EPILOG
Über die Jahre hinweg machten sie sich regelmäßig auf den Weg zu dem Familiengrab auf dem kleinen Friedhof am Rand von Dallas. Das Baby lag dort beerdigt, genauso wie Marcus Sealys Ehefrau und Eltern, sein Sohn und seine Schwiegertochter, ein Bruder und eine Schwester. Schließlich war auch Marcus selbst dort beigesetzt worden.
Jedes Mal kniete Trey am Grabstein des Babys nieder und zupfte an den Grashalmen, die der Gärtner übersehen hatte, während Olivia einen Strauß Rosen auf das Grab legte.
Dann standen sie Arm in Arm da und lasen stumm die Inschrift des Grabsteins. Es war das Einzige, was sie tun konnten, um der Welt zu zeigen, dass ein kleines Mädchen mit dunklen Locken und Stupsnase für kurze Zeit gelebt hatte.
Olivia hatte sich an die Trauer gewöhnt, die sie empfand, wenn sie an ihre Halbschwester dachte, an die sie sich nicht erinnern konnte. Indem sie regelmäßig ihr Grab besuchte, sorgte sie dafür, dass sie sie nie vergaß.
Auch an diesem Tag vollzogen sie das stets gleiche Ritual und betrachteten den Grabstein, auf dem über dem Geburts- und dem Sterbejahr eingraviert stand:
Sophie Sealy
Nun ruht sie bei den Engeln
“Ruhe in Frieden, kleines Mädchen”, sagte Trey leise und legte einen Arm um Olivias Schultern, dann zog er sie an sich. Wieder war ein Jahr vorüber. Die Zeit verging viel zu schnell.
Sie fassten sich an den Händen, als sie zurück zum Wagen gingen. Irgendein Geräusch ließ Trey innehalten und aufhorchen.
“Was ist?” fragte Olivia, da er stehen geblieben war.
Er lauschte, dann zuckte er mit den Schultern. “Ich dachte, ich hätte etwas gehört. Aber ich habe mich wohl geirrt.”
Sie gingen weiter zum Wagen. Hätten sie einen Moment länger gewartet, dann hätten sie es vielleicht gehört – das leise Lachen eines Kindes und das Geräusch kleiner Füße, die durch das Laub trippelten.
– ENDE –