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Toppe hatte es nicht geschafft, van Appeldorn zu überreden, sich hinzulegen und wenigstens ein paar Stunden zu schlafen.
Schon um sieben Uhr waren beide im Präsidium, klebrig und unrasiert, und machten die Vermisstenmeldung. Dann rief Toppe zu Hause an. Auch Astrid hatte kaum ein Auge zugemacht. Sie würde frische Kleider mitbringen, Zahnbürsten und Rasierzeug.
Keiner fragte, wieso Peter Cox so schnell zurück war. Er verlor nicht ein Wort zu viel, setzte sich nur an den Computer. »Ullis Auto geht in die Fahndung. Ich brauch die Daten.«
Van Appeldorn leierte mechanisch das Kennzeichen herunter.
Cox öffnete die Datei. »Alles klar!«
Dann flippte Ackermann herein. »Freunde, Römer, Landsleute, wie stehen die Aktien? Sind doch bestimmt noch gestiegen oder lieg ich da falsch? Au wei, wat is’ denn hier kaputt?«
Toppe sagte es ihm. Ackermann hörte auf zu hampeln und schüttelte ungläubig den Kopf. Dann ging er zu van Appeldorn hinüber und zog ihn wortlos in seine Arme.
Cox räusperte sich. »Und jetzt?«
Ackermann ließ van Appeldorn los. »Nach Nierswalde fahren und die Leute ausquetschen, die die Ulli gesehen haben. Wat ihre letzten Schritte gewesen sind un’ so. Scheiße! So hab ich dat nich’ gemeint!« Er sah aus, als wollte er losheulen.
»Was ist mit Ullis Großmutter in Viersen?«, fragte Toppe.
»Die ist schon vor Jahren gestorben«, erwiderte van Appeldorn.
»Ja gut, aber da muss es doch noch Freunde geben, Bekannte. Ulli ist da zur Schule gegangen. Was ist mit Studienkollegen?«
»Es gibt ein Adressbuch«, fuhr er fort, als van Appeldorn nicht reagierte. »Astrid, würdest du das holen? Zweite Schublade von oben in Ullis Schreibtisch.«
Astrid ließ sich van Appeldorns Hausschlüssel geben und lief hinaus.
»Und dann machen wir uns auf die Socken«, meint Cox bemüht. »Einzeln, das geht schneller.«
»Chef?« Ackermann tippte Toppe auf die Schulter. »Ich muss ma’ mit Ihnen sprechen. Draußen!«
Toppe folgte ihm auf den Flur.
»Ich sach et nich’ gern, aber wenn man ma’ die übliche Frage stellt: Hatte die Ulli Feinde? Die Marion. Sie wissen schon, Norberts Ex … Un’ noch wat, Chef, wir können den Norbert jetz’ nich’ alleine lassen. Der hängt total inne Preise, der steht doch neben sich. Einer muss den unter de Fittiche nehmen. Also wat? Sie oder ich?«
Er war eingenickt, aber als sie zur Tür robbte, schreckte er auf. »Du bleibst hier«, krächzte er und hob seine Waffe.
Sie schnellte herum, die Pistole im Anschlag. Dann lachte sie. »Wollen wir sehen, wer schneller ist?«
Er senkte müde die Hand. »Setz dich wieder hin!«
»Okay, okay, ich setz mich wieder hin.« Dann änderte sie ihren Ton. »Aber du sagst mir endlich, was du hier abziehst. Wir müssen die Alte abjaksen, das weißt du so gut wie ich. Es ist unsere einzige Chance.«
Er antwortete nicht.
»Du hast Babykacke in der Hose, ist es das? Okay, kein Problem. Ich bring das ohne dich. Also, lass mich das Ding endlich durchziehen!«
»Nein!«
Sie machte Schlitzaugen. »Was hast du vor? Willst du den Typen in den Soldatenarsch blasen? Du willst über die Kronscheiße absahnen, ist es das?«
»Nein!«
»Was dann, Jürgen?«
Er wurde ganz steif. »Sie bleibt in der Kiste und du rührst sie nicht an.«
»In Ordnung«, sagte sie auf einmal samtweich. »Du willst es auf die langsame Art. Du willst dir die Hände nicht dreckig machen, in Ordnung. Aber wehe!« Sie schrie wieder. »Wehe, wenn du der auch nur einen Tropfen Wasser gibst! Ich sehe dich! Ich beobachte dich! Immer! Und jetzt setz deinen Arsch in Bewegung und lass ihr Auto verschwinden!«
»Und wie stellst du dir das vor?«
»Nimm’s auseinander, schick’s durch den Schredder, ist mir scheißegal, wie. Hauptsache, es ist weg. Warst du doch mal groß drin, im Verschwindenlassen, oder ist das auch nur ein Märchen? Irgendwas musst du doch mal gebracht haben.«
Er spuckte, erst auf den Boden, dann in ihr Gesicht. »Du wirst mir helfen, Fotze. Vielleicht kannst du ja noch was lernen. Komm schon hoch, Superkader! Du glaubst doch nicht, dass ich dich auch nur eine Sekunde aus den Augen lasse.«