1. Kapitel
Tenel Ka spürte die Leere in der Macht in dem Augenblick, in dem sie das Schlafgemach betrat. Sie lauerte tief in der finsteren Ecke, die am weitesten vom Eingang entfernt lag – ein so unmerkliches Nichts, dass sie es allein aufgrund der Stille ringsum gewahrte. Sie trat rasch durch die Tür, und ihr Sinn für Gefahr ließ ihr einen leichten Schauer über den Rücken hinablaufen und den Puls rasen.
Bevor ihre Kammerfrau hinter ihr den Raum betreten konnte, schaute sie über die Schulter zurück und rief: »Das wäre dann alles, Lady Aros. Bitten Sie DeDeZwo, das Kinderzimmer abzuriegeln.«
»Es abzuriegeln, Majestät?« Aros blieb auf der Schwelle stehen, eine schlanke Silhouette, die noch immer die Abendrobe hielt, die Tenel Ka gerade abgelegt hatte. »Gibt es irgendetwas, das ich wissen …«
»Bloß eine Vorsichtsmaßnahme«, unterbrach Tenel Ka. Ihr Morgenrock hing nach wie vor in ihrem Bad, sodass sie in Unterwäsche dastand. »Ich weiß, dass es in unserer Botschaft eigentlich sicher sein sollte, aber dies ist und bleibt Coruscant.«
»Natürlich …« Aros senkte das Kinn. »Die Terroristen. In diesem elenden Straßengewirr von einem Planeten wimmelt es nur so von ihnen.«
»Lassen Sie uns nicht zu abfällig sein, ja?«, schalt Tenel Ka sie. Sie griff beiläufig nach unten und löste das Oberschenkelhalfter, in dem sie ihr Lichtschwert trug. »Wir mussten uns kürzlich selbst an Colonel Solo wenden, um uns einige dieser Subjekte vom Hals zu schaffen.«
»Ich hatte nicht die Absicht, irgendetwas Negatives über den Colonel zu sagen«, entgegnete Aros und gurrte beinahe bei der Erwähnung von Jacen. Nach seiner jüngsten Heldentat, Tenel Ka gegen die Hochverräter zu verteidigen, die versucht hatten, widerrechtlich ihren Thron an sich zu reißen, war er für die Hälfte aller Frauen im Hapes-Sternenhaufen zu so etwas wie einem Sexsymbol geworden – Tenel Ka eingeschlossen. »Ganz im Gegenteil. Ich bin mir sicher, wenn es Colonel Solo nicht gäbe, wäre Coruscant mittlerweile längst in Anarchie versunken.«
»Zweifellos«, sagte Tenel Ka und legte wie zufällig die Hand auf das Halfter, sodass sie ihr Lichtschwert am Heft hielt. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden? Ich glaube, ich kann mein Bett heute Nacht allein aufschlagen.«
Aros quittierte die Anweisung mit einer Verbeugung und zog sich in den Vorraum zurück. Tenel Ka betätigte mit dem Ellbogen eine Schaltfläche an der Wand. Ein halbes Dutzend Wandleuchten erwachte flimmernd zum Leben und offenbarte ein Gemach, das von derselben unglaublichen Opulenz war wie der Rest des Königlichen Flügels der Botschaft. Es gab drei separate Sitzgruppen, einen lebensgroßen HoloNet-Empfänger und einen großen Hamogoniholztisch, auf dem sich Stapel von Papier türmten, das die hapanische Königskrone trug. Auf der Rückseite des Gemachs schimmerte ein Traumseidehimmel über einem Schwebebett, das groß genug war, dass Tenel Ka und ihre zehn besten Freundinnen darin hätten schlafen können.
Ungeachtet der Wandleuchter zu beiden Seiten des Betts blieb die hinterste Ecke des Raums – die in der Nähe ihres Badezimmers – Unheil verheißend dunkel. Tenel Ka konnte keinerlei optisches Kraftfeld als Ursache wahrnehmen, doch andererseits war das Einzige, das sie spüren konnte – nun, nichts. Sie streckte ihre Machtfühler aus, um sicherzustellen, dass Aros nicht an der anderen Seite der Tür lauschte, dann schaltete sie ihr Lichtschwert ein und tat einige Schritte auf die Ecke zu.
»Du tätest besser daran, dich zu zeigen«, sagte Tenel Ka. »Ich habe nichts für Voyeure übrig, wie du mittlerweile eigentlich sehr wohl wissen solltest.«
»Ich lerne nur langsam.« Die Dunkelheit schmolz dahin, um eine große Gestalt mit dunklen Augen zu enthüllen. Der Mann stellte ein schwermütiges Echo des schrägen Grinsens seines berühmten Vaters zur Schau, trug einen schwarzen GGA-Overall und roch schwach nach Hyperantriebstreibstoff, als wäre er geradewegs aus einem Raumhangar zu ihr gekommen. »Und für gewöhnlich werde ich nicht ertappt. Offenbar lassen meine Tarnkräfte nach.«
»Nein, Jacen. Ich werde nur immer besser darin, deine Gegenwart zu spüren.« Tenel Ka deaktivierte ihr Lichtschwert und warf es aufs Bett, dann lächelte sie warmherzig und breitete für ihn die Arme aus. »Ich hatte gehofft, du würdest Zeit finden, dich zu melden.«
Jacen hob die Brauen und ließ den Blick dann an ihrem Körper hinabschweifen. »Sieht ganz so aus.«
»Nun?«, fragte Tenel Ka. »Hast du vor, einfach bloß dazustehen und zu gaffen? Oder wirst du die Gelegenheit nutzen?«
Jacen gluckste, dann trat er aus der Ecke hervor und ging zu ihr hinüber. Seine Machtpräsenz war weiterhin nicht wahrnehmbar – er war so daran gewöhnt, sie zu verschleiern, dass er es selbst in Tenel Kas Anwesenheit tat –, doch das Strahlen in seinen Augen verriet ihr, wie glücklich er war, sie zu sehen. Sie ließ eine Hand in seinen Nacken gleiten und zog seinen Mund zu ihrem.
Jacen fügte sich, doch sein Kuss war eher warm denn heiß vor Verlangen, und sie wusste, dass sein Herz heute Nacht nicht vollends ihr gehörte. Sie wich verlegen zurück, da sie erkannte, wie unsensibel sie gewesen war.
»Vergib mir, falls meine Freude über dein Erscheinen unangemessen wirkt«, sagte sie; jetzt gewahrte sie die Traurigkeit, die seinen festen Blick trübte, den Kummer, der seine zusammengebissenen Kiefer verkrampfte. »Morgen ist Maras Bestattung. Natürlich hast du andere Dinge im Kopf.«
Jacens Schnauben war so leise, dass Tenel Ka es beinahe nicht gehört hätte.
»Ist schon in Ordnung.« Er nahm ihre Hand, doch die Sanftmut war aus seinem Gesicht verschwunden, um lediglich die stoische, undeutbare Maske zurückzulassen, die er trug, seit er den Yuuzhan Vong entkommen war. »Ich habe nicht an Mara gedacht.«
Tenel Ka musterte ihn zweifelnd.
»Nun, nicht ausschließlich«, gab Jacen zu. »Ich bin auch froh, dich zu sehen.«
»Danke dir, aber ich bin deswegen nicht gekränkt«, sagte Tenel Ka. »Unsere Gedanken sollten heute Nacht bei deiner Tante weilen. Hast du ihren Mörder schon gefunden?«
Gefühle flackerten in Jacens Antlitz auf – es war unmöglich zu sagen, ob es sich um Zorn oder Verbitterung handelte –, und so etwas wie Schuld durchzuckte die Macht, so flüchtig, dass Tenel Ka noch immer versuchte, die Regung zu identifizieren, als Jacen sich wieder vor ihr verschloss.
»Wir arbeiten noch daran.« Jacens Tonfall war defensiv, und sein Blick schweifte ab in … Konnte das Scham sein? »Wir haben nicht sonderlich viele Spuren, und die Richtung, in die sie führen, gefällt mir nicht.«
»Das klingt sehr kryptisch«, stellte Tenel Ka fest. »Kannst du …«
»Noch nicht«, sagte Jacen und schüttelte den Kopf. »Wir stehen noch am Beginn der Ermittlungen, und ich möchte nicht vorschnell jemandes Ruf schaden.«
Bei dieser Andeutung runzelte Tenel Ka die Stirn. »Du glaubst, es war jemand aus den Reihen der GA?«
Jacen schaute gespielt finster drein. »Habe ich das gesagt?«
»Ja.« Tenel Ka schob ihre Hand durch den Arm seines schwarzen Overalls und wechselte das Thema. »Doch es war gedankenlos von mir, mich nach den Ermittlungen zu erkundigen, besonders, da morgen die Trauerfeier stattfindet. Ich hoffe, du …«
»Kein Grund, sich zu entschuldigen.« Jacen löste sich von ihr und ging zum nächsten Sofa, um auf der Lehne Platz zu nehmen. »Die Wahrheit ist, dass ich nicht besonders viel getan habe, um ihren Mörder zu finden. Im Moment hat die Allianz höhere Priorität.«
»Der Krieg?«
Jacen nickte. »Ich bin sicher, du hast die Holos von den Militärbesprechungen erhalten.«
»Natürlich.« Tatsächlich kamen die Holos jetzt mittlerweile seit gut einer Woche zweimal am Tag, zusammen mit dringenden Gesuchen nach hapanischer Verstärkung, die Tenel Ka nicht zur Verfügung stellen konnte. »Sag mir nicht, dass Admiralin Niathal dich dazu gebracht hat, mir auch noch meine letzte Flotte abzuschwatzen?«
Anstatt zu antworten rutschte Jacen über die Sofalehne auf ein Kissen, dann saß er da und starrte in die Flammenröhre, die inmitten der Sitzgruppe stand.
»Ich verstehe«, sagte Tenel Ka, erstaunt darüber, dass Jacen auch nur bereit war, etwas Derartiges zu versuchen. Er wusste genauso gut wie sie, dass es sowohl ihre gemeinsame Tochter als auch ihren Thron in große Gefahr bringen würde, wenn sie dem Ersuchen der Allianz stattgab. »Ich kann euch keine Einheiten schicken, Jacen. Die Heimatflotte reicht kaum aus, um das Konsortium vor meinen eigenen Adeligen zu schützen.«
»Du musst mich trotzdem anhören.« Jacen starrte weiter in die wirbelnden blauen Feuerzungen im Innern der Flammenröhre. »Du bist darüber informiert, dass Corellia und Bothawui gegen Kuat zu Felde ziehen, richtig?«
Tenel Ka nickte. »Während die Hutts und Commenor Vorbereitungen für den Angriff auf Balmorra treffen.« Sie holte ihren Morgenmantel aus dem Badezimmer, dann fügte sie hinzu: »Ich sehe mir diese Holos, die sie mir in einem fort schicken, tatsächlich an.«
»Tut mir leid – ich wollte bloß sichergehen«, sagte Jacen. »Doch was in den Besprechungen nicht erwähnt wird – was sie nicht erwähnen dürfen –, ist, dass die Konföderation ihre Flotten nach der Schlacht bei Balmorra auf Kuat konzentrieren wird. Wer immer dort gewinnt, gewinnt den Krieg.«
»Militärstrategen glauben immer, dass die nächste große Raumschlacht den Krieg entscheiden wird.« Tenel Ka streifte den Morgenmantel über die Schultern und kehrte zur Sitzgruppe zurück. »Für gewöhnlich liegen sie damit falsch.«
»Das ist nicht die Ansicht der Strategen«, sagte Jacen. »Ich habe es gesehen … in der Macht.«
»Oh.« Tenel Ka ließ sich gegenüber von Jacen in einen Sessel fallen, bestürzt über die Implikationen dessen, was sie soeben gehört hatte. Falls Jacens Machtvision zutraf – und sie wusste genug über seine Machtkräfte, um davon auszugehen –, würde die Konföderation bald eine gewaltige Streitmacht in Stellung bringen, um Coruscant selbst zu bedrohen. »Ich verstehe, warum du besorgt bist.«
»Besorgt ist noch eine Untertreibung«, entgegnete Jacen. »Ebenso wie entsetzt. Die Allianz verfügt momentan einfach noch nicht über die Stärke, sie aufzuhalten.«
»Noch nicht?«, fragte Tenel Ka. »Willst du damit sagen, dass Thrackan Sal-Solo nicht der Einzige war, der geheime Flotten gebaut hat?«
Jacen schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich spreche von den Wookiees. Kashyyyk wird seine Angriffsflotte mit Sicherheit unserem Kommando unterstellen, und das wird die Waagschale wieder zugunsten der Allianz neigen.«
»Ich bezweifle, dass die Konföderation so lange warten wird«, sagte Tenel Ka, fast ein wenig verbittert. Die Holokanäle der Allianz waren voll von hektischen Spekulationen über die endlose Debatte auf Kashyyyk, wobei die Kommentare von schlichter Ungeduld bis hin zu Vorwürfen der Feigheit reichten. »Willst du damit sagen, dass die Berichte für die Öffentlichkeit der Irreführung dienen?«
»Keine schlechte Idee, aber nein«, sagte Jacen. »Ich will damit sagen, dass unsere Agenten uns versichern, dass das lediglich eine Frage des Wann ist und nicht des Ob.«
»In diesem Fall ist wann gleichbedeutend mit ob«, sagte Tenel Ka. »Wookiees sind sehr eigensinnig. Bis die mit ihren Überlegungen fertig sind, stürmt die Konföderation Coruscant bereits.«
»Ich hoffe, dass du dich irrst.« Jacen riss die Augen von der Flammenröhre los, um Tenel Kas Blick zu suchen. Ausnahmsweise einmal konnte sie seine Gefühle durch die Macht wahrnehmen, konnte spüren, wie angstvoll und besorgt er tatsächlich war. »Aber ich weiß es einfach nicht.«
»Ich verstehe«, sagte Tenel Ka, die allmählich begriff, was Jacen ihr zu sagen versuchte. »Und du bist nicht hergekommen, weil du um die Heimatflotte bitten möchtest?«
Jacen schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
»Das hatte ich nämlich befürchtet.« Tenel Ka sank in ihrem Sessel zurück und konzentrierte sich auf die Macht, um ihren Herzschlag unter Kontrolle zu halten, ihre Gedanken zu sammeln. »Also bist du bloß gekommen, um mich davor zu warnen, dass die Galaktische Allianz dabei ist zusammenzubrechen.«
»Nun, das ist nicht der einzige Grund.« Jacen grinste und wölbte eine Augenbraue.
Tenel Ka stöhnte. »Dies ist nicht die richtige Zeit für Scherze, Jacen. Dein Timing ist noch schlechter als damals, als wir Teenager waren.«
»In Ordnung, dann könnte ich stattdessen einen Ratschlag gebrauchen«, sagte Jacen und akzeptierte die Abfuhr ebenso würdevoll, wie er es getan hatte, als sie noch jünger gewesen waren. »Hast du einen für mich?«
Tenel Kas Erwiderung erfolgte prompt. »Die Jedi könnten etwas unternehmen. Möglicherweise könnten sie einen StealthX-Überfall starten, oder vielleicht könnte Meister Skywalker mit …«
»Ich habe dich um einen Rat gebeten, nicht um Wunschdenken.« Mit einem Mal war Jacens Stimme scharf. »Die Jedi werden keinen Finger rühren, um uns zu helfen. Im Grunde genommen sind sie selbst Verräter.«
»Jacen, das ist nicht wahr«, sagte Tenel Ka, die sich weigerte, sich von seiner plötzlich groben Art einschüchtern zu lassen. »Die Jedi haben die Galaktische Allianz von Anfang an unterstützt, und Meister Skywalker steht auf derselben Seite wie du. Wenn die Allianz gerettet werden soll, müsst ihr beide eure Differenzen beilegen und zusammenarbeiten.«
Ein Hauch von Furcht blitzte in Jacens Augen auf, dann schaute er weg und gemahnte Tenel Ka dabei an einen launischen Höfling, der sich weigert, einen Tadel zur Kenntnis zu nehmen.
»Und wenn wir das nicht können?«, fragte er.
»Könnt ihr den Vorstoß des Feindes ohne die Jedi aufhalten?«
Jacen schüttelte den Kopf. »Im Augenblick nicht – und vielleicht nicht einmal mit ihnen.«
»Was bleibt euch dann anderes übrig?« Tenel Ka ließ die Frage wie einen Befehl klingen. »Der Jedi-Rat ist nicht glücklich über deine Machtübernahme, doch die Meister werden nicht untätig dabeistehen, während die Allianz fällt – vor allem dann nicht, wenn du Zugeständnisse machst.«
Jacen schwieg einen Moment lang, dann wandte er sich um und sah Tenel Ka direkt an. »Die Angelegenheit ist um einiges komplizierter. Seit Maras Tod ist Luke nicht mehr er selbst.« Seine dunklen Brauen wölbten sich vor Besorgnis. »Er spricht kaum noch mit jemandem, und er hat sich so weit in sich selbst zurückgezogen, dass er praktisch von der Macht abgeschnitten ist.«
»Du hast doch wohl nicht erwartet, dass der Tod seiner Frau ihn unberührt lassen würde?«
»Es ist mehr als Trauer«, sagte Jacen. »Hast du das von Lumiya gehört?«
»Ich habe gehört, dass er sie dieses Mal tatsächlich getötet hat.« Tenel Kas Antwort war vorsichtig, da das HoloNet voll von Berichten gewesen war, die Lumiyas Tod mit dem von Mara in Verbindung gebracht hatten – bis der Jedi-Rat eine knappe Erklärung abgegeben hatte, dass es mit Lumiyas Hinscheiden eine andere Bewandtnis hatte. »Es ist schwer zu glauben, dass der Zeitpunkt reiner Zufall war.«
»Das war er nicht«, sagte Jacen. »Ich fürchte, es war ein Racheakt.«
»Ein Racheakt?« Tenel Ka schüttelte ungläubig den Kopf. »Selbst wenn Meister Skywalker so etwas täte, ergibt das keinen Sinn. Der Jedi-Rat hat selbst gesagt, dass Lumiya nichts mit Maras Tod zu tun hatte.«
»Luke hat das erst erfahren, nachdem er Lumiya getötet hatte – und das war der Moment, in dem er begann, sich in sich selbst zurückzuziehen.« Jacen lehnte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und starrte auf den polierten Larmalstein zwischen seinen Stiefeln hinab. »Ich glaube, dass er Gewissensbisse hat, Tenel Ka. Ich glaube, dass er aufgehört hat, auf sich selbst zu vertrauen … und auf die Macht.«
Tenel Ka runzelte die Stirn. Sie hatte das Gefühl, dass Jacen sich zwang, so zu empfinden; dass er lediglich versuchte, bekümmert zu wirken, obwohl er es im Stillen genoss, dass sein Onkel einen Fehler gemacht hatte. Und wer konnte es ihm verübeln? Meister Skywalker hatte Jacen kürzlich einiger ziemlich schrecklicher Dinge beschuldigt – wie etwa, mit einer Sith unter einer Decke zu stecken und einen illegalen Putsch zu inszenieren –, von daher war es nur natürlich, eine gewisse Häme darüber zu empfinden, dass sein Ankläger etwas noch viel Schlimmeres getan hatte.
Nach einem Moment sagte sie: »Vielleicht hast du recht, Jacen. Das würde erklären, warum Meisterin Sebatyne mich fortgeschickt hat, als ich versucht habe, mit deinem Onkel zu sprechen.«
»Luke wollte dich nicht sehen?« Jacen konnte es kaum glauben. »Dann ist die Lage noch schlimmer, als ich dachte. Offenbar ist er nicht in der Lage, seinen Pflichten nachzukommen.«
»Das ist mehr als verständlich.« Obgleich es Tenel Ka mit Traurigkeit erfüllte, an den Schmerz zu denken, der Meister Skywalker – und Ben – plagen musste, teilte sie Jacens Besorgnis. Jetzt war ein katastrophaler Zeitpunkt für die Allianz, ohne ihre Jedi auskommen zu müssen. »Aber Meister Skywalker ist nicht das einzige Mitglied des Jedi-Rats. Du kannst sie immer noch um Hilfe bitten.«
»Ich kann es versuchen«, konterte Jacen. »Allerdings habe ich bereits Kontakt zu verschiedenen Meistern aufgenommen.«
»Und?«
»Sie sind alle gegen mich.« Jacen sprach sachlich und gab die Wahrheit lediglich so wieder, wie er sie sah. »Sie glauben, ich versuche, aus der Situation meinen Vorteil zu ziehen. Um Luke dazu zu bringen, mich zu unterstützen, könnte ich reden, bis mir die Luft ausgeht. Die Jedi werden nicht kooperieren.«
Tenel Ka verspürte eine plötzliche Ernüchterung, als ihr bewusst wurde, wie recht Jacen hatte. Es war durchaus nachvollziehbar, dass die Meister in Zeiten wie diesen ihre Reihen schlossen und zusammenhielten, und der stetig anwachsende Strom von Argwohn und Feindschaft zwischen Meister Skywalker und Jacen war schwerlich ein Geheimnis. Natürlich würde jeder Versuch, die Jedi dazu zu drängen, aktiv zu werden, ihre Skepsis wecken – besonders, solange ihr Anführer »verhindert« war.
»Ich verstehe.« Tenel Ka erhob sich und blickte in die Flammenröhre. »Vielleicht, wenn ich mit dem Rat rede …«
»Um sie davon zu überzeugen, dass du auch Teil meines Plans bist?« Jacen stand hinter ihr. »Der Rat ist geblendet von seinem Argwohn. Sie weigern sich zu erkennen, dass ich bloß tue, was für die Allianz am besten ist. Man wird alles, was du sagst, als Gegenleistung für meine Hilfe gegen Lady AlGray und die Corellianer betrachten.«
Tenel Ka nickte. »Natürlich hast du recht.« Die wahre Natur ihrer Beziehung war nach wie vor ein sorgsam gehütetes Geheimnis, und allein sie beide wussten, dass Jacen der Vater ihrer Tochter war. Trotzdem hatte er ihren Thron gerettet, und Jedi-Meister waren keine Narren. Selbst wenn sie glaubten, dass sie es ehrlich meinte, würden sie mutmaßen, dass ihr Urteilsvermögen von Dankbarkeit beeinträchtigt wurde. Sie schüttelte verzagt den Kopf und wandte sich an Jacen. »Was wirst du jetzt tun?«
»Wir haben Admiral Bwua’tu das Kommando über die Erste und Sechste Flotte gegeben; vielleicht fällt ihm irgendetwas Brillantes ein, um die Corellianer und die Bothaner aufzuhalten, bevor sie Kuat erreichen.« Jacen kniff die Lippen zusammen, dann sagte er: »Aber um ehrlich zu sein, sind die Wookiees nach wie vor unsere größte Hoffnung – und das bedeutet wohl, dass es praktisch so gut wie gar keine Hoffnung gibt.«
Tenel Ka nickte. »In den Besprechungsholos wurde erwähnt, dass sie sämtliche Versuche, die Dinge zu beschleunigen, abgewiesen haben.«
»Das stimmt.« Er schaute für eine lange Weile weg, ehe er schließlich wieder ihren Blick suchte. »Wenn wir die Konföderation nicht aufhalten können, was wird dann aus dir?«
Tenel Ka antwortete, ohne zu zögern, weil das eine Frage war, über die sie in letzter Zeit selbst viel nachgedacht hatte. »Ich werde meinen Thron so lange behalten, bis die Rebellen ihren Sieg gefestigt haben und ihre Aufmerksamkeit Hapes zuwenden. Zunächst werde ich ihnen einen harten Kampf liefern, um zu sehen, ob ich sie zu Friedensverhandlungen drängen kann – doch ich werde mein Volk nicht zwingen, einer Invasion zu trotzen, von der ich nicht glaube, dass wir sie aufhalten können.«
»Ich weiß, dass du tun wirst, was für Hapes am besten ist«, sagte Jacen; er klang gelinde amüsiert. »Ich wollte aber eigentlich wissen, was dann aus dir und Allana wird?«
»Aus uns?« Die Frage überraschte Tenel Ka, da die Antwort gleichermaßen offensichtlich wie schmerzhaft war. »Das solltest du eigentlich bereits wissen.«
Alle Farbe wich aus Jacens Gesicht. »Warum versteckt ihr euch nicht? Ich könnte die Fallanassi bitten, euch Unterschlupf zu gewähren.«
Tenel Ka lächelte traurig. »Das wird bloß eine Zeit lang funktionieren, Jacen – vielleicht sogar, bis es die Konföderation leid ist, nach uns zu suchen. Doch kein Invasor kann Hapes ohne hapanisches Blut auf dem Thron regieren, und wen auch immer die Konföderation als ihre Marionette einsetzt, wird nicht lange im Amt bleiben. Jede Thronanwärterin wird zu viel Angst davor haben, dass Allana oder ich zurückkehren, und das wird so bleiben, bis wir tot sind.«
Jacens Schultern sanken nach unten, und er ließ sich zurück aufs Sofa fallen und vergrub den Kopf in den Händen. »Dann bleibt uns keine Wahl.«
»In welcher Hinsicht?«, fragte Tenel Ka, aufgeschreckt von der Verzweiflung in seiner Stimme. »Jacen, falls du in Erwägung ziehst, so etwas wie Alpha Rot einzusetzen …«
»Wir verfügen über nichts Derartiges – zumindest über nichts, das uns nicht ebenfalls umbringen würde.« Er hob den Kopf aus den Händen und schaute auf. »Tenel Ka, was ich meine, ist, dass du mir doch die Heimatflotte überlassen musst.«
Tenel Ka spürte, wie ihr Kinn nach unten fiel. »Jacen, du weißt, was dann passieren wird …«
»Selbst die hapanischen Adeligen werden einige Zeit brauchen, um einen Aufstand zu organisieren«, sagte er. »Und die Allianz benötigt deine Flotte bloß so lange, bis die Wookiees offiziell einwilligen.«
Tenel Ka schüttelte den Kopf. »Jacen, ich kann keine Rebellion riskieren.«
»Du kannst – und du musst.« Er erhob sich und ergriff sie am Arm. »Du hast selbst gesagt, dass jede Anwärterin auf deinen Thron nie aufhören würde, nach dir zu suchen.«
»Ich bin dabei nicht von Belang«, sagte Tenel Ka. Jacen drückte ihren Arm so fest, dass es wehtat, doch sie wollte nicht verängstigt oder verärgert wirken, indem sie versuchte, sich loszureißen. »Ich werde meine Untertanen keinem weiteren Bürgerkrieg aussetzen.«
»Deine Untertanen kümmern mich nicht. Ich sorge mich nur um dich und Allana.« Jacen zog sie näher heran. »Und ich werde nicht riskieren, dass euch etwas zustößt.«
»Diese Entscheidung zu treffen, liegt nicht an dir.« Tenel Ka fragte sich, wie viel von dieser Unterredung Jacen bereits geplant gehabt hatte, bevor er hierhergekommen war – ob er ihr Schicksal und das von Allana absichtlich mit dem der Allianz verknüpft hatte in dem Bestreben, ihr ihre letzte Flotte abzuschwatzen. »Das Wohlergehen meiner Untertanen steht für mich an erster Stelle; das meiner Familie an zweiter.«
»Dann sorg für das Wohlergehen deiner Untertanen«, beharrte er. »Die Konföderation hat kein Interesse an einer Einheitsregierung. Was glaubst du, was sie mit der Galaxis tun werden, wenn sie den Krieg gewinnen?«
Tenel Ka wurde klar, dass Jacen diese Unterhaltung tatsächlich im Voraus durchdacht hatte, und es tat ihr in der Seele weh, wie gründlich. Die Konföderation würde die Karte der Galaxis neu zeichnen, wobei die Hutts oder die Corellianer wahrscheinlich die Herrschaft über Hapes für sich beanspruchen würden. Sie schaute auf Jacens Hände und wandte den Blick nicht wieder davon ab, bis er sie wegzog.
»Ich irre mich nicht, was diese Sache angeht«, sagte er und trat zurück. »Die Konföderation wird tun, was Barbaren immer tun – die Beute unter sich aufteilen.«
Tenel Ka nickte, entfernte sich jedoch von der Sitzgruppe und stand die Wand anstarrend da. Er konnte ihre Gefühle durch die Macht spüren, doch zumindest würde sie ihr Amt nicht dadurch entwürdigen, dass sie ihm gestattete, Tränen in den Augen der Königinmutter zu sehen.
»Natürlich hast du recht.«
»Es tut mir leid, Tenel Ka«, sagte Jacen und kam auf sie zu. »Aber wenn du mir die Flotte nicht überlässt, was glaubst du wohl, was die Corellianer dann mit dem Konsortium machen werden? Oder die Hutts?«
Tenel Ka streckte die Hand hinter sich aus, um ihm zu signalisieren, Abstand zu wahren. Jacen hatte recht – sie hatte keine andere Wahl, als ihm die Flotte zu geben. Doch sie war lange genug Königin, um zu wissen, dass sich selbst in ausweglosen Situationen immer noch gewisse Gelegenheiten boten.
»Ich werde dir die Flotte unterstellen, Jacen.«
Jacen blieb zwei Schritte hinter ihr stehen. »Vielen Dank, Tenel Ka«, sagte er und war so anständig, dankbar dabei zu klingen. »Damit rettest du die …«
»Nicht so schnell, Jacen«, unterbrach Tenel Ka. »Es gibt eine Bedingung.«
»Nun gut«, sagte er. »Ich bin schwerlich in der Position zu verhandeln.«
»Das stimmt – das bist du nicht.« Tenel Ka blinzelte ihre Augen trocken, dann richtete sie sich auf und drehte sich zu Jacen um. »Du musst dich mit Meister Skywalker versöhnen.«
Ein Schatten fiel über Jacens Gesicht. »Es gibt keinen Grund, sich wegen der Jedi zu sorgen«, sagte er. »Sie werden sich nicht mehr einmischen – dessen kannst du dir gewiss sein.«
»Ich sorge mich nicht um irgendwelche Einmischungen«, sagte Tenel Ka. »Du musst dir ihre Kooperation sichern.«
Jacen trat einen Schritt zurück, als wäre er gestoßen worden. »Ich bin mir nicht sicher, ob mir das möglich ist. Schließlich gehören immer zwei dazu, sich auszusöhnen, und Luke …«
»Versöhnt euch, Jacen. Das ist meine Bedingung.« Tenel Ka fasste ihn am Arm und führte ihn langsam zur Tür. »Und dürfte ich vorschlagen, dass du damit anfängst, deinen Onkel mit Meister Skywalker anzusprechen?«