16. KAPITEL
Trey kehrte ins Büro zurück, als Chia und Sheets von Lieutenant Warren kamen.
“Gibt es was Neues über das Feuer?” fragte Trey sofort.
“Wieso? Hast du schon wieder jemanden festgenommen?” gab David Sheets zurück und spielte mit einer Locke, die ihm in die Stirn gefallen war.
“Schneid das verdammte Ding endlich ab”, raunte Chia ihm zu und strich ihm die Locke zurück.
David verzog keine Miene, als er erwiderte: “Mache ich glatt, sobald du dir deine Mähne stutzen lässt, Chia.”
Seine Anspielung auf ihren wüsten Lockenkopf ließ sie mit einem Grinsen an sich abgleiten und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein.
“Es ist wirklich rührend, euch beide zu erleben, wie liebevoll ihr miteinander umgeht”, meinte Trey. “Aber könnte ich bitte mal eine Antwort auf meine Frage bekommen?”
“Ja, wir wissen, wer das Feuer gelegt hat, auch wenn uns das nichts mehr bringt.”
“Wieso?”
David verzog das Gesicht. “Eine drogensüchtige Mutter hatte ihre drei Kinder allein im Zimmer gelassen, sieben, vier und zwei Jahre alt. Der Vierjährige fand ein Feuerzeug, den Rest kannst du dir wohl denken.”
“Das ist hart”, erwiderte Trey. “Wie habt ihr das herausgefunden?”
“Die Siebenjährige konnte gerettet werden”, erklärte Chia. “Sie konnte es uns noch erzählen, bevor sie ihren Verletzungen erlag.”
Trey hielt den Atem an und wandte sich ab. Manchmal war es einfacher zu schweigen. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, fuhr den Computer hoch und nahm sich eine Akte vor. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Chia zu ihm kam.
“Wie geht es deiner Kleinen?” fragte sie.
“Gut. Sie wurde heute Morgen aus dem Krankenhaus entlassen.”
Chia runzelte die Stirn. “Ich dachte, bei den Sealys hätte es auch gebrannt.”
“Stimmt.”
“Dann ist das Haus noch bewohnbar?”
Trey seufzte. Er kannte Chia und wusste, sie würde erst dann keine Fragen mehr stellen, wenn sie alles erfahren hatte.
“Ich habe sie für ein paar Tage bei mir einquartiert. Meine Nachbarin Ella passt tagsüber auf sie auf.”
“Ach, Olivia Sealy ist also bei dir zu Hause.”
“Ja.”
“Sehr interessant.”
“Chia?”
“Was denn?”
“Halt die Klappe.”
Er hörte sie schnauben, konzentrierte sich aber auf den Monitor. Einige Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah, dann versuchte Chia einen erneuten Anlauf. Sie fragte ihn nun mit sanfterer Stimme.
“Wonach suchst du?”
“Ich will wissen, ob die Zwillingsschwestern von Foster Lawrence jemals polizeilich aufgefallen sind.”
“Und, schon was gefunden?”
“Noch nicht.”
“Soll ich dir helfen? Ich kann so was besser als du.”
Trey grinste sie an. “Das heißt noch gar nichts. Jeder kann besser am Computer arbeiten als ich.”
“Gib mir die Akten”, sagte sie. “Und sag mir, was du genau willst.”
“Ich will wissen, wo diese Zwillingsschwestern abgeblieben sind. Sie heißen Laree und Sheree Lawrence, eineiige Zwillinge. Nach ihrem achtzehnten Lebensjahr tauchen sie nirgendwo mehr auf.”
Chia nickte.
“Und welches Ergebnis erhoffst du dir?” Sie setzte sich an ihren Computer.
“Keine Ahnung. Vielleicht gar nichts, vielleicht aber auch irgendetwas, das erklärt, warum Lawrence in die Entführung und die Morde verstrickt wurde.”
Sie gab die Namen ein, aber da Trey ihr weiter zusah, drehte sie sich zu ihm um. Ihre wieder aufkommende Ungeduld konnte sie nicht verbergen. “Hast du nichts zu tun? Hast du keine reichen Erbinnen, denen du den Hof machen kannst? Oder irgendwelche Schurken, die von dir festgenommen werden möchten?”
“Du klingst jeden Tag mehr nach deinem Partner”, sagte Trey.
“Tut mir Leid, aber heute war ein wirklich mieser Morgen.”
Trey musste an das siebenjährige Mädchen denken, das erst vor ein paar Stunden gestorben war. “Ich kann es mir vorstellen. Danke für deine Hilfe. Ich muss mich mit ein paar Verwandten von Sealy unterhalten, die gestern aus Italien angereist sind. Könnte sein, dass diese Mrs. Sealy etwas weiß.”
“Wenn ich etwas über diese Lawrence-Zwillinge finde, rufe ich dich an”, erwiderte Chia.
“Nochmals danke.” Dann machte Trey sich auf den Weg.
Das Mansion on Turtle Creek war eines der besten Restaurants in Dallas und entsprach in Stil und Klasse dem angeschlossenen Hotel. Trey entging nicht die steife Art des Personals, als er durch das Foyer zur Rezeption ging.
“Ich möchte zu Mr. Terrence Sealy”, sagte er und hielt seine Dienstmarke hoch. “Würden Sie ihm bitte sagen, dass Detective Bonney auf ihn wartet?”
Der Mann am Empfang verzog keine Miene, während er mit betonter Gelassenheit nach dem Hörer griff.
“Mr. Sealy, hier spricht Carlos von der Rezeption. Detective Bonney möchte Sie sprechen.”
Als der Anruf kam, sah Terrence zu Carolyn und nickte ihr zu. “Schicken Sie ihn rauf.”
“Ja, Sir, danke, Sir”, sagte der Mann, nannte Trey die Nummer der Suite und zeigte in Richtung der Aufzüge.
Trey bedankte sich mit einem knappen Nicken. Wenige Minuten später verließ er den Lift, orientierte sich kurz auf dem Stockwerk und ging nach rechts. In Gedanken war er bei dem toten Baby und bei dem Versprechen, das er ihm gegeben hatte. Wenn er den Mörder wirklich finden wollte, benötigte er allmählich eine brauchbare Spur.
Als er an der Suite anklopfte, wurde sofort geöffnet. “Detective Trey Bonney, Mordkommission”, stellte er sich vor und zeigte seine Dienstmarke.
Terrence Sealy nickte und begrüßte Trey mit Handschlag. “Kommen Sie herein, Detective Bonney. Das ist meine Frau Carolyn. Können wir Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee? Saft?”
“Nein, danke”, erwiderte er und wandte sich der Frau zu. Sie war groß und so dünn, dass sie bereits mager wirkte. Ihr schulterlanges Haar hatte einen verblassten Blondton. Das Make-up war so gut aufgetragen, dass es über ihr Alter hinwegtäuschte. “Mrs. Sealy, freut mich, Sie kennen zu lernen.”
Sie lächelte ihn an, doch Trey bemerkte, dass dieses Lächeln von Traurigkeit geprägt war.
“Nehmen Sie doch bitte Platz”, sagte sie und führte ihn zur Sitzgruppe. Als sie saßen, ergriff sie das Wort. “Marcus sagte uns, Sie und Olivia seien alte Freunde.”
Einen Moment lang stutzte Trey, hielt sich dann jedoch vor Augen, dass er damit hätte rechnen sollen. Seine Verwunderung überspielte er, indem er sein Notizbuch aus der Tasche zog.
“Ja, Ma’am, wir gingen gemeinsam auf die High School.”
“Es tut uns so Leid, dass sie all das durchmachen muss, nicht wahr, Terry?”
Terrence Sealys Bestürzung wirkte echt. Trey konnte sehen, dass der Anschlag auf Olivias Leben sie beide tief getroffen hatte.
“Ich kann nicht fassen, dass all diese Dinge geschehen”, erwiderte er schließlich.
“Marcus erwähnte auch, Sie haben Olivia mit zu sich genommen, damit sie sich in Ruhe erholen kann, während die Brandschäden repariert werden.”
“Richtig, Ma’am. Meine Nachbarin passt tagsüber auf sie auf, wenn ich nicht da bin.”
“Ich kann es kaum erwarten, sie zu sehen”, erklärte Carolyn.
Bei diesen Worten wurde Trey bewußt, wie eng er plötzlich mit Olivias Einzug bei ihm mit jener Familie in Verbindung stand, gegen die er eigentlich ermitteln sollte. Er würde den Lieutenant darauf ansprechen müssen.
“Ich gebe Ihnen gleich meine Telefonnummer und Adresse”, sagte er. “Ich weiß, Livvie möchte Sie auch sehen.”
Carolyn lächelte. “Sie war erst zwei, als wir fortzogen, aber wir schreiben uns regelmäßig.”
“Ich wechsele nur ungern so abrupt das Thema”, gab Trey zurück, “aber ich hoffe, Sie können mir etwas über Michael Sealys Privatleben sagen.” Erwartungsvoll schaute er ihr direkt in die Augen.
Sie wurde blass, hielt seinem Blick aber stand.
“Weder Terry noch ich wussten von einer Affäre. Wir erfuhren erst nach unserer Ankunft davon, dass er noch ein anderes Kind hatte.”
“Dem kein langes Leben beschieden war”, warf Trey leise ein.
Carolyn hob ein wenig den Kopf, ging aber weiter nicht auf die Verärgerung ein, die aus Treys Worten herauszuhören war. “Wie kann ich Ihnen helfen?”
“Hatten Sie tatsächlich keinen Verdacht, wer die Frau sein könnte, mit der Michael eine zweite Tochter gezeugt hatte?”
“Nein”, antwortete sie ohne zu zögern. “Jetzt, da ich es weiß, fallen mir nachträglich allerdings ein paar Dinge ein, die wohl verräterisch gewesen wären, wenn ich mich intensiver damit befasst hätte.”
“Was für Dinge waren das?”
“Ein- oder zweimal sah ich Kay weinen”, erklärte sie. “Sie war damals meine beste Freundin. Wir waren fast im gleichen Alter, müssen Sie wissen.”
“Meine Frau ist fast zwanzig Jahre jünger als ich”, meldete sich Terrence zu Wort, fragte sich aber gleich darauf, warum er das gesagt hatte.
Trey nickte nur, während sie nach Terrence’ Hand griff und sie festhielt, als brauche sie diesen Kontakt, um sich weiter konzentrieren zu können.
“Sprachen Sie sie an, warum sie weinte?”
“Ja, aber sie antwortete nur sehr vage. Ich nahm an, die beiden hätten Streit, und ich wollte mich da nicht einmischen.”
“Haben Sie Michael jemals mit einer anderen Frau gesehen … vielleicht eine Frau, die Sie nicht kannten?”
“Nein, und ich denke darüber schon nach, seit ich das von dem anderen Kind weiß. Ich wünschte, ich wüsste etwas, aber da ist nichts.”
Wieder schwand für Trey ein Stück Hoffnung, den Fall jemals zu klären.
Da meldete sich Terrence wieder zu Wort: “Weißt du nicht mehr, Carolyn? Wir haben Michael doch einmal mit dieser Frau aus einem Bürogebäude in Downtown kommen sehen. Erinnerst du dich? Es war kurz nach Weihnachten, und sie trug einen Pelzmantel. Du sagtest etwas in der Art, da hätte aber jemand tolle Weihnachten gefeiert. Ich weiß es noch, weil wir kurz zuvor deinen Pelzmantel verkauft hatten, um unsere Rechnungen zu bezahlen.” Zu Trey gewandt erklärte er: “Wir brauchten das Geld für unseren Umzug.”
Trey seinerseits sah zu Carolyn und beobachtete ihre nachdenkliche Miene. “Nein, ich … oh, warte! Ja, natürlich! Aber hat er nicht gesagt, die Frau sei von seiner Versicherung? Kay hatte doch am Tag zuvor den neuen Wagen zu Schrott gefahren. Sie war auf Glatteis ins Rutschen gekommen, und zum Glück war ihr nichts passiert.”
“Ich kann mich an den Unfall erinnern”, bestätigte Terrence. “Aber was, wenn diese Frau gar nichts mit der Versicherung zu tun hatte? Wenn ich mich nicht irre, ließ Marcus alle Fahrzeuge der Familie auf seinen Namen versichern. Es hätte also gar keinen Grund gegeben, sich mit der Versicherungsagentin zu treffen, weil er gar nichts mit ihr regeln konnte.”
“Wie sah diese Frau aus?” wollte Trey wissen. “Können Sie sich erinnern, ob er ihren Namen erwähnte?”
“Sie war nicht allzu groß, sie reichte Michael gerade mal bis zur Schulter. Sie hatte dunkles langes Haar, aber daran kann ich mich auch nur so genau erinnern, weil es geringfügig heller war als der Nerz, den sie trug. Doch was Namen angeht, habe ich ein miserables Gedächtnis. Falls er sie uns vorgestellt haben sollte, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.”
“Ich glaube, ich kann mich erinnern”, sagte Terrence. “Fragen Sie mich nicht, warum mir das so viele Jahre lang im Gedächtnis geblieben ist, aber es ist so.”
“Der Name”, drängte Trey. “Wie lautete er?”
“Ich weiß jetzt, warum ich mich erinnern kann. Denn zuerst dachte ich, sie würde Larry heißen. Ich war entsetzt, dass jemand seine Tocher Larry nannte. Dann wiederholte er den Namen, und ich begann zu verstehen. Sie hieß Laree, mit Betonung auf der zweiten Silbe. Verstehen Sie? La-ree.”
Trey hielt inne. “Sind Sie sich da sicher?”
“So sicher, wie sich ein Mann von zweiundsiebzig Jahren sein kann.” Terrence sah ihn an. “Sagt Ihnen der Name etwas?”
“Das könnte sein”, antwortete Trey. “Auf jeden Fall danke ich Ihnen, dass Sie die weite Reise unternommen haben. Sie haben mir gerade eben womöglich den entscheidenden Hinweis gegeben, nach dem ich die ganze Zeit über suche.”
Terrence wirkte zufrieden. “Werden Sie uns wissen lassen, wenn sich etwas ergibt?”
“Die Familie Sealy wird als Erste informiert werden”, versprach Trey ihnen.
“War es das?” fragte Carolyn, während sie aufstand.
Trey notierte Telefonnummer und Adresse auf einen Notizzettel und gab ihn ihr. “Livvie schlief, als ich heute Morgen gegangen bin, aber Ella geht auf jeden Fall ans Telefon. Sollte Livvie wach sein, dann kann ich mir vorstellen, dass sie gern mit Ihnen reden würde.”
“Mir fällt auf, dass Sie sie Livvie nennen”, merkte Carolyn an.
“Ja, Ma’am. Ich habe sie früher immer damit aufgezogen, dass Olivia viel zu förmlich klingt und nicht zu einem Mädchen passt, das ein Banana Split in weniger als fünf Minuten verspeisen kann.”
Terrence lachte auf. “Ja, das passt zu ihr.”
“Detective, irre ich mich, oder empfinden Sie viel für unsere Olivia?” wollte sie wissen.
“Nein, Ma’am, Sie irren sich nicht.”
“Gut. Sie hat viel zu viel Zeit ihres Lebens bei Marcus verbracht.”
Trey gab den beiden die Hand. “Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich hatten. Sie haben mir womöglich sehr geholfen.”
“Es war uns ein Vergnügen”, sagte Terrence und begleitete ihn bis zur Tür. “Ich bin sicher, wir werden uns noch mal sehen.”
“Vermutlich ja”, stimmte Trey ihm zu. “Wenn sich weitere Fragen ergeben, rufe ich Sie an.”
“Ja, natürlich”, erwiderte Terrence.
Trey verließ die Suite und wollte nichts anderes, als so schnell wie möglich mit Chia Kontakt aufnehmen, um zu erfahren, ob sie etwas über die Lawrence-Zwillinge herausgefunden hatte. Zum ersten Mal, seit er an diesem Fall arbeitete, begannen sich Teile des Puzzles zusammenzufügen. Wenn man sich in Schwierigkeiten gebracht hatte, an wen wandte man sich dann? An jemanden, dem man vertraute. Dieser Jemand war für viele Menschen ein naher Angehöriger. Sollte Laree Lawrence eine Affäre mit Michael Sealy gehabt haben, dann ließ sich vielleicht besser erklären, warum Foster auf einmal in die Kriminalität abgerutscht war. Mit dieser neuen Erkenntnis gewappnet, würde er noch einmal mit Lawrence reden.
Lawrence hatte seine Ankündigung wahrgemacht und sich hinter einem Anwalt verschanzt. Die Fahrt zum Gefängnis war ein Reinfall, da Lawrence nur in Anwesenheit seines Anwalt mit Trey reden wollte. Der war aber durch einen Gerichtstermin nicht abkömmlich.
Foster hatte Trey nur einmal wütend angesehen und sich um nichts von den Dingen gekümmert, die sein Besucher ihm zu sagen hatte. Als Trey ging, war er stinksauer, weil das System Kriminellen mehr Rechte einräumte als denen, die sich gesetzestreu verhielten. Außerdem war Foster davon überzeugt, dass er so oder so wieder ins Gefängnis geschickt würde, ganz gleich, was er tat oder sagte.
Trey rief Chia an, musste von ihr aber erfahren, dass sie und David sich um ein neues Verbrechen kümmern mussten. Ein Anhalter hatte auf dem Highway 75 nahe der Ausfahrt zum Highway 635 einen verlassenen Wagen bemerkt, aus dem ein stechender Gestank austrat. Chia und David waren hingeschickt worden und hatten im Kofferraum des Wagens eine Leiche entdeckt, weshalb sie sich nicht weiter mit der Suche hatte beschäftigen können.
Als der Feierabend nahte, beschloss er, seinen Frust für diesen Tag zu vergessen, und machte sich auf den Heimweg. Seit Mittag hatte er nicht mehr mit Livvie gesprochen, und er konnte nur hoffen, dass sie und Ella gut miteinander auskamen.
Zu Hause angekommen wurde schnell offensichtlich, dass er sich keine Gedanken hätte machen müssen. Livvie und Ella saßen am Küchentisch und spielten Karten.
“Hey, wie geht’s denn meinen beiden liebsten Frauen?” rief er, als er in die Küche kam.
Ella rümpfte die Nase. “Ich werde ausgenommen”, beklagte sie sich mit gespielt ernster Miene.
Olivia grinste und zeigte auf Streichhölzer, die sie rechts von sich aufgehäuft hatte. “Ich räume richtig ab.”
“Was spielt ihr denn?” wollte er wissen.
“Poker”, entgegnete Ella. “Sie behauptet, sie hätte das noch nie gespielt.”
“Hast du etwa ein wenig Anfängerglück?” fragte Trey amüsiert.
“Ein wenig?” konterte Ella. “Wenn wir um Geld spielen würden, dann würde ihr jetzt schon mein Haus gehören.”
“Sie könnten doch auch aufgeben”, schlug Olivia vor.
“Ich gebe nie auf.”
“Es geht aber nur um Streichhölzer”, betonte sie.
“Nein, es geht ums Prinzip”, widersprach Ella.
“Soll ich besser wieder gehen?” fragte Trey.
Ella legte ihre Karten auf den Tisch und stand auf, warf Olivia aber einen warnenden Blick zu. “Glauben Sie ja nicht, dass Sie so einfach davonkommen.”
Olivia drehte Ellas Blatt um und rief triumphierend: “Und schon wieder gewonnen!”
“Nein, stimmt nicht. Ich habe längst aufgegeben.”
“Ich dachte, Sie geben nie auf”, wunderte sich Olivia.
Statt einer Antwort zeigte Ella nur auf sie: “Vergessen Sie nicht, um sieben Ihre Medizin zu nehmen!”
“Sehen wir uns morgen wieder?”
“Darauf können Sie Gift nehmen”, gab Ella zurück, dann stürmte sie ohne ein weiteres Wort aus dem Haus.
Trey ging zu Olivia, um sie zu trösten. “Honey, es tut mir Leid. Ich dachte, ihr beide würdet euch verstehen. Für morgen werde ich mir etwas …”
“Ich mag sie”, erklärte sie. “Sie ist der netteste Mensch, den ich je kennen gelernt habe.”
“Aber ihr zwei habt euch …”
“Wir sind beide gleich”, sagte Olivia. “Wir verlieren nun mal nicht gern. Morgen ist sie wieder besser drauf.”
“Woher willst du das wissen?”
“Weil ich sie morgen gewinnen lasse.”
Trey grinste. “Okay. Na, dann werde ich mich nur mal schnell bei ihr bedanken und über den Rest kein Wort verlieren.”
Sie winkte ihm nach, dann sortierte sie die Streichhölzer zurück in die Schachtel.
Als Trey bei Ella klingelte, erwartete er ihren Wutausbruch, doch sie öffnete die Tür und grinste ihn an. “Also Sie hätte ich jetzt noch nicht hier erwartet. Ich dachte, Sie würden erst mal Ihren Schatz umarmen und an sich drücken.”
Es kam ihm vor, als würde er neben sich stehen. Er hatte die beiden beobachtet, als sie sich wie zwei gereizte Hunde um einen Knochen stritten, und jetzt waren auf einmal alle bester Laune. Wie war diese plötzliche Veränderung nur möglich?
“Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass es Ihnen gut geht.”
Ella zog verblüfft die Augenbrauen hoch. “Natürlich geht es mir gut. Warum auch nicht?”
“Nun, Sie kamen mir so aufgeregt vor, und ich wollte nicht …”
Sie legte eine Hand auf seinen Arm und schüttelte den Kopf. “Honey, keine Sorge. Das war alles nur Theater. Ich dachte mir, sie muss moralisch ein bisschen aufgebaut werden, darum habe ich sie gewinnen lassen. Aber beim Poker macht man so was eigentlich nicht. Und deshalb werde ich sie morgen ausnehmen.”
Trey war sich nicht sicher, ob er in diesem Moment grinste. “Gut, solange alles in Ordnung ist.”
“Alles bestens. Und damit Sie’s wissen, sie ist ein guter Fang!”
“Ich gehe jetzt nach Hause”, erklärte er, drückte ihr einen Kuss auf die Wange, dann überquerte er den Rasen.
Zurück im Haus sah er, wie Olivia eine Dose Limonade in ein Glas voller Eiswürfel goss. “Möchtest du auch ein Glas?” fragte sie.
“Ich brauche was Stärkeres”, murmelte er.
“Was hast du gesagt?”
“Nichts, Honey. Ist gut, ich nehme eine Pepsi. Aber lass mich das machen.”
“Ich kann dir ein Glas eingießen”, erklärte sie.
“Ich weiß, aber könnte es nicht sein, dass ich dich erst mal eine Weile verwöhnen will?” fragte Trey und nahm ihr die Dose aus der Hand.
Olivia wollte widersprechen, doch dann sah sie das Verlangen in seinen Augen.
“Ich gehe ins Wohnzimmer und lege die Beine hoch”, sagte sie. “Ich warte dann darauf, von dir verwöhnt zu werden.” Sie zwinkerte ihm zu und verließ die Küche.
Treys Hände zitterten, als er eine Dose öffnete. Was die nächsten Wochen bringen würden, wusste er nicht. Ihm war nur klar, dass er es kaum erwarten konnte.