Kapitel 32

Vergiftet?

Sie war vergiftet worden und hatte es nicht mal bemerkt?

Trace an ihrer Seite, saß Kacey auf einem Klappstuhl im Befragungsraum im Büro des Sheriffs und hörte Alvarez zu, die ihr gegenüber an dem zerschrammten Tisch saß und schilderte, wie sie das Arsen in Jocelyn Wallis’ Kaffeepulver gefunden hatten. Kacey dachte an ihre eigenen Symptome. Nie im Leben wäre sie darauf gekommen, dass sie von einer Vergiftung herrührten! Sie war Ärztin, ihr wäre doch sicher aufgefallen, wenn die Beschwerden auffälliger, die Schmerzen stärker geworden wären. Trotzdem …

Jetzt machte es Sinn.

Die Befragung dauerte bereits über eine Stunde. Nachdem Detective Alvarez sie ermahnt hatte, sich aus den Ermittlungen rauszuhalten, ging sie nun streng nach den Vorschriften vor.

Obwohl sich Trace alle Mühe gab, entspannt zu wirken, entging ihr nicht, dass er nervös war; Kinn und Wangen unter dem dunklen Bartschatten waren angespannt, die Lippen schmal, seine Augen blickten ernst drein. Während des Gesprächs war er zweimal hinausgegangen, um Tilly anzurufen und sich zu erkundigen, wie es seinem Sohn ging. Obwohl er im Grunde gar nicht hier sein musste und Kacey ihn bereits aufgefordert hatte, nach Hause zu gehen, war er geblieben.

Alvarez hatte sich Kaceys Theorie bezüglich der toten Reagenzglas-Frauen bislang zweimal unterbreiten lassen: einmal in ihrem Wagen vor Kaceys Haus und jetzt ein zweites Mal. Als ihre Partnerin, Detective Pescoli, eintraf, brachte Alvarez sie schnell auf den neuesten Stand.

»Gerald Johnson«, wiederholte Pescoli kopfschüttelnd. »Dann stammt diese hier also auch von ihm ab?« Sie legte die Fotos auf den Tisch, Ausdrucke einer Digitalkamera. Kacey fuhr zurück, nicht so sehr wegen der Verletzungen – sie hatte während ihres Studiums und in der Klinik Schlimmeres zu Gesicht bekommen –, sondern weil sie augenblicklich die auffällige Ähnlichkeit bemerkte. Das Haar des Opfers, das unter einer blutverkrusteten Kapuze hervorschaute, war von einem tiefen Kastanienbraun, genau wie ihres. Ein Auge war geöffnet, die Pupille starr, die Iris nicht ganz so grün wie ihre und längst nicht so blau wie die der ehelichen Johnson-Kinder, aber definitiv im Farbspektrum aller Opfer.

Wäre ihr Gesicht nicht derart zerschmettert gewesen, hätte auch diese Frau glatt als Kaceys Schwester durchgehen können.

Was diese, dachte sie traurig, vermutlich auch war.

»Sie kennen sie?«, fragte Alvarez.

Kacey schüttelte den Kopf. »Ich habe sie noch nie im Leben gesehen.«

»Ich habe mit ihm gesprochen.« Alvarez deutete mit dem Kinn Richtung Trace, den sie nicht aus den Augen ließ.

Der Rancher hatte die Zähne aufeinandergepresst, an seinem Kinn zuckte ein Muskel. »Nein.« Er schob die Fotos zurück zu Pescoli, die noch immer neben dem Tisch stand.

»Wer ist sie?«, fragte Kacey.

Pescoli überlegte einen kurzen Moment, dann sagte sie: »Ich denke, das dürfen wir Ihnen in Anbetracht der Situation verraten. Aber bitte behalten Sie es für sich. Soeben werden die nächsten Angehörigen benachrichtigt. Ihr Name ist Karalee Rierson, sie stammt hier aus der Gegend. Eine Krankenschwester. Geschieden. Zweimal. Keine Kinder. Hat eine Zeitlang in Oregon gelebt.« Sie zögerte einen Augenblick, als müsse sie nachdenken, dann fügte sie hinzu: »Sie ist in Helena aufgewachsen.«

»Du liebe Güte«, flüsterte Kacey. Sie fühlte sich elend. Wer steckte hinter all diesen Unfällen? Und warum?

»Dr. Lambert ist heute bei Gerald Johnson gewesen«, teilte Alvarez ihrer Partnerin mit, dann nickte sie Kacey zu, die noch einmal berichtete, wie sie ihre Mutter dazu gebracht hatte, ihr die Wahrheit zu gestehen, und anschließend zu ihrem leiblichen Vater und seiner Familie gefahren war.

»Haben Sie geglaubt, so den Mörder ausfindig machen zu können?«, fragte Pescoli mit ernstem Gesicht. Sie hatte sich an die gegenüberliegende Wand gelehnt; ein Stück über ihr war eine Kamera befestigt.

»Ich bin nach Missoula gefahren, weil ich sie kennenlernen und ihnen die Bilder zeigen wollte; ich wollte ihnen mitteilen, was ich wusste. Wollte den Ausdruck auf ihren Gesichtern sehen, vor allem den von Gerald, da er offenbar das bislang fehlende Bindeglied ist.« Sie fröstelte, als sie an seine Reaktion und an die ihrer Halbgeschwister dachte. Obwohl sie sie nicht wirklich kannte, war ihr sehr wohl bewusst, dass sie keinem von ihnen näherkommen und vermutlich auch keinen von ihnen je wiedersehen würde. Ihre Neugier war befriedigt; was sie anbetraf, so zählte sie sich keineswegs zur Familie. »Gerald war betroffen, als ich ihm die Fotos von den toten Frauen gezeigt habe, und obwohl ich vermute, dass das nie seine Absicht war, hat er seine Tätigkeit als Samenspender zugegeben, was die meisten seiner Kinder schockierte.«

»Das glaube ich gern«, murmelte Pescoli.

»Von jetzt an halten Sie sich von ihnen fern«, riet Alvarez.

»Glauben Sie, sie sind gefährlich?«, fragte Trace.

»Ich glaube einfach, dass das jetzt eine Polizeiangelegenheit ist«, sagte Pescoli entschieden. »Wir wissen sehr wohl zu schätzen, dass Sie herausgefunden haben, wer unser Samenspender ist. Wir kannten bloß seine Nummer.«

Sie sprachen über die von Johnson einberufene Familienkonferenz, dann erzählte Kacey den Detectives von Gloria Sanders-O’Malley, der Trainerin aus dem Fit Forever. »Sie sieht aus wie wir anderen, und sie ist in Helena zur Welt gekommen.«

»Ich habe sie dort gesehen«, sagte Alvarez nervös. »Die Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen – wie Zwillinge.«

»Um Himmels willen, über wie viele Opfer und potenzielle Opfer reden wir eigentlich?«, fragte Pescoli dazwischen. »Das ist doch Wahnsinn!« Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Entschuldigung.«

»Fallen Ihnen noch weitere Frauen ein, die in Gefahr sein könnten?«, fragte Alvarez.

»Eine Freundin von mir geht die Behördendaten durch, aber ich werde Ihnen nicht ihren Namen nennen. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass es frühere Opfer gibt … Es hat den Anschein, als habe der Kerl seit Jahren in einem breiten Radius zugeschlagen und würde diesen langsam immer weiter einengen; jetzt konzentriert er sich auf diese Ecke von Montana. Überall von Detroit aus, die ganze Westküste hinunter, in Seattle und in San Francisco sind Frauen bei mysteriösen Unfällen ums Leben gekommen. Ich hatte nicht die Zeit, mir alle Fälle anzusehen, aber ich habe ihre Namen, die Adressen und das jeweilige Todesdatum.« Kacey griff in ihre Handtasche und zog einen Umschlag mit den Informationen von Riza heraus. Sie schob ihn über den Tisch Alvarez zu, ohne ihn loszulassen.

Alvarez runzelte die Stirn und legte ihre Hand auf den Umschlag. Die darin befindlichen Kopien lieferten keinerlei Hinweis auf Riza oder die Bundesbehörde, für die sie arbeitete, doch es wäre für die Polizei ein Leichtes herauszufinden, woher sie kamen. Ein wenig Recherche in Kaceys privatem Umfeld würde genügen, um die Brücke zu ihrer ehemaligen Kommilitonin zu schlagen. Sie musste die Karten auf den Tisch legen. »Eine Freundin von mir hat dafür ihren Job riskiert. Sie müssen mir versprechen, dass sie meinetwegen keine Schwierigkeiten bekommt.«

»Das hier ist eine polizeiliche Ermittlung«, erinnerte sie Pescoli. Aber Kacey hielt den Umschlag fest. »Es sterben Frauen, keine Männer, soweit ich informiert bin. Das ist merkwürdig, zumal Gerald Johnson eine ganze Menge männlicher Nachkommen produziert hat.«

»Niemand wird seinen Job verlieren oder Schwierigkeiten bekommen«, versprach Alvarez, und Kacey ließ den Umschlag los.

»Ich setze sofort jemanden darauf an«, sagte Pescoli und eilte aus dem Raum.

Alvarez setzte die Befragung fort. Als sie wissen wollte, ob sich Kacey jemals beobachtet gefühlt habe oder ob ihr sonst etwas Seltsames aufgefallen sei, fiel ihr der Überfall in Seattle ein, und nachdem sie davon berichtet hatte, auch der Unfall und Grace Perchants Warnung. »Vermutlich hat das gar nichts zu bedeuten«, sagte sie, »aber ich wurde in einen Unfall verwickelt, besser gesagt: in einen Beinahe-Unfall. Nicht mehr als ein Bagatellschaden. Die Straßen waren vereist, und ein anderes Fahrzeug hat die Kontrolle verloren. Ich musste ihm ausweichen und bin dabei auf die andere Spur geraten. Ein großer Pick-up, der in die entgegengesetzte Richtung fuhr, hat meine Stoßstange erwischt – scheinbar mit Absicht. Obwohl es ganz offensichtlich meine Schuld war, ist der Fahrer davongerast, anstatt anzuhalten und die Versicherungsdaten auszutauschen.«

Alvarez, die sich Notizen machte, fragte: »Haben Sie einen Blick auf den Fahrer werfen können?«

»Nur einen ganz flüchtigen; ich habe lediglich erkannt, dass es sich um einen Mann mit dunklem Haar handelte.« Kacey schüttelte den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Trace’ Nackenmuskeln verspannten. »Er hatte das Gesicht abgewandt, trotzdem hatte ich den Eindruck, ich hätte ihn schon einmal gesehen, aber … ich konnte ihn nicht einordnen. Im Nachhinein hat er mich an einen von Gerald Johnsons Söhnen erinnert, aber das kann auch nur Einbildung sein.«

»Haben Sie die Marke oder das Modell des Pick-ups erkannt?«, fragte Alvarez.

»Ich war zu beschäftigt damit, auf der Straße zu bleiben. Auf alle Fälle war es ein großer, amerikanischer Pick-up – ein Chevy oder ein Ford, denke ich –, aber ich bin mir nicht sicher. Mir ist der gewaltige schwarze Kühlergrill aufgefallen, der aus Stahl zu sein schien – offenbar eine Spezialanfertigung. Die Nummernschilder konnte ich nicht genau erkennen, aber ich meine, sie wären aus Montana gewesen. Eine der Ziffern war entweder eine Drei oder eine Acht. Das hintere Nummernschild war total verdreckt, und ich hatte auch nicht die Zeit, genauer hinzuschauen. Es ging alles so schnell, binnen weniger Sekunden.«

»Möglicherweise finden sich auf Ihrem Wagen Farbspuren von dem Pick-up«, sagte Alvarez, die plötzlich sehr interessiert wirkte.

»Das könnte sein … Ich habe schwarze Kratzer und eine kleine Delle an meinem Kotflügel hinten links bemerkt.«

»Wir würden Ihren Wagen gern dabehalten und die schwarzen Spuren genauer untersuchen, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Farbe vom anderen Wagen handelt. Fällt Ihnen noch etwas ein?«

»Nein, im Grunde nicht … obwohl, es gibt eine Zeugin«, sagte Kacey. Warum hatte sie nicht längst daran gedacht? »Grace Perchant, sie war mit ihrem Wolfshund draußen.«

»Haben Sie mit ihr gesprochen?«

Graces Warnung fiel Kacey ein und ließ sie frösteln: Sie sollten auf keinen Fall mit ihm reden. Er ist böse. Er meint es nicht gut mit Ihnen. Sie hatte versucht, die Warnung der Frau mit den blassgrünen Augen als Spinnerei abzutun, aber sie war ihr im Gedächtnis geblieben, hatte sogar Eingang in ihre Träume gefunden.

»Sie hat mir geraten, mich von ihm fernzuhalten, weil der Fahrer ›böse‹ sei. Als ich sie gefragt habe, ob sie wisse, wer er sei, hat sie mir keinen Namen genannt und nur behauptet, er meine es nicht gut mit mir.«

»Klingt ganz nach Grace«, stellte Alvarez fest. »Wir werden das überprüfen.«

Kacey durchwühlte ihre Handtasche und zog ihren Schlüsselring heraus. Sie nahm den ihres Ford Edge ab und reichte ihn Alvarez. »Ich brauche den Wagen bald wieder.«

»Morgen«, versprach Alvarez und schob ihren Stuhl zurück. Die Befragung war vorbei. »Ich werde mich jetzt mit Grace Perchant in Verbindung setzen.«

 

Trace hatte den Großteil des Gesprächs schweigend verfolgt und war zunehmend besorgter um Kaceys Sicherheit geworden. Nachdem er erfahren hatte, dass man bereits versucht hatte, sie zu vergiften, und dann auch noch Pescoli mit den grauenhaften Fotos von Karalee Rierson, dem jüngsten »Unfallopfer«, angekommen war, hatte er einen Entschluss gefasst.

Er hielt ihr die Glastür auf, folgte ihr hinaus und sagte mit fester Stimme: »Du kommst mit zu mir.«

»Oh, ja?« Dicke Flocken wirbelten im Wind, der von den Bergen kam. Es war dunkel geworden. Die Straßenlaternen warfen ein bläuliches Licht auf die weiß gepuderte Landschaft.

»Du wirst ganz bestimmt nicht allein nach Hause zurückkehren. Hund hin oder her.«

»Ach?«, fragte sie, doch er merkte, dass sie ihn nur necken wollte. Sie klappte den Mantelkragen hoch, um sich vor dem scharfen Wind zu schützen, und folgte einem Pfad aus plattgetretenem Schnee auf dem Gehsteig. Die Ketten einer Fahnenstange, deren Fahne längst eingeholt war, rasselten im Wind. Trace setzte sich in Bewegung, um zu ihr aufzuschließen, und stellte fest, dass die Schneeflocken wieder einmal wie kleine Diamanten in ihrem kastanienbraunen Haar funkelten.

»Das Ganze gefällt mir nicht«, sagte er ernst.

»Mir auch nicht.«

»Dann also keine Widerworte?«

Sie blieb stehen und sah ihn an. »Nein, aber wir müssen zuerst meinen Hund und ein paar Sachen holen, und morgen früh muss ich irgendwie zur Arbeit kommen.«

»Ich denke, das kann ich organisieren. Meine Nachbarn, Tilly und Ed Zukov, unterstützen mich.«

Bei seinem letzten Telefonat mit Tilly hatte diese ihm versichert, dass Ed bereits die Pferde und Rinder versorgt hatte; sie war damit beschäftigt, ein Hähnchen zu braten. Trace hörte das Fleisch brutzeln und im Hintergrund den laut dröhnenden Fernseher – Ed war ziemlich schwerhörig. Zufrieden, dass sein Sohn wohlbehütet und so weit wiederhergestellt war, dass er Tilly gebeten hatte, ihm Brownies zu backen, hatte sich Trace ein wenig entspannt.

Doch seine Erleichterung war von kurzer Dauer gewesen. Die Vorstellung, dass Kacey im Visier eines eiskalten Killers stehen könnte, jagte ihm eine Höllenangst ein. War es wirklich möglich, dass die Person, die die Abhöranlage installiert hatte, gleichzeitig der Mörder all der anderen Frauen war? Der Frauen, die aussahen wie Kacey?

Darauf kannst du wetten. Für Trace stand das außer Frage. Er schloss den Pick-up auf, wartete, bis Kacey in die Fahrerkabine geklettert war, dann schlug er die Tür hinter ihr zu.

Sie lächelte ihn durchs Beifahrerfenster an, und er verspürte das mittlerweile vertraute Ziehen in seinem Herzen, das ihn jedes Mal befiel, wenn er mit ihr zusammen war. Zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hätte er sich in sie verliebt, aber unter diesen Umständen wollte er nicht mal daran denken.

Als er sich ans Steuer setzte, sagte sie: »Ich weiß nicht, ob es tatsächlich die Lösung ist, bei dir zu bleiben.«

»Eli wird es gefallen.«

»Das meine ich nicht«, sagte sie und warf ihm einen Seitenblick zu. »Das weißt du ganz genau.«

Plötzlich wurde ihm bewusst, wie eng es in der Fahrerkabine war. Ihr Atem beschlug die Scheiben. »Ja.« Er ließ den Motor an, stellte die Scheibenheizung an, setzte aus der Parklücke und fuhr vom Parkplatz, dann reihte er sich hinter einem Tieflader voller Weihnachtsbäume in den dichten Verkehrsstrom stadtauswärts ein. Er spürte, wie sie ihn ansah.

»Ich möchte dich bloß in Sicherheit wissen, deshalb will ich, dass du bei mir übernachtest.«

»Du willst mich beschützen.«

»So was in der Art.«

Sie verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln, so sexy, wie er noch keins zuvor gesehen hatte. »Weißt du was, O’Halleran? Womöglich werde ich noch dich beschützen müssen. Oder so was in der Art.«

 

»Ich würde Gerald Johnson gern überraschen und herausfinden, was er zu sagen hat«, teilte Pescoli ihrer Partnerin mit, als sie zu ihrem Schreibtisch gingen.

»Okay. Ich habe eben schon ein wenig recherchiert. Lass uns noch etwas mehr zusammentragen und dann zu Grayson gehen, damit er das FBI einschalten kann.«

»Das FBI, du lieber Himmel«, brummte Pescoli.

Alvarez stellte die Informationen zusammen, die sie aus dem Internet ausgedruckt hatte, dann suchte sie zusammen mit Pescoli nach weiteren Frauen, die vor fünfundzwanzig bis vierzig Jahren in Helena geboren und bei Unfällen ums Leben gekommen waren. Sie stießen auf eine ganze Reihe, doch ungefähr ein Dutzend wollten sie sich näher ansehen.

»Das Ganze ist völlig bizarr«, befand Alvarez.

»Mehr als bizarr«, stimmte Pescoli ihr zu. »Und wir müssen uns noch so viele weitere vornehmen. Wenn das unser Mann war, muss er ganz schön rumgekommen sein.«

»Was bedeutet, dass er über Geld und Freizeit verfügt.«

Sie sahen einander an. »Eines von Gerald Johnsons Kindern?«, fragte Pescoli. »Clarissa, Judd, Thane oder die Zwillinge?«

»Die mysteriösen Unfälle häufen sich seit etwa fünfzehn Jahren. Damals waren die Johnson-Zwillinge Cameron und Colt zweiundzwanzig und gerade mit dem College fertig.«

»Um danach auf Daddys Gehaltsliste zu kommen?«, dachte Alvarez laut. »Aber warum? Und woher sollte derjenige – um wen auch immer es sich handeln mag – wissen, wo die Töchter von Samenspender 727 zu finden waren?« Sie schnitt eine Grimasse. »Vielleicht hat der Mörder während seines Studiums in der Klinik gearbeitet und ist auf diese Weise an die nötigen Informationen gekommen.«

»Möglich. Vielleicht hat er sie sogar gekauft, als sich herausstellte, dass der gute alte Dad sein Geld einst als Samenspender verdient hatte – nach dem Motto: ›Alles hat seinen Preis.‹ Oder er ist auf illegale Art und Weise drangekommen.« Pescoli dachte an ihren eigenen Sohn und seine Faszination für das Internet. Sie machte sich Sorgen, dass er zu viele Computerspiele spielte oder sich womöglich sogar Pornos herunterlud, aber was war, wenn er sich in irgendwelche privaten Dateien einhackte? »Was glaubst du? Ob es in Johnsons Familie wohl einen Computerfreak gibt?«