13. KAPITEL

Foster hatte sich nie zuvor auf der Seite des Rechts befunden. Er überlegte, ob er bleiben und den Ruhm einstreichen sollte, mit dem die Medien ihn überschütten würden. Aber wenn er sich nicht bald absetzte, würde ihm dieser Ruhm auch nichts einbringen.

“Hey, Mister! Sehen Sie zu mir! Hierher!” rief ein Reporter.

Er sah auf und stellte fest, dass eine Kamera auf ihn gerichtet war. Am liebsten hätte er sich abgewendet, doch er war so überrascht, dass er wie erstarrt dreinblickte.

Der Kameramann kam näher, der Reporter hielt ihm ein Mikrofon dicht vor den Mund, nachdem er gefragt hatte: “Wie war das dort oben auf dem Dach? Dachten Sie, Sie müssten sterben?”

“Ähm …”

Weiter kam Foster nicht, da sich in diesem Moment ein weiterer Reporter zu ihnen stellte. “Wie heißen Sie? Wissen Sie, was das Feuer ausgelöst hat? Ist der Mann, den Sie gerettet haben, Ihr Freund?”

Foster hob den Arm vors Gesicht und tat so, als sei er von den Ereignissen überwältigt.

“Aus dem Weg!” rief ein Sanitäter, packte Foster am Arm und begann, ihn auf eine Trage zu ziehen. Gerade als sie ihn festschnallten, kam Trey dazu und hielt seine Dienstmarke hoch.

“Wohin bringen Sie ihn?” fragte er.

“Dallas Memorial”, erwiderte der Sanitäter und schob die Trage zum bereitstehenden Rettungswagen.

Trey nickte nur, schloss die Tür hinter den beiden und gab dem Fahrer ein Zeichen, dass er losfahren konnte.

Während sich der Rettungswagen auf den Weg machte, sah sich Trey um und entdeckte Chia, die ein paar Meter entfernt stand. “Wie sieht’s aus?” fragte er, nachdem er zu ihr gegangen war.

Sie strich sich eine Locke aus der Stirn. “Wir haben mindestens vier Tote. Verdacht auf Brandstiftung. Mehr kann ich noch nicht sagen.”

“Warren hat mir gesagt, du und Dave, ihr würdet den Fall übernehmen. Was soll ich tun?”

Chia überflog ihre Notizen, dann erklärte sie: “Du kannst dem Rettungswagen ins Dallas Memorial nachfahren und unseren großen Helden befragen. Vielleicht weiß er etwas, das uns weiterhilft.”

“Wird erledigt”, erwiderte Trey. “Sonst noch was?”

“Die Opfer mit den schwersten Verbrennungen haben sie bereits dort hingebracht”, überlegte Chia. “Du kannst ja mal nachfragen, ob ihnen irgendetwas aufgefallen ist. Dave und ich kümmern uns hier um alles. Wir können nachher die Ergebnisse austauschen.”

Trey nickte, dann lief er zu seinem Wagen. Angesichts des Interesses der Medien an den Sealys war davon auszugehen, dass man in Kürze auch über den Brand in Marcus’ Haus berichten würde. Bevor es dazu kam, musste er Olivia informiert haben.

Olivia schlief fest, das Laken wirr um sich gewickelt. Der Arm war aus der Schlinge gerutscht und lag quer über der Brust. Auf ihr Drängen hin war die Kanüle entfernt worden, dafür war an der Stelle, an der die Nadel gesessen hatte, ein großer blauer Fleck zu sehen. Ihr Gesicht war mit Kratzern und blauen Flecken überzogen, die alle im Heilen begriffen waren. Die Haare waren ein Wust aus Locken, die sie auf dem Kopf zusammengebunden hatte. Der Mund war leicht geöffnet, so dass es aussah, als würde sie schwach lächeln. Im Schlaf war es ihr möglich, in eine Zeit zurückzukehren, in der Tragödien der Vergangenheit angehörten und es für sie nur eine strahlende, hoffnungsvolle Zukunft gab. Eine Zeit, in der die Liebe ihres Lebens ihr gezeigt hatte, was es hieß, eine Frau zu sein.

Dallas, Texas – Elf Jahre zuvor

Es war der Abend des Heimspiels. Olivia blieb nur eine Stunde, um sich umzuziehen und zeitig zum Anpfiff im Stadion zu sein. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Mit Lockenwicklern im Haar und noch immer barfuß lief sie durchs Haus, aber wenigstens war sie schon teilweise fertig angezogen. Die weiche Cordhose und der Rollkragenpullover fühlten sich auf ihrer Haut wundervoll an. Es war ganz ihr Stil, lediglich die Farbe trug sie extra für Trey. Für ihren Trey. Er liebte Blau, und sie liebte ihn, also war es nur logisch, dass sie diese Farbe ausgewählt hatte. Sie nahm gerade den letzten Lockenwickler heraus, als an der Tür geklopft wurde.

“Ja”, rief sie, warf die Lockenwickler aufs Bett und eilte zum Schuhschrank.

“Olivia, ich …”

“Oh, Grampy, ich bin ja so froh, dass du zu Hause bist. Ich dachte, ich würde dich nicht mehr sehen, bevor ich mich auf den Weg mache.”

“Darüber wollte ich mit dir …”

Olivia nahm ein Paar Schuhe heraus und setzte sich auf die Bettkante, um sie anzuziehen. “Heute Abend ist das Heimspiel, habe ich dir das erzählt?” redete sie weiter. “Tammy Wyandotte holt mich in einer Viertelstunde ab.”

Marcus seufzte. Er hatte ihr vorschlagen wollen, an diesem Abend zu Hause zu bleiben, weil er besorgt war, was ihre Freundschaft zu einem bestimmten Jungen anging. Jedoch wusste er nicht, wie er das Thema am besten anschneiden konnte. Das war eine von diesen Situationen, in denen ein Mädchen seine Mutter brauchte, aber sie würde sich mit ihm zufrieden geben müssen. Ihm war bekannt, dass sie ihre Zeit mit einem Jungen aus einer alles andere als standesgemäßen Familie verbrachte, und ihm machten die Konsequenzen dieser Beziehung große Sorgen. Doch die Begeisterung und die Freude, die er aus ihrer Stimme heraushören konnte, hatte etwas Ansteckendes. Anstatt ihr zu sagen, weshalb er eigentlich zu ihr gekommen war, nahm er sie in den Arm, erklärte, sie müsse bis Mitternacht zurück sein, und dann gab er ihr einen Abschiedskuss.

“Hast du genug Geld dabei?” fragte er.

“Ja, Grampy, ganz bestimmt. Drück unserem Team die Daumen, okay?”

Er brachte es nicht übers Herz, ihr diese augenblickliche Freude zu nehmen, also erwiderte er lächelnd: “Auf jeden Fall.”

“Oh, Grampy, du bist der Beste”, flüsterte sie ihm ins Ohr, als sie die Arme um seinen Hals schlang.

Es klingelte an der Haustür. “Das ist bestimmt Tammy!” rief sie, griff nach ihrer Handtasche und stürmte aus dem Zimmer.

Marcus folgte ihr bis zur Treppe, dann sah er ihr nach, wie sie das Haus verließ.

Als sie und Tammy den Football-Platz erreichten, stand der Captain jedes Teams beim Schiedsrichter, der gerade eine Münze warf.

Tammy johlte, als sie sich setzten. “Wir haben gewonnen, wir haben Anstoß!” rief sie und winkte ausgelassen ihrem Freund zu, der als Quarterback eingesetzt war.

Zwar nickte Olivia zustimmend, doch ihre Aufmerksamkeit galt nur dem großen Spieler, der als Running Back eingesetzt wurde und in diesem Moment nahe der Bank stand. Sein volles, schwarzes Haar trug er so lang, dass es die Schulterpolster berührte, und er hatte eine trotzige Miene aufgesetzt.

Trey Bonney.

Ihr Herz machte einen Satz, wenn sie nur an seinen Namen dachte. Vor zwei Wochen hatte ihre Beziehung einen entscheidenden Schritt nach vorn gemacht, seitdem waren sie nicht mehr bloß Freund und Freundin, sondern ein Liebespaar. Olivia hatte vor diesem Augenblick schreckliche Angst gehabt, doch es war die wunderbarste Erfahrung ihres Lebens gewesen.

In Trey Bonneys Armen war aus dem Mädchen Olivia Sealy eine Frau geworden, und seitdem dachte sie nur noch daran, diese Erfahrung sobald wie möglich zu wiederholen und ihr Leben an der Seite dieses Mannes zu verbringen.

Trey würde im Frühjahr seinen Abschluss machen, sie selbst hatte dann noch ein Jahr High School vor sich. Sie planten bereits jetzt, gemeinsam aufs College zu gehen und ein Apartment zu teilen. Beide waren sie so auf den jeweils anderen fixiert, dass ihnen überhaupt nicht der Gedanke kam, der Rest der Welt könnte etwas dagegen einzuwenden haben.

Gebannt beobachtete sie ihn und wünschte sich, er würde sich zu ihr umdrehen – was in diesem Moment auch geschah. Sie sah den überraschten Ausdruck, der über sein Gesicht huschte, und dann lächelte er sie auf diese Weise an, die so unnachahmlich sexy war. Er zwinkerte ihr zu, setzte seinen Helm auf und lief aufs Feld.

Von dem eigentlichen Spiel bekam Olivia kaum etwas mit. Und genauso wenig interessierte es sie, dass nicht sie, sondern eine Freundin zur Homecoming Queen gekrönt worden war. Für sie zählte nur das Zusammensein mit Trey, sobald das Spiel vorüber war. Als die letzten Sekunden abgelaufen waren und der Schiedsrichter die Partie abpfiff, sprang Olivia auf und lief zur Umkleidekabine. Trey wusste, sie würde dort auf ihn warten, und wenn er sich beeilte, blieben ihnen beiden zwei ungestörte Stunden, bevor sie wieder zu Hause sein musste. Schnell zog er sich um, packte seine Sachen und rannte los.

Nervös sah sie auf die Uhr, kostbare Minuten verstrichen, dann endlich kam er aus der Kabine und lief zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen und begierig zu küssen.

Olivia stöhnte auf und seufzte schließlich.

“Du warst heute Abend großartig”, sagte sie leise.

Trey grinste, beugte sich vor und küsste sie unter dem Ohr auf den Hals. “Danke, Livvie, aber der Abend ist noch lange nicht vorüber.”

Seine Anspielung ließ sie prompt erröten, doch ihr Herz war bereit für alles, was kommen würde.

“Ich liebe dich, Trey.”

Er wurde ernst, während er sie fest an sich drückte. “Ich liebe dich auch, Baby”, hauchte er. “Mehr als du dir vorstellen kannst.”

In der Dunkelheit konnte er nicht sehen, dass Livvies Wangen noch röter wurden.

“Um Mitternacht muss ich zu Hause sein.”

“Dann haben wir noch eineinhalb Stunden”, erwiderte er nach einem kurzen Blick auf seine Uhr. Schnell startete er den Wagen, und bei lauter Musik fuhren sie los.

Eine Viertelstunde später hatten sie einen abgelegenen Park erreicht, in dem sich um diese Uhrzeit niemand mehr aufhielt.

Trey stellte den Motor ab, drehte das Radio leiser und nahm Olivia in die Arme. Von der Nervosität, die ihnen beiden beim ersten Mal zu schaffen gemacht hatte, war nun nichts mehr zu spüren. Jede Bewegung war auf eine wunderbare Weise vertraut, während sie sich von ihrer Lust leiten ließen. Nur Minuten später legte sich Olivia auf die Rückbank, nachdem sie ihre Cordhose ausgezogen hatte.

Sie schob ihre Hände unter Treys Sweater und strich über seinen muskulösen Oberkörper. “Oh, Trey …”

“Schhht”, machte er leise, während er ein Kondom überstreifte. Dann rutschte er ein Stück nach vorn, bis er mit einer fließenden Bewegung in sie eindringen konnte. Ohne Vorspiel und ohne Zögern liebten sie sich auf eine unschuldige und ungeduldige Weise.

Olivia schnappte nach Luft, als er in sie eindrang, und als er sich bewegte, legte sie die Arme um seinen Hals und schlang die Beine um ihn. Die Hitze, die ihre erregten Körper ausstrahlten, ließ die Scheiben beschlagen. Während im Radio dem langsamen Liebeslied etwas Schnelleres, Härteres von den Rolling Stones folgte, passten sie beide ihr Tempo unbewusst an den Rhythmus an, bis sie den Höhepunkt erreichten.

In der Gegenwart

Trey fragte in der Notaufnahme nach, ob der Mann, den er sprechen wollte, noch behandelt wurde. Die Schwerverletzten lagen auf der Intensivstation, was für ihn bedeutete, dass er sie an diesem Abend nicht mehr würde befragen können. Nachdem eine der Krankenschwestern ihm versprochen hatte, ihn anzurufen, sobald er den Held des Tages unter vier Augen sprechen konnte, machte Trey sich auf den Weg zu Livvie.

Sie stöhnte in dem Moment leise auf, als er ihr Zimmer betrat. Schnell ging er zu ihrem Bett und beugte sich über sie. “Livvie … Darling … Hast du Schmerzen?”

Wieder ein Stöhnen, dann ein Seufzer. Sie konnte Trey noch immer reden hören und wollte nicht aus diesem Traum aufwachen.

“Livvie?”

Plötzlich zuckte sie zusammen und öffnete die Augen.

“Trey? Du bist hier?”

Er runzelte die Stirn. “Wo sollte ich sonst sein, Honey?”

“Ich habe geträumt.” Sie fuhr sich übers Gesicht.

“Ich hoffe, du hast von mir geträumt”, meinte er grinsend.

“Ja.”

“Tatsächlich? Und was habe ich getan?”

“Du hast mich auf dem Rücksitz eines Autos geliebt. Es war der Wagen deiner Mutter.”

Trey musste tief durchatmen. “Mein Gott, Livvie”, hauchte er. “Und das erzählst du mir einfach so?”

“Es war ein schöner Traum.”

“Danke”, sagte er, während sie ihn anlächelte und ihren Arm um seinen Hals legte, damit sie ihn enger an sich ziehen konnte.

“So könnte ich jeden Tag aufwachen”, meinte sie.

Er beugte sich noch ein Stückchen weiter vor, bis sich ihre Lippen fast berührten. Olivia legte ihre Hand an seinen Hinterkopf und drückte ihn nach unten, damit er sie küsste. Es wäre so einfach gewesen, sich in diesem Moment zu verlieren und die Welt ringsum zu vergessen, doch dafür war er nicht hergekommen. Dennoch musste er sich überwinden, um sich aus ihrer Umarmung zu lösen.

“Honey … wir müssen reden”, begann er nach kurzem Zögern.

Sein besorgter Tonfall blieb ihr nicht verborgen. “Sag bitte nicht, dass schon wieder etwas passiert ist”, gab sie zurück.

“Dein Großvater rief mich an und bat mich, es dir zu sagen, ehe du davon aus den Nachrichten erfährst.”

“Ist Anna etwas zugestoßen?” fragte sie ängstlich. “Oder Rose?”

“Alle sind wohlauf”, versicherte Trey. “Aber was Anna angeht, liegst du richtig. Irgendwie hat sie es geschafft, die Küche in Brand zu setzen. Das Feuer ist gelöscht, aber die Küche und das Zimmer darüber wurden in Mitleidenschaft gezogen. Grund zur Sorge gibt es dennoch nicht. Alle Schäden lassen sich beheben.”

“Oh mein Gott, armer Grampy! Jetzt auch noch so etwas. Das ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht darauf bestehen sollen, sie zu uns zu holen. Mir war aufgefallen, dass sie den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat, aber dass es so schlimm ist … Was hat Grampy jetzt vor? Wo sollen wir wohnen?”

“Das ist alles geregelt”, erklärte er. “Wenn es dir nicht behagt, finden wir eine andere Lösung, und ich werde auch nicht beleidigt sein.”

“Warum sollte es mir nicht behagen?”

“Ich sagte deinem Großvater, ich würde dich morgen mit zu mir nach Hause nehmen, wenn du entlassen wirst. Meine Nachbarin wird sich gern tagsüber um dich kümmern, während ich arbeite. Sie heißt Ella Sumter, ist einundachtzig und eine unglaubliche Frau. Jeden Morgen macht sie Tai Chi-Übungen im Vorgarten, und du würdest sie auf höchstens sechzig schätzen.”

Olivia schmunzelte. “Das klingt doch großartig.”

Trey musste sich zwingen, nicht in lauten Jubel auszubrechen. “Wirklich?”

“Ja, natürlich, und vielen Dank für das Angebot. Und was macht Grampy?” wollte sie wissen.

“Er übernachtet im Mansion on Turtle Creek, genauso wie Terrence und Carolyn. Er lässt ausrichten, du sollst dir keine Sorgen machen, sondern einfach nur bald wieder gesund werden.”

“Das ist ja wirklich eine schöne Bescherung”, seufzte sie.

Ehe Trey antworten konnte, meldete sich sein Pieper. “Honey, es tut mir Leid, aber ich muss nach unten in die Notaufnahme. Es wird nicht lange dauern, okay?”

“Natürlich, geh nur. Tu, was ein guter Detective tun muss. Ich habe da noch einen Traum, den ich zu Ende träumen will.”

“Halt mir einen Platz in deinem Traum frei”, meinte er amüsiert.

“Nicht nötig, schließlich bist du der Traum.”

Er dachte noch immer an Livvie, als er aus dem Aufzug kam, wurde aber sofort misstrauisch, als er sah, wie der Mann in Richtung Ausgang eilte, den er befragen wollte.

“Hey!” rief er und lief ihm nach.

Foster drehte sich um und sah, dass es sich um den Cop handelte, der dem Rettungswagen zum Krankenhaus gefolgt war. Die Krankenschwestern hatten über ihn geredet, der Mann wollte ihn zu dem Hotelbrand befragen. Bei seinem bisherigen Glück würde man ihm auch noch unterstellen, das Feuer gelegt zu haben. Er sah zur Tür. Die Freiheit war nur ein paar Schritte entfernt, doch der Cop hatte ihn fast erreicht.

Dennoch konnte ein Versuch nicht schaden, aber kaum war er weitergegangen, hielt vor der Tür ein Streifenwagen an. Das war’s.

“Hey, Mann, wohin wollen Sie?” fragte Trey.

“Raus hier”, erwiderte Foster. “Ich mag keine Krankenhäuser.”

“Kann ich gut verstehen, aber ich benötige Ihre Hilfe. Ich bin Detective Bonney.”

Der Mann erwiderte nichts, aber Trey ließ sich nicht anmerken, dass er dieses Verhalten merkwürdig fand. “Geht es Ihnen gut? Das war ja eine beachtliche Rettungsaktion, die Sie da hingelegt haben.”

Ein kurzer Blick in das Gesicht des Detective verriet Foster, wie entschlossen dieser Cop war. Selbst wenn er jetzt wegzulaufen versuchte und ihm sogar entkommen würde, war es nur eine Frage der Zeit, bis man ihn aufspürte. Er war es leid, immer nur auf der Flucht zu sein und sich zu verstecken. Einmal hatte er einen Fehler gemacht, der ihm fünfundzwanzig Jahre hinter Gittern beschert hatte. Das würde ihm nicht noch mal passieren.

“Ja, alles in Ordnung”, erwiderte er und zeigte seine Handflächen. “Ich habe mir bloß an der Strickleiter die Hände aufgescheuert, und ich brauche neue Schuhe.”

Er zeigte nach unten, und Trey sah, dass die Sohlen durch die Hitze unter dem Dach geschmolzen waren.

“Setzen wir uns irgendwohin, um zu reden”, sagte Trey. “Ich möchte gern wissen, was Sie mir zu dem Feuer sagen können.”

Trotzig hob Foster sein Kinn an. Der Zeitpunkt war gekommen, um reinen Tisch zu machen. “Kommen wir doch lieber gleich zur Sache. Sie wollen eigentlich nur wissen, ob ich was mit dem Feuer zu tun habe.”

Trey sah ihn verwundert an. “Und … haben Sie etwas damit zu tun?”

“Nein, Sir, habe ich nicht. Sonst wäre ich wohl kaum so dumm gewesen, mich selbst von den Flammen einschließen zu lassen.”

“Klingt plausibel”, musste Trey ihm zustimmen. “Können wir uns jetzt trotzdem unterhalten?”

“Von mir aus gern”, murmelte Foster. “Ich habe eine ganze Menge zu erzählen – zu einigen Themen.” Diese Ankündigung ließ Trey aufhorchen.

“Sollten wir dann besser aufs Revier fahren?”

Foster zuckte mit den Schultern. “Ich dachte zwar mehr an Florida, aber im Moment habe ich sowieso nichts Besseres vor.”

“Ich habe meinen Wagen draußen geparkt”, sagte Trey und verließ mit ihm das Krankenhaus.

Am Wagen angekommen, zeigte Foster auf die hintere Tür. “Ich schätze, ich soll wohl hinten Platz nehmen.”

“Wie kommen Sie darauf?”

“Na ja, soweit ich weiß, sucht mich das Dallas Police Department schon seit einer Weile, weil man mit mir reden will.”

Trey ignorierte den Wunsch, vorsichtshalber seine Waffe zu ziehen. “Und warum?”

“Keine Ahnung. Ich saß in meinem Hotelzimmer, kümmerte mich um meinen Kram, als auf einmal im Fernsehen mein Name fällt.”

Noch während der Mann redete, wusste Trey, wen er vor sich hatte. Er musste dennoch fragen, um keinen Fehler zu machen.

“Und wie heißen Sie?”

“Foster Lawrence. Letzte feste Adresse das Bundesgefängnis in Lompoc, bis heute im Henry-Dean Hotel abgestiegen.

“Ich fasse es nicht”, sagte Trey, woraufhin Foster zu grinsen begann und ihm die Hände entgegenstreckte.

“Das ist nur zur Vorsicht”, erklärte er. “Sobald wir auf der Wache sind, nehme ich sie Ihnen wieder ab.”

Foster machte ein ernstes Gesicht. “Das habe ich schon mal gehört. Damit Sie’s gleich wissen: Ich habe keine Ahnung, was es mit dem toten Baby auf sich hat, und ich wusste vor fünfundzwanzig Jahren auch nichts von diesen Morden. Damals wollte mir niemand glauben, deshalb verstehen Sie vielleicht, warum ich so lange gezögert habe.”

Ohne ein Gitter zwischen den Vorder- und den Rücksitzen gefiel es Trey gar nicht, Lawrence allein in seinem Wagen zu haben. Er packte ihn am Ellbogen und führte ihn zu dem Streifenwagen, der ein Stück entfernt stand. Einer der Polizisten lehnte sich gegen den Wagen, der andere unterhielt sich mit einem Sanitäter.

Als der Mann die Handschellen sah, wurde er aufmerksam.

“Das hier ist Foster Lawrence”, erklärte Trey. “Er hat sich bereit erklärt, mit auf die Wache zu kommen und einige Fragen zu beantworten. Könnten Sie mir einen Gefallen tun und ihn hinfahren? Ich fahre hinterher und übernehme ihn dann.”

“Bin ich jetzt festgenommen?” fragte Foster erschrocken.

“Nein”, entgegnete Trey. “Es sei denn, Sie wollen, dass ich Sie festnehme.”

“Ich will so einiges, aber das ganz bestimmt nicht”, sagte Foster und stieg in den Polizeiwagen ein, als Trey ihm die Tür öffnete. “Bis gleich.”

Trey musterte den Mann mit den geschmolzenen Schuhsohlen, den verbundenen Händen, der roten Gesichtsfarbe. Welche Ironie, dass dieser Mann bis gerade eben noch ein Held gewesen war und jetzt wie ein Verdächtiger behandelt wurde. Wie es schien, hatte das Glück Foster Lawrence im Stich gelassen.