12. KAPITEL

Trey wartete, bis Marcus gegangen war, dann setzte er sich wieder zu Olivia auf die Bettkante.

Olivia hatte kein Wort mehr gesagt, und er fürchtete, sie könnte ihm die Schuld an den bitteren Neuigkeiten geben, die er doch nur überbracht hatte. Als er eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen.

“Livvie?”

“Geh weg, Trey. Ich will nicht mehr darüber reden”, sagte sie.

Er hörte, dass ihre Stimme tränenerstickt war. “Es tut mir wirklich Leid”, erklärte er leise.

Vorsichtig drehte sie sich zu ihm um. “Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast selbst gesagt, dass du hier bist, weil du einen Mörder suchst.”

“Das ist mein Job”, gab er zurück. “Dass ich dich liebe, ist eine ganz andere Sache, und ich möchte dich bei der Gelegenheit an eines erinnern: Ich werde mich nicht noch einmal dazu drängen lassen, dich aufzugeben. Und mir ist dabei egal, ob es deinem Großvater gefällt oder nicht.”

Eine Weile sahen sie sich schweigend an.

“Ist das für dich okay?” fragte er schließlich.

Olivia musste schlucken, dann nickte sie.

“Also gut”, fuhr er etwas leiser fort, legte seine Hände um ihr Gesicht und beugte sich vor, bis er sie küssen konnte. Diesmal war es ein Kuss mit all jener Leidenschaft, die er zuvor unterdrückt hatte. Er spürte das leichte Beben ihrer Lippen, hörte, wie sie nach Luft schnappte. Er wusste, sie fühlte das Gleiche wie er.

Als er sich wieder von ihr löste, zitterte sie leicht und flüsterte: “Ich kann mich gut daran erinnern, wie es war, mit dir zu schlafen.”

“Oh, Baby, daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Wenn du wieder ganz gesund bist, werden wir dafür sorgen, dass wir uns später an noch mehr erinnern können. Einverstanden?”

“Mehr als nur einverstanden”, flüsterte sie.

Mit einer Fingerspitze strich er noch einmal über ihre Lippen, dann hob er ihren Kopf leicht an. “Sieh mich an”, bat er sie.

Ihre Blicke trafen sich.

“Ganz egal, was dieser Fall ergeben wird, zwischen uns wird sich nichts ändern, okay?”

Diesmal zögerte sie keine Sekunde: “Okay.”

“Morgen geht es zurück nach Hause?” fragte er lächelnd.

“Ja, keinen Tag zu früh. Irgendwie fühle ich mich hier beobachtet.”

“Ich kann einen Wachposten vor dem Zimmer aufstellen lassen.”

“Grampy hat das auch vorgeschlagen, aber das ist nicht nötig. Morgen um diese Zeit bin ich schon längst hier raus.”

“Dann werde ich wohl öfters am Tag zwischen der Wache und deinem Zuhause pendeln müssen”, meinte er.

“Das solltest du auch besser.”

Er deutete auf die Schlinge. “Wie lange musst du die noch tragen?”

“Nicht mehr lange. Der Doktor will mir Krankengymnastik verordnen, um die Muskeln zu lockern. Wir haben zu Hause im Keller eine komplett ausgestattete Fitnesshalle. Ich muss nur wissen, welche Übungen ich machen soll, den Rest kann ich dann allein erledigen.”

Trey nickte. “Ich muss mich jetzt wieder auf den Weg machen, Honey. Ich sehe heute Abend noch einmal nach dir.”

“Okay.”

Als er gegangen war, dachte Olivia weiter an den Kuss, den er ihr gegeben hatte.

Foster Lawrence hatte sich für einen Plan entschieden. Er würde Dallas verlassen, und wenn er per Anhalter fahren musste. In der Tasche hatte er nicht mal mehr dreihundert Dollar, und wenn er nicht bald einen Job annahm, würde er völlig ohne Geld dastehen. Doch arbeiten konnte er erst, sobald er sich eine neue Identität zugelegt hatte, die ihn aber mehr als dreihundert Dollar kosten würde.

Dass der Kerl festgenommen worden war, der Olivia Sealy hatte ermorden wollen, registrierte er mit Erleichterung, weil es eine Sache weniger war, die man ihm anhängen konnte. Aber da war immer noch dieses tote Baby und der Koffer. Er hatte zwar nichts mit eigenen Augen gesehen, dennoch wusste er, wer dafür die Verantwortung trug. Aber selbst wenn er der Polizei den Namen nannte, wusste er nicht, wo sie mit der Suche beginnen sollte. Er wusste zugleich, dass man versuchen würde, ihm diese Information zu entlocken, ehe man ihn wieder auf freien Fuß ließ.

Sein verbliebenes Geld hatte er je zu einem Drittel an verschiedenen Stellen deponiert. Ein Teil steckte in seiner Tasche, ein anderer in seiner Brieftasche, der Rest war im Strumpf versteckt. In der Hosentasche trug er ein Springmesser mit sich herum, und er hatte sich den Kopf frisch rasiert, damit ihn niemand erkannte. Ein letztes Mal sah er sich im Hotelzimmer um und vergewisserte sich, dass er nichts vergessen hatte, dann ging er nach draußen und zog die Tür hinter sich zu.

Im Treppenhaus roch er auf einmal Rauch, dachte sich aber nichts dabei. Irgendjemand ließ etwas auf einer Kochplatte anbrennen, die er in seinem Zimmer angeschlossen hatte. Das war zwar verboten, aber es war sicher nicht das erste Mal, dass diese Vorschrift ignoriert wurde.

Er korrigierte den Gurt an seinem Matchbeutel, bis der richtig saß, dann ging er weiter, bis ihm ein Stockwerk tiefer Rauch entgegenschlug, der wie in einem Kamin durchs Treppenhaus zog.

“Verdammter Mist”, murmelte Foster und ging ein paar Stufen weiter, bis der Rauch so dicht wurde, dass er den Rest der Treppe nicht mehr erkennen konnte. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann sah er, wie der dunkle Qualm ihn bereits bis zu den Knien umgab.

“Oh Gott, nein! Nein!” rief er, dann schrie er los: “Feuer! Feuer! Hilfe, es brennt!”

Wie angewurzelt stand er da, bis ihm bewusst wurde, dass die Temperatur im Treppenhaus rasch anstieg. Sofort machte er kehrt und lief nach oben. Irgendwo musste es doch eine zweite Nottreppe geben!

Als er wieder Halt machte, stand er vor der Tür, die aufs Dach führte. Von unten waren Schritte, Rufe und Schreie zu hören, und der Rauch drang immer weiter vor.

Er trat die Tür ein und lief hinaus aufs Dach, einen Moment von dem Wunschdenken angetrieben, er könnte dem Feuer davonlaufen. Doch dann stürmten hinter ihm die anderen Hotelgäste ins Freie und eilten zur Brüstung, beugten sich vor und schrien um Hilfe, während sich vor dem Gebäude die ersten Schaulustigen versammelten.

Foster konnte in weiter Ferne bereits die heulenden Sirenen der Feuerwehrwagen hören, die auf dem Weg hierher waren. Er sah, dass die Flammen den zweiten und dritten Stock erfasst hatten und Rauch auch aus den Fenstern im vierten Stock quoll.

Würde er etwa so enden? überlegte Foster in Panik. Sollte er so in Rauch aufgehen wie das Geld, das er sich vor einem Vierteljahrhundert ergaunert hatte? Das konnte nicht sein, auch wenn es wie eine grausame, fast schon gerechte Ironie des Schicksals wirkte.

So schnell er konnte, lief er an der Brüstung entlang auf dem Dach umher, um nach einem Fluchtweg zu suchen. Der Qualm stieg aber nun zu allen Seiten auf, was die anderen Hotelgäste ebenfalls in Panik ausbrechen ließ. Zwei von ihnen entdeckten einen Stapel Holzbohlen und begannen, sie über die Dachkante zu schieben, um einen Übergang zum nächsten Gebäude zu schaffen. Doch im nächsten Augenblick mussten sie einsehen, dass ihnen gut ein Meter bis zur rettenden anderen Seite fehlte.

Die Menge stieß einen entsetzten Aufschrei aus, da die einzige Fluchtmöglichkeit sich als Sackgasse erwiesen hatte.

“Die Feuerwehr! Sie ist da!” rief jemand und zeigte auf den Löschzug, der um die Ecke gefahren kam.

“Wir sind gerettet!” rief ein anderer.

Foster war davon allerdings nicht so überzeugt. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man sie retten sollte, wenn die Feuerwehrleute wegen des Qualms von den Menschen auf dem Dach nichts sehen konnten. So wie er die Situation beurteilte, würden sie alle bei lebendigem Leib geröstet werden.

Gerade war er im Begriff, seine Sünden zu beichten und Gott um Vergebung zu bitten, als er vom Gebäude nördlich des Hotels Rufe hörte. Das Haus war mindestens sechs Stockwerke höher als das Hotel, doch als er an der Dachkante mehrere Feuerwehrleute sah, die ihre Rettungsausrüstung anlegten, wurde ihm klar, was sie versuchen wollten.

“Da!” brüllte er und zeigte auf den gerade eintreffenden Hubschrauber, der langsam tiefer sank. Gleichzeitig wurde eine Strickleiter ausgerollt.

Die Rotorblätter pressten die Luft mit so viel Wucht nach unten, dass die Leute auf dem Dach sich kaum auf den Beinen halten konnten. Ein Feuerwehrmann kletterte auf der Leiter vorsichtig nach unten, bis er sich vorbeugen konnte und eine Frau packte, um sie zu sich auf die Leiter zu ziehen. Er drückte sich gegen den Rücken der Frau, damit die durch ihn zusätzlichen Halt bekam, dann stieg der Helikopter langsam auf und setzte die Frau auf dem höher gelegenen Dach ab.

Einen nach dem anderen rettete die Feuerwehr auf diese Weise vom Dach, bis nur noch zwei Hotelgäste übrig waren – Foster und ein älterer Mann, von dem er wusste, dass er Ralph hieß. Die Hitze des Feuers drang bereits durch das Dach, und als der Helikopter ein weiteres Mal angeflogen kam, da wusste Foster, dass die Zeit wohl nur noch reichen würde, um einen von ihnen zu retten. Wenn der Feuerwehrmann vor der Wahl stand, würde er sich sicher nicht für ihn entscheiden. Er packte Ralphs Arm und lief mit dem Mann zusammen zu der Strickleiter.

Kaum waren sie beide losgelaufen, brach das Dach an der Stelle ein, an der sie eben noch gestanden hatten. “Schnell!” brüllte er und bedeutete dem Feuerwehrmann, er solle nach oben klettern, um ihnen Platz zu machen.

Der Feuerwehrmann zeigte auf die entlegene Ecke des Dachs, die dem Feuer nach wie vor standhielt. In diesem Moment stolperte Ralph, aber es war purer Reflex, kein todesmutiger Akt, dass Foster den Mann unter den Armen packte und ihn hochzog. Mit einem letzten verzweifelten Sprint rannten sie in Sicherheit und erreichten die Ecke, als die Leiter eben vor ihm auftauchte. Foster packte eine Sprosse und schrie dem Mann ins Ohr, um den Lärm zu übertönen: “Legen Sie die Arme um meinen Hals, und lassen Sie auf keinen Fall los.”

“Wir werden abstürzen”, jammerte der alte Mann.

“Wollen Sie sterben?”

“Nein!” erwiderte Ralph.

“Dann halten Sie sich verdammt noch mal an mir fest. Wenn Sie nicht loslassen, lasse ich auch nicht los”, versprach er.

Ein weiterer Teil des Dachs stürzte ein, und Foster bemerkte, dass die Außenmauer in Bewegung geriet.

“Jetzt!” rief er.

Der alte Mann legte seine Arme um den Hals, dann packte Foster die Leiter mit beiden Händen und schlang seine Beine um die Taille des Mannes. Er sah nach oben und erkannte das rußgeschwärzte Gesicht des Feuerwehrmanns.

Dann stieg der Hubschrauber auf. Der alte Mann war schwerer, als Foster gedacht hatte. Kaum zog dessen ganzes Gewicht an ihm, spürte er, wie seine Muskeln zu brennen begannen. Er ignorierte den Schmerz und konzentrierte sich ganz darauf, sich an der Strickleiter festzuhalten.

Der Flug dauerte nur ein paar Sekunden, dennoch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Er fürchtete bereits, sich nicht länger halten zu können, als er Rufe hörte und merkte, wie nach seinen Knöcheln und Beinen gegriffen wurde, um ihn auf das andere Dach zu ziehen.

“Lassen Sie los, Mann! Loslassen!” brüllte jemand und versuchte, seine Finger von der Leitersprosse zu lösen.

Er lockerte seinen Griff und sackte ein Stück weit nach unten, dann wurde er von kräftigen Armen aufgefangen. Einige Sekunden verstrichen, bis er begriff, dass sie in Sicherheit waren. Er öffnete die Augen und bemerkte, dass er von Leuten umringt war, die ihn besorgt ansahen. Jemand zog ihn hoch. “Können Sie gehen?” fragte ein anderer.

Foster nickte.

“Kommen Sie mit”, wies ihn ein Feuerwehrmann an.

Er tat, was man ihm sagte. Erst als er auf der Straße ankam, konnte er noch immer nicht glauben, dass sie alle gerettet worden waren. Einen Moment lang stand er einfach nur da, seine Beine zitterten, sein Herz raste wie verrückt, dann sank er auf die Knie.

“Gut gemacht”, sagte irgendjemand und klopfte ihm auf die Schulter.

“Tolle Leistung, Mister”, lobte ihn ein anderer.

Er versuchte noch, wieder zu Atem zu kommen, da packten ihn zwei Männer und zogen ihn mit sich zur anderen Straßenseite.

“Hey … es ist alles in Ordnung”, murmelte er. “Lassen Sie mich doch los.”

Sie klopften ihm aufmunternd auf den Rücken, drückten ihm eine Flasche Wasser in die Hand und legten ihm eine Decke um, dann liefen sie zurück, um sich um die anderen Geretteten zu kümmern.

Rose bereitete in der Küche das Gemüse fürs Abendessen zu. Ein Stück weit entfernt stand der kleine tragbare Fernseher, auf dem sie ihre Lieblings-Soaps verfolgte. Während sie arbeitete, lauschte sie den Dialogen und hielt ab und zu inne, um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen.

“Dieses verrückte Weib”, murmelte sie und deutete auf den Fernseher. “Vor der ist doch keine Beziehung sicher. Man sollte meinen, dass es wenigstens einen Mann gibt, der ihr widerstehen kann.”

Anna nickte zustimmend, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wovon Rose redete. Ihr Blick war auf ein Paar Topflappen mit Gänseblümchenmuster gerichtet, die neben dem Ofen an einem Wandhaken hingen.

“Ich mag Gänseblümchen”, sagte Anna.

Allmählich gewöhnte sich Rose an die sprunghaften Gedankengänge der anderen Frau und nickte, ohne erst herauszufinden, was diese Bemerkung ausgelöst haben mochte.

“Ja, ich auch”, erwiderte sie. “Und Zinnien. Die mag ich ganz besonders. Ich weiß, sie sind nicht so zierlich, und die Farben sind etwas kräftiger, aber dafür sind sie auch robuster. Ich mag robuste Pflanzen, weil die besser halten.”

Anna ging zu den Topflappen, während Rose sich dem Fernseher widmete, da die Handlung auf einen Höhepunkt zustrebte.

“Dieses Flittchen!” rief sie aus. “Jemand sollte ihr mal eine Lektion erteilen!”

Jeden Augenblick würde es eine wichtige Enthüllung in der Handlung geben, da wurde die Sendung von Nachrichten unterbrochen.

“Oh, verdammt!” murrte Rose. “Sie wollten doch gerade …” Dann verstummte sie, als von einem Brand in einem Hotel in der Innenstadt berichtet wurde. “Oh, Anna! Sehen Sie sich dieses Feuer an!”

Rose sah wie gebannt zu, wie man mit einem Helikopter Menschen vom Dach des Gebäudes rettete, während Anna hinter ihr einen der Topflappen nahm und auf den Herd legte, wo er sofort Feuer fing. Im nächsten Moment schaltete sie die Dunstabzugshaube ein, worauf die Flammen bis in die Entlüftung durchschlugen.

“Feuer”, sagte Anna beiläufig.

“Ja, sogar ein großes Feuer”, stimmte Rose ihr zu. “Aber es sieht so aus, als hätten sie alle retten können.”

“Feuer”, wiederholte sie.

Sie drehte sich zu Anna um, dann riss sie entsetzt die Augen auf und stieß einen Schrei aus.

“Oh Gott, oh Gott! Es brennt! Anna, was haben Sie gemacht?”

Schnell schaltete sie den Ofen und die Abzugshaube aus, dann nahm sie das Telefon, und während sie den Notruf wählte, fasste sie Anna an der Hand und rannte mit ihr aus der Küche.

Marcus unterzeichnete die letzten Dokumente, als auf einmal sein Mobiltelefon klingelte. Er sah verwundert nach der Nummer des Anrufers, dann nahm er das Gespräch an.

“Hallo?”

Rose war zu hören, im Hintergrund ertönten Sirenen. “Oh, Mr. Marcus … das Haus, das Haus … Anna hat es in Brand gesteckt … ich habe nur für einen Moment woanders hingesehen … und da …”

“Sind Sie oder Anna verletzt?” fragte er, während er ein Aufstöhnen unterdrückte.

“Ja, ja, uns geht es gut. Die Feuerwehr hat den Brand unter Kontrolle, aber die Küche ist ruiniert, und das Feuer ist auf das Zimmer über der Küche übergesprungen. Oh, es tut mir so Leid.”

“Rose, das ist doch nicht so schlimm. Das kann man alles reparieren, wichtig ist nur, dass Sie beide unversehrt sind.”

Er hörte sie schluchzen.

Was war nur mit dieser Familie los? Er zwang sich, sein Selbstmitleid zu verdrängen, und sprach mit fester Stimme: “Rose, meine Liebe, hören Sie auf zu weinen. Es ist nicht Ihr Fehler, sondern meiner. Ich hätte Ihnen nicht zumuten dürfen, auf Anna aufzupassen. Wir wussten, sie hat Probleme, und ich hätte mich lägst um professionelle Hilfe kümmern müssen. Das haben wir nun davon.”

“Was soll ich machen?” wollte Rose wissen.

“Ich komme sofort nach Hause. Passen Sie nur auf Anna auf. Sobald ich da bin, werde ich mich um alles kümmern.”

“Ja, Sir, Mr. Marcus. Es tut mir wirklich schrecklich Leid.”

Er steckte das Mobiltelefon ein und nahm sein Jackett, als seine Sekretärin ins Zimmer kam. “Devon”, erklärte er. “Ich muss nach Hause fahren. Es hat gebrannt.”

“Oh nein! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?”

Er dachte an Olivia, die am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen würde, und an Terrence und Carolyn, die ihre Ankunft für den Nachmittag angekündigt hatten. An der Tür blieb er stehen und nickte. “Ja, rufen Sie Detective Trey Bonney beim Dallas Police Department an. Sagen Sie ihm, er soll sich so bald wie möglich bei mir melden. Ich möchte nicht, dass Olivia davon aus den Nachrichten erfährt und sich noch mehr sorgt. Sie hat schon genug durchgemacht.”

“Ja, Sir, wird sofort erledigt”, erwiderte Devon. “Sonst noch etwas?”

“Ja, eigentlich wäre da noch etwas.” Er zeigte auf den Tisch. “Sehen Sie die Broschüren?”

Sie nickte, nahm sie an sich und folgte ihm aus dem Büro zum Aufzug.

“Das sind Wohnanlagen für betreutes Wohnen. Stellen Sie fest, wo es noch freie Apartments gibt. Ich rufe Sie später an, dann können Sie mir sagen, was Sie erfahren haben.”

“Ja, Sir”, sagte sie. “Es tut mir Leid, was passiert ist.”

“Das lässt sich beheben. Hauptsache, Rose und Anna geht es gut.”

“Kann ich sonst nichts mehr für Sie tun?” wollte Devon wissen.

Er dachte an Terrence und Carolyn. Sie sollten mit dem Taxi vom Flughafen zu ihm nach Hause fahren, doch das war nun nicht mehr möglich. Zum Glück hatte Rose eine Schwester, die ganz in der Nähe wohnte. Er wusste, sie würde dort unterkommen.

“Doch, eine Sache noch”, erklärte er dann. “Rufen Sie das Hotel Mansion on Turtle Creek an. Lassen Sie ein Zimmer für mich reservieren, außerdem ein Doppelzimmer für Terrence und Carolyn Sealy. Die beiden treffen heute Nachmittag ein, wann sie wieder abreisen, ist noch unklar. Und schicken Sie eine Limousine zum Flughafen, die sie abholen soll. Erklären Sie ihnen, was passiert ist, geben Sie ihnen die Nummer meines Mobiltelefons und sagen Sie ihnen, wir treffen uns zum Abendessen im Hotel … sagen wir um etwa acht Uhr. Wenn sonst noch etwas ist, lasse ich es Sie wissen.”

Die Aufzugtür öffnete sich und Marcus verabschiedete sich ein letztes Mal.

Der Anruf aus Marcus’ Büro erreichte Trey, als er an dem ausgebrannten Hotel anhielt. Vier Leichen waren von den Feuerwehrleuten aus dem eingestürzten Gebäude geborgen worden, über ein Dutzend Menschen hatte man vom Dach retten können. Der Brandspezialist war bereits damit beschäftigt, die Ruine zu untersuchen und dafür zu sorgen, dass keine entscheidenden Spuren vernichtet wurden.

Trey stellte den Wagen ab, stieg aus und wählte gleichzeitig Marcus’ Nummer.

“Marcus, hier ist Trey. Was gibt es?”

“Wir haben zu Hause ein Problem. Ich weiß, ich falle Ihnen damit bestimmt zur Last, aber ich möchte nicht, dass Olivia es von anderer Seite erfährt und sich unnötig aufregt.”

Marcus’ Stimme zitterte, und er klang erschöpft, was Trey von dem Mann nicht kannte.

“Was ist passiert?”

“Anna hat die Küche in Brand gesteckt. Das Feuer ist auf die Zimmer im Stockwerk darüber übergesprungen, ehe es unter Kontrolle war. Verletzt wurde niemand, aber im Moment ist das Haus nicht bewohnbar. Olivia kann nicht aus dem Krankenhaus in ein solches Chaos kommen. Und Rose ist völlig aufgelöst.”

“Machen Sie sich um Olivia keine Sorgen”, versicherte Trey. “Ich nehme sie mit zu mir nach Hause. Geht es Ihnen gut?”

Marcus seufzte. “Ja, das geht schon. Hauptsache, ich weiß, dass Olivia in guten Händen ist. Ich muss für Anna eine Unterkunft suchen, und dazu kommt auch noch die Rückkehr eines Cousins, den ich nicht leiden kann. Abgesehen davon ist aber alles in Ordnung. Ach so, ja, ich wohne vorübergehend im Mansion on Turtle Creek.”

“Ich weiß Bescheid”, erwiderte Trey. “Machen Sie sich keine Sorgen, was Olivia angeht. Ich werde es ihr schonend beibringen.”

“Danke”, sagte Marcus. “Das bedeutet mir mehr, als Sie sich vorstellen können.”

“Ganz im Gegenteil. Ich sollte Ihnen dankbar sein, dass Sie mir so sehr vertrauen. Ich weiß, wie viel Olivia Ihnen bedeutet. Sie sollen wissen, ich werde alles tun, damit es Olivia gut geht. Haben Sie etwas zu schreiben zur Hand? Dann gebe ich Ihnen meine Adresse und meine Privatnummer.”

“Ja, bin bereit”, antwortete Marcus einen Moment später.

Trey nannte ihm Straße und Nummer, dann beendete er das Gespräch. Er musste das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen und dann ins Krankenhaus zu Olivia fahren.