Nachwort

 

Der Au­tor die­ses Ro­mans, Gor­don Ru­pert Dick­son, wur­de 1923 in Ed­mon­ton, Al­ber­ta, ge­bo­ren. Er wuchs in Ka­na­da auf, sie­del­te mit sei­ner Fa­mi­lie im Al­ter von 13 Jah­ren in die USA über und stu­dier­te, un­ter­bro­chen durch die Teil­nah­me am Zwei­ten Welt­krieg, an der Uni­ver­si­tät von Min­ne­so­ta. Hier lern­te er u. a. Poul An­der­son ken­nen, der da­mals nicht nur an der glei­chen Uni­ver­si­tät stu­dier­te, son­dern auch im glei­chen Haus wie Dick­son wohn­te. Gor­don R. Dick­son ver­öf­fent­licht seit 1950 Science Fic­ti­on und wur­de mehr­fach mit Prei­sen aus­ge­zeich­net: Ne­ben dem E. E. Smith Me­mo­ri­al Award und dem Au­gust Der­leth Award er­rang er ein­mal den Ne­bu­la und drei­mal den Hu­go. Zu den mit dem Hu­go aus­ge­zeich­ne­ten Wer­ken ge­hö­ren zwei No­vel­len aus dem „Chil­de-Zy­klus“: die Kurz­fas­sung des hier vor­lie­gen­den Ro­mans Sol­dier, Ask Not (Un­ter dem Ban­ner von Dor­sai) und Lost Dor­sai (deut­scher Ti­tel liegt noch nicht fest). Wo­mit wir beim The­ma wä­ren. Denn ob­wohl Gor­don R. Dick­son auch ei­ni­ge an­de­re sehr gu­te SF- und Fan­ta­sy-Ro­ma­ne ge­schrie­ben hat – ei­ne der bes­ten dürf­te The Ali­en Way (Mit den Au­gen der Frem­den, Moewig-SF 3550) sein –, steht im Mit­tel­punkt sei­nes Wer­kes ei­ne auf ins­ge­samt zwölf Wer­ke an­ge­leg­te Ge­schich­te der Mensch­heit. Die Kern­wer­ke sind auch als „Dor­sai-Zy­klus“ be­kannt. Der Ro­man Tac­tics of Mi­sta­ke (Die Söld­ner von Dor­sai, Moewig-SF 3580) ist chro­no­lo­gisch ge­se­hen der ers­te Dor­sai-Ro­man. Der Zy­klus wird fort­ge­führt mit Sol­dier, Ask Not (Un­ter dem Ban­ner von Dor­sai) und Dor­sai! (Der Ge­ne­ral von Dor­sai, Moewig-SF 3608). Im An­schluß dar­an fol­gen die Bän­de The Spi­rit of Dor­sai und Lost Dor­sai. Der Voll­stän­dig­keit hal­ber sei er­wähnt, daß Tac­tics of Mi­sta­ke und Dor­sai! be­reits – in stark ge­kürz­ten Aus­ga­ben – un­ter den Ti­teln Das Pla­ne­ten-Du­ell bzw. Söld­ner der Ga­la­xis vor Jah­ren schon ein­mal in deut­schen Über­set­zun­gen er­schie­nen sind. Die in der Rei­he Moewig Science Fic­ti­on er­schei­nen­den Aus­ga­ben prä­sen­tie­ren je­doch un­ge­kürz­te Neu­über­set­zun­gen die­ser Ro­ma­ne.

Der Na­me „Chil­de“ für den ge­sam­ten Zy­klus be­zieht sich auf den letz­ten, bis jetzt noch nicht er­schie­ne­nen Ro­man. Dick­son hat die ein­zel­nen Bän­de über die Jah­re hin­weg und kei­nes­wegs hand­lungs­chro­no­lo­gisch ver­öf­fent­licht. Es geht ihm bei dem Ge­samt­werk um die Dar­stel­lung der Evo­lu­ti­on des Men­schen von der Re­naissance bis zum 23. Jahr­hun­dert, wo­bei sich in die­ser Evo­lu­ti­on das Wer­den und die Vollen­dung des neu­en Men­schen, des „ver­ant­wort­li­chen Men­schen“, wi­der­spie­geln soll. Drei der Ro­ma­ne sol­len üb­ri­gens in der Ver­gan­gen­heit und drei in der Ge­gen­wart an­ge­sie­delt sein. Die­se Ti­tel sind bis­lang eben­falls noch nicht er­schie­nen. Der hand­lungs­chro­no­lo­gisch frü­he­s­te Ro­man er­schi­en un­ter dem Ti­tel Ne­cro­man­cer (Nichts für Men­schen).

Die Mensch­heit hat sich im All aus­ge­brei­tet, sich da­bei je­doch in stark von­ein­an­der dif­fe­rie­ren­de Kul­tu­ren auf­ge­spal­ten. Je­de die­ser Kul­tu­ren ver­kör­pert ein Po­ten­ti­al des Men­schen. Es gibt me­di­tie­ren­de Phi­lo­so­phen, re­li­gi­öse Ei­fe­rer, Tech­no­kra­ten und Händ­ler.

Ne­cro­man­cer (auch un­ter dem Ti­tel No Room for Man er­schie­nen) schil­dert ei­ne über­völ­ker­te, durch Tech­no­kra­ten und Com­pu­ter re­gle­men­tier­te Er­de, auf der sich al­ler­lei Frak­tio­nen und Kul­te ge­bil­det ha­ben, die nach der Macht stre­ben. Die Haupt­per­son der Hand­lung, Paul For­main, er­weist sich da­bei als iden­tisch mit Do­nal Grae­me, ei­nem Cha­rak­ter aus ei­nem spä­te­ren Buch, der aus der Zu­kunft her­aus Ein­fluß auf die ir­di­sche Ent­wick­lung nimmt. Er ge­rät in die Aus­ein­an­der­set­zun­gen der stärks­ten Macht­grup­pie­run­gen hin­ein und formt da­bei den wei­te­ren Weg der Mensch­heit mit. Als die in­ter­stel­la­re Raum­fahrt mög­lich wird, er­üb­rigt sich der Macht­kampf auf der Er­de, und je­de der ri­va­li­sie­ren­den Grup­pen kann ei­ge­ne Pla­ne­ten be­sie­deln.

Tac­tics of Mi­sta­ke prä­sen­tiert die be­reits zer­split­ter­ten Kul­tu­ren, die sich ih­re Un­ab­hän­gig­keit von der Er­de er­strei­ten. Gleich­zei­tig wird ei­ne neue Macht­ba­lan­ce eta­bliert, die dar­auf be­ruht, daß die ein­zel­nen Pla­ne­ten bei Aus­ein­an­der­set­zun­gen auf die Söld­ner des Krie­ger­pla­ne­ten Dor­sai zu­rück­grei­fen und sich selbst voll auf ih­ren ei­ge­nen Weg kon­zen­trie­ren kön­nen.

Sol­cher, Ask Not und Dor­sai! be­han­deln die glei­che Epo­che aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln. Sol­dier, Ask Not be­leuch­tet das wei­te­re Ge­schick der auf der Er­de zu­rück­ge­blie­be­nen Men­schen, die in ge­wis­ser Wei­se ih­re spe­zia­li­sier­ten Ta­len­te ver­lo­ren ha­ben. Mark Tor­re, ei­ner der Prot­ago­nis­ten des Ro­mans, geht je­doch da­von aus, daß ei­nes Ta­ges die Spe­zia­lis­ten wie­der zu ei­nem neu­en Gan­zen, ei­ner neu­en Mensch­heit wer­den und baut ei­ne „Fi­nal En­cy­clo­pe­dia“ auf, ei­ne com­pu­te­ri­sier­te Samm­lung des ge­sam­ten mensch­li­chen Wis­sens.

Dor­sai! (auch un­ter dem Ti­tel The Ge­ne­tic Ge­ne­ral er­schie­nen) rückt die Kul­tur der Krie­ger in den Mit­tel­punkt. Hier ist durch ge­ne­ti­sche Zucht­wahl das Sol­da­ten­tum zu höchs­ter Blü­te ent­wi­ckelt wor­den.

Der wei­ter oben er­wähn­te Prot­ago­nist Do­nal Grae­me ist ein Pro­dukt die­ser Um­ge­bung und hat als be­son­de­res Merk­mal die Fä­hig­keit, sei­ne Um­welt um­fas­send wahr­zu­neh­men und al­le mög­li­chen Kon­se­quen­zen sei­nes Han­delns vor­aus­be­rech­nen zu kön­nen. Die­se Be­ga­bung setzt er, al­len Fein­den zum Trotz, da­für ein, die Wie­der­ver­ei­ni­gung al­ler Wel­ten und da­mit den Frie­den zwi­schen al­len zu er­rei­chen.

The Fi­nal En­cy­clo­pe­dia schließ­lich schil­dert als Kli­max die Er­rei­chung die­ses Zie­les auf der Er­de selbst.

Die kür­ze­ren Tex­te wie Lost Dor­sai, War­ri­or, Lu­lun­go­mee­na, Aman­da Mor­gan und Bro­t­hers (zu fin­den in den Bän­den Lost Dor­sai und The Spi­rit of Dor­sai) er­gän­zen die­sen Ge­sam­t­rah­men durch Epi­so­den am Ran­de.

Gor­don R. Dick­sons „Chil­de Zy­klus“ dürf­te zu den in­ter­essan­tes­ten Her­vor­brin­gun­gen un­ter den „Fu­ture His­to­ries“ zäh­len, ver­gleich­bar durch­aus mit Asi­movs Foun­da­ti­on-Ro­ma­nen und Hein­leins Fu­ture His­to­ry.

 

Hans Joa­chim Al­pers