bin mir dessen sogar ziemlich sicher«, sagte sie. »Schon beinahe sicher genug für ein Versprechen.«
Mit einem befreiten Lachen hob Bastien sie auf, schwenkte sie auf dem breiten Treppenabsatz herum und begann, sie stürmisch zu küssen, worauf sie eine völlig andere Art von Schwindel überkam. Und kaum erwiderte sie den Kuss, fühlte sie sich gegen die Täfelung gedrückt.
»Du wirst noch was kaputt machen«, protestierte sie atemlos.
Bastiens Hüften bewegten sich aufreizend an den ihren, und irgendwie schaffte er es, mit der Hand unter ihren Hosenbund zu gelangen und sie um ihren Po zu legen. Die Nähte waren der zusätzlichen Belastung nicht gewachsen, und Mariann hörte sie an einigen Stellen zerreißen, als sie Bastien mit Hingabe hinter dem Ohr küsste.
»Ich mache nie etwas kaputt«, murmelte er und rang nach Atem, als sie ihn sanft in die empfindsame Haut an seinem Nacken biss. »Ich bin sehr vorsichtig mit meiner Kraft. Oh … Hilf mir, dich aus diesen Kleidern herauszuholen!«
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen, und sowie sie aus ihren Sachen geschlüpft war, richtete sie einen vielsagenden Blick auf die eindrucksvolle Wölbung in Bastiens Hose. Aber auch die Armmuskeln unter den hochgeschobenen Hemdsärmeln waren sehr beeindruckend, und Mariann dachte, dass sie lernen könnte, diesen Look zu lieben: halb zupackender Businessman, halb Sexgott.
Nicht, dass er den Geschäftsanzug jetzt brauchte.
»Du auch«, erinnerte sie ihn.
»Was? Oh. Richtig.«
Ritsch, ratsch, und schon war sein Reißverschluss heruntergezogen und offenbarte eine wirklich sehr beeindruckende Erektion. Bevor Bastien sie jedoch ganz befreien konnte, legte Mariann eine Hand auf das pulsierende Glied. »Zieh alles aus, Bastien. Auch die Socken.«
»Welche Socken?«, murmelte er, aber dann zerrte er, von einem Bein aufs andere hopsend, an den Dingern, bis er auf nackten Füßen vor ihr stand.
Mariann hatte kaum Luft geholt, um etwas zu seiner glorreichen Nacktheit zu bemerken, als sie auch schon geküsst und hochgehoben wurde. Ihre Schenkel legten sich wie von selbst um seine Hüften, und sie bog sich ihm entgegen, als er mit einer einzigen kraftvollen Bewegung in sie eindrang.
Mit einem lustvollen Aufstöhnen drückte Bastien sie an die Wand. Mariann blieb höchstens eine Sekunde, um das Einswerden mit ihm zu genießen, bevor er sich in einem erregenden Rhythmus zu bewegen begann. Und dann hätte sie selbst aufstöhnen können, denn die gesteigerte Empfindsamkeit, die sie sich in der Nacht zuvor nur eingebildet zu haben glaubte, ließ sie schon beim vierten Stoß am Rand des Höhepunkts erschauern. Ihr ganzer Körper war so empfänglich, wie es vorher nur ein winziger Teil von ihr gewesen war, was geradezu unglaublich sinnlich war.
Es erhöhte auch nicht gerade ihre Selbstkontrolle zu denken, dass Bastien über die gleiche gesteigerte Empfindungsfähigkeit verfügen musste.
»Mach nicht den Gips kaputt«, sagte sie und umklammerte seinen Rücken und Nacken, um sich festzuhalten. Zu ihrer Beschämung kam die Hälfte ihrer Worte seltsam schrill heraus.
»Die Tapete … schützt ihn«, knurrte er, doch dann fluchte er und ließ sich mit ihr auf den Boden sinken.
Wo höchstens die Gefahr eines Teppichbrandes bestand.
»Spreiz die Beine weiter«, verlangte er und versuchte es selbst schon mit den Händen.
»Ja.« Mariann schnappte nach Luft, als er noch tiefer in sie hineinglitt und irgendeine verborgene erogene Zone stimulierte. Sein Haar fiel ihr ins Gesicht, und als sie nicht mehr anders konnte, als in lustvoller Ekstase den Kopf zurückzuwerfen, glitten seine Lippen augenblicklich über ihren Nacken.
»Vielleicht sollte ich dich warnen«, sagte er an ihrem wild pochenden Puls. »Das erste Mal in einer Nacht kann sehr schnell gehen für Upyrs.«
»Das erste Mal?« Ihre Fersen krochen an seinem Rücken hoch.
»Glaub mir, ein Mal ist nie genug.«
Für Mariann war die »Warnung« eher ein Versprechen, besonders als er auch noch ihre kleine Knospe zu reiben begann, und sie stöhnte über die Hilfe, die sie gar nicht benötigte. »Und wie viele Male … brauchst du?«
Er küsste sie, um sie zum Schweigen zu bringen, und an ihrer Zunge spürte sie, wie seine Zähne sich verlängerten. »Ich kann nicht reden«, murmelte er. »Ich muss mich … konzentrieren.«
Wie gut er das konnte, zeigte sich in der vollkommenen Kontrolle, die er über seine Bewegungen hatte. Obwohl sein Atem schnell und unregelmäßig wurde, erhöhte er das Tempo. Als hinge sein Leben davon ab, griff er nach einem ihrer Knie und schob es noch höher hinauf. Beide stöhnten bei dem Stellungswechsel, und Selbstkontrolle hin oder her, Mariann wusste, dass nur noch Sekunden zwischen ihnen und einem wahrhaft explosiven Orgasmus lagen.
Bastian rang nach Luft und warf den Kopf zurück; da musste Mariann ihre Chance ergreifen.
»Warte«, sagte sie mit dem letzten Rest von Atem in der Lunge.
»Warten?« Sein ungläubiger Blick brannte sich förmlich in den ihren. Seine Bewegungen verlangsamten sich, hörten jedoch nicht auf. »Das ist kein guter Moment, mich auf die Probe zu stellen, Mariann.«
Sie erschrak über die Eindringlichkeit seiner Worte, nahm ihre Forderung aber dennoch nicht zurück. Tom hatte sie nie etwas Neues ausprobieren lassen. Wenn sie sich als Upyr nicht mehr Freiheit nehmen konnte, wann denn dann? Angesichts ihres stummen Beharrens hielt Bastien langsam inne.
»Saug an meinem Finger«, sagte sie, und ihre Worte klangen ein bisschen zu atemlos für einen Befehl.
Bastiens Augenbrauen schossen in die Höhe – und dann biss er sie in den Finger.
Mit einem Aufschrei riss sie die Hand zurück, und ihr empfindsames weibliches Geschlecht zog sich bei dem kleinen Schmerz zusammen. Das war unerwartet, aber interessant. Wie es schien, würde sie noch alle möglichen neuen Vorlieben entdecken.
»Ich kann die Wunde schließen«, schlug Bastien mit rauer Stimme vor und konnte nicht umhin, noch einmal tief in ihre heiße Feuchte einzudringen. »Es würde nur eine Sekunde dauern.«
Mariann schürzte abwehrend die Lippen. »Das ist sehr freundlich von dir, doch ich habe andere Verwendungen dafür.«
»Andere … ah!« Er fuhr zusammen, als sie die schmale Spalte zwischen seinen Pobacken fand, aber obwohl er sie instinktiv zusammenpresste, konnte er Mariann nicht von ihrem Vorhaben abhalten. »Ah, okay. Andere Verwendungen.« Er lachte sie an, als sie verlegen innehielt. »Na komm, verlier jetzt nicht die Nerven, Süße! Du wirst doch sicher schon bemerkt haben, dass ich nicht so leicht zu schockieren bin.«
»Ich will dir nicht wehtun.«
»Das kannst du nicht«, beruhigte er sie mit einer vielsagenden Hüftbewegung. »Nicht so.«
Noch immer zögerte sie.
»Brauchst du vielleicht eine Landkarte? Oder weißt du mehr oder weniger, wohin du willst?«
»Klar weiß ich das«, blaffte sie. »Theoretisch.«
Das brachte ihn wieder zum Lachen, das sie mit ihrem entschlossenen Vorgehen aber schnell zum Verstummen brachte. Und seinen raschen Atemzügen nach zu urteilen, hatte er nichts dagegen. Seine Muskeln bebten, bemerkte sie.
»Du kannst alles fühlen, nicht?«, fragte sie mit vor Lust ganz dunkler Stimme. »Jeder Zentimeter von dir ist empfindsam.«
»Joh, ja. Wir sind alle so. Wir lieben es, berührt zu werden.«
Er war heiß und eng und zog sich um sie zusammen, als wäre er hungrig nach ihren Berührungen. Das Blut an ihrem Finger hatte die gleiche Wirkung wie das feinste Öl.
»Mariann …« Mit einer schnellen Hüftbewegung drang er noch tiefer in sie ein. »Wäre jetzt der richtige Moment zu erwähnen, dass das Vorhandensein von Blut alles noch viel intensiver macht?«
»Scht«, sagte sie und unterdrückte ein Grinsen. »Ich versuche, mich zu konzentrieren.«
Er keuchte und rang nach Atem, als ihr längster Finger die feste, mandelförmige kleine Drüse fand und sie sehr behutsam streichelte, entzückt darüber, mit welch heftigem Pulsieren sein Glied reagierte.
»Nun«, flüsterte sie, »Vampir oder nicht, ich bin froh, dass du noch alle deine Körperteile hast.«
»Mari-ann«, stöhnte er, und es hörte sich wie eine flehentliche Bitte an.
»Magst du das?«, fragte sie schon etwas unsicherer.
Trotz seiner offensichtlichen Verzweiflung lächelte er beglückt, wobei seine langen Fänge sichtbar wurden. »Ich liebe es, meine Süße. Und ich denke …« Trotz seiner guten Vorsätze erhöhte er sein Tempo. »Ich denke, wenn ich es mag, magst du es vielleicht auch.«
Mariann gab einen kleinen Schrei von sich, als er seine Drohung wahr machte – und sehr gut, wie sich herausstellte, da er offenbar erfahrener in diesen Dingen war als sie. Gefühle durchströmten sie, die berauschender waren als süßer Wein. Als er seine Hüften im gleichen Rhythmus wie seinen Finger bewegte, glaubte Mariann zu zerspringen von all den rauschhaften Empfindungen, die ihr den Verstand zu rauben drohten. Es war schier unmöglich, ein lustvolles Aufstöhnen zu unterdrücken.
»Wie du mir, so ich dir«, murmelte er an ihrem Nacken. Er begann, sie mit langsameren, zärtlicheren Bewegungen zu lieben. Sein Blick ließ den ihren nicht los, und seine Muskeln spannten sich an unter dem feinen Schweißfilm auf seiner Haut. Mariann fuhr mit der Zunge über seine Schulter, um zu sehen, wie er schmeckte, und erreichte allein davon schon beinahe den Gipfel. Als Bastien ihre Reaktion bemerkte, weiteten sich seine Pupillen, bis seine Iris fast nicht mehr zu sehen waren.
Und als die ersten heißen Schauer Mariann durchliefen, wurden seine Augen erstaunlich schwarz.
»Beiß mich«, sagte sie, wohl wissend, dass nur das den Akt vollkommen machte.
Für einen Moment dachte sie, er würde sie wegen ihrer Wortwahl aufziehen, stattdessen aber fand eine abrupte Veränderung in seinem Ausdruck statt: Sein Gesicht verfinsterte sich, wurde angespannt, seine Lippen wichen zurück, und er fletschte knurrend die Zähne. Er kam ihr weniger menschlich vor, als sie ihn je gesehen hatte, und sie bezweifelte ernsthaft, dass irgendeine Kraft auf Erden ihn jetzt noch würde bremsen können.
Die Erkenntnis war aufregender, als Mariann erwartet hätte. Sie wollte genommen werden, im wahrsten Sinne dieses Wortes. Einladend warf sie den Kopf zurück – und mit einem Fluch auf den Lippen senkte Bastien den Kopf auf ihren Hals.
Wie weißglühende Blitze durchbohrten seine Fänge ihre Haut, während seine Hüften sich in einem langsamen, sinnlichen Rhythmus bewegten. Als er zu trinken begann, durchfluteten Mariann Wogen purer Ekstase, die sie aufschreien ließen, und auch Bastien stöhnte und stieß so tief in sie hinein, dass sie über den Teppich rutschten. Und dann war es auch um ihn geschehen. Während er noch in tiefen, gierigen Zügen von ihr trank, lief ein Schauer nach dem anderen durch seinen starken, männlichen Körper. Das Wissen um die ekstatischen Empfindungen, die ihn beherrschten und nicht mehr aufhören zu wollen schienen, stieß auch Mariann erneut in einen Abgrund überwältigender Empfindungen. Sie klammerte sich an Bastien, als wäre ihr Orgasmus ein Ozean, in dem sie zu ertrinken drohte. Woge um Woge unbeschreiblich lustvoller Gefühle schlugen über ihr zusammen.
Als sie seinen Namen schrie, durchlief ihn ein Erschauern, und er sank ermattet auf ihr nieder. Ein paar Minuten herrschte Stille, dann hob er müde den Kopf.
»Puh«, schnaufte er und klang dabei so uramerikanisch, dass Mariann lachen musste.
»Dein ›Puh‹ reicht nicht aus«, sagte sie, »ich lege noch einen ›Heiliger Bimbam‹ drauf. Ich dachte, Vampire schwitzten nicht.«
Er lachte und zog sie auf sich, während seine Hände schon wieder auf Abwege gerieten. »Wir können schwitzen«, erklärte er. »Wir brauchen nur einen guten Grund dazu.«