25
Am Tag nach meiner Landung hörte es endgültig auf zu regnen. Tag für Tag wurde der Boden trockener. Bald schon mochte er so fest sein, daß er das Gewicht von schwerem, bodengebundenem Kriegsgerät tragen konnte. Und jedermann wußte, daß dann die Frühjahrsoffensive der Exoten begann. In der Zwischenzeit bereiteten sich sowohl die Truppen der Exoten als auch die der Quäker darauf vor.
Während der folgenden paar Wochen ging ich fleißig meiner Arbeit als Berichterstatter nach. Ich schrieb hauptsächlich aktuelle Artikel und kleinere Berichte über die Soldaten und Einheimischen. Ich hatte eine Menge Telegramme zu verschicken, und ich erledigte das alles gewissenhaft. Ein Korrespondent ist nur so gut wie seine Kontakte: Ich knüpfte überall Kontakte, außer bei den Quäkertruppen. Die blieben zurückhaltend, obwohl ich dort mit vielen Soldaten sprach. Sie zeigten auch weiterhin weder Furcht noch Unsicherheit.
Ich hörte, daß es mit dem Ausbildungsstand dieser Quäkersoldaten im allgemeinen nicht weit her war, da ihre Reihen aufgrund der selbstmörderischen Taktiken ihrer Offiziere dauernd mit unerfahrenem Ersatz aufgefüllt werden mußten. Diese hier jedoch waren von einem Expeditionskorps übriggeblieben, das sechsmal so stark wie jetzt gewesen war. Sie alle waren Veteranen, auch wenn die meisten von ihnen noch keine zwanzig Jahre alt waren. Nur hier und dort – unter den Unteroffizieren und häufiger unter den Offizieren – entdeckte ich den Prototyp des Gruppenführers, der die Kriegsgefangenen auf Neuerde erschossen hatte. Hier wirkten die Männer dieser Art wie tollwütige graue Wölfe inmitten einer Meute aus gehorsamen und gut dressierten jungen Hunden, die gerade erst entwöhnt waren. Ich war versucht zu glauben, sie allein stellten das dar, was ich zu zerstören beabsichtigte.
Um dieser Versuchung widerstehen zu können, sagte ich mir, daß Alexander der Große bereits gegen die Bergstämme ins Feld gezogen war und in Pella, der Hauptstadt von Mazedonien, regiert und die Hinrichtung von Menschen befohlen hatte, als er erst sechzehn gewesen war. Doch die Quäkersoldaten wirkten auch weiterhin beinahe wie Kinder auf mich. Ich konnte mir nicht helfen: Ich mußte sie mit den erwachsenen und erfahrenen Söldnern in Kensie Graemes Streitkräften vergleichen. Denn entsprechend ihrer philosophischen Prinzipien lehnten es die Exoten ab, Truppen aus Söldnern oder Rekruten zu mieten, die sich nicht aus freiem Willen für die Uniform entschieden hatten.
Während all dieser Zeit hörte ich nicht ein Wort von der Blauen Front. Aber im Verlaufe von zwei Wochen hatte ich mir meine eigenen Verbindungen in Neu Sankt Markus geschaffen. Und zu Beginn der dritten Woche erhielt ich durch einen dieser Kontakte die Information, daß der Juwelierladen in der Wallace-Straße geschlossen, die Jalousien heruntergelassen und sowohl Waren als auch Inventar aus dem Verkaufsraum herausgebracht worden waren. Es schien, als sei das Geschäft verlegt oder aufgegeben worden. Das war alles, was ich wissen mußte.
Die nächsten Tage hielt ich mich in der Nähe von Jamethon Black auf – und als die Woche zu Ende ging, zahlte es sich aus, daß ich ihn beobachtete.
Um zehn Uhr an jenem Freitagabend befand ich mich auf einem schmalen Steg direkt über meiner Unterkunft und unterhalb des Wachgangs in den Lagerwällen. Und ich beobachtete, wie drei Zivilisten, die ganz nach Mitgliedern der Blauen Front aussahen, aufs Karree fuhren, ausstiegen und in Jamethons Büro traten.
Etwas länger als eine Stunde blieben sie dort. Als sie wieder abfuhren, ging ich hinunter und zu Bett. Diese Nacht schlief ich tief und fest.
Am nächsten Morgen stand ich früh auf. Post war für mich eingetroffen. Ein Linienschiff hatte mir von der Erde eine Mitteilung vom Direktor der Nachrichtendienste mitgebracht, in der er mir ganz persönlich seine Anerkennung für meine Expreßberichte aussprach. Einst, vor drei Jahren, hätte mir das eine Menge bedeutet. Jetzt aber fürchtete ich nur, man könnte zu dem Schluß kommen, meine Recherchen hier hätten soviel Interessantes ergeben, daß man mir zu meiner Unterstützung einige Mitarbeiter schicken müsse. Ich konnte es nicht riskieren, andere Nachrichtenleute in meiner Nähe zu haben. Sie hätten entdecken können, womit ich beschäftigt war.
Ich stieg in meinen Wagen und fuhr die Hauptstraße entlang nach Osten, nach Neu Sankt Markus und dem Hauptquartier der Exoten. Die Truppen der Quäker waren bereits im Felde. Achtzehn Kilometer östlich von Josefstadt wurde ich von einer Gruppe aus fünf jungen Soldaten angehalten, unter denen sich kein Unteroffizier befand. Sie erkannten mich.
„In Gottes Namen, Mr. Olyn“, sagte der erste, der meinen Wagen erreichte. Er beugte sich herunter, um durch das offene Fenster links von mir mit mir zu sprechen. „Sie können hier nicht weiterfahren.“
„Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“ gab ich zurück.
Er wandte sich um und deutete auf ein kleines Tal zwischen zwei bewaldeten Hügeln links von uns.
„Dort werden taktische Vermessungen durchgeführt.“
Ich sah hinüber. Das kleine Tal – oder die Wiese – zwischen den Hügeln war etwa hundert Meter breit. Es schlängelte sich dahin, beschrieb dann eine Kurve nach rechts und war von hier aus nicht weiter zu überblicken. Am Rande der bewaldeten Hügel, dort, wo das Terrain in die offene Wiese überging, wuchsen Fliederbüsche, deren Blüten einige Tage alt waren. Die Wiese selbst war grün und bot einen angenehmen Anblick mit dem jungen und frischen Gras des gerade beginnenden Frühjahrs und dem Weiß und Purpur des Flieders. Die Variformeichen hinter den Fliederbüschen bildeten verschwommene Konturen, in der kleine, neue Blätter wuchsen.
In der Mitte dieser ganzen Szenerie, im Mittelpunkt der Wiese, schritten schwarzgekleidete Gestalten mit Berechnungsgeräten umher und vermaßen und untersuchten die Möglichkeiten des Tötens und Sterbens von allen Seiten. Genau in der Mitte der Wiese hatten sie aus irgendeinem Grunde Markierungspfähle aufgestellt: ein einzelner Pfosten, dann einer davor mit zwei weiteren zu beiden Seiten und dann noch einer vor diesen dreien. Weiter vorn befand sich ein anderer einzelner Pfosten. Er lag auf dem Boden, als sei er umgestürzt oder beiseite geworfen worden.
Ich wandte mich ab und sah wieder auf in das hagere und junge Gesicht des Soldaten.
„Bereiten Sie sich darauf vor, die Exoten zu schlagen?“ fragte ich.
Er faßte meine Worte als direkte und ehrlich gemeinte Frage auf, als hätte meine Stimme ganz und gar nicht ironisch geklungen.
„Ja, Sir“, sagte er ernsthaft. Ich musterte ihn und blickte dann in die straffen Mienen und klaren Augen seiner Kameraden.
„Schon einmal daran gedacht, daß Sie auch verlieren könnten?“
„Nein, Mr. Olyn.“ Er schüttelte feierlich den Kopf. „Niemand verliert, der im Namen des Herrn in die Schlacht zieht.“ Er bemerkte, daß ich davon erst noch überzeugt werden mußte und fuhr ernst und würdevoll fort: „Er hat Seine Hand auf Seine Heiligen Soldaten gelegt. Und daher bleibt ihnen nur der Sieg – oder manchmal der Tod. Und was ist schon der Tod?“
Er sah seine Kameraden an, und sie alle nickten.
„Was ist schon der Tod?“ wiederholten sie.
Ich betrachtete sie. Dort standen sie und fragten mich und sich selbst, was der Tod sei … als sprächen sie von einem zwar harten, aber notwendigen Job.
Ich hatte eine Antwort für sie parat, aber ich sprach sie nicht aus. Der Tod, das war ein Gruppenführer – ein Quäker wie sie selbst –, der Soldaten wie ihnen den Befehl erteilte, Gefangene zu ermorden. Das war der Tod.
„Rufen Sie einen Offizier“, sagte ich. „Mein Passierschein erlaubt mir die Weiterfahrt.“
„Ich bedaure, Sir“, antwortete derjenige, der zu mir gesprochen hatte, „aber wir können unseren Posten nicht verlassen, um einen Offizier zu holen. Doch es kommt bald ohnehin einer hierher.“
Ich hatte so eine Ahnung, was „bald“ bedeutete, und ich lag richtig damit. Es wurde Mittag, bevor ein Truppenführer kam, die Soldaten Essen fassen ließ und mir die Weiterfahrt gestattete.
Als ich Kensie Graemes Hauptquartier erreichte, stand die Sonne schon tief und überzog den Boden mit den langen Schatten von Bäumen. Und doch war es, als erwache das Lager gerade erst.
Man mußte kein Militärfachmann sein, um zu erkennen, daß die Exoten nun endlich gegen Jamethon ins Feld zogen.
Ich traf Janol Marat, den Kommandeur von Neuerde.
„Ich muß Truppen-Kommandeur Graeme sprechen“, sagte ich.
Wir kannten uns inzwischen recht gut, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Das ist jetzt nicht möglich, Tam. Es tut mir leid.“
„Janol“, sagte ich, „diesmal geht es nicht um ein Interview. Es ist eine Sache von Leben und Tod. Im Ernst. Ich muß Kensie sprechen.“
Er starrte mich an. Ich starrte zurück.
„Warten Sie hier“, sagte er. Wir standen bereits im Büro des Hauptquartiers. Doch er ging wieder hinaus und ließ mich für etwa fünf Minuten allein. Ich stand da und lauschte dem Ticken der Wanduhr. Dann kam er zurück.
„Hier entlang“, sagte er.
Zwischen den gewölbten Blasen der Plastik-Bauwerke hindurch führte er mich zum rückwärtigen Bereich des Lagers, zu einem kleinen Gebäude, das zwischen einigen Bäumen halb verborgen war. Als wir durch den Vordereingang traten, bemerkte ich, daß es Kensies persönliche Unterkunft war. Durch ein kleines Wohnzimmer schritten wir in einen Raum, bei dem es sich um eine Kombination aus Schlafzimmer und Bad handelte. Kensie war gerade aus der Duschkabine herausgekommen und zog sich nun einen Kampfanzug an. Er sah mich neugierig an und wandte seinen Blick dann zu Janol.
„In Ordnung, Kommandeur“, sagte er. „Sie können jetzt wieder zu Ihren Pflichten zurückkehren.“
„Jawohl, Sir“, antwortete Janol, ohne mich dabei anzusehen.
Er salutierte und ging hinaus.
„Also gut, Tam“, meinte Kensie und zog sich die Uniformhose an. „Um was geht’s?“
„Ich weiß, daß Sie bereit sind, ins Feld zu ziehen“, sagte ich.
Er sah mich ein wenig amüsiert an, während er seinen Hosenbund schloß. Er hatte sein Hemd noch nicht angezogen, und in dem relativ kleinen Zimmer ragte er wie ein Riese auf, wie eine Art überwältigende Naturgewalt. Sein Körper war so gebräunt wie dunkles Holz, und die Muskeln bildeten deutlich sichtbare Stränge auf seiner Brust und den Schultern. Sein Bauch war flach, und die Sehnen und Bänder seiner Arme traten deutlich hervor und verschwanden wieder, wenn er sie bewegte. Erneut spürte ich dieses besondere und außergewöhnliche Element des Dorsai in ihm. Es war nicht nur seine physische Größe und Stärke. Es war nicht einmal die Tatsache, daß er ein Mann war, der von Geburt an für den Krieg ausgebildet und für den Kampf selbst geboren war. Nein, es war etwas Vitales und doch Ungreifbares – die gleiche Besonderheit der Andersartigkeit, auf die man auch bei den geborenen Exoten wie Padma dem Außenbürgen stoßen konnte. Oder bei einigen Forschern von Newton oder Cassida. Etwas, das weit über und jenseits des gewöhnlichen Menschen lag; etwas, das diesen Mann wie einen Fels erscheinen und ihn – wenn es um seine Berufssparte ging – eine so vollständige und alles andere verdrängende Überlegenheit ausstrahlen ließ, daß er jenseits jeder Schwäche war, unangreifbar, unbesiegbar.
Vor meinen inneren Augen sah ich den schlanken und dunklen Schatten Jamethons, der einem solchen Mann wie diesem gegenüberstand. Und die Möglichkeit eines Sieges von Jamethon war undenkbar, vollkommen ausgeschlossen.
Aber Gefahren und Risiken gab es immer.
„Also gut, ich werde Ihnen erzählen, auf was ich gestoßen bin“, sagte ich zu Kensie. „Ich habe gerade herausgefunden, daß Black in Kontakt steht mit der Blauen Front, einer hiesigen politischen und terroristischen Gruppierung, die ihre Zentrale in Blauvain hat. Drei von ihnen besuchten ihn letzte Nacht. Ich habe sie gesehen.“
Kensie griff nach seinem Hemd und schob einen langen Arm in den einen Ärmel.
„Ich weiß“, sagte er.
Ich starrte ihn an.
„Begreifen Sie nicht?“ sagte ich. „Es sind Mörder. Das ist das Kapital, auf dessen Zinsen sie hoffen. Und der einzige Mann, den beide aus dem Weg räumen wollen – sowohl Jamethon als auch die Blaue Front –, sind Sie.“
Er schob den anderen Arm in den zweiten Ärmel.
„Ich weiß darüber Bescheid“, sagte er. „Sie wollen die gegenwärtige Regierung hier auf Santa Maria stürzen und sich selbst an die Macht bringen – und das ist unmöglich, solange uns die Exoten dafür bezahlen, hier den Frieden zu erhalten.“
„Bisher hatten sie nicht Jamethons Unterstützung.“
„Haben sie sie jetzt?“ fragte er und knöpfte das Hemd mit Daumen und Zeigefinger zu.
„Die Quäker sind verzweifelt“, sagte ich. „Jamethon weiß, daß er kaum eine Chance hat, ihrer Offensive standzuhalten – selbst wenn morgen Verstärkung für ihn einträfe. Mörder werden zwar von den Kriegskonventionen und dem Söldnerkodex geächtet, aber Sie und ich kennen die Quäker.“
Kensie sah mich mit einem eigenartigen Blick an und griff nach seiner Jacke.
„Tatsächlich?“ fragte er.
Ich wich seinem Blick nicht aus. „Etwa nicht?“
„Tam.“ Er zog die Jacke an und schloß sie. „Ich kenne die Männer, gegen die ich kämpfen muß. Es gehört zu meinem Geschäft, sie zu kennen. Aber wie kommen Sie auf den Gedanken, das sei auch bei Ihnen der Fall?“
„Es gehört auch zu meinem Geschäft“, erwiderte ich. „Vielleicht haben Sie das vergessen. Ich bin Berichterstatter. Menschen gehören zu meinem Beruf, jetzt und für immer.“
„Aber Sie mögen die Quäker nicht.“
„Sollte ich das?“ fragte ich. „Ich bin auf allen Welten gewesen. Ich habe den cetanischen Industriellen gesehen: Er denkt nur an seinen Profit, aber er ist ein Mensch. Ich habe die Newtonier und Venusier gesehen; sie schweben mit ihren Gedanken weit über den Wolken, aber wenn man ihnen kräftig genug auf die Füße tritt, kann man sie in die Wirklichkeit zurückbringen. Ich habe Exoten wie Padma bei ihren mentalen Taschenspielertricks gesehen und den Freilander, der bis zu den Ohren in seiner eigenen Bürokratie steckt. Ich habe die Menschen meiner eigenen Heimatwelt Alterde gesehen und auch die von Coby, selbst die von Dorsai wie Sie. Und ich sage Ihnen: Sie alle haben einen Punkt gemeinsam – unter all den verschiedenen Schalen sind es doch alles Menschen. Jeder einzelne von ihnen ist ein Mensch – sie haben sich nur auf eine bestimmte, nutzbringende Weise spezialisiert.“
„Und die Quäker nicht?“
„Fanatismus“, sagte ich. „Ist das nutzbringend? Es ist genau das Gegenteil. Was ist gut, was ist auch nur verständlich und entschuldbar an einem blinden, einseitigen und alles andere verdammendem Glauben, der nicht zuläßt, daß ein Mensch nachdenkt und seine eigenen Schlüsse zieht?“
„Woher wollen Sie wissen, daß sie keine eigenen Schlüsse ziehen?“ fragte Kensie. Er stand mir nun direkt gegenüber und sah mich an.
„Einige von ihnen machen das vielleicht“, gab ich zurück. „Die Jungen unter ihnen vielleicht, bevor auch bei ihnen das Gift zu wirken beginnt. Welchen Nutzen hat das Weiterbestehen dieser Kultur?“
Plötzlich herrschte Stille im Zimmer.
„Wovon sprechen Sie überhaupt?“ fragte Kensie.
„Ich meine, Sie sollten sich um die Mörder kümmern“, sagte ich. „Und nicht um die Truppen der Quäker. Beweisen Sie, daß Jamethon Black die Kriegskonventionen gebrochen hat, indem er mit der Blauen Front eine Übereinkunft zu Ihrer Ermordung traf. Dadurch können Sie Santa Maria für die Exoten gewinnen, ohne einen einzigen Schuß abzugeben.“
„Und wie sollte ich das bewerkstelligen?“
„Benutzen Sie mich dazu“, sagte ich. „Ich habe einen Draht zu der politischen Gruppe, der die Mörder angehören. Lassen Sie mich als Ihren Beauftragten zu ihnen gehen und ihnen ein besseres Angebot als Jamethon unterbreiten. Sie können ihnen die Anerkennung durch die jetzige Regierung in Aussicht stellen. Padma und die Mitglieder der gegenwärtigen Regierung von Santa Maria müßten Ihren Vorschlag aufgreifen, wenn Sie den Planeten auf so einfache Weise von den Quäkern säubern.“
Er sah mich vollkommen ausdruckslos an.
„Und was sollte mir das einbringen?“ fragte er.
„Zeugen, die schwören, sie seien dafür bezahlt worden, Sie zu ermorden. Sie könnten so viele Zeugen haben, wie Sie wollen.“
„Kein Interplanetares Untersuchungsgericht würde der Aussage von solchen Leuten glauben“, sagte Kensie.
„Oh“, sagte ich und mußte unwillkürlich lächeln. „Aber man würde mir als Repräsentanten der Nachrichtendienste glauben, wenn ich jedes einzelne Wort einer solchen Aussage bestätigte.“
Erneut herrschte Stille. Sein Gesicht war noch immer völlig ausdruckslos.
„Ich verstehe“, sagte er dann.
Er schritt an mir vorbei ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm. Er trat ans Visifon, betätigte eine Taste und sprach zu einem dunkel bleibenden Bildschirm.
„Janol“, sagte er.
Er wandte sich vom Schirm ab, durchquerte den Raum, öffnete einen Schrank und begann, seine Waffengurte anzulegen. Seine Bewegungen drückten Entschlossenheit aus. Er sprach mich weder an, noch blickte er in meine Richtung. Nach einigen langen Minuten glitt die Eingangstür des Gebäudes beiseite, und Janol kam herein.
„Sir?“ fragte der Freilander-Offizier.
„Mr. Olyn bleibt bis auf weiteren Befehl hier.“
„Jawohl, Sir“, sagte Janol.
Graeme ging hinaus.
Ich stand wie erstarrt und blickte auf die Tür, durch die er hinausgegangen war. Ich konnte es nicht fassen, daß er die Konventionen sogar so grob verletzte, indem er sich nicht nur über meinen Status hinwegsetzte, sondern mich praktisch gar unter Arrest stellte, damit ich mich nicht weiter in das einmischen konnte, was nun geschah.
Ich drehte mich zu Janol um. Er sah mich mit einer Art schiefem Mitgefühl in seinem langen, braunen Gesicht an.
„Ist der Außenbürger hier im Lager?“ fragte ich ihn.
„Nein.“ Er trat an mich heran. „Er ist zur exotischen Botschaft in Blauvain zurückgekehrt. Und jetzt seien Sie brav und setzten Sie sich. Sehen Sie, wir können die nächsten Stunden auch ganz angenehm verbringen.“
Wir standen uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ich schlug ihm in die Magengrube.
Als ich noch Student am College gewesen bin, habe ich ein wenig geboxt. Ich erwähne dies nicht, um mich als eine Art Muskelmann darzustellen, sondern um zu erklären, warum ich vernünftig genug war, es nicht mit seinem Kinn zu versuchen. Graeme hätte den K. O.-Punkt wahrscheinlich selbst mit geschlossenen Augen gefunden, aber ich bin kein Dorsai. Der Bereich unter dem Brustbein eines Mannes ist relativ groß, weich und leicht zu treffen, und er bietet sich für Amateure geradezu an. Außerdem verstand ich etwas davon, wie man zuschlagen mußte.
Doch Janol verlor nicht das Bewußtsein. Er sank zu Boden und blieb dort zusammengekrümmt liegen, die Augen nach wie vor offen. Aber er war nicht in der Lage, sofort wieder aufzustehen. Ich wandte mich von ihm ab und verließ das Gebäude rasch.
Im Lager herrschte rege Aktivität. Niemand hielt mich auf. Ich stieg wieder in meinen Wagen, und fünf Minuten später war ich aus dem Lager heraus und auf der Straße nach Blauvain.