• Kapitel 34 •
Magdalena hatte Eriks Nachricht gehört und weckte mit schreckensbleichem Gesicht ihre Eltern, die sich verstört aufsetzten.
»Was ist geschehen?«, fragte Johann, der im ersten Augenblick nicht wusste, wo er war.
Nachdem Magdalena von der Hexenverbrennung im nächsten Ort berichtet hatte, wisperte Franziska entsetzt: »Wie fürchterlich.« Ängstlich blickte sie ihren Mann an, der schützend den Arm um sie legte.
»Müssen wir durch den Ort fahren?«, fragte Johann Gustavsson besorgt.
Erik zuckte mit den Schultern. »Das kann ich dir nicht beantworten. Aber ich werde mit meinen Leuten besprechen, was wir machen können«, sagte er und ritt an die Spitze des Trosses. Dort stellte er sich mit seinem Pferd seitlich, sodass alle Wagenlenker ihn sehen konnten. Als er ein Zeichen gab anzuhalten, zügelten sie die Pferde. Kaum standen die Gespanne, rief er ihnen ein knappes Kommando zu und ritt zurück zu den Kundschaftern. Sogleich sprangen die Fahrer von ihren Sitzen und liefen zu Erik, der von seinem Pferd abgestiegen war und auf sie wartete. Die Männer stellten sich in einem Kreis auf und hörten den Bericht der Späher, die zur Verdeutlichung der Lage mit Stöcken Umrisse auf den Boden zeichneten.
Brigitta kam zum Bonner’schen Fuhrwerk und fragte neugierig: »Was ist geschehen?«
»Die Kundschafter berichteten von einer Hexenverbrennung, die in einer Ortschaft vor uns stattfinden soll«, erklärte Johann mit ernstem Gesicht.
»Vielleicht können wir den Ort umfahren«, überlegte Brigitta und fügte als Erklärung hinzu: »Ich habe kein Verlangen, das Wehgeschrei zu hören oder verbranntes Fleisch zu riechen.«
»Allein die Vorstellung ist schrecklich genug«, murmelte Magdalena und verzog angewidert das Gesicht.
Die Schwedin zuckte ungerührt mit den Achseln. »Hexen darf man nicht ungestraft davonkommen lassen«, gab sie kund.
»Werden auch in Schweden Hexen verbrannt?«, wollte Franziska wissen.
Brigitta überlegte. »Ich habe noch nie gehört, dass in unserem Land Menschen wegen Hexerei verurteilt und hingerichtet werden.«
Ungläubig schaute die Bonner-Familie die Schwedin an. »Heißt das, dass es bei euch keine Hexen gibt?«
Wieder überlegte die Marketenderin. »Ich weiß, dass unsere Legenden von dem blauen Berg Blåkulla erzählen, auf dem sich böse Geister und Hexen treffen sollen. Aber niemand weiß, wo dieser Berg liegt, und demzufolge hat auch niemand Geister oder Hexen gesehen. Vielleicht gibt es diese Wesen auch bei uns im Land, nur hat sie bis jetzt noch kein Mensch entdeckt.«
Magdalena blickte ihre Eltern an, die ungläubig die Köpfe schüttelten.
Arne kam von der Besprechung mit den Kundschaftern zurück und erklärte: »Wir haben keine Möglichkeit, die Ortschaft zu umfahren, denn es gibt nur diesen einen Weg, und der führt mitten hindurch. Zwar könnten wir eine andere Strecke nehmen, müssten aber ein weites Stück zurückfahren, und das würde Zeit kosten. Deshalb haben wir beschlossen, weiterzufahren und gegebenenfalls vor dem Ort zu warten, bis das Urteil vollstreckt ist.«
Magdalena und ihre Eltern nahmen diese Entscheidung schweigend hin. Arne stieg wieder auf den Platz auf dem Kutschbock, und auch die anderen Fahrer eilten zu ihren Fuhrwerken zurück. Brigitta verabschiedete sich und lief zu ihrem Gespann.
Kaum hatte sich der Tross in Bewegung gesetzt, wusste im Gefolge auch der letzte Schwede von der Nachricht der Kundschafter. Entsetzen machte sich unter den Reisenden breit, und je näher sie dem Ort kamen, desto schweigsamer wurden sie. Sogar der fröhliche Lärm der Kinder klang nun verhalten. Über dem Gefolge lag eine gespenstische Stille, die nur vom Rattern der Räder und vom Schnauben der Pferde durchbrochen wurde.
Magdalena spürte Unruhe in sich aufsteigen und wäre gern dicht an Arne herangerutscht. Da ihre Eltern jedoch aufrecht auf der Ladefläche saßen und zwischen ihrer Tochter und dem Schweden nach vorn starrten, wagte das Mädchen weder, etwas zu ihm zu sagen, noch, seine Hand zu ergreifen. Vorsichtig schielte Magdalena zu Arne, der den Kopf zu ihr drehte und sie anlächelte, sodass ihr Herz höher schlug.
Als er seinen Blick wieder der Straße zuwandte, murmelte er: »Du musst dich nicht fürchten.«
Als die Ortsgrenze in Sicht kam, schauten die Reisenden mit bangen Blicken nach vorn, wo sich auf einem Acker außerhalb der Gehöfte eine Menschenmenge versammelt hatte. Da immer mehr Schaulustige zu dem Platz strömten, gab es für die Gespanne schon bald kein Weiterkommen mehr, sodass sie die Wagen anhalten mussten.
Erik ritt mit Arnes Pferd am Zügel neben ihn und rief: »Lass uns nachsehen, wann wir weiterfahren können.«
Als Arne sich vom Kutschbock aufs Pferd schwang, zwinkerte er Magdalena aufmunternd zu. Doch dann wurde sein Gesicht ernst, und er trat dem Wallach in die Seiten.
Franziska schaute den beiden Schweden mit bangen Gefühlen hinterher. In den letzten Jahren hatte sie nur selten daran gedacht, wie der alte Bonner, von Hass getrieben, sie einst der Hexerei bezichtigt hatte. Doch seit sie unterwegs waren, wurde sie immer wieder mit den Erinnerungen belastet. Ihr wurde übel, wenn sie an die Angst dachte, die sie damals Tag und Nacht beherrscht hatte. Was wäre aus ihr geworden, wenn Johann nicht beschlossen hätte, sie zu heiraten und mit ihr zusammen aus der Heimat zu fliehen?
Und dann steht der Alte eines Tages wieder vor mir und will mich und meine Tochter ertränken, erinnerte sich Franziska jetzt erneut. Sogleich breitete sich eine Gänsehaut auf ihrem Körper aus. Als sie spürte, dass sie zitterte, schlang sie die Arme um ihren Oberkörper.
Johann hatte seine Frau beobachtet und ahnte ihre Gedanken. Als die Schweden von der Hexenverbrennung berichteten, kamen auch bei ihm die Erinnerungen und das Gefühl der Machtlosigkeit zurück, das er damals empfunden hatte. Er schaute zu Magdalena, die wieder auf der Innenseite ihrer Wange kaute. Ihre Blicke trafen sich, und sie versuchte zu lächeln.
Magdalena sah, wie ihre Mutter am ganzen Körper zitterte, und sie setzte sich auf den Sitz neben ihr, um sie zu umarmen. Franziska schloss die Augen und legte den Kopf an die Schulter ihrer Tochter.
Dann schaute sie zu Johann auf und flüsterte mit bleichem Gesicht: »Wer wird dieser Frau helfen?«
In der Nähe der Menschenansammlung saßen Erik und Arne ab und führten ihre Pferde zu Fuß weiter. Da beide noch nie einer Hexenbestrafung beigewohnt hatten, ahnten sie nicht, was sie erwarten würde.
Die Bewohner des Ortes sahen den Fremden misstrauisch entgegen. Manche blieben mitten auf dem Weg stehen, sodass die beiden Schweden um sie herumgehen mussten, andere traten einen Schritt zur Seite. Kinder versteckten sich hinter ihren Eltern oder musterten die beiden Männer ungehemmt.
»Wer seid ihr?«, zischte ein Mann durch die Lücke seines Gebisses, wo ihm ein Schneidezahn fehlte. Sein Gesicht war mit Pusteln bedeckt und von Stirn bis Kinn gerötet.
»Wir sind Reisende«, erklärte Erik freundlich. »Unser Tross steht vor eurem Ort und kommt nicht weiter, da ihr den Weg verstopft. Wir waren neugierig, warum so viele Menschen sich hier zusammenfinden.«
»Heute wird der Gerechtigkeit Genüge getan«, erklärte ein Mann mit lauter Stimme hinter ihnen. Die beiden Schweden drehten sich um und erblickten eine hagere, große Gestalt mit Glatze. Der Mann, der in ein schwarzes Gewand gekleidet war, trat zwischen den Menschen hervor, die sich ängstlich bekreuzigten.
Arne vermutete, dass er ein Mann der Kirche war, und fragte: »Wie meint ihr das?« Dabei schaute er forschend in die Gesichter der Menschen, die um ihn herumstanden. Sie waren ärmlich gekleidet, ausgemergelt und blass. Bei einigen konnte er Krätze feststellen, denn sie hatten Quaddeln auf der Haut, die bei manchen der Erkrankten mit blutverkrusteten Wunden überzogen war. Ein Sud des Wilden Stiefmütterchens würde ihnen helfen, dachte Arne, als seine Aufmerksamkeit wieder auf den Pastor gelenkt wurde, der mit gedämpfter Stimme erklärte:
»Wir konnten eine Frau der Hexerei überführen!« Dabei ließ er seinen Blick über die Versammelten schweifen, die zustimmend nickten.
Arne zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, und der Kirchenmann schrie: »Die böse Frau, die heute bestraft wird, ist für das Elend verantwortlich, das sie über diese armen Leute gebracht hat.« Mit seinen spinnenbeindünnen Fingern zog der Pastor eine eingeschüchterte Frau, die kaum wagte aufzuschauen, aus der ersten Reihe der Schaulustigen neben ihm. Dann packte er einen ebenso verängstigten Mann am Arm, der große Augen machte und seinen Hut vom Kopf zog, und führte ihn neben die Frau. Es waren ärmlich gekleidete, einfache Bauersleute.
»Was ist euch zugestoßen?«, fragte Erik, der neben Arne getreten war, das Paar.
Doch statt ihrer antwortete der Kirchenmann. »Die Hexe hat einen Hexenschwur über diese arme Frau gebracht, sodass sie keine Kinder empfangen kann. Ich frage dich, Fremder, wer soll für diese beiden Menschen sorgen, wenn sie alt und gebrechlich sind?«
Verhaltenes Gemurmel war zu hören, das anschwoll, bis der Pastor die Hand hob und die Meute schwieg.
Arne schaute zweifelnd in die Menge und fragte: »Woher wisst ihr, dass die Verurteilte Schuld am Schicksal dieser armen Bauersleute trägt?«
Des Pastors Augen blitzten auf. »Sie hat gestanden!«, beschied er mit donnernder Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Und er erklärte: »Sie hat gestanden, dass der Teufel ihr Zauberpulver gegeben hat. Das hat sie durch das Fenster der Kammer der Bauersleute hineingepustet, als die Frau schlief. Und sie hat der armen Frau vergiftete Beeren zum Naschen gegeben.«
»Das hat sie freiwillig zugegeben?«, fragte Erik erstaunt.
»Natürlich nicht! Sie hat uns verhöhnt«, erklärte der Kirchenmann und sah Erik grimmig an. »Aber wir wussten, wie wir die Wahrheit erfahren konnten. Wir haben sie der peinlichen Befragung unterzogen.«
»Aber warum sollte die Hexe der Frau so etwas antun?«, fragte Gustavsson zweifelnd.
Der Pastor verengte seinen Blick und musterte die beiden Fremden. Er ging um sie herum und fragte mit barscher Stimme: »Warum interessiert ihr euch für die Hexe unseres Dorfes? Seid ihr von der Juristischen Fakultät?« Seine kalten Augen schauten die Männer durchdringend an.
»Nein«, erklärte Erik. »Wir sind Schweden und auf dem Weg nach Norden.«
Ein Raunen ging durch die Menge, und der Pastor riss seine Augen weit auf. »Ihr seid der Feind!«, beschied er brüllend.
»Nur wenn ihr katholisch seid, sind wir Feinde«, erwiderte Arne und griff nach dem Schwert.
Statt sich einschüchtern zu lassen, kamen die Menschen näher, und die Miene eines jeden wirkte entschlossen. »Wir haben genug unter euren Plünderungen gelitten. Bei uns gibt es nichts mehr zu holen. Verschwindet!«, schrie ein hageres Männlein.
Arne ließ die Waffe los und hob die Hände in die Höhe. »Wir wollen keinen Streit. Wir wollen nur mit unseren Fuhrwerken euren Ort durchfahren«, erklärte er.
Die Menge beruhigte sich.
Erik schaute den Pastor mit durchdringendem Blick an und sagte: »Verzeih meine Neugierde, aber in unserem Land gibt es keine Hexen.«
Erneut war Gemurmel zu hören, und der Kirchenmann zog ungläubig seine schmalen grauen Augenbrauen zusammen. »Ihr habt keine Hexen?«, fragte er zweifelnd.
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Erik. »Allerdings weiß ich nicht, wie ich Hexen erkennen sollte. Deshalb möchte ich mehr darüber von dir erfahren.«
Die Brust des Pastors schwoll sichtbar an. »Da fragt ihr den Richtigen«, erklärte er. »Denn ich habe alles in die Wege geleitet, um die böse Frau unseres Dorfes der Hexerei zu überführen.«
»Bist du ein Richter?«, fragte Arne.
Der Pastor schüttelte den Kopf. »Wegen der Unordnung, die dieser Krieg mit sich bringt, würde es viel zu lange dauern, bis wir ein Urteil von den Spruchkörpern der Juristischen Fakultät bekämen. Deshalb müssen wir selbst richten. Dank der Constitutio Criminalis Carolina …« Als er die fragenden Blicke sah, die sich die beiden Schweden zuwarfen, hielt er inne und erklärte mit gewichtiger Stimme: »Die Constitutio Criminalis Carolina ist das Strafgesetzbuch des Kaisers Karl V., der 1532 dieses Strafrecht für gültig erklärte. Dank der Carolina wissen wir, wie wir mit Hexen zu verfahren haben. Es gibt nur zwei Vorschriften. Erstens: Sobald ein Schaden durch Zauberei vorliegt, muss man die Verdächtige der peinlichen Befragung unterziehen. Und zweitens: Von den Hexen darf nichts übrig bleiben, weswegen sie mit dem Feuer gerichtet werden müssen.« Selbstgerecht blickte der Pastor die beiden Schweden an und rief mit schriller Stimme: »Die Verurteilte hat die vier apokalyptischen Reiter über unser Dorf gebracht. Sie ist für den Krieg, den Hunger, die Krankheiten und den Tod in unserem Ort verantwortlich. Die böse Frau hat den Dorffrieden gestört, weil sie aus Eifersucht gehandelt hat. Sie hat scham- und rücksichtslos den Mann einer anderen begehrt.« Dabei wies er mit dem Finger auf das Bauernehepaar, das blass und ängstlich dastand.
Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. Die Versammelten traten zur Seite, um eine Gasse zu bilden. Die Verurteilte wurde, angebunden auf einem Viehwagen, zur Hinrichtungsstätte gebracht, die Arne und Erik jetzt erst wahrnahmen, da der Scheiterhaufen, der auf dem Acker aufgeschichtet war, zuvor von der Menschenmenge verdeckt worden war.
Die Verurteilte war ein junges Mädchen, dem man trotz der Folterspuren ansehen konnte, dass es eine Schönheit gewesen sein musste. Die Torturen der peinlichen Befragung hatten böse Verletzungen verursacht: Das Messer, mit dem ihr die Haare geschoren worden waren, hatte blutige Wunden auf der Kopfhaut hinterlassen, die nun vertrocknet waren. Ihre Arme und Beine zeigten verbrannte Stellen, die von glühenden Eisen stammten. Angebunden auf dem Viehwagen hing sie kraftlos in den Seilen und schien ihre Umgebung kaum wahrzunehmen.
Der Kirchenmann sah ihr erschüttert hinterher und sagte leise: »Der Teufel zeigte sich der verwirrten Seele als schöner Jüngling, sodass sie sich ihm freiwillig hingab. Erst im Morgengrauen verriet er sein wahres Gesicht.«
»Was geschieht mit ihr?«, fragte Arne und blickte dem Wagen nach.
»Sie wird verbrannt«, erklärte der Pastor ungerührt. »Da sie jedoch geständig war, werde ich Gnade walten lassen. Der Henker wird sie zuvor erdrosseln«, fügte er selbstzufrieden hinzu.
Als Arne und Erik einige Zeit später ihre Pferde aus der Menschenmenge zurück zum Tross am Dorfeingang führten, stieg eine dunkle Rauchsäule zum Himmel empor. In der Luft lag der widerliche Geruch von verkohltem Fleisch. Erschüttert und schweigsam ritten die beiden Schweden zurück zu ihren Landsleuten. Gegen Spätnachmittag, als sich die Schaulustigen zerstreut und den Weg durch das Dorf freigemacht hatten, setzte der Tross seine Reise fort.
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Je weiter die Fuhrwerke nach Norden kamen, desto unbeständiger wurde das Wetter. Sonne, Regen und Schneetreiben begleiteten die Reisenden, die müde auf ihren Sitzen hingen. Ihre Gesichter waren von Erschöpfung gezeichnet, denn Erik gönnte den Leuten kaum eine Rast. Die Angst, das Heer nicht mehr zu erreichen, trieb ihn vorwärts.
Mittlerweile lenkte Johann sein Fuhrwerk wieder selbst, und Arne ritt mit Gustavsson und einigen anderen Männern am Ende des Trosses. Da es Franziska besser ging, saß sie manchmal neben ihrem Mann und ihrer Tochter auf dem Kutschbock.
Benjamin weigerte sich lautstark, mit seiner Familie zu reisen, und beharrte darauf, bei seinen neuen Freunden zu bleiben. Als Johann merkte, dass der Junge nicht zu überreden war, gab er seinen Widerstand auf und erlaubte seinem Sohn, den Rest der Reise bei den Schwedenkindern zu bleiben.
Magdalena blickte immer wieder einmal verstohlen zurück an das Ende des Trosses, wo Arne mit einigen Männern in der Nachhut ritt.
»Möchtest du dich auf der Ladefläche ausstrecken, mein Kind?«, fragte Franziska lächelnd. Dankend stieg Magdalena nach hinten, als die Mutter ihr zuraunte: »Man bekommt schnell einen steifen Hals, wenn man ihn immer verdrehen muss.«
Erschrocken schaute das Mädchen hoch und sah den verschmitzten Ausdruck im Gesicht ihrer Mutter.
Immer erst zu später Stunde gestattete Gustavsson dem Tross, anzuhalten und für die Nacht ein Lager zu errichten. Um Zeit zu sparen, wurden nur wenige Zelte aufgeschlagen, in denen die Frauen und Kinder nächtigen sollten. Die Männer mussten mit den unbequemen Ladeflächen der Fuhrwerke vorliebnehmen. Als Erik in ihre grimmigen Gesichter sah, tröstete er sie: »Sobald wir im Heerlager sind, werdet ihr wieder auf bequemen Lagern liegen.«
Nachdem die Pferde ausgespannt waren, wurden die Fuhrwerke zum Schutz wie eine Wagenburg im Kreis aufgestellt. In der Mitte wurde ein Feuer entfacht, um das die Reisenden müde an den Flammen herumstanden, um kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen.
Als Johann beobachtete, wie Arne um seine Tochter schlich und sie umgarnte, zog er Franziska an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Achte in den Nächten auf Magdalena, denn ich kann sie vom Fuhrwerk aus nicht beschützen.« Dabei wies er zu Arne, der mit seiner Tochter am Feuer stand und lachend auf sie einredete. »Ich traue dem Schweden nicht«, sagte er mit verbissener Miene.
Franziska wollte etwas erwidern, doch als sie den entschlossenen Blick in den Augen ihres Mannes sah, schwieg sie.
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Vier Tage später – es war in der Nähe von Kassel und später Nachmittag – preschten die Kundschafter an den Fuhrwerken vorbei und rissen erst kurz vor Erik und Arne an den Zügeln, dass die Pferde wiehernd mit den Vorderhufen in der Luft hingen. Wieder ahnten die Reisenden Schlimmes, sodass sie besorgt zum Ende der Wagenkolonne schauten, als Erik schallend lachte und auch Arne jubelte. Sogleich ritt Gustavsson an seinen Leuten vorbei und rief überschwänglich: »Vi gjorde det! Vi gjorde det!«
Im ganzen Tross setzten nun Jubelrufe ein, und die Männer schwangen vor Begeisterung ihre Hüte.
Arne kam zum Bonner’schen Fuhrwerk geritten und verkündete laut: »Wir haben es geschafft! Unser Heer liegt nicht mehr weit von hier!« Er strahlte Magdalena an, die verschämt hochblickte, jedoch sein Lachen nicht zu erwidern wagte. Dann schloss Arne zu Erik auf.
Johann war der Blick des Schweden nicht entgangen, und er schaute ihm grimmig hinterher. Seine Hände umschlossen verkrampft das Leder der Zügel, als er Franziskas Finger auf seinem Arm spürte.
»Ich bringe ihn um, wenn er ihr zu nahe kommt«, presste er hervor.
»Du musst Magdalena vertrauen«, antwortete Franziska leise.
Die Nacht brach langsam über dem Land herein, als Magdalena in einer flachen Talsenke das Lager entdeckte, das kreisförmig angeordnet schien. Um die Mitte standen zahlreiche Zelte unterschiedlicher Farben und Größen, an denen eine Vielfalt bunter Fahnen im sanften Wind wehte. Überall brannten Lagerfeuer, um die herum Menschen saßen, die in bunte Uniformen gekleidet waren. Ihre lauten Stimmen und fremden Lieder schwappten bis an Magdalenas Ohr, die von der Größe des Heers eingeschüchtert war.
Vorsichtig schritten die Zugpferde ins Tal hinunter, als die Soldaten die Reisenden entdeckten und Jubel im Lager ausbrach. Einige Männer liefen den Pferdegespannen entgegen und suchten auf den Fuhrwerken nach ihren Frauen und Kindern, die sie krank zurückgelassen hatten. Die Jungen und Mädchen streckten die Arme aus und riefen nach ihren Vätern. Kaum standen die Fuhrwerke still, sprangen sie herunter und liefen zu ihnen. Ein kleines Mädchen mit langen Zöpfen und einer Lumpenpuppe im Arm rief: »Fader! Fader!« Aufgeregt rannte es zu seinem Vater, der sich vor das Kind kniete. Es warf sich ihm weinend und vor Freude kreischend an den Hals.
Frauen schmiegten sich an ihre Männer, die sie lachend umarmten und begehrlich küssten.
Magdalena sah, wie ein Mann mit einem Mädchen auf dem Arm und einem Jungen an der Hand zu Arne ging. Sie konnte die schwedischen Worte nicht verstehen, aber sie ahnte, dass der Vater dem Arzt dankte, denn Arne schaute verlegen nach unten. Der Soldat klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und verschwand mit seiner Familie zwischen den anderen Menschen, die zum Lager gingen.
Johann stand plötzlich mit seiner Familie allein da, weder Arne noch Erik waren zu sehen. Er beobachtete die Soldaten, die die Gespanne in einen abgesonderten Bereich außerhalb der Zeltstadt brachten, wo auch die Pferde versorgt wurden. Er blickte sich unsicher um, nicht wissend, wohin er gehen sollte.
Benjamin klammerte sich weinend an seine Mutter, denn er verstand nicht, warum seine Freunde plötzlich verschwunden waren. Traurig blickte er zu seiner Schwester empor, die ihm tröstend über die Haare strich, als Arne zwischen den Menschen auftauchte und sagte:
»Folgt mir! Ich habe eine Unterkunft für euch.«