• Kapitel 33 •
Magdalena saß steif neben Arne und wagte kaum zu atmen. Ihre Hände zitterten, sodass sie die Finger unter die Falten ihres Rocks schob. Sie hielt den Blick stur geradeaus gerichtet und überlegte, ob sie zu ihren Eltern auf die Ladefläche steigen sollte. Als sie hinter sich schaute, sah sie, wie sich ihr Vater neben ihrer Mutter ausstreckte, sodass kaum mehr Platz war. Enttäuscht richtete Magdalena ihren Blick nach vorn, als Benjamin ihnen zuwinkte. Während sie nickte, grüßte Arne überschwänglich zurück. Das Mädchen sah, wie der Junge sich lachend zu seinen Freunden setzte, die mit ihm scherzten und johlten.
»Er ist ein munterer kleiner Kerl«, ergriff Arne die Gelegenheit, Magdalena anzusprechen. Als sie nicht antwortete, drehte er den Kopf und betrachtete ihr Gesicht. Verwundert stellte er fest, dass ihre Nähe ein sonderbares Gefühl in ihm auslöste, das er noch nie zuvor gespürt hatte. Wärme schoss ihm durch den Körper, die angenehm und zugleich befremdlich war. Als zusätzlich heftiges Herzklopfen einsetzte, wusste er, was mit ihm los war. Erschrocken blickte er nach vorn und schloss für einen Augenblick die Augen. »Das darf nicht sein!«, flüsterte er auf Schwedisch. »Unsere Wege werden sich bald trennen.« Als er das Mädchen bedrückt von der Seite anschaute, trafen sich ihre Blicke.
Magdalena hatte Arne flüstern gehört, aber nicht verstanden, was er sagte, und deshalb zu ihm aufgeschaut. Als er sich im selben Augenblick ihr zuwandte, zuckte sie erschrocken zusammen. Sie wollte sofort wegschauen, doch etwas lag in seinem Blick, das sie festhielt. Zaghaft betrachtete sie aus dem Augenwinkel sein Gesicht und entdeckte auf seinen Nasenflügeln kleine Sommersprossen, ebenso wie auf den Wangen, wo sie aber von Bartstoppeln verdeckt wurden. Seine buschigen Augenbrauen, die sich fragend zusammengezogen hatten, entspannten sich, und sein Gesicht verlor das grimmige Aussehen. Magdalena war froh, dass ihre Hände unter dem Rockstoff klemmten, damit sie nicht in Versuchung kam, ihm die blonde Haarsträhne, die vor sein Auge fiel, hinters Ohr zu streichen.
Sie wandte ihren Blick ab, als sie merkte, dass auch Arne sie betrachtete. Neugierig, aber zärtlich ließ er seinen Blick von ihren Haaren über ihre Wangen bis zu ihrem Mund wandern. Magdalena spürte, wie ihr Blut schneller floss und sich erneut Hitze in ihrem Körper ausbreitete. Sie schluckte, als Arne plötzlich den Kopf schüttelte und die Augen schloss. Als er sie wieder anschaute, war das Besondere in seinem Blick verschwunden. Er atmete tief durch und richtete seinen Blick auf den Weg.
Enttäuscht starrte Magdalena auf die Rücken der Pferde. Sie spürte, wie Tränen in ihren Augen brannten, sodass sie wütend die Lider zusammenpresste. Ich hasse ihn, redete sie sich ein. Und wusste, dass sie sich selbst belog.
Brigitta fuhr mit ihrer Freundin Ingeborg im Fuhrwerk hinter den Deutschen. Argwöhnisch verfolgte sie die Aufregung um den Alten und den anschließenden Fahrerwechsel. Kaum sah sie Arne vorn neben dem Mädchen sitzen, spürte sie Wut und Eifersucht in sich aufsteigen.
Ihre Freundin, die neben ihr saß und sie beobachtete, meinte abfällig: »Um das Mädchen würde ich mir an deiner Stelle keine Gedanken machen. Das sieht ein Blinder, dass sie unerfahren und schüchtern ist. Welcher Mann sollte an ihr Freude haben?«
»Pffff!« war das Einzige, was Brigitta sagen konnte.
Ingeborg kicherte. »Die schönste und begehrteste Marketenderin weit und breit lässt sich von einer Jungfrau einschüchtern?«
»Was weißt du schon?«, fauchte Brigitta und ließ Arne und das Mädchen nicht aus dem Blick.
»Ich weiß zum Beispiel, dass sie schon bald der Vergangenheit angehören wird, denn sie gehen in Richtung Osten, und wir ziehen weiter nach Norden.«
»Woher weißt du das?«
Ingeborg lachte schallend auf. »Ich hatte schon immer eine Schwäche für Erik und er für mich.«
Nun musste Brigitta grinsen: »Braves Mädchen!«, lobte sie die Freundin. Doch dann wurden ihre Gesichtszüge hart. »Und falls die Jungfrau mir doch in die Quere kommt, weiß ich, wie ich sie loswerden kann.«
Ingeborg riss fragend die Augen auf, doch Brigitta sagte kein Wort, sondern summte eine schwedische Weise.
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Der kleine Verbund an Wagen und Pferden war eine Weile unterwegs, als die Kinder quengelten und riefen:
»Jag måste pissa!«
Auch Benjamin schrie: »Jag måste pissa!«, und sprang auf dem Fuhrwerk auf und ab.
Besorgt fragte Magdalena: »Was ist geschehen? Haben sie Schmerzen?«
Arne erklärte mit einem breiten Grinsen: »Wenn wir nicht bald anhalten, könnten sie welche bekommen, denn sie müssen dringend hinter einem Busch verschwinden.«
Magdalena verstand und murmelte: »So kann ich mir die Beine vertreten.«
Arne stellte einen Fuß auf den Fahrersitz und sah nach hinten zu Gustavsson, den er zu sich winkte. Erik preschte heran und brachte sein Pferd auf die Höhe des Kutschbockes, sodass Arne ihn um eine Rast bitten konnte. Magdalena hörte, wie sie beschlossen, an dem Wäldchen anzuhalten, das vor ihnen nahe dem Weg lag.
»Wir werden kurz rasten, damit die Kinder hinter den Büschen verschwinden und dann etwas essen können. Ich werde unseren Leuten Bescheid geben, dass sie nicht zu weit auf die Wiese fahren und womöglich im aufgeweichten Boden stecken bleiben. Ich habe keine Lust, Zeit zu vergeuden, weil wir ein Fuhrwerk aus dem Schlamm ziehen müssen. Ich will schnellstmöglich weiter«, sagte Erik und ritt zur Spitze des Trosses, um die Fahrer anzuweisen.
Als die Fuhrwerke hielten, sah Magdalena, wie die Kinder aufgeregt von der Ladefläche sprangen und im Wald verschwanden. Unter ihnen ihr Bruder, der hopste und schwedische Wortbrocken rief. Für ihn ist alles ein großes Abenteuer, dachte sie und stieg vom Kutschbock, um nach ihren Eltern zu schauen. Kaum stand sie neben dem Fuhrwerk, war Arne an ihrer Seite und blickte besorgt zu ihrem Vater.
»Lass mich prüfen, ob deine Wunde erneut eitert. Auch will ich Heilsalbe über deine Verletzungen im Gesicht streichen.«
Dieses Mal weigerte sich Johann nicht, sondern kam von der Ladefläche hoch, sodass Arne ihn behandeln konnte.
Während er vorsichtig den Verband löste, fragte er Franziska: »Wie geht es dir? Musst du noch husten?«
»Nein, mir geht es gut«, erklärte Franziska. »Der kalte Kreuzblumensud schmeckt zwar fürchterlich, aber er hilft.«
Arne rümpfte die Nase. »Ja, ich kenne den bitteren Geschmack des kalten Getränks. Leider hält die Flasche die Wärme nicht«, sagte er entschuldigend und besah sich Johanns Wunde.
»Du hast Glück, guter Mann. Die Wunde hat nicht geeitert und sich wieder geschlossen. Wenn du weiter meine Ratschläge befolgst, müsste sie nun heilen.«
Als von Johann keine Widerworte kamen, blickte Arne ungläubig zu ihm. »Kein Widerspruch?«, fragte er.
»Ich werde mich hüten«, sagte Johann.
Arne schmunzelte. Er nahm das Tuch, strich es glatt und faltete es ordentlich der Länge nach. Dann bat er Magdalena: »Halt die Enden straff auseinander, sodass ich die Tinktur großzügig darüberträufeln kann.«
»Benötigst du meine Hilfe?«, fragte Brigitta, die dicht an Arne herangetreten war.
»Nein!«, antwortete er knapp, ohne sie anzuschauen. Er öffnete das Fläschchen und verteilte die dunkle Flüssigkeit.
»Welches Gebräu ist es diesmal?«, fragte Johann und sah den Arzt kritisch an.
»Ich kenne den deutschen Namen für diese Pflanze nicht. Sie hat einen gelben Blütenkopf, und ihre großen Blätter bilden die Form eines Hufeisens.«
»Sicher ist es Huflattich«, erklärte Brigitta.
»Woher willst du das wissen?«
»Deine Beschreibung passt auf die Pflanze.«
»Keine Ahnung, ob das der deutsche Name ist. Ich kenne sie als Tussilago«, erklärte Arne und verrieb das Gebräu mit dem Finger.
Brigitta wandte sich Franziska zu: »Die Sonne und die frische Luft scheinen dir gutzutun. Deine Wangen sind rosig und deine Augen klar. Schmerzen die Schwellungen in deinem Gesicht arg?«, fragte sie und betrachtete die Verfärbungen in Franziskas Gesicht näher. »Sie werden sich sicher in allen Farben des Regenbogens verändern«, sagte sie mit einem Lachen, das ihre Augen nicht erreichte.
Nachdem Magdalena Arne den Verband gereicht hatte, bot Brigitta ihr an: »Möchtest du ein Stück des Weges auf meinem Wagen mitfahren? So könnten wir uns besser kennenlernen. Auch würde die Zeit bei einem Schwätzchen schneller vergehen«, erklärte sie und tat begeistert.
Sogleich brummte Johann: »Das ist ein guter Vorschlag. Dann kann ich mich zu Arne auf den Kutschbock setzen, und du hast mehr Platz«, sagte er und strich seiner Frau vorsichtig über die immer noch leicht geschwollenen Wangen.
Franziska hatte den entsetzten Blick ihrer Tochter bei Brigittas Vorschlag aufgefangen und auch ihren verzweifelten Gesichtsausdruck, als Johann zustimmte. Sie war sich sicher, dass ihr Mann Magdalena von Arne fernhalten wollte. Da er jedoch nichts von der Abneigung seiner Tochter gegenüber Brigitta wusste, wandte sie sich an die Schwedin.
»Das ist ein sehr netter Vorschlag, aber ich hätte meine Tochter gern bei uns auf dem Fuhrwerk. Manchmal wird mir übel, und dann bin ich froh, wenn Magdalena mir Sud reicht. Außerdem sollte mein Mann sich heute nicht mehr auf den Kutschbock setzen. Wir haben gesehen, wohin das führt«, erklärte sie und sah Johann scharf an.
»Aber das kann … Au!«, wollte sich ihr Mann einmischen, als Arne ihn in die Haut zwickte und er laut aufschrie. »Vermaledeit! Warum kneifst du mich?«
»Entschuldige«, murmelte Arne. »Ich habe versehentlich eine Hautfalte erwischt.« Der Arzt band das Tuch um Johanns Hals und sagte: »Ich stimme deiner Frau zu. Gönn dir heute noch die Ruhe. Morgen kannst du dein Pferdegespann wieder selbst lenken.« Dann packte er seine Sachen zusammen und ging zum Fahrersitz.
Brigitta merkte, dass sie nichts erreichen würde, und sagte gespielt fröhlich zu Magdalena: »Nun ja, vielleicht kannst du morgen mit mir fahren.« Dann eilte sie Arne hinterher.
»Was willst du?«, fragte er, während er die Satteltasche unter dem Sitz verstaute.
»Ich habe etwas ins Auge bekommen. Kannst du nachsehen?«
Arne wandte sich entnervt Brigitta zu. Die Marketenderin drehte sich so, dass Magdalena nur ihren Rücken sah und deshalb nicht erkennen konnte, was Arne mit ihr machte. Er zog mit der einen Hand ihr unteres Lid herunter, während die andere Hand das obere hochzog. »Ich kann nichts erkennen«, sagte er und wollte gehen.
Doch Brigitta hielt ihn am Arm fest. »Schau genau. Da muss etwas in meinem Auge sein, denn ich kann es spüren. Du musst näher kommen«, flüsterte Brigitta, und Arne trat einen Schritt auf sie zu.
Franziska folgte dem Blick ihrer Tochter, denn sie beobachtete, dass das Mädchen auf der Innenseite seiner Wange kaute. Diese Eigenart hatte sie schon als kleines Mädchen gehabt, wenn ihr etwas nicht passte. Als sie Brigitta und Arne dicht beieinanderstehen sah, ging sie auf noch wackligen Beinen auf ihre Tochter zu und umarmte sie. »Schon bald sind wir in Hundeshagen, und du wirst ihn schnell vergessen«, versuchte sie das Mädchen zu trösten.
Magdalena blickte von Arne zu ihrer Mutter und fragte mit einem schiefen Lächeln: »Gibst du mir die Gewissheit, dass ich ihn schnell vergessen werde?«
Franziska strich ihr die Haare zurück und flüsterte: »Ich hoffe es!«
Magdalena presste ihre Stirn an die Schulter ihrer Mutter, als Benjamin auf sie zugerannt kam. Er umklammerte die Hüften der beiden Frauen und sah zu seinem Vater auf, der mit dem breiten Schal um seinen Hals stocksteif dastand.
»Geht es dir besser?«, fragte der Junge seinen Vater.
»Ja, mein Sohn. Viel besser. Ich wage nur nicht, den Kopf zu bewegen, weil der Arzt sonst schimpft«, sagte er und zwinkerte seinem Sohn zu, sodass Benjamin breit grinste. »Möchtest du auf unserem Gespann weiterreisen?«, fragte Johann.
Benjamin verzog das Gesicht. »Muss das sein?«, fragte er enttäuscht.
Johann sah ihn ungläubig an und atmete hörbar ein und aus, sodass Franziska ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm legte.
»Lass den Jungen zu den Schwedenkindern, denn schon bald verliert er seine neuen Freunde wieder.«
»Verschwinde!«, sagte Johann liebevoll zu seinem Sohn, der jubelnd den schwedischen Kindern zurief: »Jag kommer! Ich komme!«
»Ich werde verrückt, wenn er anfängt, auch mit mir Schwedisch zu reden«, murmelte Johann und verzog gequält das Gesicht.
»Ach, mein Lieber, so schnell er die Wörter lernt, genauso schnell wird er sie vergessen«, versuchte Franziska ihn aufzumuntern.
»Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte ihr Mann und setzte sich auf die Kante der Ladefläche.
Gustavsson rief zum Aufbruch, und alle liefen zu ihren Pferden und Fuhrwerken. Dank der Rösser, die sie der Soldateska abgenommen hatten, konnten nun auch die größeren Kinder reiten, sodass die anderen mehr Platz auf den Wagen hatten.
Arne half Franziska und Johann auf die Ladefläche, während Magdalena zu Benjamin lief und ihn und seine Freunde aufs Fuhrwerk hob.
»Sei artig«, ermahnte sie den Bruder, der kaum ruhig sitzen konnte. Dann ging sie zurück zu ihrem Wagen und stieg auf den Kutschbock, wo Arne auf sie wartete. Sie schaute zu ihren Eltern, die sich hingelegt hatten, und hörte, wie ihr Vater ihre Mutter fragte:
»Liegst du angenehm, Liebes?«
Glücklich drehte sich Magdalena nach vorn.
»Geht es dir gut?«, fragte Arne, der ihren Gesichtsausdruck nicht zu deuten wusste.
»Ja!«, antwortete sie strahlend. »Endlich ist alles wieder gut.«
Da es angenehm warm war, ließ Magdalena ihren Umhang von den Schultern rutschen. Sie warf ihr Haar zurück und schloss die Augen.
Arne schaute ihr überrascht zu, doch da sich der Tross vor ihm in Bewegung setzte, musste er auf das Fuhrwerk achten. Er schlug den Hengsten mit den Zügeln leicht auf den Rücken, sodass sie losschritten. Erst als alle Fuhrwerke in gleichmäßiger Geschwindigkeit fuhren, entspannte sich Arne. Er betrachtete Magdalena von der Seite und sah die Steine ihrer Kette im Sonnenlicht funkeln. Da er wusste, dass sie nicht schlief, bemerkte er: »Du trägst eine außergewöhnliche Kette.« Er hoffte noch immer zu erfahren, ob es das Geschenk eines Verehrers war.
Magdalena öffnete die Augen und griff nach dem Schmuckstück. Sie hielt das Kreuz mit den leuchtenden Granatsplittern vor ihre Augen.
»Meine Freundin, die wie eine Schwester für mich ist, hat sie mir zum Abschied geschenkt. Sie sagte, dass die Kette mich beschützen soll.«
»Das hat sie!«, erklärte Arne und lächelte Magdalena an.
»Ja, sie war mein Glücksbringer, denn ich habe euch getroffen, und ihr habt mich und meine Familie gerettet.«
Bei dem Gedanken an Maria und den Überfall spürte Magdalena die aufsteigenden Tränen. Dieses Mal versuchte sie nicht, sie zurückzudrängen.
Arne erkannte, dass sie lautlos weinte, und wusste nicht, wie er ihr helfen konnte. Er schaute rasch zu ihren Eltern, und als er sah, dass die beiden die Augen geschlossen hielten, wagte er zaghaft, nach Magdalenas Fingern zu greifen. Sie blickte erschrocken auf, doch sie wehrte sich nicht und überließ ihm ihre Hand. Beide schauten sich an, um dann den Blick nach vorn zu wenden. Als Arnes Fingerspitzen über Magdalenas Handrücken strichen, versiegten ihre Tränen. Sie konnte kaum noch durchatmen, denn seine Berührung ließ ein ungeahntes Verlangen in ihr aufflammen. Als sich ihr Brustkorb heftig hob und senkte, zog sie ihre Hand langsam zurück.
Arne wusste nicht, wie ihm geschah. In ihm loderten Gefühle, die er noch nie gespürt hatte. Er hatte in seinem Leben schon mit vielen Frauen das Lager geteilt. Manche waren jung, manche älter als er gewesen. Einige waren in der körperlichen Liebe unerfahren, andere ließen ihn an ihren Kenntnissen teilhaben. Für Arne war die körperliche Vereinigung ein Spiel, das man beherrschen musste, um Genuss zu verspüren. Niemals hätte er gedacht, dass eine einfache Berührung in ihm leidenschaftliches Verlangen entfachen würde. Verunsichert flüsterte er heiser: »Erzähl mir von deinem Leben.« Er hatte das Bedürfnis, alles über Magdalena zu erfahren.
Arne spürte, dass ihr Blick starr wurde, doch dann entspannte sie sich und begann zu erzählen. Sie berichtete ihm von ihrer Freundin Maria, der Äbtissin, die sie als junges Mädchen vor ihrem Großvater und dem Tod im reißenden Fluss gerettet hatte. Sie erzählte von ihrem Oheim Clemens, den sie zwar so nannte, der aber nicht ihr wirklicher Onkel war, der sie aber, seit sie denken konnte, beschützte und bewachte. Sie beschrieb, wie sie seiner Frau Christel bei der Entbindung des kleinen Sebastian geholfen hatte. Und sie erzählte von Regina Rehmringer, die ihr eine liebevolle Großmutter gewesen war, obwohl sie nicht miteinander verwandt waren. Sie berichtete auch von ihrem kleinen Bruder Johannes, der kaum älter als ein Jahr geworden war, dass ihre Mutter sich für den Tod des Kindes selbst bestrafen wollte und deshalb ihre lebenden Kinder und ihren Mann viele Jahre von sich gestoßen hatte.
Arne hörte Magdalena zu, ohne sie zu unterbrechen. Selbst als sie flüchtig zögerte und ihm dann stockend von dem Hexenverdacht gegenüber ihrer Mutter erzählte, schwieg er. Allerdings riss er über diese unglaubliche Geschichte die Augen weit auf.
Magdalena ergriff seine Hand und drückte sie. »Danke!«, flüsterte das Mädchen und lehnte sich erschöpft auf dem Sitz zurück. Ihre Augen wirkten müde, und trotzdem war sie glücklich. Eine große Last schien ihr genommen zu sein.
In diesem Augenblick hätte Arne alles für sie getan. Nie hatte er sich einem Menschen näher gefühlt, und es schien ihm, als würde er dieses Mädchen schon ewig kennen. In dem Augenblick aber, als er ihr Worte seiner Zuneigung sagen wollte, preschten die schwedischen Kundschafter an dem Tross vorbei, um erst bei Gustavsson ihre Pferde zu zügeln.
Arne drehte sich um, als er sah, dass Erik mit ernstem Gesicht auf ihn zugeritten kam. Fragend blickte er den väterlichen Freund an, als dieser sich in seine Steigbügel stellte, um sich ihm weit entgegenzubeugen. Mit leiser Stimme sagte Erik:
»Es gibt Schwierigkeiten, Arne. In einem Dorf vor uns findet eine Hexenverbrennung statt!«