KAPITEL 39

Dorothea und Eddie Battle waren nicht zu Hause, also fuhren King und Michelle an diesem Nachmittag ins Aphrodisia weiter, um mit Lulu Oxley über die ermordete Nackttänzerin zu sprechen.

Der Parkplatz füllte sich bereits, als sie eintrafen. Sie konnten einen kurzen Blick in den Barbereich werfen, wo die fast nackten Damen tanzten, begafft von johlenden Männern.

»Ich verstehe einfach nicht, was daran so reizvoll sein soll«, sagte Michelle.

»Dieses Angebot richtet sich auch nicht unbedingt an jemanden wie dich.«

»Willst du damit sagen, dass es dir Spaß machen würde, dir so etwas anzusehen?«

»Nein, aber ich fürchte, da gehöre ich zu einer Minderheit unter meinen Geschlechtsgenossen.« Er lächelte. »Das hängt mit einer gewissen Intelligenz, Kultiviertheit und Empfindsamkeit zusammen.«

Sie wurden zu Lulus kleinem, überfülltem Büro geführt. Die Geschäftsführerin schien sehr beschäftigt und keineswegs glücklich über die Unterbrechung zu sein.

»Ich habe dem FBI und Polizeichef Williams schon alles erzählt«, sagte Lulu, als sie ihr Feuerzeug zuklappen ließ und den ersten Zug von der Zigarette nahm.

»Wir sind jetzt Deputys, also können Sie es auch uns erzählen«, sagte King freundlich und zeigte ihr seinen Stern.

Sie seufzte, nahm einen weiteren Zug und lehnte sich im Schreibtischsessel zurück.

»Falls es Ihnen entgangen sein sollte, der Gesundheitsminister hat mehrmals darauf hingewiesen, dass Rauchen schädlich ist«, sagte Michelle und wedelte mit der Hand, um die Rauchschwaden vor ihrem Gesicht zu vertreiben.

»Der Gesundheitsminister ist nicht für das Management eines Nachtclubs verantwortlich«, gab Lulu zurück.

»Wir betätigen uns gern als Passivraucher, solange Sie uns etwas über Rhonda Tyler erzählen«, sagte King.

»Okay, also, zum dritten Mal: Rhonda Tyler alias wie auch immer ihr Bühnenname war…«

»Tawny Blaze«, warf Michelle hilfsbereit ein.

»Richtig, gutes Gedächtnis«, sagte Lulu und musterte Michelle aufmerksam. »Auf jeden Fall hat sie hier mit einem Vertrag gearbeitet. Sie wohnte in einem der Clubzimmer, doch kurz vor Ablauf der Zeit sagte sie uns, sie würde anderswo unterkommen. Sie blieb bis zum Ende ihrer Vertragszeit. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen. Wir hatten sie schon einmal beschäftigt, und sie hat sich immer wie ein Profi verhalten. Es gab nie Probleme.«

»Hat sie erwähnt, ob sie Freunde oder Verwandte in der Gegend hatte?«

»Mir gegenüber nicht. Aber in diesem Gewerbe hat man nicht allzu viel Kontakt zur Verwandtschaft.«

»Könnte sie einen Mann kennen gelernt haben?«, hakte Michelle nach.

Lulu schnippte die Asche von ihrer Zigarette in einen Pappkaffeebecher auf ihrem Schreibtisch. »Nicht dass ich wüsste.«

»Gibt es sonst jemanden, dem sie sich anvertraut haben könnte?«, fragte King.

»Vielleicht hat sie mit einem der Mädchen gesprochen.«

»Könnten wir uns mit ihnen unterhalten?«

»Wenn Sie es schaffen, sie zu wecken… Die Mädchen von der Nachtschicht stehen meist nicht vor dem Nachmittag auf. Und die von der Tagschicht sind jetzt auf der Bühne.«

»Wir versuchen es einfach«, erklärte King.

»Tun Sie das«, sagte Lulu und sah Michelle fest an.

Als sie zur Tür gingen, blickte Michelle sich kurz um und sah, dass Lulus Hand in einer Schreibtischschublade verschwand. Doch als Lulu die Hand wieder hervorzog, war sie leer. Michelle nahm den Blick von ihr, bevor die Frau bemerken konnte, dass sie beobachtet wurde.

»Ach, übrigens…«, sagte Lulu. »Es gibt da etwas, das von Interesse für Sie sein könnte. Die große und allmächtige Remmy Battle hat Junior bedroht.«

King und Michelle starrten sie an, während sie eine Zusammenfassung der Begegnung zwischen den beiden gab, einschließlich Remmys Angebot, Junior auszuzahlen, wenn er ihr die gestohlenen Gegenstände zurückgab.

»Also wollte sie etwas, das sich im Geheimfach befunden hat, aber an ihrem Ehering war sie gar nicht interessiert?«, fragte King verwirrt.

»Anscheinend hat die Dame etwas zu verbergen.«

»Wo hält Junior sich heute auf?«

»Er hat einen Auftrag in Lynchburg, da können Sie ihn nicht erreichen. Aber heute Abend wird er an unserem Haus weiterarbeiten.«

»Sagen Sie uns, wie wir das Haus finden. Und geben Sie uns Juniors Handynummer.« Während Michelle sie aufschrieb, stellte King eine weitere Frage. »War Bobby Battle jemals in diesem Club?«

Lulu schien sich zu bemühen, keine Überraschung zu zeigen. »Ich glaube, ich habe ihn hier ein paar Mal gesehen.«

»In letzter Zeit?«

»Was verstehen Sie darunter?«

»In den letzten paar Jahren.«

»Das kann ich nicht genau sagen.«

Davon bin ich überzeugt, dachte King. »Gut. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

»Ich zeige Ihnen, wo die Zimmer sind«, bot Lulu ihnen an.

Sie führte sie nach oben und wies in den Korridor, der hinter dem roten Vorhang begann.

»Viel Glück«, sagte sie in einem Tonfall, der vermuten ließ, dass sie es nicht so meinte.

Bevor King und Michelle sich auf den Weg machten, legte Lulu eine Hand auf Michelles Arm. »Äh… Dürfte ich Sie etwas fragen?«

»Nachdem wir Ihnen so viele Fragen gestellt haben, bitte!«

»Könnten Sie sich vorstellen, an der Stange zu tanzen?«

»Wie bitte?«, sagte Michelle entgeistert.

»Nun, Sie haben den Reiz des perfekten Mädchens von nebenan. Das ist in diesem Gewerbe ziemlich selten. Sie sind schlanker als die anderen Frauen und oben herum nicht ganz so kräftig gebaut, aber ich glaube nicht, dass die Männer sich daran stören werden, sobald sie mitbekommen haben, was an Ihnen dran ist.«

Michelle errötete. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

»Die Bezahlung ist viel besser, als Sie glauben, und Sie können Ihr ganzes Trinkgeld behalten. Sie können die Nachtschicht machen und weiterhin Ihren normalen Job während des Tages behalten. Die Gesetze dieses Staates verbieten völlige Nacktheit in einem Stripclub, also dürfen Sie Ihren G-String anbehalten. Aber der BH muss runter, das ist unsere Regel. Keine Titten, keine Kohle.«

Michelle lächelte gepresst. »Lassen Sie es mich so ausdrücken: Der Tag, an dem ich nackt bis auf einen G-String vor einer Horde besoffener Idioten an der Stange tanze, ist der Tag, an dem der Himmel einstürzt und uns alle unter sich begräbt.«

»Ich weiß nicht recht…«, sagte King, der dem Dialog aufmerksam zugehört hatte. »Aber um das zu erleben, würde ich mindestens zwanzig Dollar Trinkgeld springen lassen.«