Kapitel 37

Verflucht noch mal!

Alvarez hörte die Nachricht ab, die Kacey Lambert auf ihrem Handy hinterlassen hatte, und hätte sich innerlich zum Mond schießen können. Wütend rief sie die Neun-eins-eins-Zentrale an und erfuhr, dass ein Notruf eingegangen und ein Einsatzteam bereits unterwegs zu der Ranch von Trace O’Halleran an der Old Mill Road war. Die Anruferin hatte Schüsse gemeldet. Alvarez legte auf und wählte Kaceys Nummer, doch sie landete direkt bei der Mailbox.

»Zu spät«, sagte die Latina grimmig zu Pescoli. »Sieht so aus, als sei er bei O’Halleran.«

»Was? Nein!« Noreen stieß einen Schrei aus. Alvarez, die zusammen mit Pescoli in der Eingangstür stand, warf einen Blick über die Schulter.

»Genau das hatte ich befürchtet«, sagte Judd. »Du weißt, dass er nie ganz richtig im Kopf war, Mutter. Von Anfang an. Er hat Aggie von der Treppe gestoßen.«

Alvarez hob die Hand, um Regan zu bedeuten, dass sie noch warten solle, und kehrte ins Arbeitszimmer zurück.

»Es war ein Unfall«, beharrte Gerald und ließ sich schwer auf seinen Sessel fallen.

»Natürlich«, bestätigte Judd. »Natürlich war es ein Unfall. Aber im Grunde ist genau das passiert.«

»Du hast mir doch erzählt, Aggie habe sich in ihrer Decke verheddert«, erinnerte Gerald seinen Sohn und suchte dessen Blick.

Judd hatte die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. »Ich weiß, und das stimmt auch«, sagte er leise. »Und dann kam Cam angerannt und hat sie zu Boden gestoßen. Da ist sie die Treppe hinuntergestürzt.«

Noreen schauderte.

»Und hat sich dabei tödlich verletzt«, schloss Gerald, ohne den Blick von seinem Sohn zu wenden.

»Wir müssen los«, drängte Pescoli und öffnete die Tür. Kalte Winterluft wehte in die warme Diele. Alvarez ging zu ihr und drehte sich auf der Schwelle noch einmal um. »Sie bleiben hier im Haus«, befahl sie Gerald, seiner Frau und dem ältesten Sohn.

»Cameron war das nicht«, jammerte Noreen, aber Judd Johnsons angespanntes Gesicht sagte alles. Seine Mutter, die nun wesentlich fragiler wirkte als noch vor einer halben Stunde, brach in seinen Armen zusammen. Tränen strömten aus ihren Augen, während sie schluchzend hervorstieß: »Er … er war’s nicht! Das kann doch gar nicht sein!«

Pescoli war bereits draußen und eilte zu ihrem Jeep.

Alvarez warf einen letzten Blick auf Gerald, den großen Mann, der nun in seinem ledernen Fernsehsessel am Kamin saß, den Kopf in eine Hand gestützt, mit der anderen nach seinem Scotchglas greifend, dann folgte sie ihrer Partnerin hinaus in den Schnee.

»Ich fahre«, sagte Pescoli. Während Alvarez auf den Beifahrersitz kletterte, ließ sie den Motor an und stellte die Automatik auf D. Alvarez hatte die Tür noch nicht ganz zugezogen, geschweige denn den Sicherheitsgurt angelegt, als der Jeep auch schon einen Satz nach vorn machte und von der kreisförmigen Auffahrt auf die mittlerweile spiegelglatte Straße schoss, die hügelabwärts führte.

»Weißt du Genaueres?«, fragte Pescoli.

»Nur, dass auf O’Hallerans Ranch etwas nicht stimmt«, sagte Alvarez. »Kacey Lambert hat die Neun-eins-eins angerufen und Schüsse gemeldet.« Sie dachte an den Mann, der ihrer Überzeugung nach all die Frauen auf dem Gewissen hatte – seine Schwestern und Halbschwestern. »Sieht so aus, als wäre Cameron Johnson in einen Blutrausch geraten und würde mit den Leuten dort anfangen.«

»Ich dachte, er bringt nur seine Reagenzglas-Schwestern um?«

»Eben nicht, wie du gerade gehört hast. Außerdem scheint er jeden zu beseitigen, der ihm in die Quere kommt.« Alvarez wiederholte Kaceys Text auf ihrem Anrufbeantworter für Regan.

Selbst im dunklen Wageninnern konnte sie sehen, wie ihre Partnerin bleich wurde. »Der Mistkerl läuft Amok!« Pescoli fuhr so schnell, wie es die schwierigen Straßenverhältnisse eben zuließen. Als sie endlich die Hauptstraße erreichten, warf sie der Latina einen fragenden Blick zu. »Ich nehme an, du hast keine Zigaretten bei dir?«

»Träum weiter«, erwiderte diese und versuchte es noch einmal auf Kaceys Handy.

Wieder wurde sie direkt an die Mailbox weitergeleitet.

 

Trace’ Finger schlossen sich fester um den Griff der Schaufel.

»Ich habe mich schon gefragt, ob du noch auftauchen würdest«, sagte der Mörder. Dort in der Stalltür, eine dunkle Silhouette vor der weißen Schneedecke, auf der vereinzelt die Strahlen des durch die dicken Wolken blinzelnden Mondes glitzerten, stand Kacey, die Beine gespreizt, ein Gewehr in der Hand. In der stockfinsteren Scheune konnte sie nichts erkennen. Konnte nicht mal vermuten, wo sie sich befanden.

Klick.

Jetzt spannte er den Hahn.

Was dachte sich Kacey nur?

»Hau ab!«, schrie Trace wieder. Panisch riss er die Schaufel von den dicken Nägeln, an denen sie aufgehängt war. Das Schaufelblatt wie einen Schild vor sich haltend, krabbelte er rückwärts zur Tür, um sie aus dem Schussfeld zu stoßen.

»Zu spät!« Hinter ihm ertönte hohles Gelächter.

»Pass auf!«, schrie er und verfluchte sein verletztes Bein, aus dessen Wunde noch immer das Blut floss. »Er hat ein Gewehr!«

»Ich auch«, erwiderte sie ruhig. Zu ruhig. »Bleib unten!«

Peng!

Die Mündung ihrer Waffe spuckte Feuer, dann verschwand sie blitzschnell hinter der Außenwand. Trace drückte sich dicht an den Stallboden.

Peng! Klick! Peng! Klick! Peng!

Der Killer feuerte in rascher Folge. Die Balken des alten Stalls erzitterten, die Pferde gerieten vollends außer Rand und Band, die Hunde bellten wie verrückt, ein Schrei ertönte.

Kacey!

Er rollte sich herum und versuchte, sich aufzurappeln, doch sein verletztes Bein machte nicht mit. Das Einzige, was er tun konnte, war, sich weiter vorwärtszuschieben.

Von draußen war ein entsetzliches Stöhnen zu vernehmen, als wiche sämtliches Leben aus ihrem Körper.

»NEIN!«, schrie er. »NEIN

Hinter ihm ertönte ein zufriedenes Lachen; die Freude des Psychopathen über seinen Treffer war fast greifbar.

Du armseliger Irrer, das werde ich dir heimzahlen!

»Trace!«

Was war das?

»Trace!« Kaceys verängstigte Stimme drang an sein Ohr, ein ferner, schwacher Schrei, erstickt vom Tosen des Sturms. O nein, er durfte sie nicht verlieren!

Aber sie lebt!

»Halt durch!«, rief er mit brüchiger Stimme. »Halt um Gottes willen durch!«

Er robbte näher an die Stalltür heran. Plötzlich vernahm er hinter sich Schritte, doch er drehte sich nicht um, bewegte sich weiter, der eisigen Luft entgegen, aus der Stalltür hinaus, ohne dass ihm eine Gewehrmündung an den Hinterkopf gedrückt wurde.

Da sah er sie. Reglos. Eine zusammengesackte Gestalt im Schnee direkt vor dem Gebäude, das Haar flatternd im Wind.

NEIN! NEIN! NEIN!

Bitte, lass sie am Leben sein!

»Kacey«, stieß er hervor. »Bitte … Kacey.« Wieder hörte er ein Geräusch hinter sich. Der verwundete Killer kam näher. Würde er jetzt auch ihn umbringen?

Hatte sie sich etwa bewegt? Ja, da sah er es wieder: Ein Fuß zuckte. Er kroch näher und erkannte im bleichen Licht des Mondes einen dunklen Fleck im Schnee, der sich immer weiter um sie herum ausbreitete. »Warum?«, flüsterte er, gepackt von neuerlichem Zorn und Kummer. Warum war sie bloß zu ihm hinaus in den Stall gekommen?

»Zu spät, Freundchen«, keuchte eine Stimme hinter ihm. In weiter Ferne ertönte das Geheul von Sirenen.

Erschöpft und völlig außer Atem warf Trace einen Blick über die Schulter und sah einen riesigen Schatten in der Stalltür. Das Gewehr im Anschlag, ein Nachtsichtgerät vor den Augen, lehnte er am Türrahmen. Dunkle Tropfen färbten den Schnee unter seinem linken Arm – die Heugabel hatte ganze Arbeit geleistet, dachte Trace.

»Du bist so gut wie tot«, zischte der Killer.

In dem Augenblick entdeckte Trace die Waffe im Schnee.

Sie lag vor Kaceys Fingerspitzen, der Lauf von ihr abgewendet.

Mit einem Ruck schob sich Trace nach vorn, den Arm ausgestreckt, das Schaufelblatt noch immer als Schutzschild nutzend. Seine Finger streiften die Mündung; die Waffe drehte sich und grub sich tiefer in den Schnee.

Der Mörder lachte, ein gurgelndes, dämonisches Lachen, das das Tosen des Sturms übertönte. »Netter Versuch, du Bastard!«

Klick!

Trace ignorierte sein verletztes Bein und schnellte mit aller Kraft ein zweites Mal nach vorn. Diesmal bekam er die Waffe zu fassen, auch wenn er vor Schmerz fast ohnmächtig wurde.

»Sprich schon mal deine Gebete, Cowboy«, befahl der Killer. »Gleich wirst du deiner Freundin Gesellschaft leisten.«

Plötzlich ertönte ein furchterregendes Knurren aus dem Stall hinter ihm.

Der Irre fuhr herum, für einen winzigen Moment abgelenkt.

Beide Hunde schossen gleichzeitig aus der offenen Stalltür, direkt auf ihn zu. Mit angelegten Ohren und zurückgezogenen Lefzen, die Köpfe gesenkt, teilten sie sich: Einer wandte sich nach links, der andere nach rechts. Drohend umkreisten sie den Killer wie hungrige Wölfe ihre Beute.

»Verflucht.« Ohne zu zögern richtete der Kerl die Waffe auf den größeren Hund.

Bonzi!

»Nein!«, brüllte Trace und versuchte, auf die Beine zu kommen – ohne Erfolg.

Bonzi sprang, die kräftigen weißen Zähne gebleckt.

Wumm!

Der Killer fuhr zusammen. Schrie auf. Ließ das Gewehr fallen.

Wumm!

Wieder bäumte sich der Mann auf und ruderte wild mit den Armen.

Dann fiel er nach vorn auf die Knie. Vor ihm im Schnee bildete sich ein zusehends größer werdender roter Fleck.

»Wo ist er?«, fragte eine Frau mit fester Stimme.

Trace, dem erneut schwindlig wurde, warf einen Blick über die Schulter. Was hatte das zu bedeuten? Wer konnte das sein?

Die Frau kam näher, ein Gewehr – sein Gewehr – auf den verwundeten Mann gerichtet.

Kacey?

Aber –

Er sah auf die reglose Frau, die vor ihm im Schnee lag – Kacey. Das Sirenengeheul wurde lauter.

»Wo zum Teufel ist Eli, Cameron?«, fragte die neue Kacey und zielte direkt auf den verwundeten Mann.

Du halluzinierst, dachte Trace. Zwei Kaceys? Das kann doch nicht sein …

Kacey Nummer zwei trat zu dem verwundeten Mann und schob mit dem Fuß dessen Gewehr zur Seite. Der Kerl, den sie Cameron genannt hatte, ächzte ein letztes Mal rasselnd, dann sackte er in sich zusammen und rührte sich nicht mehr.

Sie riss den Blick von seiner schwarzen Skimaske los, wandte sich um zu Trace und bemerkte das Blut, das aus seinem Oberschenkel strömte und den Schnee um ihn herum dunkel verfärbte.

»O mein Gott, Trace!«

Wie in Zeitlupe sah er sie auf sich zulaufen, Schnee aufwirbelnd, das Gewehr in einer Hand, eine Taschenlampe in der Tasche. »Um Himmels willen, du blutest!«, rief sie und ging neben ihm in die Knie.

»Kacey«, flüsterte er und streckte die Hand nach ihr aus, um sie an sich zu ziehen. Doch ihm wurde schwarz vor Augen, alles um ihn herum drehte sich …

»Warte … Lass mich erst nach deiner Verletzung sehen … Ach du liebe Güte, Trace …« Er hörte, wie sie nach Luft schnappte. Offenbar hatte sie die tote Frau neben ihm entdeckt. »O mein Gott, wer ist das?«, flüsterte sie, dann räusperte sie sich und beugte sich zu der Frau hinüber, die ihr Zwilling hätte sein können. Sie berührte den Hals ihrer Doppelgängerin und tastete nach deren Puls, dann brachte sie ihr Ohr an ihre Nasenlöcher. »Sie ist tot«, wisperte sie und wandte den Blick ab. »Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen«, sagte sie leise zu Trace und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Seine Augenlider waren bleischwer, immer wieder glitt er in die Ohnmacht ab. »Aber Eli?«, brachte er mühsam heraus. »Wo ist Eli?«

»Ich weiß es nicht«, gestand sie leise und zog ihn an sich. Er spürte ihre warme, feuchte Wange an seiner eigenen und gab alles, um bei Bewusstsein zu bleiben. Er musste seinen Sohn finden. Unbedingt!

»Wir werden ihn finden«, versprach sie über den Lärm der eintreffenden Einsatzfahrzeuge hinweg. »Du musst einfach nur durchhalten, hörst du, Trace? Trace! Bleib bei mir …«

Doch er trieb schon davon, hörte wie aus weiter Ferne Stimmen – Männer- und Frauenstimmen –, doch er konnte nicht antworten.

Kacey lebt … sie lebt … aber Eli …

Er liebte sie beide.

»Bleib bei mir, Trace O’Halleran!«, rief sie, doch auch sie war weit, weit weg … »Verdammt noch mal, Trace, ich habe fünfunddreißig Jahre gebraucht, um dich zu finden, da kannst du mir doch nicht einfach wegsterben! Trace, hörst du mich? Bleib bei mir!« Ihre Stimme klang gebrochen. »Komm schon, Trace, ich liebe dich! Ich liebe dich!«

Ich liebe dich auch, Kacey …

 

Sie würde ihn verlieren!

Trace O’Halleran würde in ihren Armen sterben!

Und die tote Frau neben ihm im Schnee, da war sie sich jetzt sicher, musste Leanna sein, seine Ex-Frau, aller Wahrscheinlichkeit nach eine weitere von Gerald Johnsons Reagenzglas-Töchtern und – Elis Mutter.

»Halt durch!«, befahl sie Trace ein weiteres Mal. Um sie herum heulten Sirenen, rote und blaue Blinklichter zuckten durch die Nacht.

Sie wagte nicht, sich umzudrehen, doch sie hoffte inständig, dass die Sanitäter alles Nötige zu Trace’ Rettung bei sich hatten. Er hatte eine Menge Blut verloren, doch sie würde nicht zulassen, dass er ihr unter den Händen wegstarb. Schnell riss sie ihm die Jeans auf und richtete den Strahl ihrer Taschenlampe auf die Wunde in seinem Bein. Blut sprudelte im Takt mit seinem Herzschlag aus dem Einschussloch; vermutlich war seine Oberschenkelarterie getroffen worden. Sie drückte beide Hände darauf, um die Blutung zu stoppen, als sie eine tiefe Stimme neben dem Haus rufen hörte. »He! Hier rüber!« Schritte ertönten, jemand kam keuchend näher und sagte dann mit fester Stimme: »Wir übernehmen, Madam.« Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter. Hinter ihr stand ein Rettungssanitäter.

»Aber ich bin Ärztin.«

»Ach du liebe Güte, da ist ja noch eine!« Der Sanitäter beugte sich über Leanna.

»Sie ist tot.«

»Hier liegt auch einer!«, rief eine Frau, die offenbar auf Cams Leiche gestoßen war. »Mein Gott, was ist denn hier passiert? Sieht aus wie ein verfluchtes Armageddon!«

»Madam … ich übernehme … jetzt«, sagte der Mann und wandte sich wieder Trace zu.

»Aber ich bin –«

»Ärztin. Ich weiß.« Er ließ sich nicht beirren. »He, Annie«, rief er seiner Kollegin über die Schulter zu. »Ich brauche Hilfe! Ein Schwerverletzter, und die hier steht unter Schock!«

 

Die O’Halleran-Ranch glich einem Tollhaus.

Kurz bevor Alvarez und Pescoli eingetroffen waren, war die Hölle losgebrochen. Pescoli schlingerte so schnell um die Ecke, dass der Jeep fast den Postkasten am Ende der Auffahrt mitgenommen hätte. Zwei Einsatzfahrzeuge standen neben einem offenen Tor, daneben ein Rettungswagen mit laufendem Motor, bereit, die Verletzten abzutransportieren.

Hinter dem großen Ranchhaus versorgten die Sanitäter Trace O’Halleran und schnallten ihn auf eine Trage, während ein Suchtrupp loszog, um seinen vermissten Sohn aufzuspüren. Cameron Johnson, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, ein Nachtsichtgerät vor den Augen, war tot – mit zwei Gewehrschüssen niedergestreckt von Kacey Lambert.

Zitternd, eine Decke um die Schultern gewickelt, saß diese bei geöffneter Tür auf dem Beifahrersitz eines der beiden Streifenwagen. Als Alvarez und Pescoli zu ihr traten und ihr einen fragenden Blick zuwarfen, gab sie unumwunden zu, auf Gerald Johnsons Sohn gefeuert zu haben, als dieser sich weigerte, seine Waffe fallen zu lassen. Leichenblass und offensichtlich unter Schock stehend, schwor Kacey, dass Cameron die Frau auf dem Gewissen habe, die noch immer vor ihnen im Schnee lag.

Eine Frau, die ihr zum Verwechseln ähnlich sah.

»Ich glaube, das ist Leanna«, flüsterte Kacey wie betäubt und blickte in Richtung der zusammengekrümmten Gestalt vor dem Pferdestall.

»Tot«, bestätigte einer der Sanitäter und öffnete die Hecktür für Trace, der von zwei muskelbepackten Rettungskräften auf der Trage durch die hohen Schneewehen zum wartenden Ambulanzwagen getragen wurde.

»Ich muss ihn begleiten«, beharrte Kacey.

»Sie können mit uns fahren«, bot Pescoli ihr an.

»Seht mal!« Trilby Van Droz, eine der Streifenbeamten, deutete mit dem Kopf Richtung Straße. »Sieht so aus, als bekämen wir Gesellschaft.« Am Ende der Zufahrt tauchten zwei Scheinwerfer in der Dunkelheit auf, das dazugehörige Fahrzeug konnte man nicht erkennen. »Wetten, das ist die Presse?«

Ein Nachrichten-Van. Was sonst?

Na großartig. Genau das, was sie brauchten. »Die sollen verschwinden! Erst mal müssen wir herausfinden, was hier eigentlich passiert ist«, rief Pescoli, und Van Droz rannte die Zufahrt hinunter, dem Rettungswagen hinterher, der Trace abtransportierte.

»O’Halleran wird durchkommen«, sagte Alvarez.

»Aber Eli. Wir müssen ihn finden«, beharrte Kacey. »Leanna … sie muss im Haus gewesen sein, um mich zu warnen. Aber es war so dunkel … der Strom ist ausgefallen …«

»Können Sie aufstehen?«, fragte Pescoli, die am Streifenwagen neben der Beifahrertür lehnte, und bot Kacey den Arm.

»Es … es geht mir gut«, erwiderte Kacey, doch sie hielt sich an der Beamtin fest.

»Dann mal los«, sagte diese. Zusammen mit Alvarez stapften sie durch den hohen Schnee zum Jeep. Kacey, deren Wagen noch immer in der Polizeiwerkstatt stand, kletterte auf den Rücksitz. Alvarez nahm auf dem Beifahrersitz Platz, Pescoli fuhr.

Wenngleich Cameron Johnson tot war und kein weiteres Unheil anrichten konnte, verspürte Pescoli nach wie vor ein nervöses Kribbeln. Das Verschwinden des Jungen machte es nicht besser. Wo zum Teufel konnte er stecken? Zu viele lose Enden mussten verknüpft, zu viel Beweismaterial ausgewertet werden, außerdem mussten sie Kaceys Aussage überprüfen. Selbst wenn die Ärztin halb verrückt zu sein schien vor Sorge um den Jungen und Trace O’Halleran, wollte sie sie mit ins Department nehmen.

Nach ihrem Abstecher in die Notaufnahme.

Ja, dachte Pescoli, während sie auf die Landstraße fuhr, an deren Rand das Nachrichtenteam eines lokalen Fernsehsenders in seinem Übertragungswagen hockte, Kacey Lambert hatte die Neun-eins-eins angerufen, und sie hatte Alvarez mehrere Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen. Sie hatte die Behörden an den Tatort geführt, aber sie hatte sich nicht an die Regeln gehalten, hatte entgegen der Anweisung der Vermittlungsbeamtin das Haus verlassen und das Gesetz in die eigenen Hände genommen.

Und damit O’Halleran das Leben gerettet.

Doch zwei andere Menschen waren gestorben, und der Junge wurde vermisst.

Ihre bruchstückhafte Aussage deckte sich mit dem, was die Jungs von der Spurensicherung bislang zusammengetragen hatten, doch es war noch zu früh für endgültige Schlüsse. Noch mussten sie alles bis ins kleinste Detail überprüfen.

Sie fuhren in Richtung Grizzly Falls.

Der Mond hatte sich wieder hinter dicken Schneewolken verschanzt, und es war stockfinster; offenbar betraf der Stromausfall nicht nur die O’Halleran-Ranch. Nur in den wenigen Farmhäusern, die über einen Generator verfügten, sah man Licht in den Fenstern. Zwei Pick-ups hatten angehalten, um ein Fahrzeug aus dem Straßengraben zu ziehen, ansonsten kämpften sich nur wenige Wagen durch den Sturm.

Pescoli hatte die Heizung hochgedreht, im Jeep war es so heiß wie in einer Sauna, trotzdem schien Kacey Lambert nicht warm zu werden und erzählte ihnen ihre Geschichte bibbernd zum zweiten Mal. Sie machte sich große Sorgen um Eli.

»Ich werde es mir nie verzeihen, sollte ihm etwas zugestoßen sein«, sagte sie und blickte angestrengt aus dem Fenster. Ihr Atem ließ die Scheibe beschlagen. »Niemals.«

Zwei Minuten später, gerade als sie das schneebedeckte Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Grizzly Falls« erreichten, klingelte Alvarez’ Handy. Sie nahm den Anruf entgegen und lauschte. Es war ein einseitiges Gespräch: »Was? … Wo? … Danke, gut gemacht!« Dann drehte sie sich zu Kacey nach hinten. »Wir haben ihn.«

»Wen? Eli?«, fragte diese ungläubig.

»Ja. Er ist in Sicherheit.«

»Gott sei Dank!«, stammelte Kacey. Ihre Stimme brach, und sie zog geräuschvoll die Nase hoch.

Eine Welle der Erleichterung schwappte über Pescoli hinweg. Sie wollte gerade etwas sagen, als Alvarez die Hand hob. »Pst!«, sagte sie und führte ihr Gespräch fort. »Ja, bringen Sie ihn ins Büro. Wir treffen uns dort.« Als sie auflegte, konnte auch sie ihre sonst stets ruhige, professionelle Fassade nicht mehr aufrechterhalten. »Gott sei Dank! Es geht ihm gut.«

Pescoli sah in den Rückspiegel und bemerkte, dass Kacey Freudentränen in den Augen standen.

»Die Details kenne ich nicht«, berichtete Alvarez, »aber es sieht so aus, als wäre er von seiner Mutter entführt und zu den Nachbarn gebracht worden. Ed und Matilda Zukov haben die ganze Zeit über versucht, jemanden zu erreichen, aber offenbar hat Leanna O’Halleran ihre Telefonleitung durchgeschnitten und ihnen ihre Handys abgenommen, um sich genügend Zeit zu verschaffen, irgendein Vorhaben zu vollenden.«

»Sie hatte es auf Cam abgesehen«, sagte Kacey leise. »Sie wusste, dass er kommen würde.«

»Offensichtlich«, stimmte ihr Alvarez zu. »Die Zukovs werden uns Näheres mitteilen können. Ein Beamter bringt sie aufs Department, zusammen mit dem Jungen.«

Pescoli schnitt eine Grimasse. »Sie hat sich so gut wie nie um den Jungen gekümmert, und dann taucht sie urplötzlich, getrieben von irgendwelchen ominösen Mutterinstinkten, genau im richtigen Augenblick auf, um einen blutrünstigen Psychopathen abzuknallen?« Pescoli warf Alvarez einen zweifelnden Blick zu. »Was hat sie gewusst?«

Alvarez schüttelte den Kopf. Das würden sie vermutlich niemals erfahren.

 

Kacey wiederholte ihre Aussage dreimal und beantwortete außerdem eine ganze Reihe von Fragen, obwohl es offensichtlich war, dass Pescoli und Alvarez und selbst der Sheriff höchstpersönlich ihr glaubten. Eigentlich hatten die Beamtinnen die Ärztin direkt ins Krankenhaus bringen wollen, aber sie hatte darauf bestanden, dass sie erst vernommen werden wollte. Sobald sie im Department angekommen waren, suchte Kacey die Toilette auf, wusch sich das Gesicht und schluckte drei starke Kopfschmerztabletten, dann klebte sie sich ein etwas zu großes Pflaster aufs Kinn, das ihr die Frau am Empfang gegeben hatte. Von Trace’ Handy aus rief sie im Krankenhaus an, um sich nach seinem Zustand zu erkundigen, doch man teilte ihr nur mit, dass er gerade operiert wurde.

Deputy Van Droz führte die Zukovs und Eli in den Vernehmungsraum, wo auch Kacey befragt wurde. Sie schlang die Arme um den Jungen, flüsterte mit Tränen in den Augen »Was für ein Glück, dass du in Sicherheit bist« und zauste sein Haar.

»Ich habe Mommy gesehen«, sagte Eli und biss sich auf die Unterlippe.

»Ich weiß, mein Schatz.«

»Sie ist gekommen, um mich abzuholen.«

»Davon habe ich gehört«, erwiderte Kacey, um ein Lächeln bemüht. Der Anblick von Leannas zusammengekrümmtem Leichnam im Schnee, ihr starrer Blick, ging ihr nicht aus dem Kopf. Es war, als hätte sie sich selbst gesehen, erschossen von ihrem wahnsinnigen Halbbruder.

»Sie hat auf meinem Gips unterschrieben«, verkündete Eli und zeigte ihr stolz den dicken Schriftzug: »Ich liebe dich, Deine Mom«.

»Das ist schön«, sagte sie und fragte sich, ob sie in der Küche wirklich Leannas Stimme gehört oder sich das nur eingebildet hatte. Im Grunde war es egal: Leanna hatte ihnen allen das Leben gerettet, weshalb sie sich nun schwor, sich gut um ihren Sohn zu kümmern.

»Möchtest du eine heiße Schokolade?«, richtete Pescoli das Wort an den Jungen. Eli warf Kacey und den Zukovs einen fragenden Blick zu. »Geh nur«, sagte Tilly, und Eli folgte eifrig der rothaarigen Beamtin.

Als der Junge den Vernehmungsraum verlassen hatte, machten die Zukovs ihre Aussage. Leanna war bei ihnen zu Hause aufgekreuzt, mit Eli in den Armen. Allem Anschein nach war sie durch den Schnee gestapft, um ihren Sohn bei ihnen abzugeben. Sie hatte ein Gewehr bei sich gehabt und den Zukovs klargemacht, sie würde es auch benutzen, sollten sich die alten Leute ihr in den Weg stellen. Damit sie die Polizei nicht benachrichtigten, hatte sie entschlossen den Pick-up der beiden fahruntüchtig gemacht und die Telefonleitung gekappt, die Handys der Zukovs und deren Laptop mitgenommen, so dass sie komplett von der Außenwelt abgeschnitten waren, während sie sich auf den Weg machte, um »noch eine alte Rechnung zu begleichen«.

Leanna habe von dem Killer gewusst, erzählte Tilly, der sämtliche Töchter von Gerald Johnson umbringen wollte, weil er davon ausging, dass die meisten von ihnen einen schwerwiegenden geistigen Defekt hatten. Um seinen Familiennamen zu schützen, hatte er diesen teuflischen Plan ausgeklügelt. Gegen zwei von ihnen führte er einen ganz persönlichen Rachefeldzug: gegen Leanna, weil er sich in sie verliebt hatte, ohne zu wissen, wer sie war, gegen Kacey, weil ihre Mutter Geralds Geliebte gewesen war. Auch sein Halbbruder Robert Lindley sollte seinem Plan zum Opfer fallen, doch zunächst wollte er sämtliche »Unwissenden« – wie er sie nannte – auslöschen.

Kacey musste an Camerons Beschimpfungen denken, nachdem er sie mit dem Gewehr niedergeschlagen hatte. »Geisteskranke Weiber« hatte er Gerald Johnsons weibliche Nachkommen genannt, ohne sich darüber bewusst zu sein, dass seine eigene Geisteskrankheit einen Mörder aus ihm gemacht hatte.

Laut Tilly hatte Cameron Leanna seine Taten gestanden, als er vor Jahren versucht hatte, sie umzubringen. Sie hatte ihm aber entkommen können und dann Trace kennengelernt. Ihren Sohn hatte sie bei O’Halleran gelassen, da sie fürchtete, Cameron würde sich über Eli an ihr rächen. Aus Angst um Eli war sie schließlich zurückgekehrt, fest entschlossen, den Jungen zu retten und Cameron endgültig unschädlich zu machen.

»Wir waren entsetzt, was für eine grauenhafte Geschichte sie uns da auftischte«, schloss Tilly. »Und wir saßen in der Falle. Natürlich sollte Eli bei uns in Sicherheit sein, aber wir haben uns schreckliche Sorgen gemacht. Ed hat sogar versucht, den alten Traktor anzuwerfen in der Hoffnung, sich zu den Foxx’, unseren Nachbarn in nördlicher Richtung, durchzuschlagen, um die Polizei zu alarmieren.«

»Das elende Ding wollte bei der Kälte nicht anspringen«, ergänzte Ed. Seine Frau und er sahen völlig erschöpft aus.

Pescoli kehrte mit Eli zurück, der damit beschäftigt war, die Marshmallows in seiner heißen Schokolade zu verrühren. Sie brachte auch mehrere Tassen dampfenden Kaffee mit. Kacey nahm sich eine, um endlich warm zu werden.

Die Hände um die Tasse geschlossen, wandte sie sich an Ed und Tilly. »Dann ist Eli also Camerons Sohn?«

»Das hat sie hartnäckig bestritten«, sagte Tilly, und Ed nickte bekräftigend.

»Ich bin der Sohn meines Dads«, schaltete sich Eli ein und pustete über seinen Kakao.

»Natürlich bist du das.« Kacey stand auf und umarmte ihn. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie hören konnte. Sie war so froh, dass er in Sicherheit war. Zwar würde sie sich irgendwann seinen Fragen bezüglich seiner Mutter stellen müssen, aber sie war bereit, das auf sich zu nehmen, wenn sie nur mit ihm und Trace zusammen sein konnte. Ihre Gefühle Leanna betreffend waren zwiespältig, doch es war nicht von der Hand zu weisen, dass diese Frau sich für ihren Sohn geopfert hatte.

Alvarez’ Handy klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display. »Da muss ich drangehen«, erklärte sie und ging hinüber ins angrenzende Zimmer.

Nach etwa zehn Minuten kehrte sie zurück und sagte: »Sieht so aus, als könnten wir Cameron Johnson mehr Verbrechen nachweisen, als wir geahnt haben. Das Team, das sich sein Haus vorgenommen hat, ist auf eine Art Geheimzimmer im Keller gestoßen. Dort sind stapelweise Fotos von Frauen, zusammen mit genauen Informationen über jede Einzelne von ihnen. Viele sind bereits tot, einige konnten entkommen.«

Kacey dachte an Gloria Sanders-O’Malley, die Fitnesstrainerin.

»Ich muss Jonas Hayes in L.A. anrufen«, sagte Alvarez zu Pescoli. »Ich denke, wir können Cam Johnson mit Shelly Bonaventures angeblichem Selbstmord in Verbindung bringen.«

»Er war auch der grauenhafte Kerl, der mich in Seattle überfallen hat«, sagte Kacey. »Das hat er selbst zugegeben.« Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Könnten Sie mich bitte ins Krankenhaus fahren, wenn wir hier fertig sind?«

Pescoli nickte. »Ich übernehme das.«

Lächelnd wandte sich Kacey an Eli. »Na komm. Lass uns mal nach deinem Dad sehen.«

 

Es stellte sich heraus, dass nicht nur Kacey Trace einen Besuch abstatten wollte. Pescoli und Alvarez hatten vor, Trace zu befragen, sobald er aus der Narkose aufgewacht war, und auch Ed und Tilly Zukov beschlossen trotz ihrer Erschöpfung, beim St. Bartholomew Hospital vorbeizufahren.

Wieder in den vertrauten Gängen der Klinik zu sein, kam Kacey fast ein wenig surreal vor. Obwohl es noch genauso aussah wie beim letzten Mal, als sie hier ihren Rundgang gemacht hatte, kam ihr alles verändert vor. Sie redete sich ein, das sei wegen des Schlags mit dem Gewehrkolben auf den Hinterkopf, doch es steckte mehr dahinter. Sie hatte einem brutalen Mörder von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden und ihn erschossen, und sie verspürte nicht den leisesten Anflug von Reue, denn er hatte ihr Trace nehmen wollen. Dabei war es doch ihre Aufgabe zu heilen und Leben zu retten, statt Leben zu nehmen.

Jetzt denk nicht dran, befahl sie sich und machte sich auf den Weg zum Aufwachraum, nachdem sie den wild protestierenden Eli in der Obhut der Zukovs zurückgelassen hatte. Zunächst einmal hatte nur sie als Ärztin Zugang zu Trace. Alvarez und Pescoli folgten ihr dicht auf den Fersen, warteten aber draußen, damit sie einen Augenblick mit Trace allein sein konnte.

Vorsichtig näherte sie sich seinem Bett. Er war noch benommen von der Narkose. Sein Bein war bandagiert, das Kliniknachthemd saß schief. Man hatte das Bein trotz der schweren Oberschenkelverletzung retten können. Trace stöhnte und öffnete blinzelnd die Augen.

»He«, sagte sie und beugte sich über sein Bett.

Angestrengt versuchte er, den Blick auf sie zu konzentrieren.

»Ich bin’s.« Sie nahm seine Hand. Bei seinem Anblick zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen; sein dunkles Haar lag zerzaust auf dem weißen Kissen, sein markantes Kinn war von einem Bartschatten bedeckt. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie ihn liebte. Beinahe hätte sie ihn für immer verloren. »Trace?«

Einer seiner Mundwinkel hob sich zu einem benebelten Grinsen, sein Blick war verschleiert. »Kacey?«, fragte er mit rauher Stimme.

»Ja, ich bin’s.« Ihre Kehle schnürte sich zu, als er nach ihrer Hand fasste.

»Eli?«, stieß er hervor. »Es geht ihm gut.« Tränen brannten in ihren Augen. »Er ist hier und würde dich gern sehen. Die Zukovs sind bei ihm. Sie warten im Gang.«

»Gott sei Dank«, flüsterte er heiser.

»Ja.« Sie wusste nicht, woran er sich bereits erinnerte, daher drückte sie seine Hand und sagte: »Trace, da gibt es etwas, das du wissen solltest.«

»Hmmmm …« Immer noch benommen.

»Es geht um Leanna. Sie hat dir das Leben gerettet und vermutlich auch Eli.« Er reagierte nicht, hatte sie vielleicht gar nicht gehört. »Und da ist noch etwas«, gestand sie und beugte sich näher zu ihm. »Ich liebe dich.« Sie spürte, wie ihr heiße Tränen übers Gesicht liefen. »Ich weiß, das ist verrückt, aber verdammt noch mal, ich liebe dich.«

»Ich weiß …« Seine Stimme klang wie von weit her. »Du wirst mich heiraten.«

Auch wenn ihr klar war, dass er noch unter dem Einfluss seiner Narkose stand, machte ihr Herz vor Freude einen Satz. »Wir … wir sollten später darüber reden, wenn es dir wieder bessergeht …«

Plötzlich öffnete er die Augen. Sein Blick war klar. »Es geht mir besser«, sagte er und umfasste ihren Nacken. Dann hob er den Kopf und brachte ihn so nah an ihren, dass sich ihre Nasenspitzen berührten. »Du wirst mich heiraten, Dr. Lambert, keine Widerrede«, sagte er und küsste sie leidenschaftlich. Nach einer halben Ewigkeit gab er sie wieder frei und ließ sich mit geschlossenen Augen zurück auf die Kissen fallen.

»Heuchler«, sagte sie anklagend.

Er erwiderte nichts.

Ein Lächeln umspielte ihre geschundenen Lippen, und auch wenn sie es nicht aussprach, so dachte sie doch: Ja, ich werde dich heiraten, Trace O’Halleran. Darauf kannst du dich verlassen.