KAPITEL 1

Seattle, 5. Oktober 2010

Die Eigentumswohnung im dreizehnten Stock des Hauses in Belltown, einem schicken Viertel von Seattle, bot eine umwerfende Aussicht: Der Puget Sound funkelte im fahlen Sonnenlicht des Nordwestens, grün-weiße Fähren glitten wie Spielzeugboote auf ihrem Weg nach Bainbridge Island oder zur Stadt aneinander vorbei, und in der Ferne thronten die gletscherbewehrten Gipfel der Olympic Mountains.

Alix London saß beim Fenster, ohne dieses grandiose Spektakel zu beachten. Ihr Blick, ihre ganze Aufmerksamkeit, jede Faser ihres Seins waren auf das zehn Quadratzentimeter große Segment einer Leinwand konzentriert, auf dem der untere Teil einer Gartenmauer zu sehen war. An dieser einen Stelle hatte die Farbe des fünfundneunzig Jahre alten Ölgemäldes begonnen abzuplatzen und abzublättern. Mit einem weichen Pinsel hatte sie behutsam ein Gemisch aus Bienenwachs und Dammarharz auf die Stelle aufgetragen. Ihre Zunge schaute zwischen den Zähnen hervor, als sie nun mit unendlicher Sorgfalt einen angewärmten Spachtel benutzte, um jedes einzelne abgeblätterte Teilchen wieder sachte auf der Leinwand festzudrücken.

Dies war der schwierigste Teil des gesamten Reinigungs- und Restaurierungsprozesses und bei Weitem der nervenaufreibendste. Es handelte sich schließlich nicht um eins dieser Werke, die sie sonst behandelte, nicht um irgendein trübfarbiges Bild »im Stil von …« aus einem »Antiquitätengeschäft« unter dem Alaskan Way Viaduct, sondern um ein gut dokumentiertes Werk aus der Weißen Periode des halb wahnsinnigen, alkoholabhängigen Impressionisten Maurice Utrillo. Alix wusste, dass Katryn, der die Wohnung gehörte, bei einer Auktion bei Christie’s 185 000 Dollar dafür bezahlt hatte.

Schweiß rann ihr über die Schläfen, als sie eine winzige Partikel festdrückte und schließlich erleichtert ausatmete. Sie schnallte sich die Doppellupe vom Kopf, blinkte sich den Schweiß aus den Augen und begutachtete ihr Werk haargenau.

Einfach perfekt. Wunderschön. Puh! Erleichtert lehnte sie sich zurück. Der Rest war ein Kinderspiel. Sie musste nur …

Das Telefon neben ihr surrte. Während sie noch die Dorfszene studierte, nahm sie ab.

»Hallo?«

»Guten Morgen, mein Liebes«, schnurrte eine fröhliche Stimme mit englischem Akzent. »Einen wunderschönen Tag wünsche ich. Es geht dir doch hoffentlich gut?«

»Ja, danke, Geoff«, sagte sie schroff. Sie verzichtete bewusst darauf, sich nach seinem Befinden zu erkunden.

Aber diese Art Begrüßung war er von seiner Tochter gewohnt und wie üblich ging er einfach darüber hinweg. »Die neuste Ausgabe der Art News müsste heute in der Post gewesen sein. Hast du schon einen Blick hineingeworfen?«

»Nein, Geoff, noch nicht.« Warum sie es nicht über sich brachte, ihrem Vater zu gestehen, dass sie sich das Abonnement der Art News für 39,95 Dollar im Jahr nicht leisten konnte – zumal sie sie in der Bibliothek des Kunstmuseums von Seattle kostenlos lesen konnte –, das war ihr schon seit Längerem ein Rätsel. Schließlich war sie nur deshalb in Finanznöten, weil er auf so spektakuläre Weise ihr Leben ruiniert hatte.

»Die Ausstellung?« In Gedanken war sie noch bei dem Utrillo.

»Zudem bin ich überzeugt, dass ich nicht einfach übersehen wurde. Helen hat mich absichtlich ausgeschlossen. Sie hatte noch nie viel für mich übrig, weißt du?« Sie vernahm ein ganz leises Kichern. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.«

»Äh … Helen?«

»Helen Hall-Duncan? Oberkuratorin am Bruce Museum? Greenwich, Connecticut?«

»Ähmm …«

»Hallo? Jemand zu Hause?«

»Entschuldige, Geoff. Ich habe an etwas anderes gedacht.«

»Am Bruce Museum«, wiederholte er geduldig. »Wir waren mal zusammen da, du und ich, als du noch ein kleiner Fratz von neun Jahren warst. Ich habe dich zu dieser reizenden Ausstellung mit lauter Hundebildern mitgenommen. Du warst ganz begeistert. Daran erinnerst du dich doch sicher noch.«

Nein, tat sie nicht, aber Geoffrey London hatte seine kleine Tochter in so viele Museen mitgeschleppt, dass sie sie nicht mehr auseinanderhalten konnte. »So vage«, sagte sie. Sie hatte eigentlich sagen wollen, sie sei beschäftigt, und dann auflegen, aber jetzt war sie neugierig. »Also womit hat dich diese Hall-Duncan denn so verärgert?«

»Verärgert? Mich? Nein, ganz und gar nicht. Ich wollte nur meine rechtschaffene Empörung ausdrücken, zu der ich, wieder du mir gewiss beipflichten wirst, allen Grund habe. Du weißt doch, dass dort eine neue Ausstellung eröffnet wurde? Fälschungen und Imitationen – die Kunst der Täuschung.«

Sie erinnerte sich. Er hatte die Ausstellung eine Woche zuvor mal erwähnt. »M-hm. Und wo liegt das Problem?« Verdammt, sie hatte eine winzige Farbpartikel übersehen. Noch nicht richtig abgeblättert, eher ein ganz kleines Bläschen. Aber sie musste sie behandeln, bevor sie endgültig abblätterte. Sie wollte die Stelle nicht mit noch mehr Harzlösung tränken, aber wenn sie den Spatel wieder anwärmte …

»Das Problem ist«, sagte er, »dass sie überhaupt kein Bild von mir haben! Nichts! Ich werde nicht mal erwähnt. Kannst du dir das vorstellen? Meine Constables waren doch mindestens genauso gut wie die von Keating, oder? Und meine Rouaults waren viel besser als die von Hebborn. Aber deren Arbeiten sind reichlich vertreten und ich … Ich werde nicht mal erwähnt! Das ist unverschämt, regelrecht kriminell.«

Alix schloss ihre Augen und atmete tief durch. Wer sonst hatte einen Vater, der meckerte – er war zwar heiter und freundlich dabei, aber es war trotzdem Meckern –, weil er nicht als Fälscher von Weltklasse gewürdigt wurde? Und wie um alles in der Welt hatte er sich nach allem, was er durchgemacht hatte, seinen alten Schwung bewahren können?

Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte damit gerechnet, dass er nach seiner Verurteilung wegen Fälschung, Diebstahl und Betrug als gebrochener Mann aus der achtjährigen Haft entlassen würde, als verschrumpelte Hülle seiner selbst. Er war immerhin ein hoch angesehener Konservator und Restaurator gewesen und sogar vier Jahre lang Oberkurator am Metropolitan Museum of Art und in der New Yorker Kunstszene allseits beliebt. Seine angenehm seidige Stimme mit englischem Akzent, seine sanften, strahlend braunen Augen, sein rauer Charme (in einem Artikel im New Yorker war er als »knuddelig« bezeichnet worden; sie hatte ihn selten so ärgerlich gesehen) und seine offensichtliche Freude am Umgang mit Leuten machten ihn zum gern gesehenen Gast bei Cocktailpartys und Empfängen in den Salons der Upper East Side.

Nach dem Gefängnisaufenthalt, so hatte sie vermutet, würde er sich in das Heer der gebrochenen Ex-Häftlinge einreihen. Er wäre immer noch sehr gefragt, kein Zweifel, aber nur bei den vielen düpierten und extrem wütenden Kunstsammlern, die ihn verklagen wollten.

»Weißt du, was meiner Meinung nach der Grund ist?« Geoff ließ nicht locker. »Es ist schiere Boshaftigkeit und Neid …«

Sie schüttelte den Kopf und seufzte. Sie hatte ihn eindeutig unterschätzt. Nun, da er schon fast ein Jahr aus der Bundesstrafanstalt der mittleren Sicherheitsstufe im kalifornischen Lompoc entlassen war und alle Rechtsstreite beigelegt waren, hatte er anscheinend die gleiche Idee wie sie gehabt, nämlich im Westen ein neues Leben anzufangen, und war in Seattle aufgetaucht (wollte er etwa schon wieder ihr Leben ruinieren?), wo er mit seinem bisschen Geld eine angeschlagene Handelsgesellschaft irgendwo im schmuddeligen, von Autobahnen zerschnittenen Industriegebiet der Stadt gekauft hatte. Venezia hieß die Firma, die sich darauf spezialisierte, Hotels und Restaurants mit importiertem Kunstschrott zu versorgen, so sagte er jedenfalls. Was er genau machte, wusste sie nicht und es interessierte sie auch nicht, aber es schien ihr kein gutes Zeichen, dass seine Angestellten offenbar alle alte Kumpel aus seinen Fälscherzeiten waren. Die meisten genau wie er ehemalige Sträflinge, aber die wenigsten Ex-Knackis hatten sein überschäumendes Temperament, seine stets positive Ausstrahlung oder waren – das musste sie ihm zugestehen – so von Grund auf liebenswert.

»Nun ja, du hast eine Menge Leute im Kunstbetrieb ziemlich verärgert, weißt du?«

»Das stimmt allerdings«, sagte er gelassen und sie wusste, er lächelte in diesem Augenblick sein unwiderstehliches spitzbübisches Lächeln. Sie musste selbst lächeln, als sie es sich vorstellte, und nur eine Sekunde lang wünschte sie sich, sie könnte es sehen. Sie hatte ihren Vater einst geliebt, von ganzem Herzen. Aber jetzt …

Zeit, das Thema zu wechseln. »Apropos Kunstbetrieb«, sagte sie, denn sie musste ihm gegenüber einfach ein bisschen angeben, »ich treffe mich heute Abend mit einer Sammlerin. Bei einem Stifterempfang im Museum. Wenn alles gut läuft, könnte das der Einstieg sein, auf den ich gehofft habe.«

»Ach ja? Noch mehr Reinigungsarbeiten?« Er hatte es nie ausgesprochen, aber sie wusste, er fand, die Gemäldereinigung würde ihren Fähigkeiten nicht gerecht.

»Nein, keine Reinigungsarbeiten. Beratung. Sie braucht fachmännische Beratung beim Kauf eines Kunstwerks und hat irgendwo gehört, ich sei die Richtige für den Job.«

»Na ja, es wird auch Zeit, dass die Leute endlich dein Talent erkennen«, sagte er mit väterlichem Stolz. »Du hast den absoluten Kennerblick, mein Liebes. Und ich bilde mir ein, dass es was mit deinen Genen zu tun hat.«

Damit hatte er vielleicht sogar recht, dachte sie. So lange sie zurückdenken konnte, drehte sich ihr ganzes Leben um Kunst. Als Jugendliche (bevor sie die Jungs für sich entdeckte) hatte sie so manche verzauberte Stunde nach der Schule in den Ateliers des Metropolitan Museum verbracht, um eifrig bei ihrem Vater zu lernen. Diese Leidenschaft zumindest hatte sie ihm zu verdanken.

»Und was sammelt deine geheimnisvolle Sammlerin so?«, fragte er. »Nicht schon wieder viktorianische Rasierschalen, hoffe ich doch.«

Für seine Verhältnisse ganz schön sarkastisch. Er spielte auf ihren vorherigen Berater-Job an. Er hatte ja keine Ahnung, dass viktorianische Rasierschalen ein Fortschritt gegenüber ihrem Job davor waren. Den hatte sie ihm tunlichst verheimlicht. Sie hatte einen Kunden beim Kauf von Aquariendekoration beraten – Keramiknippes wie überquellende Schatztruhen, blubbernde Tiefseetaucher und Seejungfrauen. Wer hätte gedacht, dass es für dieses Zeug eine richtige Bezeichnung gab oder Leute, die so was sammelten? Sie hatte den Auftrag hauptsächlich angenommen, weil der Kunde ein hohes Tier bei Microsoft war und sie gehofft hatte, dass er sie anderen Leuten aus der Branche empfehlen würde, die vielleicht eher auf ihrer Wellenlänge lagen. Sie hatte sich auch richtig für ihn ins Zeug gelegt und sich stundenlang im Internet und in Bibliotheken in die Materie eingearbeitet. Wie viele wertvolle Gehirnzellen hatte sie wohl mit diesem Unsinn gefüllt?

»Nein, nicht ganz«, sagte sie, jetzt selbst ein bisschen stolz. »Sie ist an Georgia O’Keeffe interessiert.«

Er war tatsächlich beeindruckt. »Alle Achtung! Das ist mal eine Künstlerin, mit der man sich gern beschäftigt. Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Tiny ist so was wie ein O’Keeffe-Experte. Der kann dir vielleicht ein paar Ratschläge geben.«

Tiny (eins zweiundneunzig groß, über hundertdreißig Kilo) war einer von Geoffs Ex-Knacki-Angestellten und auf seine eigene träge, gutmütige Art fast so charmant wie ihr Vater. Er hätte selbst einen hervorragenden Künstler abgegeben – Mischtechnik in Aquarell und Pastell –, aber leider malte er nur zu gern Homers und Whistlers und deshalb hatte er auch gesessen. In ihrer Kindheit hatte sie ihn »Onkel Beniamino« genannt, und auch wenn er nicht mit ihr verwandt war, war er doch ihr absoluter Lieblingsonkel gewesen. Aber das lag weit zurück und sie war kein Kind mehr.

»Danke, Geoff, ich werde dran denken, aber ich muss jetzt Schluss machen. Der Utrillo wartet.«

»Utrillo, aha? Ich habe mal in anderthalb Tagen einen Utrillo hingehauen, der genauso gut war wie ein echter – sogar besser, um ehrlich zu sein. Und wenn ich’s recht bedenke, wäre O’Keeffe auch kein Problem. Vielleicht nicht in anderthalb Tagen, aber schlag ein Motiv vor und natürlich die Periode und …«

»Bis dann, Geoff.«

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Was sollte sie zu dem Empfang anziehen?

Sie entschied sich für ein zeitlos schlichtes, aber elegantes Prada-Kostüm, dazu, um es richtig zur Geltung zu bringen, eine dünne Gliederkette, den Blumenjacquard-Blazer von Givenchy in Schwarz und Elfenbein mit den dezenten Schulterpolstern und als besonderen Pfiff die schwarz glänzenden Ferragamo-Sandaletten mit den Acht-Zentimeter-Absätzen. Das perfekte Ensemble für so einen Anlass: halb Geschäftstreffen, halb schicke Cocktailparty.

Sie hatte gerade mal zwei Minuten gebraucht, um das Outfit auszuwählen. Es war nämlich ihr einziges Outfit für Geschäftstreffen-Cocktailpartys. Oder für Geschäftstreffen im Allgemeinen. Oder für Cocktailpartys, schick oder nicht. Oder irgendeinen anderen öffentlichen Anlass. Alix hatte zwar eine klassische Garderobe, aber keine sehr umfangreiche. Und es war nichts Neues dabei. Fast alles war Kommissionsware aus Le Frock, einem Secondhandshop im ärmlicheren Teil von Capitol Hill, quasi direkt unter der Interstate 5.

Es hatte mal eine Zeit gegeben, dachte sie verträumt, da hatte sie ihre Kleider direkt im Designerladen gekauft. Das schien eine Ewigkeit her zu sein. Als wäre es das Leben einer anderen gewesen. Ihr war einfach alles in den Schoß gelegt worden. Für sie war es selbstverständlich gewesen, in der Upper East Side zu wohnen, eine Privatloge in der Metropolitan Opera zu haben, den Sommer mit der Familie in Watch Hill, einem exklusiven Seebad auf Rhode Island, zu verbringen (»Wie im großen Gatsby«, pflegte ihr Vater zum erheblichen Ärgernis ihrer Mutter zu sagen) und mit den Reichen und Mächtigen zu verkehren. Aber all das hatte schlagartig ein Ende, als Geoff vor Gericht landete. Das Vermögen der Familie wurde von endlosen Anwaltskosten und Vergleichszahlungen aufgefressen und war bald nur noch eine blasse Erinnerung. Das war ein böser Schock gewesen. Der einzige Trost war – wenn es man überhaupt so nennen konnte –, dass ihre Mutter zwei Jahre zuvor gestorben und ihr der Skandal erspart geblieben war.

Alix stand in Harvard kurz vor dem Abschluss und obwohl die Anwälte die sechzigtausend Dollar, die von dem für ihr Studium zurückgelegten Geld noch übrig waren, nicht antasteten, schmiss sie es trotzdem und ließ das Geld bis auf den letzten Cent für Geoff beiseitelegen, aber unter der Bedingung, dass er nicht erfahren durfte, woher es stammte. (Sie wollte nicht von seiner Dankbarkeit erdrückt werden.) Stattdessen sollte er glauben, es handelte sich um Überreste seines einstigen Vermögens. Ihr Studium aufzugeben war ihr sehr schwergefallen. Aber er war immer noch ihr Vater und er wäre fast siebzig, wenn er aus dem Gefängnis kam, verarmt und sein Ruf ruiniert. Die sechzigtausend plus Zinsen sollten ihm über seine verbleibenden Jahre hinweghelfen. So kam es dann auch. Er hatte damit sein neues Geschäft gegründet.

Sie hatte damals gehofft, vielleicht irgendwann in Harvard weiterstudieren zu können, aber das Leben und die Notwendigkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, hatten ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ruckartig schüttelte sie den Kopf. Das lag weit zurück, sagte sie sich jetzt schon zum zweiten Mal. Sie sollte sich eher Gedanken über die Zukunft machen.

Und trotzdem musste sie immer noch an Geoff denken. Er hatte bisher noch nicht die Dreistigkeit besessen, bei ihr aufzutauchen, aber er rief regelmäßig an und störte sich kein bisschen an ihrer frostigen Reaktion oder daran, dass sie nie zurückrief. Offenbar war eine Szene nötig, ein Treffen von Angesicht zu Angesicht, damit er es endlich kapierte. Bei dem Gedanken daran graute es ihr.

Es schien ihm ganz gut zu gehen – oder zumindest tat er so und zwar sehr überzeugend. Ihre »Karriere« hingegen und eigentlich auch ihr Leben ließen einiges zu wünschen übrig. Aber Alix war, ganz der Vater, nicht nur eine Überlebenskünstlerin, sondern sie sah auch immer das Positive. Nun, meistens jedenfalls. Schließlich lief es doch ganz gut für sie. Sie wohnte in dieser tollen Eigentumswohnung in Seattle. Signor Santullo, der wunderbare alte Mann, bei dem sie in Europa gelernt hatte, hatte das von Rom aus für sie in die Wege geleitet, schon bevor sie in die Staaten zurückgekehrt war: ein Jahr mietfreies Wohnen, während Katryn in der Provence war, und als Gegenleistung reinigte und restaurierte sie sechs Gemälde aus Katryns eindrucksvoller Sammlung von Spätimpressionisten. Wenn das kein Glück war! Die Arbeit ließ ihr sogar noch genug Zeit für andere Jobs, um ihre wenigen Ausgaben zu bestreiten. Und heute erst hatte sich eine wunderbare neue Chance aufgetan …

Sie richtete sich auf, betrachtete sich ein letztes Mal in dem mannshohen Spiegel, zupfte eine Locke an ihrer Schläfe zurecht, rückte ihren Rockbund gerade und dann war es auch schon Zeit.

Die Show konnte losgehen.