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Natürlich hatte mich Dave noch nie zu Gesicht bekommen. Aber Eileen dürfte mich beschrieben haben, und es war zu erwarten, daß er meinen Namen im gleichen Augenblick erkannte, als ihn mir der Kommandant überantwortete. Trotzdem hatte er Grips genug, keine dummen Fragen zu stellen, bis wir im Hauptquartier angelangt und unseren Führer endlich losgeworden waren.
Infolgedessen hatte ich die Gelegenheit, ihn meinerseits unterwegs zu beobachten. Zunächst machte er keinen besonderen Eindruck auf mich. Er war etwas kleiner als ich und sah bedeutend jünger aus, als er nach dem Altersunterschied zwischen uns beiden hätte aussehen sollen. Unter seinem milchweißen Haar hatte er ein Babygesicht, das sich wahrscheinlich auch mit dem Alter nicht wesentlich verändern würde. Das einzige, was er mit meiner Schwester gemein hatte, war eine Art angeborener Unschuld und Sanftheit – jene Unschuld und Sanftheit schwacher Charakter, die wissen, daß sie viel zu zart sind, um für ihre Rechte zu kämpfen und zu gewinnen, und die versuchen, durch Unterwürfigkeit und in Hoffnung auf die guten Absichten anderer das Beste daraus zu machen.
Vielleicht war aber auch mein Urteil etwas zu hart ausgefallen. Denn ich selbst war auch nicht unbedingt eine Kämpfernatur. Ich hielt mich auch abseits und beobachtete meine Mitmenschen.
Dennoch konnte mir Dave mit seiner Erscheinung und seinem Charakter kaum imponieren. Ich nehme auch nicht an, daß er eine Leuchte war. Seinerzeit, als Eileen ihn heiratete, war er nichts weiter als ein kleiner Programmierer. Er hatte nur eine Teilzeitarbeit, während Eileen voll arbeitete und im Verlauf dieser fünf Jahre versucht hatte, ihn durch den Lehrplan einer cassidanischen Universität für Schaltmechaniker zu schleusen. Nach etwa drei Jahren war er gerade durch eine Prüfung gefallen, und zu seinem Pech passierte das gerade zu einem Zeitpunkt, wo Cassida seine Rekruten einberief, um sie auf Neuerde bei der Kampagne gegen die Rebellen des Nordens einzusetzen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als die Uniform anzuziehen.
Jetzt würde man glauben, daß mich Eileen sofort um Hilfe gebeten hätte. Das war nicht der Fall – und daß sie sich nicht an mich gewandt hatte, verwunderte mich einigermaßen, nachdem ich davon erfuhr. Später hat sie mir erzählt, wie es dazu gekommen war, und das ging mir an die Nieren und ließ mein Herz und meine Seele erbeben und gab sie all den Stürmen von Wut und Verzweiflung preis. Doch das kam erst viel später. Der Umstand, durch den ich auf Dave gestoßen war und durch den ich erfahren hatte, wo er sich aufhielt, war der plötzliche und unerwartete Tod meines Onkels Mathias. Ich mußte also wegen der Erbschaft mit Eileen auf Cassida in Verbindung treten.
Ihr bescheidenes Erbteil – Mathias hatte nämlich den Großteil seines Vermögens dem Enzyklopädieprojekt vermacht – war für sie nicht von Bedeutung, wenn es mir nicht gelingen sollte, für sie einen Privatvertrag mit einem auf der Erde beschäftigten Cassidaner zu schließen, dessen Familie auf Cassida lebte. Nur Regierungen oder große Organisationen waren in der Lage, planetare Guthaben in Werksverträge umzumünzen, die sich aus der einen in die andere Welt transferieren ließen. Auf diesem Weg erfuhr ich dann, daß Dave meine Schwester und seine Heimatwelt verlassen hatte, um sich den Truppen auf Neuerde anzuschließen.
Aber selbst bei dieser Gelegenheit bat mich Eileen nicht um Hilfe. Ich war es, der daran dachte, Dave während der Kampagne als meinen Assistenten anzufordern, und ich schrieb ihr nur, um sie über den Gang der Dinge zu unterrichten. Nun aber war ich mir selbst nicht darüber im klaren, warum ich dies alles getan hatte, und es war mir fast peinlich, als Dave versuchte, mir zu danken, nachdem wir endlich unseren Betreuer losgeworden und nach Hauptburg, der nächsten größeren Stadt hinter der Front unterwegs waren.
„Laß das!“ fuhr ich ihn an. „Was ich bis jetzt für dich getan habe, war der leichtere Teil der Geschichte. Du mußt mich als Zivilist begleiten, ohne Waffen. Dafür brauchen wir einen Paß, der von beiden Seiten unterzeichnet ist. Das wird aber kein Kinderspiel sein, weil irgendein Idiot vor weniger als acht Stunden auf Quäker-Soldaten angelegt hat!“
Nun hielt er den Mund, fassungslos und beschämt. Außerdem war er schwer beleidigt, weil ich nicht zugelassen hatte, sich bei mir zu bedanken. Immerhin war ihm dadurch der Mund gestopft, und das war alles, was ich im Augenblick wollte.
Wir nahmen die Befehle des Hauptquartiers in Empfang, die ihn mir auf Zeit als Assistenten zuwiesen. Dann beendeten wir unsere Reise auf einem Bahnsteig in Hauptburg. Ich setzte ihn und mein Gepäck in einem Hotelzimmer ab und sagte, daß ich nächsten Morgen zurückkommen würde.
„Soll ich also auf meinem Zimmer bleiben?“ fragte er, als ich bereits die Türklinke in der Hand hatte.
„Tu, was du willst, verdammt noch mal!“ gab ich zurück. „Ich bin nicht dein Anführer. Nur sei morgen früh um neun Uhr da, wenn ich zurückkomme.“
Damit verließ ich ihn. Aber kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, wurde mir auch klar, was er sich vorgestellt hatte und was mir Kummer bereitete. Wahrscheinlich dachte er, wir könnten ein paar Stunden damit verbringen, uns als Schwager näherzukommen, und genau das war es, was ich weder wollte noch beabsichtigte. Ich hatte ihm meiner Schwester zuliebe das Leben gerettet, aber dies war noch lange kein Grund dafür, mich mit ihm zu verbrüdern.
Wie jeder weiß, handelt es sich bei Neuerde und Freiland um Schwesterplaneten des Sirius. Demnach liegen sie dicht beieinander – nicht so dicht zwar wie Venus, Erde und Mars, aber immerhin dicht genug, daß man von einer Umlaufbahn über Neuerde auch kurz auf die Umlaufbahn um Freiland überwechseln kann, wobei man sein Ziel nur um wenige Grade, wenn überhaupt, verfehlt. Wenn man sich also vor dem geringen Risiko nicht scheut, zwischen den Welten zu reisen, kann man in etwa einer Stunde von einem zum anderen Planeten wechseln – eine halbe Stunde bis zur Station auf der Umlaufbahn, kein Zeitaufwand für den Sprung, und eine halbe Stunde bis zur Oberfläche am Ende der Reise.
Das war der Weg, den ich ebenfalls einschlug, und zwei Stunden nachdem ich meinen Schwager verlassen hatte, zeigte ich dem Pförtner am Eingang zum Hause von Hendrik Galt, Marschall der Streitkräfte auf Freiland, meine Einladung.
Die Einladung galt für einen Empfang zu Ehren eines Mannes, der bisher wenig Staub aufgewirbelt hatte, eines Dorsai (denn auch Galt war natürlich ein Dorsai), Raumpatrouillenführer Donal Graeme. Dies war Graemes erster Auftritt in der Öffentlichkeit. Er hatte soeben einen Angriff von vier oder fünf Raumschiffen auf die planetare Abwehr von Newton hinter sich – einen Angriff, der glücklich genug verlaufen war, um den Druck zu lockern, den die Newtonier auf Oriente ausübten, eine unbewohnte Schwesterwelt von Freiland und Neuerde, wobei er Galts planetare Streitkräfte aus einer prekären taktischen Situation herausgeholt hatte.
Nach meiner damaligen Beurteilung handelte es sich um einen besessenen militärischen Glücksritter – wie so mancher seiner Art. Doch zum Glück hatte ich es nicht mit ihm zu tun, sondern mit einigen einflußreichen Leuten, die an diesem Empfang teilnehmen sollten.
Insbesondere benötigte ich die Unterschrift des Chefs der Nachrichtendienstabteilung von Freiland auf Daves Papieren – nicht daß dies eine Protektion meines Schwagers beim Nachrichtendienst bedeutet hätte. Diese Art Protektion galt nur für Gildemitglieder und mit gewissen Einschränkungen für Volontäre auf Probe wie mich. Doch bei einem Uneingeweihten wie etwa für einen Soldaten im Feld konnte durchaus dieser Eindruck entstehen. Außerdem brauchte ich die Unterschrift irgendeines höheren Offiziers unter den Söldnern der Quäkerwelten, für den Fall, daß Dave und ich mit einem ihrer Soldaten während der Kämpfe auf dem Schlachtfeld Schwierigkeiten bekämen.
Den Nachrichtendienstchef, einen einigermaßen umgänglichen Mann namens Nuy Snelling, einen Erdbewohner, konnte ich leicht aufstöbern. Er machte keine Umstände und erklärte sich sofort bereit, Dave zu bescheinigen, daß der Nachrichtendienst mit seiner Assistenz einverstanden sei.
„Sie wissen natürlich“, bemerkte er, als er mir den Paß zurückgab, „daß dies hier keinen Pfifferling wert ist. Dieser Dave Hall – ist das ein Freund von Ihnen?“
„Mein Schwager“, erwiderte ich.
„Hm“, meinte er und zog die Augenbrauen hoch. „Also, viel Glück.“ Dann wandte er sich einem Exoten in blauer Robe zu, den ich urplötzlich als Padma identifizierte.
Der Schock war so stark, daß ich eine Unvorsichtigkeit beging, wie schon seit Jahren nicht mehr, nämlich zu reden, ohne vorher zu überlegen.
„Botschafter Padma!“ sprudelte ich heraus. „Was in aller Welt tun Sie hier?“
Snelling trat einen Schritt zurück, um uns beide im Visier zu haben, und zog wieder die Augenbrauen hoch. Doch Padma reagierte, ohne meinem Vorgesetzten Zeit zu lassen, mich wegen meines Fauxpas zu rügen. Natürlich hatte er sich vor mir in keiner Weise zu rechtfertigen, aber er schien in keiner Weise beleidigt oder gar brüskiert zu sein.
„Dasselbe könnte ich Sie fragen, Tam“, meinte er lächelnd.
Inzwischen hatte ich mich wieder gefangen.
„Ich tauche überall dort auf, wo es etwas Neues gibt“, erwiderte ich. Das war die Standardantwort des Nachrichtendienstes. Doch Padma hatte beschlossen, meine Antwort wörtlich zu nehmen.
„In einem gewissen Sinn mache ich es genauso“, sagte er.
„Wissen Sie noch, Tam, ich habe Ihnen gelegentlich etwas über ein Schema erzählt. Hier und jetzt gibt es eine solche Gelegenheit.“
Ich wußte zwar nicht, was er meinte, aber da ich nun mal das Gespräch begonnen hatte, konnte ich nicht einfach kneifen.
„Tatsächlich?“ gab ich mit einem Lächeln zurück. „Ich hoffe, die Sache hat nichts mit mir zu tun.“
„Nein“, sagte er. Und schlagartig wurde ich mir wieder seiner nußbraunen Augen bewußt, die tief in meine Augen schauten. „Eher etwas mit Donal Graeme.“
„Das ist nicht mehr wie recht“, gab ich zurück. „Schließlich findet der Empfang zu seinen Ehren statt.“ Ich lachte, wobei ich krampfhaft nach einer Möglichkeit suchte, ihn loszuwerden. In Padmas Gegenwart bekam ich irgendwie eine Gänsehaut im Nacken. Mir war, als würde er eine Art okkulte Wirkung auf mich ausüben, so daß ich in seiner Gegenwart nicht klar denken konnte. „Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie vielleicht fragen, was aus diesem jungen Mädchen geworden ist, das mich an jenem Tag in Mark Torres Büro geführt hat? Ich glaube, sie hieß Lisa … Lisa Kent.“
„Ja, Lisa“, sagte Padma, wobei seine Augen immer noch auf mir hafteten. „Sie ist hier. Sie ist jetzt meine Privatsekretärin. Ich glaube, Sie werden bald auf sie stoßen. Sie macht sich immer noch Gedanken über Ihre Rettung.“
„Seine Rettung?“ warf Snelling wie von ungefähr, aber nicht uninteressiert ein. Es gehörte zu seinen Aufgaben, wie auch zu denen aller Vollmitglieder der Gilde, die Volontäre auf alles das hin zu beobachten, was einer Aufnahme in die Gilde widersprach.
„Vor sich selbst“, sagte Padma, während er mich aus seinen nußbraunen Augen anblickte, die so verschleiert und so goldgelb waren wie die Augen eines Gottes oder eines Dämons.
„Dann wird es vielleicht besser sein, wenn ich sie suche, damit sie mit ihrem Rettungswerk fortfahren kann“, bemerkte ich diesmal meinerseits wie beiläufig, die Gelegenheit ergreifend, mich aus dem Staub machen zu können. „Vielleicht sehen wir uns später.“
„Vielleicht“, sagte Snelling. Ich aber machte, daß ich fortkam.
Sobald ich in der Menge untergetaucht war, strebte ich einem der Zugänge zu den Treppen zu, die zu den kleinen Baikonen hinaufführten, welche ringsherum wie Theaterlogen an den Wänden klebten. Ich wollte mich keinesfalls von diesem merkwürdigen Mädchen erwischen lassen, dieser Lisa Kent, an die ich mich sowieso recht lebhaft erinnerte. Vor fünf Jahren, nach jenem denkwürdigen Ereignis in der Enzyklopädie, hatte ich immer wieder den Wunsch gehabt, in die Enklave zurückzukehren und sie aufzusuchen. Doch jedesmal wurde mein Vorhaben durch eine Art Angstgefühl vereitelt.
Ich wußte, was dieses Angstgefühl zu bedeuten hatte. Tief in mir wurzelte nämlich das irrationale Gefühl, daß jene Wahrnehmung und jene Fähigkeit, die ich mir erarbeitet hatte, um Leute zu manipulieren – wie ich meine Schwester seinerzeit in der Bibliothek mit Jamethon Black manipuliert hatte und wie ich jedem, der meinen Weg kreuzte, bis hin zu Oberleutnant Frane, meinen Willen aufgezwungen hatte –, verschwinden könnten, wenn ich versuchen würde, mit Lisa Kent ebenso zu verfahren.
Ich suchte und fand also eine Treppe, die auf einen kleinen, leeren Balkon führte, wo einige Stühle um einen runden Tisch gruppiert waren. Von hier aus konnte ich wohl den Ältesten Strahlenden ausmachen, den Vorsitzenden des Vereinigten Kirchenrats, der die beiden Quäkerwelten Harmonie und Eintracht regierte. Der Strahlende war ein Militanter – einer der führenden Kirchenmänner der Quäker, der fest an den Krieg als Lösung aller Dinge glaubte – und er hatte Neuerde einen kurzen Besuch abgestattet, um sich zu erkundigen, wie sich die Söldner der Freundlichen bei ihren Auftraggebern auf Neuerde bewährten. Eine Unterschrift von ihm auf Daves Paß wäre für meinen Schwager ein besserer Schutz gegen die Quäker-Truppen gewesen als fünf bewaffnete Kommandos der Cassidaner.
Schon nach fünf Minuten erblickte ich ihn in der Menge, die wenige Meter unter meinem Ausguck brodelte. Er stand am anderen Ende des Raumes und sprach mit einem weißhaarigen Mann – dem Aussehen nach ein Venusier oder Newtonier. Ich wußte genau, wie er aussah, wie ich die meisten wichtigen Persönlichkeiten der vierzehn bewohnten Welten vom Aussehen her kannte. Nur weil ich aufgrund meiner besonderen Begabungen die Erfolgsleiter bis zu diesem Punkt ziemlich schnell erklommen hatte, hieß noch lange nicht, daß ich für meinen Erfolg nicht hart gearbeitet hatte. Doch trotz meines Wissens versetzte mir der erste Anblick des Strahlenden einen kleinen Schock.
Zum erstenmal mußte ich feststellen, wie merkwürdig kräftig er für einen Kirchenmann war. Er war größer als ich, mit Schultern wie ein Scheunentor und obwohl bereits in mittleren Jahren – mit einer Taille wie ein Sprinter. Er stand da, ganz in Schwarz, indem er mir den Rücken zukehrte, die Beine leicht gespreizt, das Gewicht auf die Fußballen verlagert wie ein geschulter Kämpfer. Dennoch war etwas an ihm, etwas wie eine dunkle Kraft, die meinen Mut kühlte und dennoch den Wunsch in mir weckte, meine Kräfte mit ihm zu messen.
Eines war sicher: Er war kein Oberleutnant Frane, der nach meiner Pfeife tanzen würde.
Ich machte kehrt, um zu ihm hinunterzugehen – aber der Zufall wollte es anders, wenn es ein Zufall war. Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren. Vielleicht war es eine Art Überempfindlichkeit, die mir Padmas Bemerkung eingeimpft hatte, dies hier sei eine bestimmte Stunde und ein bestimmter Ort im menschlichen Entwicklungsschema, ein Moment, für den er verantwortlich zeichnete. Ich selbst hatte bereits zu viele Menschen durch solch subtile, aber angemessene Suggestion beeinflußt, um noch daran zu zweifeln, daß es diesmal mir so ergangen war. Doch plötzlich erblickte ich einen kleinen Menschenauflauf direkt unter mir.
Einer aus der Gruppe war William von Ceta, Chefunternehmer dieses gewaltigen kommerziellen Planeten mit der geringen Schwerkraft unter der Sonne von Tau Ceti. Dann war da noch ein hochgewachsenes, hübsches, blondes, ziemlich junges Mädchen mit Namen Anea Marlivana, die Auserwählte von Kultis ihrer Generation, ein Juwel der Generationen exotischer Abstammung. Dort war auch Henrik Galt, unübersehbar in der Galauniform eines Marschalls, mit seiner Nichte Elvine. Und da war noch ein Mann, der kein anderer als Donal Graeme sein konnte.
Er war ein junger Mann in der Uniform eines Patrouillenführers, mit dem dunklen Haar und der fast befremdenden Tüchtigkeit und Ausgewogenheit seiner Bewegungen, charakteristisch für all diejenigen, die für den Krieg und für den Kampf geboren sind. Aber er war zu klein für einen Dorsai – er hätte mich kaum überragt, wenn ich neben ihm stünde –, schlank und fast unauffällig. Dennoch blieb mein Blick an ihm haften.
Für eine Sekunde begegneten sich unsere Blicke. Er war nahe genug, so daß ich die Farbe seiner Augen erkennen konnte – das war es, was mich zurückhielt.
Denn seine Augen waren farblos, sie hatten überhaupt keine bestimmte Farbe. Sie waren jeweils grau, grün oder blau, je nachdem, wie Licht und Schatten in ihnen spielten. Graeme wandte den Blick wieder ab, fast noch im gleichen Moment. Doch ich war vom Blick dieser fremden Augen gefangen, überrascht und verlegen zugleich. Doch dieser einzige Augenblick des Zögerns genügte.
Als ich mich endlich von diesem tranceartigen Zustand befreit hatte und wieder nach dem Strahlenden Ausschau hielt, sah ich, daß ihn jemand von dem weißhaarigen Mann ablenkte. Es war ein Adjutant, der plötzlich aufgetaucht war und dessen Figur und Haltung mir merkwürdig bekannt vorkamen, der eindringlich auf den Ältesten der Quäkerwelten einredete.
Und während ich noch dastand und zuschaute, machte der Strahlende auf dem Absatz kehrt, folgte dem Adjutanten und verließ den Raum mit raschen Schritten durch eine Tür, von der ich wußte, daß sie in die Eingangshalle und von dort zu Galts Räumen führte. Er ging, und ich war nahe daran, meine Chance zu verpassen. Ich drehte mich rasch um, um die Treppe hinunterzueilen und ihm zu folgen, bevor er meinen Blicken entschwand.
Doch mein Weg war verstellt. Der Augenblick, wo ich Donal Graeme unverwandt angestarrt hatte, hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Denn als ich mich umdrehte, kam jemand die Treppe herauf und trat auf den Balkon. Es war Lisa Kent.