15. Kapitel
Jacen kam es ungeheuer ironisch vor, dass er denen, die ihn verraten hatten, hier die Stirn bieten sollte, im Heimatsystem einer Spezies, die berühmt für ihr Ehrgefühl war – wie bedauerlich, dass er ausgerechnet über Kashyyyk gegen sein eigen Fleisch und Blut kämpfen musste, wo Loyalität mehr zählte als das Leben selbst. Selbst nach allem, was geschehen war, liebte er seine Familie noch immer – schätzte sie noch immer. Ihr Aufbegehren hatte ihm die nötige Kraft verliehen, um zu tun, was er bald tun musste; ihr Beispiel hatte ihn gelehrt, dass nichts wichtiger war, als zu dienen. Er wünschte bloß, es gebe irgendeine Möglichkeit, sie zu »bekehren«, damit alle Solos und Skywalkers wieder auf derselben Seite standen, um nicht gegeneinander zu kämpfen, sondern gegen die Ungerechtigkeit, die die Galaxis offenbar zu jeder Zeit zu zerreißen drohte.
Doch es gab keine Möglichkeit. Selbst wenn es Jacen gelang, ihnen ihren Fehler vor Augen zu führen, konnte er sie nicht von dem freisprechen, was sie getan hatten; konnte ihren Hochverrat gegen die Allianz nicht ungesühnt lassen. Das war die Bürde und das Schicksal von Darth Caedus: Überall dort für Gerechtigkeit zu sorgen, wo es nötig war, und er wagte es nicht, sich vor seiner Verantwortung zu drücken. Sith-Lords durften nicht einfach ein Auge zudrücken, bloß weil es um die Verbrechen ihrer eigenen Angehörigen ging. Am Ende dieses Pfads warteten Korrumpierung und Selbstsucht – der Glaube daran, dass er der Herrscher der Galaxis war, und nicht ihr Diener.
Eine Staffel neuer Owool-Abfangjäger tauchte im Sichtfenster der Brücke auf, noch so weit entfernt, dass sich lediglich die gekurvten Doppelstreifen ihrer Abgasspuren vor dem smaragdgrünen Antlitz von Kashyyyk abhoben. Die Owools, der ganze Stolz einer innovativen, neu gegründeten Schiffswerft namens KashyCorp, waren im Hinblick darauf entworfen worden, der Galaktischen Allianz als schwere Sternenjäger zu dienen. Genau wie die Wookiees, die sie flogen, waren sie hart im Nehmen, schnell und schwer zu bändigen.
»Was für ein jämmerlicher Anblick«, sagte Ben. Er stand zusammen mit Caedus und Commander Twizzl auf dem Hauptflugdeck, um gut fünfzig Mannschaftsmitgliedern dabei zuzusehen, wie sie in aller Seelenruhe die Gefechtsvorbereitungen der Anakin Solo koordinierten. »Wenn diese Owools alles sind, was sie einsatzbereit haben, wird es keinen Kampf geben. So verrückt sind nicht einmal Wookiees.«
»Wookiees sind entschlossen, nicht verrückt«, entgegnete Caedus. Seit die Anakin Solo der Schlacht von Kuat entkommen war, hatte Ben versucht, ihm den Angriff auf Kashyyyk auszureden. Das schürte Caedus’ Besorgnis, dass es seinem jungen Cousin womöglich an der Unbarmherzigkeit mangelte, seinen Vergeltungsplan durchzuführen – dass Lumiya womöglich recht damit gehabt hatte, dass der Junge zu schwach war, ein Sith-Schüler zu sein. »Und sie werden kämpfen, Ben. Verwechsle Hoffnung nie mit Erwartung.«
»Das tue ich nicht«, beharrte Ben. »Aber wir brauchen die Kashyyyk-Flotte, Jacen. Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, das hier ohne ein Gefecht zu klären …«
»Die gibt es nicht«, unterbrach Caedus. »Und ich möchte, dass du mich Colonel nennst, nicht Jacen.«
Ben wirkte überrascht, aber nicht gekränkt. »In Ordnung, Colonel.«
»Vielen Dank.« Caedus’ Dank war aufrichtig. Es machte ihm nichts aus, dass Ben ihn beim Vornamen nannte, doch es fühlte sich mehr und mehr falsch an, mit seinem alten Namen angesprochen zu werden. Jacen Solo gab es nicht mehr. »Und ich sagte nicht, dass wir den Wookiees keine Chance geben, einen Kampf zu vermeiden – bloß, dass sie sich nicht darauf einlassen werden.«
»Danach sieht es jedenfalls aus«, sagte Commander Twizzl auf Caedus’ anderer Seite. »Diese Owools drohen damit, das Feuer zu eröffnen, wenn wir nicht stoppen und ihnen erklären, was wir hier wollen.«
Caedus warf einen Blick auf die taktische Holoanzeige und lächelte. Dank der gesamten Fünften Flotte, die hinter der Anakin Solo im Raum verteilt war, waren sie den Owools selbst mit ihren Schlachtschiffen zwei zu eins überlegen.
»Mut haben sie, das muss man ihnen lassen«, sagte er. »Nun gut, Commander. Sagen Sie ihnen, dass wir uns ihren Anweisungen beugen.«
»Dann wollen Sie der Aufforderung nachkommen?«, fragte Twizzl überrascht.
»Selbstverständlich«, sagte Caedus. »Lassen Sie die Anakin Solo halten und sorgen Sie dafür, dass Admiral Atoko die Flotte um uns herum in Stellung bringt.«
Twizzl runzelte die Stirn. »Sir, Leutnant Skywalker hat recht. Wenn wir jetzt zuschlagen, können wir ihre Angriffsflotte womöglich intakt unter unsere Kontrolle bringen. Ihre Schiffe sind immer noch dabei, sich von den Schlepptendern abzukoppeln, und ihre Orbitalverteidigung ist der Fünften Flotte nicht gewachsen.«
»Commander, ich hoffe, Sie plädieren nicht für einen unprovozierten Angriff auf einen Mitgliedsplaneten der Galaktischen Allianz«, sagte Ceadus. »Nach allem, was wir wissen, haben die Wookiees bislang nichts weiter getan, als die Jedi-Deserteure anzuhören. Noch haben sie uns nicht verraten.«
»Also wirst du nicht angreifen?« Ben klang eher verwirrt als erleichtert. »Warum haben wir die Fünfte Flotte dann überhaupt aus dem Kern abgezogen?«
»Um den Wookiees die Möglichkeit zu geben, das Richtige zu tun.« Caedus wandte sich an Twizzl, der zunehmend perplexer und unzufriedener wirkte. »Sie haben Ihre Befehle, Commander. Informieren Sie die Owools darüber, dass wir wegen der Gefangenen gekommen sind und dass wir wieder abrücken, sobald sie sich in unserem Gewahrsam befinden.«
Twizzls Augen verhärteten sich vor Missbilligung, doch er nickte und ging zur Station seiner Kommunikationsoffizierin hinüber.
Ben war nicht so leicht zu überzeugen. »Das wird die Lage nur noch weiter verschlimmern, Ja … – äh, Colonel. Sie werden Onkel Han und Tante Leia nicht ausliefern.«
»Natürlich nicht – sie sind Wookiees«, sagte Caedus. »Dazu sind sie zu dickköpfig. Aber wenn sie sich weigern, verschafft uns das das Recht, zum Angriff überzugehen.«
»Nachdem ihre Flotte einsatzbereit ist.« Bens Tonfall wurde zusehends verzweifelter, doch er verschleierte seine Präsenz in der Macht – ein Hinweis darauf, dass er sich schließlich darauf vorbereitete zuzuschlagen. »Dann werden wir sie niemals kapern können. Sie werden kämpfen, bis das letzte Schiff vernichtet wurde.«
»Stimmt.« Caedus wusste, dass der Junge aus noblen Beweggründen handeln würde, sollte er jetzt versuchen, ihn zu töten, um Tausende Leben zu retten, indem er einem ein Ende bereitete. Beweggründe spielten allerdings keine Rolle; Taten schon. Der Versuch allein würde genügen, um Ben auf die nächste Stufe aufsteigen zu lassen. »Aber wir sind nicht hierhergekommen, um die Kashyyyk-Flotte unter unsere Kontrolle zu bringen.«
Ben erwog das einen Moment, dann fragte er: »Ist das dein Ernst, dass du bloß die Gefangenen willst?«
»Natürlich nicht«, sagte Caedus. »Wir sind hier, weil das die Konföderation daran hindern wird, Kuat einzunehmen und gegen Coruscant zu ziehen.«
Ben verstummte von Neuem und starrte aus dem Brückenfenster nach draußen, wo die Owools zu schimmernden Punkten mit sichelförmigen Bugen angewachsen waren. Schließlich gab er es auf und schüttelte den Kopf.
»Ich kapier das nicht.«
»Gut.« Caedus ging zu Twizzl an der Kommunikationsstation hinüber und kehrte Ben den Rücken zu – um den Jungen so dazu zu ermutigen, seine Rache zu üben. »Genauso wenig wie die Konföderation.«
Als kein Angriff erfolgte, keimten Zweifel in Caedus auf, ob er seinen jungen Cousin wohl richtig eingeschätzt hatte. Ben hielt ihn nach wie vor für Maras Mörder – was sich unschwer daran erkennen ließ, wie sorgsam er seine Gefühle verbarg –, also warum attackierte er ihn jetzt nicht? Den Schneid dazu besaß er zweifelsohne, andernfalls wäre er gar nicht erst zu Caedus zurückgekehrt. Und auch moralische Bedenken konnten nicht der Grund sein. Es war Ben vielleicht gelungen, Dur Gejjen zu eliminieren und sich einzureden, dass er immer noch ethisch handelte, aber bei Cal Omas lagen die Dinge anders. Er hatte den ehemaligen Staatschef ausschließlich deshalb umgebracht, damit er bei seiner Rückkehr auf die Anakin Solo eine glaubwürdige Tarnung hatte, und das erforderte das Herz eines Meuchelmörders. Mara wäre stolz auf ihn gewesen.
Aber warum ging er dann nicht zum Angriff über?
Zwei Schritte später stand Caedus neben Twizzl hinter der Kommunikationsoffizierin, lauschte der Stimme des Wookiee-Staffelkommandanten und fühlte sich vom Versagen seines Cousins verraten.
Die Kom-Offizierin – eine Bith mit bernsteinfarbenen Augen von der Größe von Caedus’ Handflächen – hörte sich über die Hörmuschel ihres Komlinks die Übersetzung an.
»Colonel Solo, sie sagen, dass sie nicht die Absicht haben …«
»Sie brauchen nicht zu übersetzen. Ich verstehe Shyriiwook, seit ich fünf bin.« Caedus beugte sich über ihre Schulter und aktivierte das Mikrofon. »Wir sind hier, um Han und Leia Solo sowie die Jedi-Deserteure in Gewahrsam zu nehmen. Falls die Jedi-Deserteure Schwierigkeiten bereiten, sind wir darauf vorbereitet, Ihnen unsere Unterstützung anzubieten. Aus diesem Grund sind wir mit einer Flotte angerückt.«
Der Staffelführer grollte eine Weigerung und behauptete, die Solos seien entkommen; zudem seien die Jedi überhaupt nicht nach Kashyyyk gekommen.
»Wookiees sind schlechte Lügner. Das liegt einfach nicht in eurem Gencode.«
Caedus warf Ben einen flüchtigen Blick zu. Vielleicht hatte der Junge ihn deshalb noch nicht attackiert, weil man ihn geschickt hatte, damit er die Anakin Solo in einen Jedi-Hinterhalt führte. Doch als Ben nickte und bestätigte, dass er angewiesen worden war, sich auf Kashyyyk mit seinem Vater und den anderen Meistern zu treffen, dachte Caedus an seine Allana und daran, wie viel sie ihm bedeutete. War es jetzt, wo Mara tot war, überhaupt denkbar, dass Luke Ben auf eine derart gefährliche Mission schickte?
Caedus wandte sich wieder dem Mikrofon zu. »Unsere Informationen sind verlässlich«, sagte er. »Wenn Sie behaupten, dass die Solos nicht länger Ihre Gefangenen sind, dann hat Kashyyyk entweder die Allianz verraten, oder die Jedi halten den Planeten als Geisel. So oder so sind wir gezwungen anzugreifen.«
Der Wookiee erwiderte, dass er Rücksprache mit seinen Vorgesetzten halten würde, und Schweigen senkte sich über den Kanal. Während Caedus und die anderen auf eine Antwort warteten, bremste die Anakin Solo weiter ab. Die Fünfte Flotte formierte sich nach und nach um sie herum, entsandte Sternenjägerposten und sicherte die älteren Sternenzerstörer mit einander überlappenden Feuerbereichen. Die Owool-Staffel blieb weiterhin im Anflug und wuchs von sichelnasigen Punkten zu Keilen mit gabelförmigem Bug an.
Schließlich drang die Stimme des Wookiees von Neuem aus dem Lautsprecher, um darauf zu beharren, dass der Colonel falsch informiert war. Auf Kashyyyk würden keine Solos gefangen gehalten, und es habe auch keinerlei Probleme mit irgendwelchen Jedi-Deserteuren gegeben.
»Das mag ich an euch Wookiees«, entgegnete Caedus. »Ihr macht nie einen Hehl daraus, auf welcher Seite ihr steht.«
Er hatte das Mikrofon kaum deaktiviert, als Twizzl auch schon Anweisungen gab, den Vorstoß wiederaufzunehmen.
»Das wird nicht nötig sein, Commander«, sagte Caedus. »Der Planet befindet sich bereits in Reichweite der Langstreckenturbolaser der Anakin Solo, oder nicht?«
Twizzls buschige Brauen sackten so weit nach unten, dass sie beinahe seine Augen verdeckten. »Natürlich, aber die Kashyyyk-Flotte ist …«
»Unwichtig.« Caedus sah Twizzl an und kehrte Ben erneut den Rücken zu. Falls der Befehl, den er dem Commander sogleich erteilen würde, seinen Cousin nicht dazu brachte, die Initiative zu ergreifen, dann konnte ihn nichts dazu verleiten. »Lassen Sie die Langstreckengeschütze das Feuer eröffnen.«
Twizzls Gesicht erschlaffte vor Bestürzung. »Auf die Owools?«
»Auf den Planeten.« Caedus war sorgsam darauf bedacht, seine Hand nicht in die Nähe seines Lichtschwerts kommen zu lassen, während er sprach. Er wollte seinem Cousin jede Chance zum Angriff geben; falls Ben nicht bald zuschlug, erwies er sich damit als unwürdig und würde eliminiert werden müssen. »Sorgen Sie dafür, dass sämtliche Laser dasselbe Gebiet ins Visier nehmen; Ziel ist es, eine Feuersbrunst zu erzeugen.«
Caedus’ Anweisung wurde von vollkommenem Schweigen quittiert, und er konnte spüren, wie die Macht vom Entsetzen der Offiziere und Besatzungsmitglieder widerhallte, die den Befehl mitbekommen hatten. Allein Ben wirkte nicht sonderlich überrascht – vielleicht, weil er seine Präsenz noch immer vor der Macht verbarg. Jacen sah Twizzl weiter an, um dem Jungen jede Menge Zeit zum Zuschlagen zu geben.
Nach einigen Sekunden schien Twizzl endlich in der Lage zu reagieren. »Sie wollen die Wroshyrs in Brand setzen?«
»Exakt«, sagte Caedus. »Falls möglich, sogar den gesamten Waldplaneten.«
Twizzls Gesichtsausdruck wechselte von verblüfft zu fassungslos. »Aber das ist … das ist einfach Irrsinn. Damit erreichen wir nicht das Geringste!«
»Das zu beurteilen, ist nicht Ihre Sache, Commander«, entgegnete Caedus. Es war nicht leicht, diesen Befehl zu geben – tatsächlich war ihm nicht wohl dabei. Als Kind hatte er Chewbacca gleichermaßen geliebt wie geachtet, und das Letzte, was er wollte, war, die Heimatwelt seines Freundes und Beschützers niederzubrennen. Doch durch ihren Verrat an der Galaktischen Allianz hatten die Wookiees diese Katastrophe selbst heraufbeschworen. »Dieses eine Mal werde ich Ihnen meine Pläne jedoch ausnahmsweise erläutern.«
»Das würde ich sehr zu schätzen wissen, Colonel.« Twizzls Tonfall deutete an, dass Caedus besser eine gute Erklärung lieferte, wenn er wollte, dass sich der Commander seinem Befehl beugte. »Vielen Dank.«
»Nun, denn. Sie waren an der Schlacht von Kuat beteiligt, also wissen Sie, wie unausgewogen unsere Streitmächte sind.«
Twizzl nickte. »Die Konföderation wird ihre Truppen bald abziehen müssen«, sagte er. »In einem Zermürbungskrieg ist sie der Allianz unterlegen.«
»Und wir können uns keinen leisten«, hielt Caedus dagegen. »Wir sind bereits jetzt zu geschwächt, um sämtliche Welten zu verteidigen, die unter unserem Schutz stehen, und die Konföderation weiß das. Daher liegen Sie falsch – sie werden sich nicht von Kuat zurückziehen. Stattdessen werden sie weiterkämpfen und hoffen, dass wir den Rückzug antreten, was uns jedoch nicht möglich ist, da ihnen das freie Bahn bis nach Coruscant verschaffen würde.«
»Also haben wir so was wie ein Patt«, sagte Ben und enttäuschte Caedus maßlos, indem er auf ihn zutrat – nicht, um anzugreifen, sondern um sich an dem Gespräch zu beteiligen. »Was wird sich daran ändern, wenn wir Kashyyyk abfackeln?«
Außerstande, seine Frustration zu verhehlen, wirbelte Caedus zu dem Jungen herum. »Denk nach, Ben. Was brauchen wir beide, um diese Pattsituation zu unseren Gunsten zu ändern? Was büßen wir hier ein, das die Konföderation dazugewinnt?«
Die Gehässigkeit in Caedus’ Stimme ließ Ben zurückschrecken, hinderte ihn allerdings nicht daran, rasch zu antworten: »Verbündete.«
»Korrekt.« Caedus legte Ben eine Hand auf die Schulter, doch er war so wütend, dass er sich zügeln musste, keinen Schritt zurückzutreten und dem Jungen eine schallende Ohrfeige zu verpassen. »Und wenn die Konföderation in den Wookiees einen Verbündeten zu finden hofft, was muss sie dann tun?«
In Twizzls Augen glomm zorniges Begreifen. »Zu Kashyyyks Verteidigung eilen.«
»Was bedeutet, dass sie ihr Vorrücken auf Coruscant aufgeben müssen«, brachte Ben den Gedanken zu Ende. »Und die Wälder in Brand zu stecken, wird einiges mehr an öffentlicher Empörung provozieren, als bloß die Kashyyyk-Angriffsflotte zu kapern. Falls die Konföderation den Wookiees nicht hilft, werden sie Schwierigkeiten haben, weitere Welten auf ihre Seite zu ziehen. Dann sähe es so aus, als würden sie sich um niemand anderen scheren als um sich selbst.«
»Wieder richtig«, sagte Caedus.
»Aber wer wird sich danach noch uns anschließen wollen?«, verlangte Twizzl zu wissen. »Wir werden dastehen wie Ungeheuer.«
Caedus lächelte. »Ganz genau, Commander. Allein der Gedanke daran, sich von uns abzuwenden, wird viele Welten vor Furcht erzittern lassen. Wenn wir willens sind, die Wälder von Kashyyyk niederzubrennen, und das als reine Vergeltungsmaßnahme, wer weiß, was wir dann ihnen antun könnten?«
Twizzl stand vor Entsetzen der Mund offen, und er starrte Caedus wortlos an.
»Ich bin es leid zu warten, Commander«, sagte Caedus. »Werden Sie meine Befehle nun ausführen oder muss ich einen neuen Kommandanten ernennen?«
Die Drohung genügte, um Twizzl aus seiner Benommenheit zu reißen. »Das wird nicht notwendig sein, Colonel. Vom militärischen Standpunkt aus sehe ich keinen Anlass, Ihren Befehl zu verweigern – Ihre Beweggründe klingen ebenso plausibel wie Furcht einflößend.«
Caedus senkte in gespielter Dankbarkeit das Kinn. »Ich bin froh, dass wir diesbezüglich einer Meinung sind, Commander.«
Alles Blut wich aus Twizzls Gesicht, und er wandte sich ab, um den Befehl weiterzuleiten.
Caedus warf Ben einen Blick zu und stellte fest, dass seine Miene ebenso undeutbar war wie seine Machtpräsenz. Seine Anweisung, Kashyyyk in Brand zu stecken, musste den Jungen bis ins Mark treffen, doch selbst das genügte nicht, ihn dazu zu bringen, seinen Zug zu machen. Caedus kehrte zur taktischen Holoanzeige zurück und hielt sich nicht damit auf, dem Jungen eine weitere Chance zu geben. Wenn das Niederbrennen der Wroshyrs den Jungen nicht dazu veranlasste, die Initiative zu ergreifen, dann war alles Weitere vergebens.
»Das wird die Wookiees durchdrehen lassen«, sagte Ben, der sich so dicht bei Caedus hielt, wie er es Jahre zuvor als Kind getan hatte, das gerade anfing, seine Furcht vor der Macht zu überwinden. »Wo bin ich dir von größtem Nutzen?«
»Bleib einfach an meiner Seite.«
Es bereitete Caedus einige Mühe, die Traurigkeit aus seiner Stimme herauszuhalten; der Gedanke daran, was er in Kürze tun musste, schmerzte ihn, doch es war unvermeidlich. Selbst wenn Ben nicht den Mumm hatte, heute zuzuschlagen, würde er es eines Tages tun – dann allerdings unter weniger kontrollierten Umständen.
»Ich will, dass du in der Nähe bist, wenn die Schlacht beginnt«, sagte Caedus. »Wir müssen die Augen nach StealthX-Jägern offen halten.«
»Ja«, sagte Ben. »Das Blut wird nur so gegen die Schilde spritzen, wenn die Anakin Solo das Feuer eröffnet.«
Das Sichtfenster verdunkelte sich, als vom Bug der Anakin Solo aus vier gleißende Lasersalven auf die dunkle Sichel der Nachtseite des Planeten zuschossen. Eine Woge Furcht und Entsetzen spülte aus Richtung der Owool-Staffel über die Macht hinweg, als die Wookies erkannten, dass der Angriff nicht auf sie abzielte. Als sich die Turbolasersalven durch Kashyyyks Atmosphäre brannten und zu einem Stecknadelkopf scharlachroter Flammen erblühten, wandelte sich die Verwirrung in Unglauben.
Die Geschütze blitzten von Neuem auf, um genau dieselbe Stelle zu treffen und den Stecknadelkopf zu einem flackernden roten Fleck anwachsen zu lassen. Der Unglaube wurde zu Wut und dann – als die Turbolaser ein drittes Mal aufloderten – zu brennender Entschlossenheit. Caedus sah, wie die Owools ihren Bug auf den Rumpf der Anakin Solo ausrichteten und verlor sie dann aus den Augen, als die Turbolaser von Neuem feuerten.
Twizzl trat an die Holoanzeige und blieb ungeachtet der Angst und des Widerwillens, den er in die Macht ausstrahlte, pflichtbewusst an Caedus’ Seite stehen, gegenüber von Ben.
»Unsere aktuellen Schätzungen gehen von einem Waldbrand von einem halben Quadratkilometer Fläche aus, stetig zunehmend«, berichtete er. »Ich habe Anweisungen gegeben, jedes Mal den Zielbereich zu wechseln, wenn die Flammen auf irgendeine Weise aufgehalten werden.«
»Gut gemacht«, entgegnete Caedus. »Wir wollen ja nicht, dass die Wookiees unsere ganzen Bemühungen zunichtemachen.«
»Vielleicht wäre es klug, ein oder zwei Städte ins Visier zu nehmen«, sagte Ben. »Auf diese Weise können wir ihre Feuerlöschmannschaften mit dem Versuch beschäftigen, bewohnte Gebiete zu sichern.«
Twizzls Kinnlade klappte nach unten, und er warf Ben an Caedus vorbei einen fassungslosen, angewiderten Blick zu, als könne er nicht recht glauben, was für Gedanken Jugendlichen durch den Kopf gingen.
»Ausgezeichnete Idee, Leutnant.« Caedus wandte sich an Twizzl. »Geben Sie das an die Gefechtskontrolle weiter, Commander.«
»Wie Sie wünschen.« Twizzl wollte sich abwenden – doch dann blieb er stehen, sah die Taktikanzeige stirnrunzelnd an und schaute zu einem Fähnrich hinüber, der auf der anderen Seite des Holofelds stand. »Was ist mit den Owools passiert?«
»Ich glaube, sie wurden von einer Turbolasersalve getroffen, Sir«, säuselte der Fähnrich, eine hüfthohe Bimm mit Schlappohren und blondem Fell. »Vor dem letzten Schuss waren sie noch da, und dann waren sie einfach … weg.«
Caedus’ schnaubte. Er konnte den Zorn der Wookiees noch immer in der Macht brennen fühlen. »Die Dinge liegen anders«, sagte er. »Sie sind immer noch da. Ich spüre, wie sie näher kommen.«
Twizzl kehrte an Caedus’ Seite zurück und schlug auf den Knopf für die schiffsweiten Durchsagen. »Sternenjäger im Anflug! Streubomben scharf machen und Autokanonen aktivieren, alle Schiffsverteidigungssysteme feuern nach eigenem Ermessen!«
Die Bimm legte ihre Ohren flach an. »Ich verstehe nicht ganz. Verfügen Owools über Tarn …«
»Nein«, unterbrach Caedus. »Sie tanzen mit dem Feuer.«
Die Bimm wirkte verwirrter als je zuvor. »Sie tun was?«
»Sie benutzen unsere Turbolasersalven als Deckung«, erklärte Ben. »Das ist ein alter Jedi-Trick. Die statischen Störungen unmittelbar um die Salve herum verhindern, dass unsere Sensoren sie lokalisieren, und da sich unsere eigenen Jäger aus dem Schussfeld fernhalten müssen …«
»Nur Jedi können so fliegen«, warf Twizzl ein, der seinen Schiffsalarm zu Ende gebracht hatte. »Wenn wir es hier mit Jedi zu tun haben …«
»Haben wir nicht.« Bloß um sicherzugehen, streckte er seine Machtfühler nach den Owool-Piloten aus. »Es sei denn, einer von ihnen ist …«
Caedus ließ den Satz abbrechen und konzentrierte sich auf die einzelnen Piloten, auf der Suche nach einem bestimmten, einem, den er mit Sicherheit erkennen würde … und dann fand er sie, eine machtsensitive Präsenz, die er seit seiner Kindheit kannte.
»Natürlich!«
Caedus’ Begreifen spiegelte sich in einer Explosion aus Zorn und Fassungslosigkeit in der Macht wider, und er konnte Lowbacca beinahe im Cockpit seines Owools aufbrüllen hören, als er zu begreifen versuchte, wie sein alter Mitschüler ihre Freundschaft nur auf so schreckliche Art und Weise verraten konnte.
Und einen Moment lang wurde Caedus wieder zu Jacen, von Bedauern darüber erfüllt, was aus ihm geworden war, jedoch nach wie vor in dem Wissen, wie notwendig dies alles war. Das hier war der einzige Weg, einer Galaxis Frieden zu bringen, die sich an Zwist und Krieg mästete, der einzige Weg, ein Universum zu schaffen, in dem seine Tochter und die Töchter all seiner Verbündeten und Feinde eines Tages in Frieden und Sicherheit aufwachsen konnten.
Jacen öffnete sich der Macht und forschte nach Lowie, um seinen alten Freund einzuladen, sich einem Kampfgeflecht der anderen Art anzuschließen – eins, das von Bedauern und Abbitte geprägt war. Lowie reagierte, wollte von Neuem wissen, warum, versuchte, Jacen klarzumachen, dass er das hier nicht tun musste, dass sie womöglich immer noch eine Möglichkeit finden konnten, Freunde zu bleiben …
Das war der Moment, in dem Jacen seinen ehemaligen Kameraden in der Macht lokalisierte und erkannte, dass er sich von unten dem Bug der Anakin Solo näherte. Gleichzeitig fühlte er, wie die Präsenzen mehrerer »gewöhnlicher« Wookiee-Piloten blitzartig erloschen, als die Streubomben und Autokanonen des Sternenzerstörers ihr Werk verrichteten. Und eine Sekunde lang fühlte er das Gewicht einer Schattenbombe in Lowbaccas Machtgriff.
Tut mir leid, dachte Jacen, und dann war er wieder Caedus und löste sich aus dem Geflecht, damit er sich umwenden konnte, um Twizzl zu warnen. »Es ist Lowbacca, der von …«
Caedus sah nicht kommen, was als Nächstes geschah – beim besten Willen nicht. Er spürte bloß, dass eine Ahnung von Gefahr sein Rückgrat kribbeln ließ, und wirbelte just in dem Augenblick von der Holoanzeige weg, als er die Hitze eines Lichtschwerts über seine Rippen streichen fühlte und sich Bens Klinge in Commander Twizzls Oberkörper bohrte.
Unversehens war die Luft vom Gestank verbrannten Fleisches erfüllt – dem von Caedus und Twizzl –, und Ben keuchte vor Entsetzen und Schuldgefühlen und griff trotz allem weiter an, um Twizzls Torso halb zu zerteilen. Dann schwang er seine Klinge wieder auf Caedus zu und trat dicht heran, um sicherzugehen, dass der Hieb tödlich war.
Ob es nun Lowbaccas Schattenbombe oder Caedus’ eigene flinke Reflexe waren, die ihm das Leben retteten – er bezweifelte, dass er oder irgendjemand sonst das je erfahren würde. Die Anakin Solo bäumte sich einfach unter seinen Füßen auf, ehe er Bens Lichtschwert an seinem Gesicht vorbeizischen sah und hart zu Boden stürzte, wonach er sich zusammen mit allen anderen auf dem Deck liegend wiederfand. Sein Blickfeld verschwamm, und seine Ohren klingelten. Wie entsetzlich falsch er seinen jungen Cousin eingeschätzt hatte! Wie geduldig Ben abgewartet hatte, bereit, die Wälder von Kashyyyk zu opfern, Commander Twizzl und sogar sein eigenes Leben – alles bloß, um sicherzustellen, dass er Caedus tötete.
Vielleicht gab es für den Jungen doch noch Hoffnung.
Da ihm keine Zeit blieb, die eigene Waffe vom Gürtel zu reißen, stieß Caedus den Arm vor, um einen gleißenden Machtblitz abzufeuern, der Ben in einem rauchenden, zuckenden Haufen zu Boden schickte. Er ließ das Lichtschwert des Jungen in seine Hand schnellen und sprang dann inmitten der Trümmer, die bis vor einer Sekunde das Flugdeck der Anakin Solo gewesen waren, auf die Füße. Überall waren Leichen verstreut, besonders vorne in der Kabine, wo Lowbaccas Schattenbombe das Sichtfenster durchschlagen hatte – zumindest folgerte er das aus den zerquetschten Körperteilen, die am Fuß des Panzerschotts lagen, das bei dem Hüllenbruch automatisch nach unten gesaust war.
Caedus ging zu Ben hinüber. Der Junge erholte sich bereits langsam von dem Machtblitz, streckte seine zusammengekrümmten Glieder aus und atmete in kurzen, abgehackten Zügen. Ohne auf den Bimm-Fähnrich zu achten, der hilfesuchend die Hand nach ihm ausstreckte, hockte sich Caedus neben seinen jungen Cousin und nickte anerkennend.
»Nicht schlecht.« Er musste auf die Macht zurückgreifen, um sich über das Plärren der Alarmsirenen und die Schreie der Verwundeten hinweg verständlich zu machen. »Geradezu raffiniert.«
Bens Augen rollten zu Caedus, erfüllt von Zorn und Hass. »Bring es … einfach zu Ende.«
»Es zu Ende bringen?« Caedus schaltete das Lichtschwert aus und steckte es an den Gürtel, ehe er die Macht benutzte, um dem Jungen auf die Beine zu helfen. »Ben, wir haben gerade erst begonnen.«