KAPITEL 13 – LEE-ENFIELD – DINNER BELL

Das Gewehrfeuer in der Ferne bestärkte Janik in der Überzeugung, dass er gut daran getan hatte, Cherno zu verlassen. Obwohl er hundemüde gewesen war, hatte er nicht lange geschlafen. Stattdessen hatte er die Nacht genützt, um die Stadt entlang der Küste zu umgehen. Janik hatte das Gefühl, dass er sich von größeren Ansiedlungen fern halten musste, wenn er überleben wollte. Aber er hatte nicht genug Mut, es alleine zu versuchen, er wollte Hilfe finden, allerdings nicht da unten, in dieser Stadt. Cherno schien ihm entschieden zu gefährlich.

Er ging entlang der Küste nach Osten, als er auf einige Bauernhäuser mit großen Stallungen und Scheunen stieß. Er wollte sie eigentlich umgehen, aber dann fiel ihm etwas auf. An einer der Hauswände lehnte ein Fahrrad. Es war hellgrün und sah ein bisschen mitgenommen aus, aber es war nicht kaputt. Das Problem war, dass vier von diesen Dingern in der Nähe herumwankten. Unter normalen Umständen war Janik jemand, der niemals ein Risiko einging, egal wie hoch der mögliche Gewinn auch scheinen mochte. Aber das hier waren keine normalen Umstände, und nun kämpfte er mit sich, ob er dort hinüber gehen und sich dieses Fahrrad holen sollte – selbst wenn er dabei sein Leben aufs Spiel setzen würde. 

Es waren das leere Gefühl in seinem Magen und sein ausgedörrter Mund, die den Ausschlag gaben, sein Glück zu versuchen. Sein Rucksack war leer und er hatte keine Ahnung, wie weit es bis zur nächsten Ansiedlung sein würde. Er schlich sich an, bis zu einem kleinen Schuppen, hinter dem er sich versteckte. Als er um die Ecke spähte sah er, dass zwischen ihm und dem Fahrrad eine Betonfläche lag, die ihm endlos erschien. „Verdammt“, fluchte er leise. Er sah sich nach einem anderen Weg um, aber es gab keinen. Er wusste, dass über die Betonfläche zu rennen alle vier Infizierten direkt zu ihm locken würde.

Entmutigt suchte er in den kleinen Schuppen Deckung, hinter dem er sich versteckt hatte. Er wollte sich einen neuen Plan ausdenken. Da entdeckte er eine Büchse Sardinen und eine Dose Pepsi, sie lagen einfach am Boden des Schuppens. Er verschwendete keinen Gedanken an Verfallsdaten oder daran, sich sein Essen einzuteilen, öffnete beide und aß und trank gierig. Er suchte nach mehr, aber außer ein paar Holzscheiten und einem Benzinkanister fand er nichts.

Er schlich wieder hinaus und beschloss, in die Scheune neben dem Schuppen zu gehen. Langsam legte er sich hin und begann zu kriechen. Er kroch über den Betonboden und durch das Tor der Scheune. Als er sich wieder aufrichtete erstarrte er. Hinter einem Strohballen sah er einen der Infizierten. Seine Beine mussten gebrochen sein, weil er am Boden kroch und dabei nur seine Arme bewegte. Als er Janik entdeckte gab er ein unmenschliches Stöhnen von sich und begann, in seine Richtung zu kriechen.

Janik rannte die Treppe zum Heuboden hoch, während der Infizierte ihm folgte. Draußen hörte er schon die Schritte auf dem Beton, als die anderen Infizierten auf das Stöhnen reagierten und angerannt kamen. In Panik suchte er nach einem Ausweg, aber er saß in der Falle, und die Infizierten kamen bereits herein. Er kletterte eine zweite Treppe zum obersten Boden hinauf. „Hilfe! Hilfe!” schrie er aus dem runden Fensterloch. Aber nur die Infizierten antworteten ihm mit ihrem Stöhnen.

Janik bemerkte, dass er hier oben nicht alleine war, am Boden in der Ecke lag ein toter Körper. An dem schmutzigen Arbeitsoverall erkannte er, dass es sich um einen Bauern handelte – vermutlich war es seine Scheune gewesen. Der Kopf des Mannes bestand nur noch aus einer vertrockneten Masse von Blut und Hirn und ein Teil davon war auf der Wand dahinter verteilt. Er hielt noch das Werkzeug seines schlimmen Endes in der Hand – die Lee-Enfield Büchse, mit der er sich offenkundig erschossen hatte. Unwillkürlich stieß Janik bei diesem Anblick einen Schreckensschrei aus, der sogleich vom unmenschlichen Stöhnen der Infizierten beantwortet wurde. Sie kamen näher.

Janik versuchte, den toten Händen des Bauern das Gewehr zu entwinden, aber die Totenstarre erschwerte es ihm. Er riss an den Fingern der linken Hand bis er sie brechen hörte, dann war der Lauf des Gewehrs frei. Die Infizierten wankten bereits die erste Treppe herauf, während er begann, die Finger der rechten Hand zu brechen. Besonders der Zeigefinger am Abzug machte es ihm schwer, aber schließlich brach auch er und das Gewehr gehört Janik.

 Seine Hände zitterten und sein Atem ging in kurzen, verzweifelten Stößen, als er das Gewehr anlegte. Er zielte auf den ersten Infizierten und drückte den Abzug. Der Schuss ging zu hoch, verfehlte ihn und traf die Wand dahinter. Janik wischte sich die verschwitzen Hände an seinem Hemd ab und nahm einen tiefen Atemzug. Er hielt den Atem an, als er erneut anlegte. Er zielte in die Mitte der Gruppe von Infizierten und als er sich sicher war, drückte er sachte ab. In diesem Moment wurde er unnatürlich ruhig.

 

Einer der Infizierten fiel um und Janiks Welt wurde plötzlich still, als seine Ohren vom Knall des Schusses einen Moment taub waren. Er schlug sich mit der flachen Hand auf das Ohr, was einen dumpfen Laut erzeugte, aber abgesehen davon blieb es still. Die Infizierten hatten bereits den Fuß der zweiten Treppe erreicht. Er nahm den Nächsten ins Visier, drückte ab und auch er fiel zu Boden. Als er auf die letzten beiden schoss und auch sie sofort umfielen, kehrten die Geräusche langsam in Janiks Welt zurück.  

Er ließ sich an der Wand heruntergleiten und setzte sich, während er die Büchse auf das Tor gerichtet hielt, falls Weitere kommen würden. Langsam beruhigte sich seine Atmung, aber seine Augen und sein Gewehr blieben auf das Tor gerichtet. Janik war im Schock, er hatte noch nie so etwas getan. Seine Instinkte hatten ihn vorangetrieben, aber nun musste sein Verstand zuerst einmal aufholen und das Geschehene verarbeiten.

Endlich konnte er die Augen vom Eingang abwenden, als sein Verstand klarer wurde. Er hatte gerade vier von diesen Kreaturen erschossen – machte ihn das jetzt zum Mörder? Er wusste nicht, was sie waren, aber er glaubte nicht, dass es noch Menschen waren, darum war es wohl in Ordnung gewesen. Das sind vielleicht früher einmal Menschen gewesen, vielleicht die Familie des armen Kerls, sinnierte er als er den toten Bauern betrachtete. Du oder die, darum geht’s hier, und wenn das so ist, dann lieber die, sagte ihm sein Verstand und die Schuldgefühle begannen zu schwinden. Er durchsuchte die Taschen des Toten und fand eine Landkarte mit kyrillischer Beschriftung, die er kaum verstand, und einen Kompass. Er nahm beides an sich und studierte die Karte, dabei nahm er den Kompass und die Küstenlinie zu Hilfe um herauszufinden, wo er sich gerade befand.

Er bemerkte, dass es in der Nähe eine weitere größere Stadt gab, Elektrozavodsk. Er beschloss, auch sie zu meiden. Menschen meiden, größere Ansiedlungen meiden und die Küste verlassen, das war sein neuer Plan. Mit der Lee-Enfield Büchse und vier erschossenen Infizierten hatte Janik neuen Mut gefasst. Womöglich konnte er es doch alleine schaffen. Auf der Karte sah er viele kleine Ansiedlungen im Hinterland, wo er sich vielleicht verstecken konnte. Janik lächelte, als er an das Fahrrad draußen dachte und die Treppe hinunterging. Dabei hatte er den Infizierten mit den gebrochenen Beinen völlig vergessen, der dort unten immer noch umher kroch.

Als er plötzlich ein Stöhnen hörte, war es bereits zu spät. Der Infizierte schlug zu und traf Janik. Er stolperte und fiel die letzten beiden Stufen hinunter. Er schlug hart und ungeschickt auf und knickte sich das Fußgelenk um. Ein lähmender Schmerz lief sein Bein hinauf, direkt bis ins Gehirn. Er konnte nicht aufstehen und versuchte, am Boden rückwärts von dem Infizierten weg zu kommen und gleichzeitig auf ihn zu zielen. Als er das Ende der Scheune erreicht hatte und ihm kein Ausweg mehr blieb, schoss er. Er traf ihn genau in den Kopf. Es gab kein Blut, aber eine schwarze Flüssigkeit trat aus, als der Kopf des Infizierten auf dem Boden aufschlug.

Janik versuchte aufzustehen, aber der Schmerz in seinem Knöchel war so stark, dass er sich bereits nach einem Schritt wieder hinlegte. Er begann, zum Fahrrad zu kriechen und verfluchte sich selbst für seine Dummheit. Er konnte nicht gehen, aber er hoffte, dass er wenigstens in der Lage sein würde, mit dem Fahrrad zu fahren. Er zog sich an der Hauswand hoch und schwang das verletzte Bein über die Stange. Das Pedal zu treten schmerzte, aber es war auszuhalten. Er hatte Glück, er konnte fahren. Er fuhr die Straße den Hügel hinunter, es ging langsam und sein Knöchel tat weh. Nach einiger Zeit hatte er immerhin eine Technik gefunden, nur sein gesundes Bein zum Treten und zum Abstützen zu verwenden, und kam zügig voran.

Janik fuhr nach Elektro. Sein Plan, sich von Menschen und den größeren Ansiedlungen an der Küste fernzuhalten, war nun hinfällig. Er würde andere Überlebende finden müssen, die ihm halfen, wenn er hier durchhalten wollte. Er hoffte einfach, dass Elektro sicher sein würde, denn Cherno war es jedenfalls nicht.

 

 

Survivors and Bandits - Ein DayZ Roman
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