Acht
Als sie ankamen, waren Laurels Haare wirr und zerzaust. Sie würde sie später eine Ewigkeit bürsten müssen, aber die Dreiviertelstunde in dem alten Cabrio den Fahrtwind auf dem Gesicht zu spüren war das wert gewesen. Als sie über die lange Zufahrtsstraße fuhren, hielt Laurel den Atem an, bis sie um eine Baumgruppe bogen und das Häuschen in Sicht kam.
Beim Anblick ihres alten Zuhauses wurde Laurel von einer Welle der Sehnsucht nach der Vergangenheit überwältigt, mit der sie nicht gerechnet hatte. Das Blockhaus war klein, aber anheimelnd, wie es auf einem Rund aus saftigem grünen Gras hockte, umgeben von einem wackligen Zaun. Seit dem Umzug hatte Laurel häufig Heimweh gehabt, aber es war noch nie so schlimm gewesen wie in diesem Augenblick, als sie nach vier Monaten erstmals zurückkehrte. Zwölf Jahre lang hatte sie in diesem Haus, auf diesem Grundstück gelebt. Sie kannte alle gewundenen Pfade im Wald, der sich großzügig hinter dem Haus ausbreitete und in dem sie oft und lange unterwegs gewesen war. Sie wollte zwar nicht unbedingt wieder hier wohnen, würde aber auch nur sehr ungern darauf verzichten.
Als ihre Eltern Harken, Eimer und Putzzeug ausluden, nahm Laurel ihre Gitarre vom Rücksitz. Ihre Mutter lachte. »Wie schön, dass du auf dem alten Ding spielst.«
»Wieso?«
»Das erinnert mich immer daran, wie ich früher in Berkeley gespielt habe.« Sie grinste ihren Mann an. »Damals, als wir uns kennengelernt haben. Was waren wir für Hippies!«
Laurel warf einen Blick auf den langen Zopf ihrer Mutter und die Birkenstocksandalen ihres Vaters und sagte ironisch: »Und was ihr jetzt für Hippies seid!«
»Ach, das ist nichts dagegen. Damals waren wir echte Hippies.« Laurels Mutter legte ihre Hand in die ihres Mannes und sie verschränkten die Finger. »Ich habe die Gitarre immer zu Sit-ins mitgenommen. Dann spielte ich total falsch ›We shall not be moved‹ und alle grölten mit. Erinnerst du dich?«
Ihr Vater lächelte und sagte kopfschüttelnd mit einem ironischen Unterton: »Die guten alten Zeiten.«
»Ach, komm, wir hatten unseren Spaß.«
»Wenn du meinst.« Er beugte sich vor, um sie zu küssen.
»Macht es euch was aus, wenn ich ein bisschen herumwandere?«, fragte Laurel und hängte sich die Gitarre um. »Ich komme gleich wieder und helfe euch.«
»Mach nur«, sagte ihre Mutter und wühlte in der Kiste.
»Bis später«, sagte Laurel, die bereits auf dem Weg hinters Haus war.
Die breitblättrigen Laubbäume und die Kiefern des Waldes warfen ihre Schatten auf den weichen grünen Blätterteppich. Dunkelgrünes Moos kroch an den Baumstämmen hoch und verbarg die raue Rinde. Wohin man auch blickte, alles war grün. Am Morgen hatte es etwas geregnet, die Sonne schien und verwandelte Millionen von Wassertropfen in Glitzerkugeln, die jede Fläche funkeln ließen wie einen Smaragd. Zwischen den Bäumen verliefen sich die Wege in der Dunkelheit und Laurel ging langsam über einen dieser Pfade.
Es war leicht, sich vorzustellen, sie liefe auf heiligem Boden – auf den Ruinen einer majestätischen Kathedrale aus lang vergangenen Zeiten. Sie lächelte, als sie einen moosbedeckten Ast sah, der von einem dünnen Sonnenstrahl beleuchtet wurde. Sie strich mit der Hand darüber, bis die schimmernden Tropfen ihr aus den Fingern fielen und im Fallen das Licht einfingen.
Als sie bereits einige Minuten außer Sichtweite ihrer Eltern war, schob Laurel die Gitarre nach vorne und löste den Schal. Mit einem Seufzer der Erleichterung hob sie ihr T-Shirt an, um die Blütenblätter sich entfalten zu lassen. Nachdem sie fast den ganzen Tag festgebunden gewesen waren, sehnten sie sich nach Freiheit. Gemächlich streckten sich die Blüten aus wie geschundene krampfende Muskeln, während Laurel weiter dem schmalen laubbedeckten Weg folgte. In der Ferne hörte sie einen Bach gurgeln und franste sich durch die Pflanzenwelt in seine Richtung. Als sie ihn kurz darauf gefunden hatte, sank sie auf einen Stein am Ufer, schleuderte ihre Flip-Flops von sich und ließ die Zehen in das eisige Wasser baumeln.
Sie hatte diesen Bach schon immer geliebt. Das Wasser war so klar in der stetigen Strömung, dass man bis auf den Grund sehen konnte, wo die Fische hin und her sausten. Wo der Bach in kleinen Wasserfällen über die Felsen sprang, schäumte er in vollkommenem Weiß wie dicke eiskalte Seifenblasen. Eine Szenerie wie geschaffen für eine Postkarte.
Laurel stimmte ihren Lieblingssong von Sarah McLachlan an und summte leise mit, eingehüllt in den Duft der Blume.
Nach der ersten Strophe zuckte ihr Kopf hoch, als sie links von sich etwas rascheln hörte. Sie lauschte und meinte, ein leises Flüstern zu hören. »Mom?«, rief sie zögernd. »Dad?«
Laurel lehnte die Gitarre an einen Baum und löste den Knoten im Schal, den sie sich ums Handgelenk geschlungen hatte. Sie wollte die Blütenblätter lieber wieder verstecken, ehe ihre Eltern sie sahen.
Als sie den langen Seidenschal nicht sofort lockern konnte, hörte sie erneut ein Rascheln, diesmal sogar lauter. Ihr Blick raste zu dem Fleck über ihrer linken Schulter, wo das Geräusch herkam. »Hallo?« Sorgfältig faltete Laurel die weichen Blüten und band sie sich um die Taille. Sie wollte sie gerade mit dem Schal zubinden, als eine Gestalt hinter einem Baum hervortaumelte, als wäre sie geschubst worden. Der Fremde warf dem Baum einen schnellen empörten Blick zu und wandte sich dann Laurel zu. Sein Zorn verrauchte und eine unerwartete Wärme trat in seinen Blick. »Hallo«, sagte er lächelnd. Laurel hielt die Luft an, wollte zurückweichen, aber sie rutschte auf einer Wurzel aus und ließ im Fallen die Blätter los, um sich festzuhalten.
Es war zu spät, um sie zu verstecken; sie streckten sich zu voller Größe.
»Nein, bitte nicht …! Oh je, es tut mir leid. Kann ich dir helfen?«, fragte der Fremde.
Laurel schaute in seine dunkelgrünen Augen, die fast zu strahlend waren, um echt zu sein. Das Gesicht eines jungen Mannes schwebte über ihr.
Er streckte die Hand aus. »Es tut mir wirklich leid. Wir … ich habe ein wenig Lärm gemacht und dachte, du hättest das gehört.« Er lächelte schüchtern. »Da habe ich mich wohl vertan.« Sein Gesicht sah aus wie auf einem klassischen Gemälde – schön geformte Wangenknochen unter glatter gebräunter Haut, die besser an einen Strand in L. A. gepasst hätte als in einen eisigen, moosbedeckten Wald. Sein Haar war dicht und schwarz, passend zu den Augenbrauen und Wimpern, die seine besorgt dreinschauenden Augen umrahmten. Die Haare waren lang und feucht, als wäre er im Freien geblieben, als es angefangen hatte zu regnen, und offenbar färbte er seine Haarwurzeln in dem strahlenden Grün seiner Augenfarbe. Sein sanftes, freundliches Lächeln raubte Laurel den Atem. Es dauerte ein wenig, bis sie ihre Stimme gebrauchen konnte.
»Wer sind Sie?«
Er hielt inne und betrachtete sie mit einem seltsamen unverwandten Blick.
»Und?«, sagte Laurel fordernd.
»Du erkennst mich nicht, oder?«, fragte er.
Sie zögerte mit der Antwort. Irgendwo in ihrem Hinterkopf meldete sich eine Erinnerung, aber je dringender sie sie festhalten wollte, umso mehr entschlüpfte sie ihr. »Sollte ich?«, fragte sie zurückhaltend.
Der forschende Blick verschwand so abrupt, wie er gekommen war. Der fremde Mann lachte leise – beinahe traurig – und seine Stimme wurde vom Baum zurückgeworfen; sie klang mehr wie ein Vogel als wie ein Mensch. »Ich heiße Tamani«, sagte er und streckte eine Hand aus, um ihr aufzuhelfen. »Wenn du willst, kannst du Tam zu mir sagen.« Als Laurel plötzlich einfiel, dass sie immer noch auf dem feuchten Waldboden lag, überschwemmte sie eine Welle der Verlegenheit. Sie beachtete seine Hand nicht und stand allein auf, wobei sie vergaß, ihre Blütenblätter festzuhalten. Sie riss ihr T-Shirt nach unten und sog scharf die Luft ein, als die Blume gegen ihre Haut schlug.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Ich komme deiner Blüte nicht zu nahe.« Er grinste, und sie hatte das Gefühl, einen Insiderwitz nicht zu verstehen. »Ich weiß, in welche Blüten ich eindringen darf und in welche nicht.« Er atmete tief ein. »Mmmm. Aber so wunderbar du auch riechst, so sind mir deine Blüten doch verboten.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Jedenfalls jetzt noch.«
Als er eine Hand an ihr Gesicht legte, war Laurel unfähig, sich zu rühren. Er strich ihr ein paar Blätter aus dem Haar und musterte ihre Figur mit schnellen Blicken. »Du scheinst heil geblieben zu sein. Keine gebrochenen Blütenblätter oder Stiele.«
»Wovon reden Sie?«, fragte sie und versuchte, die Blütenblätter zu verstecken, die unter ihrem T-Shirt hervorlugten.
»Dafür ist es jetzt ein bisschen spät, findest du nicht?«
Sie sah ihn böse an. »Was machen Sie hier?«
»Ich wohne hier.«
»Sie wohnen nicht hier«, widersprach sie verwirrt. »Das Grundstück gehört mir.«
»Wirklich?«
Er hatte sie wieder aus der Fassung gebracht. »Also, es gehört meinen Eltern.« Sie hielt weiter ihr T-Shirt fest. »Und Sie … Sie haben hier nichts zu suchen.« Wieso waren seine Augen so unglaublich, wahnsinnig grün? Kontaktlinsen, beschwichtigte sie sich selbst.
»Habe ich das nicht?«
Sie riss die Augen auf, als er einen weiteren Schritt auf sie zukam. Seine Miene war so selbstbewusst, sein Lächeln so ansteckend, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. Sie war sicher, dass sie noch nie in ihrem Leben jemanden wie ihn getroffen hatte, und doch wurde sie von einem Gefühl der Vertrautheit überwältigt.
»Wer sind Sie?«
»Das habe ich doch gesagt. Ich heiße Tamani.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wer sind Sie wirklich?«
Tamani legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Psst, alles zu seiner Zeit. Komm mit.« Als er ihre Hand nahm, zog sie sie nicht weg, nicht mal als er sie tiefer in den Wald hineinführte. Ihre andere Hand vergaß langsam ihre Aufgabe und ließ das T-Shirt los. Die Blütenblätter richteten sich auf, bis sie hinter ihr in ihrer ganzen Schönheit erstrahlten. Tamani sah sich um. »Na also, das fühlt sich doch besser an, oder?« Laurel konnte nur nicken. Sie war verwirrt, und obwohl sie irgendwie glaubte, sie sollte sich Sorgen machen, war ihr das nicht länger wichtig. Wichtig war nur, diesem Typen mit dem lockenden Lächeln zu folgen. Er führte sie zu einer kleinen Lichtung, auf der sich oben die Blätter teilten und ein Rund aus Sonnenlicht durchließen, das durch die Äste auf eine Wiese schien, die mit schwammigem Moos übersät war. Tamani streckte sich im Gras aus und wies ihr den Platz gegenüber an. Hingerissen wie sie war, konnte Laurel ihn nur anstarren. Sein schwarzgrünes Haar fiel in langen Strähnen über seine Stirn bis fast in die Augen. Er trug ein lässiges weißes Hemd, das selbst geschneidert aussah, und dazu eine passende braune Cargohose, die ihm bis unter die Knie reichte. Seine Kleidung war eindeutig altmodisch, aber an ihm sah sie so gestylt aus wie alles an seiner Person. Obwohl er barfuß war, machten ihm die spitzen Kiefernnadeln und abgebrochenen Zweige auf dem Weg nichts aus. Er mochte zwanzig Zentimeter größer sein als sie und bewegte sich mit katzenartiger Anmut, die sie noch nie an einem Jungen gesehen hatte. Laurel ließ sich im Schneidersitz nieder und schaute Tamani erwartungsvoll an. Der seltsame Wunsch, ihm zu folgen, verebbte allmählich, während sie immer verwirrter wurde.
»Einfach so wegzulaufen, du hast uns ganz schön Angst eingejagt.« Er sprach mit leichtem Singsang, nicht richtig Englisch, aber auch nicht richtig Irisch.
»Einfach so?«, fragte Laurel und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
»Gerade noch da und plötzlich auf und davon. Wo warst du? Ich hätte beinahe Panik bekommen.«
»Panik?« Sie war zu verwirrt, um sich zu wehren oder um Aufklärung zu bitten.
»Hast du irgendwem davon erzählt?«, fragte er und zeigte über ihre Schulter.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ach doch. Ich habe es meinem Freund David erzählt.«
Tamanis Miene verlor jeden Ausdruck. »Nur ein Freund?«
So langsam kam Laurel wieder zu Verstand. »Ja … nein … ich glaube, das geht Sie gar nichts an.« Aber das sagte sie leise.
Als sich in Tamanis Augenwinkeln zarte Fältchen zeigten, glaubte Laurel einen Augenblick lang, etwas wie Furcht zu entdecken. Doch dann lehnte er sich zurück und lächelte sein sanftes Lächeln; sie musste sich die Angst eingebildet haben.
»Möglicherweise nicht.« Er spielte mit einem Grashalm. »Aber deine Eltern wissen von nichts?«
Laurel wollte schon den Kopf schütteln, als ihr plötzlich klar wurde, in welch absurder Situation sie sich befand. »Nein … ja … vielleicht – ich sollte nicht hier sein«, sagte sie streng und stand auf. »Wehe, Sie folgen mir.«
»Warte«, sagte Tamani mit Panik in der Stimme.
Sie drängte sich an einem niedrigen Ast vorbei. »Gehen Sie weg!«
»Ich habe Antworten!«, rief Tamani.
Laurel blieb stehen und schaute sich um. Tamani stützte sich auf ein Knie und bat sie mit flehender Miene zu bleiben.
»Ich kann dir all deine Fragen beantworten. Hinsichtlich der Blüte und … allem anderen.«
Sie drehte sich langsam um, unsicher, ob sie ihm trauen sollte.
»Ich sage dir alles, was du wissen willst«, sagte er mit mehr Ruhe.
Als Laurel zwei Schritte auf ihn zuging, entspannte Tamani sich sichtlich. »Sie bleiben da«, sagte Laurel und zeigte auf die gegenüberliegende Seite der Lichtung. »Ich setze mich hierhin. Ich möchte nicht, dass Sie mich noch mal berühren.«
Tamani seufzte. »In Ordnung.«
Laurel setzte sich ins Gras, blieb aber in Alarmbereitschaft, sodass sie jederzeit wegrennen konnte. »Also los. Was ist es?«
»Eine Blüte.«
»Geht es wieder weg?«
»Erst ich: Wo warst du?«
»In Crescent City. Geht es wieder weg?«, wiederholte sie schärfer.
»Leider ja.« Er seufzte traurig. »Wirklich schade.«
»Sie sind ganz sicher, dass es wieder weggeht?« Laurel lebte auf, während sie sich an die gute Nachricht klammerte.
»Natürlich. Nächstes Jahr blühst du wieder, aber keine Blüte blüht ewig.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich bin wieder dran. Wie weit ist es nach Crescent City?«
Sie zuckte die Achseln. »Siebzig Kilometer, vielleicht achtzig.«
»Welche Richtung?«
»Oh-oh, ich bin dran. Woher wissen Sie etwas über dieses Ding?«
»Ich bin genau wie du. Wir gehören derselben Art an.«
»Und wo ist dann Ihre?«
Tamani lachte. »Ich blühe nicht.«
»Sie haben gesagt, wir sind von derselben Art. Wenn das stimmen würde, müssten Sie auch eine haben.«
Tamani stützte sich auf einen Ellbogen. »Ich bin aber auch ein Mann, falls du das noch nicht gemerkt hast.«
Laurel atmete schneller. Und ob sie das gemerkt hatte.
»Welche Richtung?«, wiederholte er.
»Nördlich. Haben Sie keine Landkarte?«
Er grinste. »Ist das deine Frage?«
»Nein!«, rief Laurel und schaute Tamani wütend an, als er lachen musste. Ihr saß eine Frage im Nacken, aber sie fürchtete sich vor der Antwort. Schließlich schluckte sie und fragte leise:
»Bin ich dabei, mich in eine Blume zu verwandeln?«
Ein amüsiertes Lächeln spielte um Tamanis Mundwinkel, aber diesmal lachte er nicht. »Nein«, sagte er sanft.
Laurel war so erleichtert, dass sie sich rundum entspannte.
»Du bist immer schon eine Blume gewesen.«
»Wie bitte? Was meinen Sie damit genau?«
»Du bist eine Pflanze. Du bist kein Mensch, bist nie einer gewesen. An der Blüte zeigt es sich nur am deutlichsten«, erklärte Tamani ruhiger, als er Laurels Meinung nach sein dürfte.
»Eine Pflanze?«, fragte Laurel und gab sich keine Mühe, ihren Zweifel zu verbergen.
»Ja. Selbstverständlich nicht irgendeine Pflanze, sondern die am weitesten entwickelte Ausformung der Natur auf dieser Welt.« Er beugte sich vor, seine grünen Augen blitzten. »Laurel, du bist eine Elfe.«
Laurel biss die Zähne aufeinander, als sie merkte, wie dumm sie gewesen war. Sein gut aussehendes Gesicht hatte sie verlockt, ihm weit in den Wald zu folgen und seine ungeheuerlichen Behauptungen zu schlucken, jedenfalls fast. Mit vor Wut funkelnden Augen stand sie auf.
»Warte«, sagte Tamani und schoss vor, um ihr Handgelenk zu packen. »Geh noch nicht. Ich muss wissen, was deine Eltern mit diesem Land vorhaben.«
Laurel befreite sich mit einem Ruck. »Hauen Sie ab«, fauchte sie. »Wenn ich Sie hier noch mal erwische, rufe ich die Polizei.« Sie drehte sich um und zog im Rennen ihr T-Shirt wieder über die Blütenblätter.
Er rief ihr nach: »Laurel, ich muss es wissen, Laurel!«
Sie spornte sich an, schneller zu gehen. Das Wichtigste war, so weit wie möglich von Tamani wegzukommen, diesem seltsamen Mann, der so viele verwirrende Gefühle in ihr auslöste.
Als sie die Lichtung erreichte, von der aus sie Tamani gefolgt war, hielt Laurel einen Moment lang an, um die Blüten mit dem Schal wieder um ihre Taille zu binden. Sie hob ihre Gitarre auf und hängte sie sich um. Bei dieser Bewegung geriet ihre Hand in einen Sonnenstrahl. Sie hielt inne und streckte dann die Hand noch mal aus. Auf ihrem Handgelenk schimmerten Pünktchen wie Glitzerpuder. Super. Das ist von ihm da hängen geblieben. So ein blöder Trick. Als Laurel in Sichtweite des Blockhauses kam, blieb sie mit bebender Brust stehen. Als sie erneut ihr Handgelenk betrachtete, wurde sie schrecklich wütend und rubbelte so lange, bis nichts mehr glitzerte.