KAPITEL 11

Nachdenklich ging Alix zurück ins La Plazuela und setzte sich wieder an ihren Tisch, auf dem noch immer ihr nun kalter Kaffee stand. Aber bevor sie wieder in Gedanken versinken konnte, stand Chris an ihrem Tisch, nahm sich den Stuhl ihr gegenüber und ließ sich mit ihren ganzen ein Meter fünfundachtzig darauffallen. Alix hatte sie schon erwartet. Irgendwann nachts hatte Chris einen Zettel unter ihrer Tür durchgeschoben, auf dem sie einen frühen Brunch in diesem Restaurant vorschlug.

»Morgen, Chris, wie geht’s …«

»Kaffee«, krächzte Chris. »Ich brauche Kaffee, dringend.«

»Hier, trinken Sie meinen. Ich habe ihn nicht angerührt. Ist aber sicher kalt.«

»Egal.« Chris packte die Tasse mit beiden Händen, so wie jemand in einem Rettungsboot nach drei Tagen auf hoher See nach einem Blechnapf Süßwasser greifen würde, trank die Tasse mit drei großen Schlucken fast leer und seufzte dankbar. »So, jetzt geht’s mir besser. Ich fühle mich wieder wie ein Mensch. Gleichfalls guten Morgen«, sagte sie ein bisschen lebendiger.

Chris hatte offensichtlich nicht viel geschlafen, aber sie war wie immer makellos gestylt; diesmal im modernen Südwest-Stil: aktuelle taillierte Navajo-Bluse aus Rohseide, Navajo-Lotusblütenkette aus Silber und Türkis, passende Ohrringe, zwei silberne Armreifen, Jeans und hochhackige Stiefel. Aber als sie ihre teure Rundum-Sonnenbrille ins Haar schob, verrieten sie ihre blutunterlaufenen, müden Augen.

Sie schüttelte den Kopf. »Mann, was für eine Nacht.«

»Wann hat die Polizei Sie denn endlich gehen lassen?«

»Um eins. Und Sie?«

»Um eins? Ich war um halb elf wieder im Hotel.«

»Na ja, Liz und ich kannten uns seit Jahren. Sie hatten jede Menge Fragen.«

»Haben Sie …« Alix zögerte. »Haben Sie denen das… na, Sie wissen schon, das mit Craig erzählt?«

Chris spielte mit ihren Armreifen und biss sich auf die Lippe. Dann sagte sie schulterzuckend: »Ja.«

»Die ganze Geschichte?«

»Ja.« Sie trank den Kaffee aus. »Ich habe mich total mies dabei gefühlt, ihn da mit reinzuziehen. Er konnte natürlich gar nichts damit zu tun haben. Aber die Polizei muss über so was einfach Bescheid wissen.«

Alix nickte. »Ja, stimmt wohl. Und wenn sie es später rausgefunden hätten …«

»Das hätten sie garantiert.«

»… dann hätten sie sich gefragt, warum Sie nichts gesagt haben.«

»Eben. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gefühl dabei. Wahrscheinlich haben sie ihn schon zum Verhör vorgeladen. Hoffentlich nimmt er es mir nicht übel.«

»Nein, sicher nicht, Sie haben richtig gehandelt, Chris.« Ganz so sicher war sie sich dessen nicht, aber Chris brauchte offensichtlich ein wenig Zuspruch. Und Alix brauchte Schmerztabletten. »Chris, Sie haben nicht zufällig Aspirin dabei? Ich habe leichte Kopfschmerzen.«

Chris schüttelte den Kopf. »Nicht bei mir. Hier gibt’s aber einen Souvenirladen. Wollen Sie …«

»Nein, ich kann warten, so schlimm ist es nicht. Essen wir erst mal was.«

Sie bestellten noch Kaffee, außerdem huevos rancheros für Alix und für Chris Steak-Garnelen-Fajitas und zusätzlich einen Caesar salad. Während sie warteten, berichtete Alix ihr von ihrem morgendlichen Besuch auf der Polizeistation. Als sie erwähnte, dass sie dort auf de Beauvais getroffen war, der kurzzeitig seinen affektierten Akzent abgelegt hatte, wurde Chris ganz Ohr, aber was sie ganz besonders aufhorchen ließ, war die Nachricht, dass das O’Keeffe-Bild nach einer Fälschung aussah.

»Eine Fälschung? Liz hat versucht … mich reinzulegen?«

»Nun, es ist ja nicht sicher, dass sie es überhaupt wusste, Chris. Es ist sehr gut gemacht und vielleicht ist sie auch drauf reingefallen.«

»Ja klar.«

»Es ist doch möglich. Außerdem bin ich ja auch noch nicht hundertprozentig sicher, dass es sich um eine Fälschung handelt. Ich habe mich auch schon mal geirrt.« Sie lächelte. »Natürlich nicht sehr oft.«

Chris nippte an ihrem frischen Kaffee und dachte nach. »Also wozu raten Sie mir?«

»Sagen Sie mal«, fragte Alix, »wie ist denn die rechtliche Situation, was das Bild angeht? Gilt die Abmachung mit Liz überhaupt noch? Jetzt, wo sie … wo sie tot ist?«

»Aber klar. Es ist ein rechtsgültiger, unterzeichneter Vertrag. Die Erben werden sich dran halten müssen. Und ich auch.«

Die Bedienung kam und servierte ihnen ihr Essen. Keine von beiden rührte etwas an. »Und gemäß Vertrag«, sagte Alix, »gehört das Bild Ihnen, wenn Sie es wollen, aber Sie müssen es nicht nehmen, ist das richtig?«

»Nicht ganz. Es gehört mir, außer wenn ich mich bis zum Dreizehnten – Mittwoch – anderweitig entscheide.«

»Dann haben Sie noch drei Tage Zeit.«

»Stimmt. Also wozu raten Sie mir denn jetzt? He, es wird ja alles kalt. Essen wir erst mal was.«

Alix hatte gedacht, sie hätte keinen Hunger, aber bei dem Duft von Spiegeleiern, Käse und grünen Chilis lief ihr das Wasser im Mund zusammen und eine Weile widmeten sich beide genussvoll ihrem Essen. Als sie ihr Essen halb verputzt hatte, kam Alix wieder auf das Thema zu sprechen. »Wozu ich Ihnen rate …«, sagte sie nachdenklich. »Also ich fühle mich moralisch dazu verpflichtet, Ihnen zu raten, die Finger davon zu lassen. Es ist so vieles ungeklärt. Es gibt einfach zu viele Probleme. In Zukunft kommen auch noch O’Keeffe-Bilder auf den Markt. Warum also ausgerechnet dieses? Es kommt mir alles viel zu merkwürdig vor, Chris. Fliegen Sie zurück nach Seattle und heben Sie sich das Geld für etwas anderes auf. So sieht mein Rat aus. Der Rat, zu dem ich mich moralisch verpflichtet fühle.«

Chris verschlang ein Stück aufgerollter, mit Rindfleisch, Zwiebeln und grüner Paprika gefüllter Tortilla und spülte es mit Kaffee hinunter. »Bei allem Respekt, aber ich lehne Ihren Rat ab. Ich stecke schon bis über beide Ohren in diesem Geschäft drin und ich lasse es jetzt nicht sausen, als wäre nichts gewesen. Wir haben immerhin noch drei Tage. Ich hänge mittlerweile an diesem Bild und bevor ich das Handtuch werfe, möchte ich wenigstens wissen, ob es echt ist oder nicht. Also wie sieht Plan B aus? Sie können mich mal mit Ihrer moralischen Pflicht.«

Freut mich für dich!, dachte Alix in einer Gefühlsaufwallung. »Ganz meiner Meinung. Also Plan B sieht so aus: Ich gehe erst mal rüber zum Museumsarchiv, um mehr über die Geschichte des Bildes herauszufinden. Und in den verbleibenden drei Tagen versuchen wir, mit absoluter Sicherheit zu bestimmen, ob das Bild echt ist oder nicht. Und danach … Nun, das kommt drauf an, was wir herausfinden.«

»Reichen drei Tage denn, um herauszufinden, ob es echt ist?«

Alix zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch nicht, aber ich glaube schon.«

»Aber wie denn? Ich dachte, es dauert Wochen, bis man die Untersuchungsergebnisse von Material, Pigmenten und was weiß ich kriegt.«

»Ja klar, aber mit so was gebe ich mich gar nicht erst ab«, sagte sie und gab Chris eine Zusammenfassung des Vortrags, den sie de Beauvais in der Asservatenkammer gehalten hatte. »Also verlasse ich mich eher auf …«

»Den guten alten Kennerblick?«

»Genau.«

Chris war mit dem Essen fertig. Sie ließ sich noch Kaffee nachschenken und sah Alix mit ernstem Gesichtsausdruck an. »Die Sache mit dem Kennerblick«, sagte sie, »die wollten Sie mir schon mal erklären, aber ich habe gesagt, ein andermal. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit. Was ist das denn genau?«

»Genau? So einfach ist das nicht zu erklären.« Alix aß die letzten Happen ihres Frühstücks, während sie ihre Gedanken sammelte. »Im Grunde geht es darum, sich in den Künstler hineinzuversetzen: zu sehen, was er gesehen hat; zu verstehen, was er ausdrücken will, und zu untersuchen, wie er es ausgedrückt hat – die Farben, die Komposition, der Farbauftrag –, und ob das alles auch zu dem fraglichen Künstler passt.«

Chris runzelte die Stirn. »Aber was ist daran so besonders? Machen das nicht alle Kunstexperten so?«

»Ja, aber wenn man den richtigen Blick hat, macht man es fast instinktiv. Zumindest kommt es einem so vor. Man muss keine Bücher wälzen oder das Bild mit anderen Arbeiten des Künstlers vergleichen oder etwas in der Art. Man weiß es einfach.«

Chris sah sie misstrauisch an. »Nehmen Sie es mir nicht übel, Alix, ich vertraue Ihnen ja, aber … also das hört sich für mich ein bisschen nach einer Zirkusnummer an. Wie Hokuspokus. Ich meine: Sie wissen es einfach? Das klingt nun wirklich nicht sehr vertrauenerweckend.«

»Mit der Meinung sind Sie nicht allein«, sagte Alix und lachte. »Nur wenige Menschen haben dieses Talent. Man kann es nicht lernen, allerdings braucht es Schulung, damit es auch funktioniert. Ich habe es anscheinend von meinem Vater geerbt.«

»Na ja, aber ehrlich … Sie wissen es einfach?« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist einfach nicht …«

»Also gut … Wenn ich Ihnen zwei Handschriftenproben zeige, eine von Ihnen und eine von jemand anderem, dann wären Sie doch in der Lage, Ihre eigene Schrift zu erkennen, oder nicht?«

»Klar, das kann doch jeder.«

»Genau. Aber woher wissen Sie denn so genau, welche Schrift Ihre ist?«

»Mal sehen …« Chris holte einen Kugelschreiber heraus, kritzelte ein paar Wörter auf eine Serviette und betrachtete sie eingehend. »Okay, meine Handschrift zeichnet sich durch gewisse Besonderheiten aus. Beim g mache ich unten eine Schlaufe, aber beim y nicht. Das ist sicher ungewöhnlich. Und auf meine i mache ich meistens einen kleinen Kreis, aber nicht immer, und …«

Alix riss ihr die Serviette weg. »Und ohne das hier, also eine Vergleichsprobe, wären Sie nicht in der Lage, Ihre Handschrift zu erkennen?«

»Doch, natürlich, ich würde sie auf Anhieb erkennen. Ich wollte nur erklären …«

»Aber woran würden Sie sie auf Anhieb erkennen?«

»Ich weiß nicht, woran, Alix, ich würde sie halt erkennen.«

»Sehen Sie«, sagte Alix, »Sie haben soeben den Kennerblick beschrieben. Bei Ihrer eigenen Schrift haben Sie den auch. Jeder hat ihn. Es gibt hunderte Merkmale, an denen Sie Ihre eigene Schrift erkennen – g mit Schlaufe, y ohne Schlaufe –, aber Sie müssen sie nicht bewusst einzeln durchgehen. Es passiert automatisch und unmittelbar. Sie schauen einmal kurz hin … und Sie wissen es einfach

Chris’ Stirnrunzeln war verschwunden. »Verstehe. Und das können Sie tatsächlich auch bei Bildern?«

»Nicht bei jedem Künstler, aber bei ziemlich vielen, und Georgia O’Keeffe ist anscheinend eine von denen, für deren ästhetisches Empfinden ich sensibel bin.«

»Ich frage lieber erst gar nicht, was das heißen soll.«

»Gut, ich weiß es nämlich auch nicht so genau. Ich weiß, dass es so ist, aber ich versuche lieber erst gar nicht, es zu erklären oder es genau zu analysieren. Es ist, als hätte man eine Gans, die goldene Eier legt. Es wäre nicht sehr klug, sie zu schlachten, um herauszufinden, wie sie das macht.«

Chris nickte langsam, trank ihren Kaffee aus und ließ das Gesagte auf sich wirken. »Okay, mehr oder weniger kapiere ich es jetzt, aber Sie haben ja schon einen Blick auf das Bild geworfen und Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass es eine Fälschung ist. Was bleibt denn in den nächsten drei Tagen noch zu tun?«

»Ich will sehen, ob ich mein Urteil bestätigen kann«, antwortete Alix prompt. »Wie gesagt bin ich nicht zu hundert Prozent sicher.« Sie lächelte. »Nur zu siebenundneunzig Prozent. Und jetzt muss ich so tief in die Welt von Georgia O’Keeffe eintauchen wie nur irgend möglich. Ich muss die Welt mit ihren Augen sehen und fühlen wie sie. Auf dem Bild wird die Ghost Ranch dargestellt. Die liegt ganz weit draußen, zwei bis drei Stunden nördlich von hier. Sie hat sich in den Ort verliebt und dann diese kleine, einsame Hütte und ein Stück Land gekauft, am Fuß der Felsen, ganz abgelegen. Auch meilenweit von den Gebäuden der Ranch entfernt. Mit über vierzig ist sie hin und hat dort gelebt und gearbeitet, bis sie über neunzig war – fünfzig Jahre lang. Ich würde gern hinfahren und mir die Gegend selbst ansehen.«

»Mit über neunzig hat sie noch gemalt?«

»Und dann hat sie auch nur aufgehört, weil sie blind wurde.«

»Ja, ich kann mir vorstellen, dass das hinderlich war.«

»Und dann hat sie eben angefangen zu töpfern. Das hat sie bis zu ihrem Tod gemacht. Sie ist nur wenige Monate vor ihrem neunundneunzigsten Geburtstag gestorben.

»Was für eine Frau«, sagte Chris.

»Es gäbe noch viel mehr über sie zu erzählen.« Alix war froh, dass sie sich nach Chris’ Anruf einiges angelesen hatte. »Na ja, jedenfalls ist die Ghost Ranch jetzt ein Konferenzzentrum – schon seit über fünfzig Jahren – und wenn Zimmer frei sind, kann man dort übernachten. Und das habe ich vor.«

»Sie wollen da hochfahren?«

»Ja, aber unterwegs will ich auch in Taos Halt machen. Taos war ihre erste Station hier in der Gegend. Haben Sie schon mal was von Mabel Dodge Luhan gehört?«

Chris runzelte die Stirn. »Nicht viel … eine reiche Frau, schillernde Persönlichkeit, avantgardistisch … in den Zwanziger- und Dreißigerjahren eine große Nummer in der Kunstszene von Taos, meinen Sie die? Die kannte jeden: D. H. Lawrence, Ansel Adams, Martha Graham …«

»… und Georgia Totto O’Keeffe«, sagte Alix. »Sie schmiss gern Partys und bei ihr traf sich alles, was im Kulturbetrieb Rang und Namen hatte, auch Georgia O’Keeffe. Sie war öfter bei Mabel zu Gast und hat viele Bilder von der Landschaft rund um das Anwesen gemalt. Da hat sie wohl ihre Liebe für New Mexico entdeckt. Ich bin sicher, ich habe irgendwo gelesen, dass das Haus noch steht. Hoffentlich erlaubt mir der jetzige Besitzer, mich darin umzusehen, damit ich die Stimmung aufnehmen kann. Ich will versuchen, es mit ihren Augen zu sehen und zu verstehen, warum sie ihre Zelte in New York angebrochen und dem angenehmen Leben und dem Erfolg den Rücken gekehrt hat.«

»Das ist ja alles schrecklich interessant, aber noch mal: Schaffen Sie das alles in drei Tagen?«

»Ich kann’s auf jeden Fall versuchen: zwei Orte in drei Tagen. Die Ghost Ranch ist etwas weiter, aber auch in ein paar Stunden zu erreichen. Warum also nicht?«, sagte sie zuversichtlich, zögerte dann aber. »Es gibt nur ein Problem.«

»Und zwar?«

»Ich brauche wenigstens einen Teil meines Honorars. Mietwagen, zwei Übernachtungen …«

»Natürlich können Sie das haben, aber es nicht nötig. Sie arbeiten schließlich für mich, also übernehme ich auch die Kosten.«

»Das stimmt nicht ganz, Chris. Ich mache es auch für mich selbst. Vielleicht sogar hauptsächlich aus eigenem Interesse.«

»Das sehe ich aber anders. Das ist immer noch vor allem meine Angelegenheit. Ich bin besonders betroffen, denn man hat vielleicht versucht, mir eine Fälschung anzudrehen; eine meiner ältesten Freundinnen ist umgebracht worden, und meine neueste Freundin musste auch beinah dran glauben. Ich will wissen, was hier gespielt wird. Also geht das auf meine Rechnung und damit basta. Ich komme übrigens mit, ob es Ihnen passt oder nicht.«

Alix passte es wirklich nicht. »Ich weiß nicht, Chris«, sagte sie zögernd. »Es musste schon jemand sterben und ich bin nur knapp mit dem Leben davongekommen. Wer weiß, was als Nächstes passiert? Ich hätte kein gutes Gefühl dabei, Sie mit reinzuziehen …«

»Mich mit reinziehen? Machen Sie Witze? Ich habe Sie doch mit reingezogen und ich lasse Sie auf gar keinen Fall ganz allein da oben durch die Wildnis irren. Und außerdem ist da noch was.« Ihr Gesicht verhärtete sich. »Ich will wissen, ob ich für Liz nur ein leichtes Opfer war, dem sie für drei Millionen eine Fälschung aufschwatzen wollte. Denn so langsam glaube ich, Sie haben recht, was die Affäre zwischen Liz und Craig angeht. Damit hätte sie mich jetzt zum zweiten Mal hinters Licht geführt. Aber ich will es eben genau wissen. Deshalb haben Sie mich am Hals und Sie können nichts dran ändern.«

Alix lächelte und entspannte sich. »Ich bin froh, dass Sie mitkommen. Es ist schön, jemanden dabeizuhaben«, sagte sie ehrlich. »Auch wenn dieser Jemand einen manchmal rumkommandiert.«

»Das will ich nicht gehört haben. Also …« Chris schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und stand auf. »Kommen Sie schon, Sie Expertin, wird dürfen keine Zeit verlieren. Wir holen Ihnen ein paar Aspirin und dann machen wir uns am besten direkt auf den Weg nach Taos. Wir vergeuden hier nur unsere Zeit. Es ist fast elf.«

Alix stand auch auf. »In Ordnung, aber ich brauche zuerst ein bisschen Zeit im Museumsarchiv. Ich habe heute Morgen erfahren, dass das Bild irgendwann in einer Galería Xanadu in Albuquerque angeboten wurde, und Mr Moody hat gesagt, sie hätten ein paar Kataloge von dieser Galerie. Ich hoffe, dort ein paar Informationen zu finden.«

»Mr Moody? Wer ist Mr Moody?«

»Der war gestern Abend auch auf der Eröffnung. Der Museumsarchivar. Fliege, Glatze …«

»Ach ja, ein verrückter kleiner Kerl. Ich erinnere mich«, sagte Chris und nickte. »Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht, verzichte ich darauf, den Herrn näher kennenzulernen. Ich besorge uns in der Zeit einen Mietwagen und buche Zimmer in Taos und auf der Ghost Ranch.«

»Gute Idee.«

»Als Sie vorhin gesagt haben, dass Sie das eher für sich selbst machen«, sagte Chris, als sie durch die Lobby zum Souvenirladen liefen, »was meinten Sie damit?«

Sie hörte mit Unbehagen zu, als Alix erklärte, wie sich die ganze Angelegenheit auf ihre Karriere auswirken könnte. »Oh Gott, und ich war nur mit mir selbst beschäftigt und habe gar nicht daran gedacht, was das alles für Sie bedeutet. Aber vielleicht werden ja in den Medien unsere Namen gar nicht genannt. Wir haben nur die Leiche gefunden, mehr nicht.«

Alix lachte bitter. »Mein Name wird garantiert genannt, wenn die Journalisten erst dahinterkommen, wer mein Vater ist:«

»Aber wie sollen die das denn rausfinden?«

»Keine Sorge, wahrscheinlich wissen sie es schon längst.«

»Haben Sie heute Morgen schon einen Blick in die Lokalzeitung geworfen?«

Alix schüttelte den Kopf. »Ich wollte gar nicht wissen, was da steht.«

»Ich aber schon.« Während Alix ihr Aspirin kaufte, warf Chris fünfzig Cent für die letzte Ausgabe des Santa Fe New Mexican auf die Theke. »He, Liz ist auf der Titelseite: ›Galeristin ermordet – Polizei jagt Täter‹«, las sie laut vor und überflog dann die Spalte, blätterte um, um die Fortsetzung zu suchen und breitete die Zeitung auf dem Tresen aus. Sie las leise weiter und seufzte dann. »Ich fürchte, Sie haben recht. Wir werden beide erwähnt, weil wir Liz gefunden haben, und dann steht da noch: ›Alix London ist die Tochter des berühmt-berüchtigten New Yorker Restaurators Geoffrey London, der in einem spektakulären Kunstfälscher-Prozess zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Ms London soll sich nach wie vor in Santa Fe aufhalten, ihr genauer Aufenthaltsort ist jedoch unbekannt. Auf Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hat sie bisher nicht reagiert. Auch ihr Vater, der seit seiner Haftentlassung in Seattle einen Kunstimport betreibt, war bisher telefonisch nicht zu erreichen.‹«

»Die haben Geoff angerufen?«, sagte Alix schaudernd. »Dann weiß er Bescheid. Er muss krank vor Sorge sein.«

»Da steht, dass sie ihn nicht erreicht haben.«

»Chris, mein Vater würde sich niemals die Gelegenheit entgehen lassen, mit den Medien zu sprechen. Wenn er jetzt nicht zu erreichen ist, dann deshalb, weil ein anderer Reporter schon mit ihm gesprochen hat, und er weiß, was die übrigen von ihm wollen. Ich wette, er hat schon ein Dutzend Nachrichten auf meinen AB gesprochen.«

»Aber hätte er nicht auch versucht, Sie auf dem Handy zu erreichen?«

»Nun …« Alix spürte, wie sie rot wurde. »Ich habe ihm die Nummer nie gegeben.«

»Ihr eigener Vater kennt Ihre …?« Sie unterbrach sich. »’tschuldigung, geht mich nichts an. Kommen Sie, gehen wir zurück zur Hacienda.«

»Es ist nur, weil …«

»Sie müssen mir nichts erklären, Alix. Es geht mich nichts an«, sagte sie wieder.

Alix seufzte und lächelte blass. »Es würde auch zu lange dauern.«

Die Hacienda Encantada war nur zwei Blocks vom La Fonda entfernt und sie brauchten nur ein paar Minuten. Als sie das Hauptgebäude betraten, sah Alix auf ihre Uhr. »Also ich schätze, ich bin so gegen halb eins im Museum fertig. Dann können wir uns auf den Weg nach Taos machen.«

»Großartig. Ich besorge den Mietwagen und warte hier auf Sie.«

»Aber zuerst muss ich meinen Vater anrufen.«