XVII.

Knirschend brachen die Knochen der Hand. György Friedmann schrie auf. Oprschalek riss die Schreibtischlade kurz auf. Der Malträtierte versuchte die Hand herauszuziehen, doch die Schreibtischlade wurde blitzschnell wieder zugedrückt. Nun brachen Friedmanns Finger. Grinsend beugte sich Oprschalek über den käsebleichen Hotelier und sagte:

»Jetzt hör mir einmal zu, Herr Hoteldirektor. Ich geh’ ja schon einige Zeit in deinem Hotel aus und ein, weil ich mit der Bozena ein Pantscherl hab. Gestern hast aber den Fehler g’macht, mich aus Bozenas Zimmer rauszuschmeißen. Dafür wirst bezahlen… Mir ist nämlich aufg’fallen, dass du des Öfteren blutjunge Mädeln auf deinem Zimmer hast. Also hab ich mich ein bisserl umgehört. Und weißt was? Das ist strafbar…«

Er lockerte den Druck auf die Lade etwas. Friedmann versuchte nun nicht mehr die Hand herauszuziehen, sondern atmete nur erleichtert durch. Schweißperlen standen ihm auf der Stirne, die Augen waren vor Schreck geweitet.

»Ich hab’ gehört, dass der feine Herr Meyerowicz gemeinsam mit mehreren Mädeln aus Galizien in deinem Hotel logiert. Soll ich die Sicherheitswache holen? Den Polizisten könnte ich auch gleich die Kleine in deinem Bett zeigen… Die ist sicher noch keine 14… Also, was ist? Soll ich die He rufen oder mach’ ma a G’schäft?«

»Mach’ ma a G’schäft! Aber lassen S’ bitte meine Hand frei. Des tut narrisch weh…«

Oprschalek lächelte generös und ließ endlich die Schreibtischlade los. Langsam, ganz langsam zog Friedmann die verletzte Hand heraus und umklammerte sie mit der anderen. Mit ängstlichem Blick lehnte er sich zurück und fixierte Oprschalek. Dieser blieb entspannt am Schreibtisch sitzen, baumelte mit den Beinen und starrte so lange zurück, bis der Direktor den Blick senkte. Mit Abscheu hatte Oprschalek in den letzten Wochen Friedmanns Vorliebe für blutjunge Mädchen beobachtet. Zusätzlich war ihm aufgefallen, dass das Hotel offenbar ein Treffpunkt für internationale Mädchenhändler war, die Kinder von bitterarmen Familien aus Galizien und der Bukowina sowohl an heimische Bordelle als auch nach Argentinien, Ägypten und China verkauften. Als er Bozena darauf angesprochen hatte, hatte sie nur mit der Schulter gezuckt. Später erzählte sie ihm dann, dass sie mit 11 Jahren von ihren Eltern an einen fahrenden Händler verschachert worden war. Der hatte sie ins Hotel Hungaria gebracht, wo der Direktor Gefallen an ihr gefunden und sie dem Händler abgekauft hatte. Als sie nach zwei Jahren für Friedmanns Gelüste zu alt geworden war, behielt er sie als »Mädchen für alles« im Hotel. Seit Oprschalek das wusste, hatte er das dringende Bedürfnis gehabt, diesem Schweinkerl wehzutun. Am liebsten hätte er ihn und sein vermaledeites Hotel in Brand gesteckt. Aber das ging leider nicht. Wegen Bozena. Und wegen Budka. Außerdem waren das Hotel Hungaria und Bozenas kleines Zimmer ein willkommener Unterschlupf. Leider hatte ihn Friedmann gestern Abend aus diesem Refugium hinausgeschmissen. Nicht einmal die Hosen hatte er anziehen dürfen. In Unterhemd und Unterhose hatte er ihn vom Hausknecht auf die Straße setzen lassen. Eine Schande und eine Demütigung. Aber nun wurde abgerechnet: zuerst Friedmann, dann der Hausknecht. Letzteren würde er in den Kohlenkeller locken und mit der Schaufel erschlagen. Dessen hässlichen Kadaver würde er anschließend im Heizkessel verbrennen. Oprschalek lächelte.

»Was… was für ein Geschäft schlagen Sie vor?«, stammelte Friedmann. Oprschaleks Lächeln verschwand. Er durchsuchte die Laden des Schreibtisches und platzierte einen Bogen Briefpapier sowie Feder und Tintenfass in der Mitte des Tisches.

»Damit unser Geschäft auch gut abgesichert ist, mach’ ma eine schriftliche Erklärung. Also, Herr Direktor, nimm die Feder in die Hand und schreib…«

Friedmann rückte mit seinem Sessel zum Schreibtisch und griff mit seiner rechten, unversehrten Hand zur Feder. Oprschalek diktierte:

»Ich, György Friedmann, Eigentümer und Betreiber des Hotels Hungaria, gestehe, dass ich seit vielen Jahren junge Mädel, die allesamt unter 14 Jahre alt waren, zur außerehelichen Beiwohnung gezwungen habe. Diese Mädchen wurden mir von Agenten zugeführt, die gewerbsmäßigen Mädchenhandel betreiben…«

Friedmann hatte nach dem ersten Satz aufgehört zu schreiben, sich zurückgelehnt und zu protestieren begonnen:

»Ich bin doch nicht meschugge… So einen Schitoch65 schreib ich nicht! Kommt nicht in Frage!«

Oprschalek riss den Kopf seines Opfers an den Haaren nach hinten. Seine zweite Hand fixierte Friedmanns Kopf in dieser unbequemen Position, indem sie den mittleren Teil des Gesichtes umklammerte und weiterhin kräftig nach hinten drückte. Gleichzeitig stemmte sich Oprschalek gegen den Stuhl, damit dieser nicht umflog. Er ließ Friedmanns Haare los und griff nach dem offenen Tintenfläschchen. Da seine andere Hand Friedmanns Nase zuhielt, atmete dieser durch den weit geöffneten Mund. Dort goss Oprschalek nun Tinte hinein. Friedman hustete und spuckte. Als ihm schließlich auch noch das rechteckige Tintenfläschchen in den Mund gestopft wurde, musste er erbrechen. Oprschalek ließ ihn los und sah emotionslos zu, wie sich der Direktor des Hotels Hungaria vor ihm auf dem Boden wand, hustete und spie. Ganz ruhig fragte er:

»Schreiben wir jetzt weiter, Herr Direktor?«

Blitzschnell drehte sich Friedmann um und versuchte, auf allen vieren zu fliehen. Oprschalek beobachtete ihn amüsiert. Als er fast die Tür erreicht hatte, eilte ihm Oprschalek nach und trat so lange zu, bis Friedmann nur mehr ein sich am Boden krümmendes, wimmerndes Bündel war.

 

Zufrieden verließ Oprschalek Friedmanns Arbeitszimmer. In der Innentasche seines Sakkos hatte er säuberlich zusammengefaltet ein umfassendes, handschriftliches Geständnis. Weiters besaß er ein Schreiben, das bestätigte, dass er ab sofort für Ordnung und Sicherheit im Hotel Hungaria zuständig war und die Angestellten des Hauses seinen Anordnungen Folge zu leisten hatten. Dafür zahlte ihm Friedmann einen Wochenlohn von 20 Kronen. Zusätzlich hatte er die Erlaubnis, bis auf Weiteres in Bozenas Zimmer zu logieren. Nachdem er den Hausknecht aus dem Schlaf geklopft hatte, zeigte er ihm Friedmanns Ermächtigungsschreiben und lockte ihn unter dem Vorwand, dass eingebrochen worden sei und er des Hausknechts Hilfe benötige, in den Keller. Eine Stunde später, als er bei der auf das Angenehmste überraschten Bozena unter die warme Tuchent66 schlüpfte, verbrannte im Heizkessel des Hotels bereits die Leiche des Hausknechts.

 

Am nächsten Tag schlief er lange. Als er aufwachte, war Bozena schon längst aus den Federn und bei der Arbeit. Zufrieden streckte er sich und blinzelte in die wenigen Sonnenstrahlen, die sich in die Dienstbotenkammer verirrten. Er wusch sich im Lavoir, zog sich an und stolzierte die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, wo sich Friedmanns Büro befand. Ohne anzuklopfen trat er ein. Bozena saß an einem Seitenschreibtisch über diverse Listen gebeugt, die sie ausfüllte. Sie blickte auf und errötete. Friedmann duckte sich in seinem Bürosessel und hätte sich offensichtlich am liebsten ins nächste Mauseloch verkrochen. Oprschalek ging zu Bozena und gab ihr ein Guten-Morgen-Busserl auf die Stirne. Dann wandte er sich an Friedmann:

»Na, Herr Direktor, was gibt es Neues?«

Der schwieg, dafür aber antwortete Bozena:

»Der Ladi, unser Hausknecht, ist wie vom Erdboden verschluckt.«

»Na, so was… Vielleicht hat er sich irgendwo versoffen…«

»Der Ladi säuft nicht«, knurrte Friedmann.

»Vielleicht is’ er bei irgendeinem Hurenmensch picken geblieben?«

»Der Ladi geht zu keinen Huren«, erklärte Friedmann in renitentem Tonfall.

»Stimmt!«, bemerkte Bozena trocken, »der mag auch nur Kinder.«

Oprschalek lehnte sich an den Schreibtisch, packte Friedmann beim Kinn und drehte dessen Kopf zu sich. Er sah in dessen grün und blau geschlagene Visage und sagte mit leiser Stimme:

»Na, dann hat ihn wahrscheinlich die Polizei erwischt… wie er ein kleines Mädl geditschkerlt hat…«

Friedmann stammelte: »Aber wir brauchen einen Hausknecht! Irgendwer muss ja den Gästen das Gepäck tragen und den Warmwasserkessel im Keller beheizen. Könnten Sie nicht, wo Sie jetzt mein Angestellter sind, einen Ersatz auftreiben?«

Oprschalek ließ Friedmanns Gesicht los, stand auf, breitete die Arme aus und lachte:

»Nichts lieber als das, Herr Direktor. Dafür bezahlst du mich ja. Apropos: Ich hab’ diese Woche noch keinen Lohn bekommen…«

Friedmann öffnete ein seitliches Schreibtischfach und holte die Handkasse hervor. Ohne eine Miene zu verziehen, nahm er einen 20-Kronen-Schein heraus und schob ihn Oprschalek hin. Der steckte ihn mit einer angedeuteten Verbeugung ein.

»Vergelt’s Gott, Herr Direktor! Gibt’s sonst noch was im Haus, was ich erledigen soll, bevor ich mich auf die Suche nach einem neuen Hausknecht mach’?«

Friedmann grunzte verächtlich und schüttelte den Kopf. Oprschalek wandte sich Bozena zu, küsste sie neuerlich auf die Stirne, winkte Friedmann lässig zu und verließ mit einem fröhlichen »Adieu!« das Büro.

 

Draußen schien die Sonne. Er schlenderte über den Radetzkyplatz und witterte plötzlich den würzigen Geruch von Gulasch. Da es früher Nachmittag war und er noch nicht einmal gefrühstückt hatte, übermannte ihn der Hunger. Zielstrebig lenkte er seine Schritte in das Weinhaus, von wo der Geruch herrührte. Und tatsächlich: Als Tagesgericht gab es Zigeuner-Gulasch67. Nachdem er diese Köstlichkeit gemeinsam mit einer Portion Erdäpfel verschlungen hatte, entspannte er sich. Zum Gulasch hatte er eine Flasche Bier getrunken, nun hatte er Gusto auf Wein. Er bestellte sich einen samtigen Roten aus der Vöslauer Gegend, und nach dem zweiten Viertel ging in seinem Gemüt die Sonne auf. Das Leben war herrlich! Er hatte ein wunderbares Mädel, ein Dach über dem Kopf, eine Anstellung, bei der er nicht allzu viel arbeiten brauchte, sowie Geld in der Tasche. Da ihm nun sein Arbeitsauftrag in den Sinn kam, es jedoch Samstagnachmittag war und er in den Dienstbotenbüros wahrscheinlich keinen geeigneten Hausknecht mehr finden würde, sah er sich im Lokal um. An der Theke standen neben einigen Gruppen, die lautstark miteinander diskutierten, zwei einsame Trinker. Der eine machte einen durchaus bürgerlichen Eindruck und schied deshalb für seine Überlegungen aus. Der andere aber hatte stark abgetragene Kleidung sowie brüchiges, schon längere Zeit nicht mehr vom Schuster geflicktes Schuhwerk an. Oprschalek beobachtete den Mann während der nächsten halben Stunde und ihm fiel auf, dass er kaum von seinem Glas trank. Damit war die Sachlage klar: Er hatte zu wenig Geld, um sich zu besaufen. Oprschalek winkte dem Kellner und bestellte für den einsamen Zecher ein Glas Wein. Als der Kellner es ihm hinstellte, lehnte der Mann erschrocken ab. Erst als der Kellner ihm erklärte, dass er darauf eingeladen war, akzeptierte er es. Der Fremde sah zu Oprschalek und der prostete ihm zu. Danach trank der Mann den letzten Schluck des ersten Glases gierig aus und nippte vom zweiten. Oprschalek grinste. Und als der andere wieder einmal zu seinem Tisch hersah, winkte er ihn zu sich. Mit einer einladenden Handbewegung forderte Oprschalek ihn auf, sich niederzusetzen.

»So ein schöner Tag heute… Der Frühling kommt! Das muss man feiern. Deshalb hab’ ich mir gedacht, ich lad’ Sie ein. Weil S’ so mutterseelenallein an der Theke g’standen sind.«

»Ergebendsten Dank, der Herr. Sehr liebenswürdig, der Herr…«

Oprschalek nahm einen kräftigen Schluck und taxierte seinen Tischnachbarn. Ein drahtiger, mittelgroßer Kerl. Der würde Koffer schleppen, Holz hacken und Kohle schaufeln können. Oprschalek verwickelte ihn in ein Gespräch über die Preise, die andauernd stiegen, sowie über die mangelnden Arbeitsplätze. Da er merkte, dass der andere Hunger hatte, lud er ihn auf ein Zigeuner-Gulasch ein. Schließlich unterbreitete er ihm das Angebot, als Hausknecht im Hotel vis-à-vis zu arbeiten.

»Wann würd’ die Stelle denn frei werden?«

»Was heißt würde? Die ist frei! Weil der alte Hausknecht verschwunden ist, hat mich der Hoteldirektor beauftragt, so schnell wie möglich einen Ersatzmann zu finden. Also, worauf wartest noch? ’Zahlt hab’ ich, gemma!«

Der andere stürzte den letzten Schluck hinunter und gemeinsam verließen die beiden Männer das Weinhaus. Draußen zauberte die nun schon ziemlich tief stehende Sonne lange Schatten über den Radetzkyplatz. Oprschalek legte gönnerhaft seine Hand auf die Schulter des anderen und sagte:

»Als Sozialdemokrat bin i mit jedem Hackler68 per Du. Also, ich haß Frantisek…«

Der andere grinste und antwortete:

»I bin der Ferdinand… der Ferdinand Mayrleeb. Und a Sozi bin i aa. Solange i denken kann…«

 

Der nächste Tag war ein total verregneter Sonntag. Oprschalek verbrachte den meisten Teil des Tages im Bett. Nur zu Mittag stand er auf und ging ins Café Hungaria frühstücken. Abends half er dann dem Mayrleeb, das Glumpert69 des alten Hausknechts in den Keller zu verfrachten. Danach beschlossen die beiden, etwas trinken zu gehen. Ihr Weg führte sie in die Stadt, in den Esterhazy Keller im Haarhof. Über steile Treppen stiegen sie in den Untergrund. Das labyrinthartige Kellergewölbe war spärlich beleuchtet und vom Ruß der Petroleumlampen und vom Rauch der Gäste an Decke und Wänden geschwärzt. Hier im Herzen der Stadt trafen sich Menschen aller Stände und Schichten: schwere Alkoholiker und Gelegenheitstrinker, kleine Beamte und große Gauner, Arbeitslose und Hausherren, lose Weibsbilder, die einen Kren70 suchten, sowie abenteuerlustige Dienstmädeln. Hier trafen sie Freunde von Mayrleeb. Es waren dies der Lagergehilfe Wojtek Kaminsky, der Lohnschreiber Franz Schottek sowie ein Bekannter der beiden, ein junges, aus Dalmatien stammendes Bürscherl namens Nikolaus Njegusch. Nach den ersten Vierteln Wein, die die Gruppe getrunken hatte, taute die Stimmung auf. Mayrleeb und Oprschalek begannen, politische Reden zu halten, bei denen vor allem der junge Njegusch ganz rote Ohren bekam. Er unterbrach die beiden immer wieder mit Fragen, und Oprschalek musste ihm von seinen Begegnungen mit dem Wiener Arbeiterführer Franz Schuhmeier erzählen. Als die Gruppe zur Sperrstunde aus dem verrauchten Keller hinausgeschmissen wurde, zogen sie weiter in die Franzensbrückengasse, in ein Nachtcafé, in dem sich Praterhuren und deren Strizzis71 aufhielten. Dort soffen sie, bis der Morgen dämmerte. Im Vollrausch lallte Kaminsky:

»Jetzt wird’s schon hell und i muss in die Hack’n… So ein Schas… Am liebsten tät i alles anzünden!«

Oprschalek, der vor sich hindöste, war plötzlich hellwach. Er beugte sich zu Kaminsky über den Tisch und fragte lauernd:

»Was willst anzünden?«

»Na den Holzplatz, wo i arbeit’… So viel Holz. Schad d’rum. Des tät so schön brennen…«

»Geh, hör auf zu phantasieren!«, schaltete sich Mayrleeb ein. »Am besten gehst jetzt hin und tust so, wie wennst mit der Arbeit beginnen würdest. Später, wenn keiner schaut, suchst dir ein ruhiges Platzerl und schlafst deinen Rausch aus.«

»Das sind mir die richtigen Genossen«, höhnte Oprschalek. »Radikal am Wirtshaustisch, aber sonst brav wie die Lamperln…«

»Geh, Frantisek, des bringt doch nix, so einen Holzplatz abzufackeln! Wem g’hört der überhaupt?«

»Meinem Chef, dem Baumeister Schmeykal. Der is’ ordentlich g’stopft. Der hat sogar a riesige Villa. Aber unsereinem zahlt er g’rade so viel, dass man net verhungert.«

»Anzünden! Alles anzünden!«, schrie Njegusch mit rotem Schädel. Die Unterhaltung im Café erstarb und alle starrten auf den Tisch mit den fünf Männern. Mayrleeb stand abrupt auf und rief: »Zahlen!«, dann verabschiedete er sich von den anderen mit den Worten »Macht’s keinen Blödsinn!« und ging. Die restlichen vier steckten die Köpfe zusammen und tuschelten eine Zeit lang. Dann zahlten sie ebenfalls und gingen wankend hinaus in die frische Luft. Sie wanderten den Donaukanal entlang flussaufwärts, überquerten die Stephaniebrücke und spazierten ein Stück weiter bis zur Oberen Donaustraße. Dort kratzten sie ihre letzten Heller zusammen und lösten im 31er vier Fahrkarten. In Floridsdorf stiegen sie aus der Tramway aus und gingen durch das Zentrum des Industrievorortes in die Kaiserin Elisabeth-Straße, wo sich neben dem Nordbahnhof das Holzlager des Baumeisters Schmeykal befand. Es war kurz vor 6.00 Uhr früh und die Straßen waren menschenleer. Der Lagergehilfe sperrte das Schloss einer kleinen Eingangstür neben dem noch verschlossenen Haupttor des Lagerplatzes auf. Sie huschten hinein und folgten ihm zu der Holzbaracke, die als Büro diente. Auch hier sperrte Kaminsky auf. Er hatte allerdings keinen Schlüssel für das Büro des Lagerleiters. Oprschalek trat die Tür ein und durchsuchte das Büro. Die verschlossene Handkasse knackte er mit Werkzeug, das Kaminsky herbeigeschafft hatte. Die anderen beiden hatte er mittlerweile um Petroleum geschickt. Als sie ein Petroleumfass ins Büro rollten, ließ er sie eine Petroleumspur durch die Baracke hindurch hinaus zu den gelagerten Holzstapeln legen. Aus der Weste seines Anzugs nahm er eine Schachtel Schwefelhölzer, entzündete eines, hielt es einen Augenblick brennend in die Luft und warf es dann in die Lacke zu seinen Füßen. Mit einer fauchenden Stichflamme begann das Petroleum zu brennen. Fasziniert betrachteten die vier Männer, wie das Feuer die Petroleumspur entlangkroch. Oprschalek griff in die Sakkotasche, nahm ein Bündel Kronen-Scheine heraus und teilte sie unter den Anwesenden auf. Dann sagte er aufgekratzt:

»So, meine Herren! Hier hamma alles erledigt. Gemma!«