Sechs
Nach dem Anruf stellte Laurel den
Stuhl wieder unter die Klinke, hob ihre Bluse hoch und zog einen
der langen, weiß-blauen Streifen aus dem pinkfarbenen Schal. So
harmlos, wie er in ihrer Hand aussah, konnte sie beinahe vergessen,
dass er aus ihrem Rücken wuchs. Nachdem sie die Nagelschere ihrer
Mutter geholt hatte, betrachtete sie das Ende des Blütenblattes.
Sie würde kein großes Stück brauchen und wählte schließlich ein
kleines gebogenes Stück an der gekräuselten Spitze aus. Dann
wappnete sie sich und brachte die glänzende Schere in Position. Am
liebsten hätte sie die Augen zugemacht, aber sie fürchtete, dann
noch mehr Schaden anzurichten. Schweigend zählte sie eins, zwei,
drei! Eigentlich wollte sie bis fünf zählen, schimpfte mit sich
selbst und hob erneut die Schere. Eins, zwei, drei, vier,
fünf! Als sie zudrückte, schnitt die Schere sauber durch das
Blütenblatt, und etwas kleines Weißes flog auf ihre Tagesdecke.
Laurel hielt die Luft an und hüpfte ein paar Sekunden auf und ab,
bis der Schmerz nachließ und sie die Wunde näher untersuchte. Es
blutete nicht, aber ein wenig klare Flüssigkeit trat aus, die
Laurel mit einem Handtuch abtupfte.
Dann steckte sie das Blatt vorsichtig in den Schal zurück, packte
das kleine Stück in ein Tuch und steckte es in die Tasche.
Während sie die Treppe hinunterhüpfte, versuchte
sie, so sorglos wie möglich zu wirken. Sie rauschte an ihren Eltern
vorbei, die am Frühstückstisch saßen, und sagte nur kurz: »Ich gehe
zu David.«
»Moment«, sagte ihr Vater.
Laurel blieb stehen, drehte sich aber nicht
um.
»Wie wäre es mit ›darf ich zu David gehen?‹«
Mit einem gezwungenen Lächeln drehte Laurel sich
um. »Darf ich zu David gehen?«
Er schaute nicht einmal von seiner Zeitung hoch und
trank einen Schluck Kaffee. »Klar. Viel Spaß.«
Laurel zwang sich, ganz normal zur Tür zu gehen,
aber kaum war sie hinter ihr zugefallen, rannte sie zu ihrem
Fahrrad und stieg in die Pedalen. Es war nicht weit zu David,
sodass sie kurz darauf ihr Rad an seine Garage lehnte. Auf seiner
Fußmatte konzentrierte sie sich auf die hellrote Haustür und
klingelte, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Als sie
Schritte hörte, hielt sie die Luft an. Davids Mutter öffnete die
Tür, und Laurel bemühte sich, ihre Überraschung zu verbergen. Es
war schließlich Samstag, da war es kein Wunder, dass sie zu Hause
war. Doch dies war erst das zweite Mal, dass Laurel sie antraf. Sie
trug ein süßes rotes Tanktop und Jeans und ihre langen, beinahe
schwarzen Haare hingen offen in Locken über ihren Rücken. So eine
unmütterliche Mom hatte Laurel noch nie getroffen. Im netten Sinne.
»Schön, dich zu sehen, Laurel.«
»Hi«, sagte Laurel nervös und blieb einfach
stehen.
Zum Glück kam David dazu und sagte mit einem
strahlenden Lächeln: »Hey! Komm mit nach hinten.« Er wies Laurel
den Weg durch den Flur. »Laurel braucht ein bisschen Nachhilfe in
Bio«, erklärte er seiner Mutter. »Wir bleiben in meinem
Zimmer.«
Davids Mom lächelte sie beide an. »Möchtet ihr
irgendwas? Zu essen oder zu trinken?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur ein bisschen Ruhe. Die
Hausaufgabe ist knifflig.«
»Dann lasse ich euch in Frieden.«
Die waldgrüne Tür zu Davids Zimmer stand auf und
David winkte Laurel hinein. Er bückte sich, um seine Biologiemappe
herauszuholen, und schloss nach einem prüfenden Blick in den Flur
die Tür.
Laurel starrte die geschlossene Tür an. Sie war
schon ein paar Mal in seinem Zimmer gewesen, aber da hatte er nie
die Tür zugemacht. Zum ersten Mal bemerkte sie, dass man sie nicht
abschließen konnte. »Deine Mom lauscht nicht an der Tür, oder?«,
fragte Laurel. Kaum hatte sie die Frage gestellt, kam sie sich blöd
vor.
David protestierte. »Niemals. Ich verdiene mir
meine Privatsphäre nicht zuletzt dadurch, dass ich nie frage, warum
viele ihrer Verabredungen bis zum nächsten Morgen dauern. Ich halte
mich aus ihrem Privatleben raus und sie sich aus meinem.«
Laurel lachte; jetzt da sie hier war, ließ ihre
Nervosität nach.
David zeigte auf sein Bett und zog sich selbst
einen Stuhl heran. »Und?« Jetzt oder nie, dachte Laurel. »Also, ich
hätte gern, dass du dir etwas unter dem Mikroskop ansiehst.«
Verwirrung spiegelte sich in Davids Miene. »Unter
dem Mikroskop?«
»Du hast mir erzählt, deins wäre richtig
gut.«
Er hatte sich rasch erholt. Ȁh, ja, stimmt
schon.«
Laurel holte das Tuch aus der Hosentasche. »Kannst
du mir sagen, was das ist?«
Er nahm das Tuch und wickelte das weiße Stückchen
vorsichtig aus. »Sieht aus wie der Teil eines Blütenblatts.«
Laurel hätte am liebsten die Augen verdreht.
»Kannst du es dir unter dem Mikroskop ansehen?«
»Logo.« David ging zu einem langen Tisch, auf dem
verschiedene Werkzeuge lagen. Laurel erkannte einige aus dem
Biounterricht. Einige wenige. David zog eine graue Schutzhaube von
seinem schwarz glänzenden Mikroskop und holte einen Objektträger
aus einer Schachtel mit kleinen Glasplättchen, die durch
Seidenpapierchen voneinander getrennt waren. »Darf ich daran
rumschneiden?«, fragte er und schaute zu ihr rüber.
Laurel erschauerte bei der Erinnerung, wie sie es
sich selbst vor weniger als einer halben Stunde abgeschnitten
hatte, aber sie nickte. »Es gehört dir.«
David schnitt ein Stückchen ab, legte es auf den
Objektträger, fügte eine gelbe Lösung hinzu und drückte ein
Deckglas darauf. Dann befestigte er das Plättchen
unter der Linse und drehte an den Rädchen, während er durch das
Okular blickte. Die Minuten schlichen dahin. David verbesserte
nochmals die Einstellung und bewegte den Objektträger hin und her,
um ihn aus verschiedenen Winkeln zu untersuchen. Endlich lehnte er
sich zurück. »Mit absoluter Sicherheit kann ich dir nur sagen, dass
es ein Stück einer Pflanze ist und die Zellen hochaktiv sind. Das
bedeutet, es wächst. Dass es blüht, schließe ich aus der
Färbung.«
»Ein Stück von einer Pflanze? Bist du ganz
sicher?«
»Ziemlich sicher«, sagte er und schaute noch mal
durchs Okular.
»Es gehört nicht zu einem … Tier?«
»Oh nein, auf keinen Fall.«
»Woher weißt du das?«
David ging einige vorpräparierte und beschriftete
Objektträger durch, die er in einer anderen Schachtel aufbewahrte.
Dann nahm er einen mit einem pinkfarbenen Klecks heraus und stellte
das Mikroskop auf diesen neuen Objektträger ein. »Komm her«, sagte
er, stand auf und zeigte auf seinen Stuhl.
Sie setzte sich auf seinen Platz und beugte sich
zögerlich über das Mikroskop.
»Es beißt dich schon nicht«, sagte David lachend.
»Beug dich ganz nah drüber.«
Vor Laurels Augen erschien eine Welt aus Pink,
durchzogen mit weinroten Strichen und Pünktchen. »Und was soll ich
da sehen?«
»Schau dir die Zellen an. Sie sind den Bildern in
unserem Biobuch ziemlich ähnlich. Siehst du, dass sie rund und
unregelmäßig geformt sind? Wie Tupfen, die alle miteinander
verbunden sind.«
»Ja, gut.«
Er zog das Mikroskop auf seine Seite und wechselte
den Objektträger gegen den gelb gefärbten aus, den er eben
präpariert hatte. Nachdem er es noch mal scharf gestellt hatte,
schob er das Mikroskop zu ihr zurück. »Und jetzt schau dir das
an.«
Laurel näherte sich wieder dem Okular, aber diesmal
hatte sie Angst. Sie hoffte, David merkte nicht, wie sehr ihre
Hände zitterten.
»Sieh dir die Zellen an. Sie sind eher viereckig
und sehr einheitlich. Pflanzenzellen sind ordentlich, im Gegensatz
zu Tierzellen. Außerdem haben sie dicke Zellwände, die wie diese
hier quadratisch sind. Ich will nicht sagen, dass man nie
viereckige Tierzellen zu sehen bekommt, aber sie wären keinesfalls
so einheitlich, und die Zellwände wären viel dünner.«
Laurel lehnte sich sehr langsam zurück. Das ergab
alles keinen Sinn.
Aus ihrem Rücken wuchs eine echte Pflanze! Eine
mutierte Schmarotzerblume! Sie war der Oberfreak, und wenn die
anderen das je erfuhren, würden sie für den Rest ihres Lebens
sticheln und über sie lästern. Ihr drehte sich der Kopf, und sie
hatte das Gefühl, als wäre plötzlich alle Luft aus dem Zimmer
gesaugt worden. Die Brust war eng und sie bekam nicht genug Luft.
»Ich muss los«, murmelte sie.
»Warte«, sagte David und packte ihren Arm. »Geh
nicht, nicht wenn du kurz vorm Ausflippen bist.« Er versuchte,
ihren Blick aufzufangen, aber sie weigerte sich, ihn anzusehen.
»Ich mache mir wirklich Sorgen um dich. Kannst du es mir nicht
einfach sagen?«
Sie starrte in seine blauen Augen. Sein Blick war
sanft und ernst. Sie glaubte nicht etwa, dass er kein Geheimnis für
sich behalten könnte, das konnte er bestimmt. Sie merkte in diesem
Augenblick, dass sie ihm vertraute. Irgendwem musste sie es
erzählen. Allein damit klarzukommen, hatte nicht funktioniert.
Vielleicht verstand er es ja. Was hatte sie schon zu
verlieren?
Dennoch zögerte sie. »Erzählst du es auch
keinem weiter? Niemals?«
»Niemals.«
»Schwörst du?«
Er nickte feierlich.
»Ich muss es hören, David.«
»Ich schwöre.«
»Dieses Versprechen hat kein Verfallsdatum.
Falls ich es dir erzähle – ihre Betonung des Wortes
falls war überdeutlich -, darfst du es niemandem jemals
erzählen. Niemals. Nicht in zehn Jahren oder in zwanzig oder
in fünfzig …«
»Hör auf, Laurel! Ich verspreche, dass ich es
niemandem jemals erzählen werde. Außer wenn du mich darum
bittest.«
Sie starrte ihn an. »Das ist kein Stück von einer
Pflanze, David. Es ist ein Stück von mir.«
David sah sie lange an. »Was meinst du damit, ein
Stück von dir?«
Es gab kein Zurück mehr. »Ich hatte so einen
Knubbel am Rücken. Deshalb habe ich mich so komisch benommen. Ich
dachte, ich hätte Krebs oder einen Tumor oder so was. Aber heute
Morgen … blühte dieses Blumending aus meinem Rücken. Mir wächst
eine Blume aus der Wirbelsäule.« Mit verschränkten Armen
lehnte sie sich zurück. Wehe, wenn er jetzt etwas falsch
machte.
David sah sie mit offenem Mund an. Er stand auf,
stemmte die Hände in die Hüften und presste die Lippen aufeinander.
»Ich werde dich das einmal fragen, das muss ich einfach – aber ich
werde dich das nie wieder fragen, weil ich dir glauben werde, was
du darauf antwortest. Okay?«
Sie nickte.
»Soll das ein Witz sein, oder glaubst du wirklich,
was du gerade gesagt hast?«
Laurel schoss hoch und rannte zur Tür. Es war
falsch gewesen, zu ihm zu gehen. Völlig falsch. Doch bevor sie die
Klinke runterdrücken konnte, vertrat David ihr den Weg.
»Moment, ich habe gesagt, ich frage dich das
einmal. Das habe ich auch so gemeint. Wenn du mir schwörst, dass es
kein Witz ist, glaube ich dir.«
Ihre Blicke trafen sich und sie erforschte sein
Gesicht. Was sie entdeckte, überraschte sie. Es ging nicht darum,
dass er ihr nicht glaubte, sondern er war völlig verunsichert. Er
wollte nur nicht auf einen blöden
Streich hereinfallen. Sie wollte ihm beweisen, dass sie ihm so
etwas nicht antun würde.
»Ich zeige es dir«, sagte sie, aber es klang wie
eine Frage.
»Gut.« Auch in seiner Stimme lag ein Zögern.
Laurel drehte sich um und nestelte an dem Knoten im
Schal. Als sie die riesigen Blütenblätter frei ließ, schob sie ihre
Bluse am Rücken hoch, damit sie sich normal aufrichten
konnten.
David holte zischend Luft und riss Augen und Mund
auf. »Aber wie … du kannst nicht … das sind … wie zum
Teufel?«
Laurel kniff den Mund zusammen und zog eine
Grimasse. »Oh ja.«
»Darf ich … näher ran?« Laurel nickte und David
ging vorsichtig auf sie zu.
»Ich beiße nicht«, sagte sie, aber in ihrer Stimme
lag kein Humor.
»Ich weiß … es ist nur …« Er wurde rot. »Egal.« Er
trat hinter sie und strich über die langen weichen Blätter. »Geht
das?«, fragte er.
Laurel nickte.
David tastete sehr sanft um die Stelle herum, wo
ihre Haut in die grünen Blättchen überging. »Es gibt keine Naht,
keinen richtigen Übergang. Sie fließen direkt in deine Haut. So was
Unglaubliches habe ich noch nie gesehen.«
Laurel senkte den Blick, sie wusste nicht, was sie
sagen sollte.
»Jetzt verstehe ich, warum du in letzter Zeit so
seltsam warst.«
»Du machst dir keine Vorstellung«, sagte Laurel,
setzte sich auf sein Bett und drehte ihren Rücken zum Fenster,
damit die Sonne auf die Blätter schien. Der Sonnenschein wirkte
seltsam tröstlich.
David starrte sie an, tausend Fragen in den Augen.
Doch er sagte nichts. Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl, sein
Blick raste über ihr Gesicht zu den Spitzen der Blütenblätter, die
über ihre Schultern hinausragten, und wieder zurück. »Hast du …?«
Er brach ab.
Nach einer Minute stand er auf und lief im Zimmer
hin und her. »Könnte es …?« Wieder unterbrach er sich mitten in der
Frage und tigerte weiter durch den Raum.
Laurel rieb sich die Schläfen. »Bitte setz dich hin
– du machst mich wahnsinnig.«
David ließ sich sofort auf seinen Stuhl plumpsen.
»Entschuldigung.« Er betrachtete sie von Neuem. »Du weißt, dass das
nicht sein kann, oder?«
»Glaub mir, darauf bin ich auch schon
gekommen.«
»Ich, also … ich weiß, man glaubt, was man sieht,
aber ich denke noch, wenn ich ein paar Mal blinzele, wache ich auf
… oder kann wieder richtig sehen oder so.«
»Das macht nichts«, sagte Laurel und betrachtete
eingehend ihre Hände, die sie in den Schoß gelegt hatte. »Ich warte
auch immer noch darauf, aufzuwachen.« Sie langte über ihre
Schulter, nahm ein langes
Blütenblatt und sah es kurz an, bevor sie es wieder losließ. Es
wippte sofort zurück und fiel neben ihre Schulter.
»Willst du sie nicht wieder einpacken?«, fragte
David.
»So frei fühlen sie sich besser an.«
»Sie fühlen sich besser an? Du kannst sie
spüren?«
Laurel nickte.
Er schaute auf den Rest dessen, was sie
abgeschnitten hatte. »Tat das weh?«
»Es hat ganz schön gepiekst.«
»Kannst du … sie bewegen?«
»Ich glaube nicht. Warum?«
»Na ja, wenn du sie spürst, gehören sie mehr zu
dir, als wenn dir einfach nur was … wachsen würde. Vielleicht sind
es gar keine richtigen Blütenblätter, sondern eher so was, also wie
Flügel.« Er lachte. »Klingt echt schräg, was?«
Laurel kicherte. »Schräger als die Tatsache, dass
sie überhaupt aus meinem Rücken kommen?«
»Nicht wirklich, du hast recht.« Er seufzte,
während sein Blick wieder zu den Blütenblättern schwenkte, die in
der Sonne flirrten.
»Und … äh, musst du sie gießen?«
»Keine Ahnung.« Wütend fügte sie hinzu: »Das wäre
doch nett, so könnte ich sie schnell eingehen lassen.«
David murmelte etwas vor sich hin.
»Was?«
Er zuckte die Schultern. »Ich finde sie hübsch, nur
das.«
Laurel schaute über ihre Schulter auf die bläulich
gebauschten Spitzen, die links und rechts emporragten.
»Echt?«
»Unbedingt. Wenn du so zur Schule gehen würdest,
wäre die Hälfte der Mädchen wahnsinnig neidisch, wetten?«
»Und die andere Hälfte würde mich anstarren, als
wäre ich ein abartiges Naturereignis. Nein, danke.«
»Und was willst du jetzt machen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mir fällt überhaupt
nichts ein, was ich tun könnte. Nichts, denke ich.« Sie lachte
unfroh.
»Wie wär’s, wenn ich abwarte, bis es meinen Körper
erobert und mich umbringt?«
»Vielleicht geht es wieder weg.«
»Das habe ich mir bei dem Knubbel auch schon
eingeredet. Wohl eher nicht.«
David zögerte. »Hast du es schon deinen Eltern
erzählt?«
Laurel schüttelte den Kopf.
»Hast du es denn vor?«
Erneutes Kopfschütteln.
»Solltest du aber, finde ich.«
Laurel musste schlucken. »Ich denke darüber nach,
seit ich aufgewacht bin.« Sie drehte sich zu ihm um. »Wenn deine
Tochter dir erzählen würde, dass ihr eine Riesenblume aus dem
Rücken wächst, was würdest du dann machen?«
David wollte etwas sagen, senkte dann aber den
Blick.
»Du würdest verantwortungsvoll handeln. Du würdest
sie ins Krankenhaus bringen, wo man sie von vorne bis hinten
untersuchen und wie ein medizinisches Wunder behandeln würde. Das
würden sie mit mir auch machen. So möchte ich aber nicht enden,
David.«
»Vielleicht könnte deine Mom eine Medizin dagegen
herstellen«, sagte David halbherzig.
»Wir wissen beide, dass die Sache eine Nummer zu
groß ist, als dass meine Mom sie heilen könnte.« Laurel
verschränkte die Finger. »Wirklich, wenn ich daran zugrunde gehe,
dann lieber nicht in der Öffentlichkeit. Und wenn es wieder
weggeht«, sagte sie mit einem Achselzucken und streckte die Hände
aus, »ist es besser, wenn keiner davon wusste.«
»Na gut«, sagte David schließlich. »Aber du musst
das neu überdenken, falls noch was passiert.«
»Was soll denn noch passieren?«, fragte
Laurel.
»Es könnte größer werden. Oder sich
ausbreiten.«
»Sich ausbreiten?«
»Ja, die Blätter könnten über deinen ganzen Rücken
wachsen – oder du fängst an … woanders zu blühen.«
Laurel schwieg eine Weile. »Ich denke darüber
nach.«
David lachte leise in sich hinein. »So langsam
kapiere ich, warum du heute nicht mit zum Strand kommen kannst«,
sagte er trocken.
»Oh, Mist. Entschuldigung, das habe ich völlig
vergessen.«
»Macht nichts, das ist ja erst in ein paar
Stunden.« Auch er schwieg lange. »Ich würde meine Einladung
wiederholen, aber …« Er zeigte auf die Blütenblätter und Laurel
nickte kläglich.
»Das würde kaum funktionieren.«
»Darf ich danach bei dir vorbeikommen, nur um zu
sehen, ob es dir gut geht?«
Laurel stiegen die Tränen in die Augen. »Glaubst
du, es wird mir gut gehen?«
David setzte sich neben sie aufs Bett und legte ihr
den Arm um die Schultern. »Das will ich hoffen.«
»Aber wissen tust du es nicht, oder?«
»Nein«, erwiderte er ernsthaft. »Aber ich hoffe es
wirklich sehr.«
Sie rieb sich mit dem Arm übers Gesicht.
»Danke.«
»Ich darf also kommen?«
Lächelnd schaute sie zu ihm hoch und nickte.