20. Kapitel

Die Luft in der Bugkrankenstation stank nach Baktasalbe und verbranntem Fleisch, und die Verwundeten zwängten sich zu dritt oder zu viert in eine Nische. Caedus allerdings hatte eine ganze Ecke für sich – und das nicht, weil seine Wunden so schwer waren. Er hatte lediglich ein paar gebrochene Knochen und einige innere Verletzungen. Hier gab es Patienten, die bei den Explosionen, die Luke ausgelöst hatte, die Hälfte ihrer Gliedmaßen verloren hatten, und andere mit Verbrennungen dritten Grades am halben Körper.

Dennoch war der Triagedroide sorgsam darauf bedacht, neue Patienten in jede Behandlungskabine zu dirigieren, außer in die von Caedus – vielleicht, weil sein Emotionsmodul in ihren abschweifenden Blicken und ihren wütenden Grimassen dasselbe las, wie Caedus in ihren Machtauren: Feindseligkeit, Zorn und Angst. Sie machten ihn für die Sabotage verantwortlich, als hätte er die Detonation aller vier Langstreckenturbolaserbatterien vorhersehen müssen – als hätte er sie überhaupt erst verursacht, weil er Kashyyyk angegriffen hatte.

Natürlich hatten sie recht. Hätte die Anakin Solo die Wroshyr-Bäume nicht in Brand gesteckt, hätte Luke niemals etwas so Törichtes getan. Noch wären die Bothaner den Wookiees zu Hilfe gekommen – zusammen mit den Corellianern und einem Großteil der übrigen feindlichen Flotten, wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte, die auf der Krankenstation die Runde machten. Caedus hatte Leben und Wohlergehen mehrerer Tausend Besatzungsmitglieder geopfert, um die Konföderation von der Schlacht um Kuat wegzulocken.

Und er würde es jederzeit wieder tun. Jetzt, wo er das Gefecht vom Kern wegverlagert hatte, war Coruscant nicht länger in Gefahr; außerdem hatte er der Allianz Zeit verschafft, um sich neu zu formieren. Alles, was er jetzt noch tun musste, war, sich zurückzuziehen und die Verräter in dem Glauben zu lassen, dass sie ihn zurückgedrängt hatten. Caedus setzte sich auf, genoss die feurigen Schmerzensstiche, die bei dieser Anstrengung durch ihn hindurchschossen, und schwang die Beine über die Kante der Krankentrage.

Seine Uniform und sein Umhang, von denen bloß noch Fetzen übrig waren, nachdem man sie ihm vom Körper geschnitten hatte, hingen halb aus einem Abfallbehälter in der Ecke, und sein Ausrüstungsgürtel baumelte über der Lehne eines verwaisten Stuhls. Er fühlte sich ungewohnt verletzlich – zum Teil, weil er bloß Krankenstationsunterwäsche trug, größtenteils jedoch, weil er nicht umhin konnte, die leere Lichtschwertöse an seinem Gürtel anzustarren.

Luke hatte ihn geschlagen. Trotz seiner Verletzungen hatte Luke sich einfach immer wieder auf ihn gestürzt. Er hatte Caedus mehr Schaden zugefügt, als er selbst erlitten hatte, und es war Luke sogar gelungen, der Garrotte zu entkommen, bevor Ben zugestochen hatte. Um ehrlich zu sein, hatte Caedus diese Attacke vermutlich das Leben gerettet. Nichts sonst hätte Luke aus seiner Kampfwut reißen können – allein der Anblick von Ben, der so weit zur Dunklen Seite hinüberglitt.

Das war eine Erinnerung, die Caedus zugleich ängstigte und seinen Stolz anfachte – allerdings auch eine, die ihm noch lange Zeit im Gedächtnis bleiben würde. Jetzt wusste er, was ihn erwartete, wenn Luke herausfand, dass er Mara tatsächlich getötet hatte – und wenn Luke das nächste Mal kam, um ihm den Garaus zu machen, würde Caedus darauf vorbereitet sein.

Vorausgesetzt natürlich, dass er zuerst dieser Schlacht entkam.

»Wo ist Orlopp?«, wollte Caedus von niemandem im Besonderen wissen – und gleichzeitig von allen. »Ich habe bereits vor zehn Minuten nach meinem Adjutanten gefragt.«

Der Bith-Chirurg und sein Codru-Ji-Assistent sahen sich über Caedus’ Schulter hinweg an, doch es war der totenschädelgesichtige Medidroide, der antwortete.

»Sie sind nicht in der Verfassung, Dienst zu tun, Colonel Solo.« Der Droide versuchte behutsam, Caedus wieder nach unten zu drücken. »Wenn Sie Dr. Qilqus medizinischen Rat, sich nicht aufzusetzen, weiterhin ignorieren, müssen wir Sie ruhigstellen.«

»Versucht’s nur.« Caedus wandte sich an Qilqu. »Ich bin es leid, mir dieses Gequake anzuhören. Können Sie ihn nicht deaktivieren?«

Qilqu legte ängstlich die Wangenfalten an und schaute zu dem Droiden hinüber. »Der Colonel verfügt über eine außergewöhnliche Konstitution, EmDee. Wenn er sich kräftig genug fühlt, sich aufzusetzen, wäre es besser, ihn nicht daran zu hindern.«

»Sehr wohl.« Der Droide hob die Hand und fuhr aus der Spitze seines Zeigefingers eine Nadel aus. »Dann wird eine Injektion Schmerzmittel womöglich seine Reizbarkeit reduzieren.«

»Keine Schmerzmittel – ich brauche einen klaren Kopf.« Tatsächlich labte sich Caedus an dem Schmerz, verbrannte ihn wie Treibstoff, um seinen Hormonspiegel hoch und seine Sinne wachsam zu halten. »Und ich brauche meinen Adjutanten!«

Qilqu warf einen Blick nach draußen und nickte. Orlopp betrat den abgetrennten Bereich, eine von Caedus’ Ersatzuniformen unter den Arm geklemmt und das allzeit gegenwärtige Datapad in der Hand.

»Es gibt keinen Grund, verärgert zu sein.« Orlopps lange Jenet-Schnauze zuckte vor Abscheu – zweifellos wegen des Gestanks von Caedus’ Wunden. »Vielleicht wären Schmerzmittel gar keine so schlechte Idee.«

»Wie Sie meinen«, entgegnete Caedus. Er deutete auf das Datapad. »Wie steht’s um die taktische Situation?«

»So schlecht, dass Sie sich wünschen werden, nach wie vor bewusstlos zu sein.« Orlopp drückte einige Tasten auf dem Datapad und reichte es ihm. »Die gute Nachricht ist, dass Ihr Plan sämtliche Erwartung weit übertroffen hat.«

Orlopp übertrieb nicht. Die Taktikaufnahme zeigte, wie die Fünfte Flotte – mit der Anakin Solo im Zentrum – vom Feind umzingelt war. Die Wookiee-Armada schirmte Kashyyyk vor jedem weiteren Bombardement ab, während die Bothaner, die Corellianer und das, was von den Flotten der Commenorianer und Hutts noch übrig war, von hinten angriffen.

»Was ist mit Bwua’tu und Darklighter?«, wollte Caedus wissen. »Die hätten uns längst unterstützen sollen.«

»Admiral Bwua’tu übermittelt sein Bedauern«, entgegnete Orlopp. »Offenbar wurden er und Admiral Darklighter angewiesen, ihre Streitkräfte nicht aus dem Kern abzuziehen.«

»Natürlich.« Caedus brauchte sich nicht danach zu erkundigen, von wem dieser Befehl kam: Cha Niathal war eine zu begnadete Taktikerin, um sich eine Gelegenheit entgehen zu lassen, ihren Rivalen vom Gegner eliminieren zu lassen – selbst wenn das bedeutete, eine Kleinigkeit wie die Fünfte Flotte zu opfern. »Mit diesem Verrat habe ich gerechnet.«

»Haben Sie das?« Orlopp klang aufrichtig erleichtert. »In diesem Fall sollten Sie Admiral Atoko vielleicht über Ihren Plan in Kenntnis setzen. Er hat den Befehl gegeben, Vorbereitungen zu treffen, alle Schiffe aufzugeben und sie notfalls zu zerstören.«

»Ohne mit mir Rücksprache zu halten?«

»Sie standen … nicht zur Verfügung«, erklärte Orlopp.

»Jetzt stehe ich zur Verfügung.«

Jacen glitt von der Trage – um überrascht aufzustöhnen, als beim Aufkommen auf dem Boden Explosionen des Schmerzes von seinen beiden Rückenwunden ausgingen. Seine Knie gaben nach, und er wäre gestürzt, wäre die Hand des Medidroiden nicht vorgeschossen, um ihn festzuhalten.

»In Ihrem Zustand kommt Stehen nicht infrage«, informierte der Droide ihn. »Selbst wenn die Schwellung in Ihrem Gehirn Ihren Gleichgewichtssinn nicht stören würde, haben Sie immer noch Brandverletzungen an den Nieren und eine perforierte Lunge. Sie sind einfach zu schwach dafür.«

»Ich bin ein Meister der Macht, EmDee.« Caedus riss seinen Arm aus dem Griff des Droiden, ehe er Orlopp das Datapad wieder in die Hände stieß. »Ich bin niemals schwach.«

Caedus nutzte die Macht, um sich aufrecht zu halten, und humpelte zum Kom an der Wand hinüber, um einen Kanal zur Brücke zu öffnen. Als einen Moment später die vertraute Stimme seiner Kommunikationsoffizierin erklang, bat er sie, ihn mit Atoko zu verbinden. Während er wartete, nahm er von Orlopp die Uniform entgegen und zog sich langsam unter Schmerzen an.

Schließlich drang die überraschte Stimme des Admirals aus dem Kom-Lautsprecher. »Colonel Solo? Wie fühlen Sie sich?«

»Gut genug, um das Kommando wieder zu übernehmen.« Caedus ließ genügend Zorn in seiner Stimme mitschwingen, um Atoko wissen zu lassen, dass er es ganz und gar nicht zu schätzen wusste, wenn seine Autorität infrage gestellt wurde. »Und ich kann mich nicht entsinnen, den Befehl gegeben zu haben, die Flotte aufzugeben.«

»Was ich bislang ebenfalls nicht getan habe.« Caedus’ Unmut schien Atoko nicht zu beunruhigen – möglicherweise, weil er glaubte, dass bald keiner von ihnen mehr das Kommando über irgendetwas haben würde. »Aber die Wookiees haben begonnen, Enterschiffe zu starten. Anstatt zuzulassen, dass unsere Schiffe dem Feind in die Hände fallen …«

»Warum versuchen Sie nicht, sich den Weg freizukämpfen, Admiral?«, wollte Caedus wissen. »Wenn die Fünfte ohnehin verdampft wird, kann sie zumindest noch ein paar Bothaner mitnehmen.«

Der Lautsprecher verstummte, und wäre das beständige Knistern der Turbolaserinterferenzen nicht gewesen, hätte Caedus angenommen, die Verbindung wäre unterbrochen worden. Während er darauf wartete, dass Atoko die Anweisung bestätigte – oder wenigstens darauf reagierte –, wurde ihm allmählich klar, dass der Admiral nicht der Einzige war, der von dem Befehl schockiert war. Qilqu und sein Assistent strahlten Bestürzung und Unglauben in die Macht aus, und selbst der normalerweise durch nichts aus der Fassung zu bringende Orlopp schüttelte verwundert den Kopf.

»Admiral Atoko, mir scheint, Sie haben ein Problem mit meinem Befehl«, sagte Caedus. »Gibt es irgendwelche Unklarheiten?«

»Nein, Sir«, sagte Atoko. »Es ist alles klar. Nur allzu klar.«

»Und warum dann Ihr Zögern?«, fragte Caedus.

»Nun, Sir, wegen der Besatzungen«, entgegnete Atoko. »Die Fünfte umfasst mehr als siebzigtausend Mann. Die können wir nicht einfach zum Tode verurteilen.«

»Aha.« Caedus hatte geplant, in einem StealthX zu fliehen, falls Niathal ihn hinterging, daher war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass die Mannschaftsmitglieder der Fünften womöglich nicht gewillt sein würden, ihr Leben für die Allianz zu lassen. »Denken Sie, die Schiffskommandanten werden den Befehl verweigern?«

»Ohne die Chance auf Überleben oder Flucht … besteht die Möglichkeit«, sagte Atoko vorsichtig. »Einige feindliche Schiffe zu zerstören wirkt nicht unbedingt wie ein erstrebenswertes Opfer, wenn die Alternative eine ehrenhafte Kapitulation ist.«

»Ich schätze, nicht«, gab Caedus zu. »Wenn es so weit ist, sollten wir sie daher daran erinnern, dass sie es mit Wookiee-Enterkommandos zu tun haben … und dass die Fünfte die Anakin Solo gedeckt hat, während wir Kashyyyk niedergebrannt haben.«

Wieder verstummte der Lautsprecher – aber nur für einen Augenblick. »Ich glaube, das wird sie überzeugen, Colonel.«

»Das dachte ich mir«, sagte Caedus. »Stellen Sie die Vorbereitungen zur Schiffsaufgabe ein, und bereiten Sie die Flotte für einen Frontalangriff vor, um durchzubrechen. Ich gebe Ihnen die Koordinaten, sobald ich die gegenwärtige Situation studiert …«

»Entschuldigen Sie, Colonel.« Orlopp schob Caedus wieder das Datapad zu. »Aber ich glaube, Sie werden feststellen, dass die Koordinaten hierfür ziemlich naheliegend sind.«

Caedus nahm das Datapad. Sein Sehvermögen war immer noch ein bisschen getrübt, und alles, was er erkennen konnte, war eine dicht gedrängte Ansammlung unlesbarer Kennungscodes am oberen Rand des Bildschirms. Einen Moment lang verstand er nicht, worauf Orlopp hinaus wollte … Dann begann sich die corellianische Flotte zur Seite zu bewegen, um Platz für die neu angekommenen Raumschiffe zu schaffen, die sie beim Umzingeln der Fünften unterstützen sollten.

»Sehr gut, Orlopp«, sagte er. »Admiral Atoko, wir nehmen Kurs auf die Lücke zwischen den Corellianern und den Neuankömmlingen. Wenn wir unseren Angriff zeitlich richtig abpassen, sollte es uns möglich sein, uns durchzukämpfen und mindestens ein Drittel unserer Streitkräfte zu retten.«

Einen Moment lang herrschte unbehagliches Schweigen, ehe Atokos Stimme fragte: »Uns durchzukämpfen, Colonel?«

»Natürlich«, sagte Caedus. »Sie nehmen doch nicht an, dass die uns unbehelligt passieren lassen werden, oder?«

»Nun … Doch, eigentlich erwarte ich, dass sie genau das tun werden«, sagte Atoko.

Caedus blickte stirnrunzelnd auf das Datapad. Auf dem kleinen Bildschirm wurde die Ansammlung der Neuankömmlinge von Sekunde zu Sekunde dichter und machte die Kennungscodes so noch unleserlicher als zuvor. Jetzt, wo er die Situation sorgfältiger in Augenschein nahm, stellte er fest, dass sich die corellianische Flotte zu abrupt – und zu weit weg – bewegte, um einfach bloß Platz zu schaffen. Sie hatten Angst, ins Kreuzfeuer zu geraten.

Caedus drückte eine Taste, um das Bild so weit zu vergrößern, dass die Neuankömmlinge vom Schirm verschwanden, und dann hatte er ein detailliertes Schaubild der Kampfaufstellung der Fünften vor sich.

Orlopp nahm ihm das Datapad ruhig aus den Händen. »Das ist unsere Seite«, sagte er leise. »Was da eintrifft, sind Novas und Schlachtdrachen.«

»Die Hapaner?«, keuchte Caedus.

»Colonel Solo wirkt noch immer recht durcheinander«, sagte der Medidroide zu Qilqu. »Es ist unerlässlich, dass wir ihn für dienstunfähig erklären.«

Caedus war so erleichtert, dass er nicht einmal den Schaltkreisunterbrecher des Droiden umlegte. Er sprach einfach von Neuem ins Wand-Kom.

»Verzeihen Sie, Admiral. Sie haben vollkommen recht. Nehmen wir Kurs auf die Hapaner. Ich melde mich wieder, sobald ich auf die Brücke zurückgekehrt bin und Zugriff auf die entsprechenden Gefechtsinformationen habe.«

Caedus nahm seinen Mehrzweckgürtel auf, ehe er Orlopp bedeutete, ihm zu folgen, und die Krankenstation in besserer Stimmung verließ als seit Ewigkeiten. Seine Eltern hatten die Wookiees dazu gebracht, sich gegen ihn zu stellen; sein ehemaliger Mitschüler Lowbacca hatte eine Schattenbombe auf ihn abgeworfen; sein Onkel hatte ihn beinahe umgebracht; und sein Cousin hatte einen Vibrodolch so dicht neben sein Herz gerammt, dass der Handgriff im Rhythmus seines Pulsschlags zuckte.

Aber Tenel Ka war zu seiner Rettung geeilt. Sie hatte einmal mehr bewiesen, dass er stets auf sie zählen konnte; dass sie bereit war, alles zu tun, worum er sie bat, ganz gleich, worum es sich handelte. Weil sie an ihn glaubte. Sie verstand, was er für die Galaxis zu tun versuchte – für sie und Allana –, und sie wusste, dass sich das nicht ohne Risiken und Opfer bewerkstelligen ließ. Eines Tages, nachdem er diesen Krieg gewonnen und der Galaxis einen gerechten Frieden gebracht hatte, würden sie vielleicht nicht länger gezwungen sein, ihre Beziehung zu verheimlichen – vielleicht war es ihnen dann sogar möglich, ihre Pflichten vom selben Planeten aus zu erfüllen und wie eine normale Familie zusammenzuleben.

Caedus öffnete sich der Macht lange genug, um seine Machtfühler nach ihr auszustrecken und ihr zu danken – und war erstaunt festzustellen, dass sie sich nicht weit entfernt auf Hapes aufhielt, sondern ganz in der Nähe, bei ihrer Flotte. Sie war ihm persönlich zu Hilfe geeilt. Er war sich nicht sicher, damit einverstanden zu sein, dass sie sich an Gefechten beteiligte. Wer würde Allana beschützen, wenn ihr etwas zustieß? Gleichwohl war er bewegt, und er ließ seine Dankbarkeit in die Macht strömen.

Tenel Kas Präsenz strahlte Trauer und Einsamkeit aus. Gleichzeitig schien sie ihn um Geduld zu bitten und seine Machtberührung auf einladende Weise zu erwidern, und ihm wurde bewusst, dass sie mit ihm reden wollte. Besorgt, dass ihrer Tochter irgendetwas zugestoßen war, konzentrierte er sich auf sie und fand Allana dort, wo sie sein sollte – weit, weit weg, glücklich und vermutlich in Sicherheit.

Caedus antwortete Tenel Ka, indem er seine Präsenz mit Neugierde erfüllte, dann löste er das Komlink vom Gürtel und öffnete einen Kanal zu seiner Kommunikationsoffizierin, Leutnant Krova.

»Königinmutter Tenel Ka möchte mit mir reden«, sagte er. »Stellen Sie eine sichere Verbindung zur Drachenkönigin her, und kontaktieren Sie mich, wenn Sie sie am Kom haben.«

»Unverzüglich, Colonel. Ich werde Sie anpiepsen, sobald Ihre Majestät zu sprechen ist.«

Mittlerweile hatten sie die Krankenstation verlassen. Im Korridor davor drängten sich zwei Arten von Verwundeten: die, die sterben würden, ganz gleich wie schnell sie in einen Baktatank verfrachtet wurden, und jene, die aller Wahrscheinlichkeit nach am Leben bleiben würden, bis man sie auf eine der anderen Krankenstationen der Anakin Solo verlegte. Nur wenige Wesen waren bloß leicht verletzt.

Während sich Caedus mit übel zugerichtetem Gesicht und bandagiertem Kopf durch den dicht bevölkerten Korridor drängte, konnte er die Bewunderung der Besatzung der Anakin Solo für seine Tapferkeit und Hingabe spüren. Zugleich gewahrte er aber auch ihre Furcht vor seiner Brutalität und ihren Unmut über die hartherzige Art und Weise, wie er ihre Leben aufs Spiel setzte. Sie liebten ihn nicht so, wie es die Coruscanti-Öffentlichkeit tat, doch sie hatten Ehrfurcht vor ihm, und solange Caedus sich und seiner Mission treu blieb, war er überzeugt davon, dass sie ihm in den Kern selbst folgen würden.

Es dauerte eine geschlagene Minute, bis sie einen Korridor erreichten, in dem es nicht vor Verwundeten und Medidroiden wimmelte, und weitere dreißig Sekunden, um zu einer Transportstation zu gelangen. Sie stiegen eine kurze Rampe hinab, traten in einen Mannschaftswagen und verkündeten ihr Ziel, ehe der Bordcomputer ihre Netzhäute scannte, um ihre Identitäten und ihre Sicherheitsfreigaben zu bestimmen. Einen Moment später setzte sich der Wagen mit einem Satz in Bewegung, um durch einen blauen Durastahltunnel in ein Netzwerk von Transportröhren hinunterzuschießen – im Wesentlichen waagerechte Repulsoren, die Personal und Ausrüstung durch den gewaltigen Rumpf der Anakin Solo beförderten.

Caedus lehnte sich im Sitz zurück, versank in seinem Schmerz und war überrascht darüber, wie groß sein Bedürfnis war, einfach bloß zu schlafen. Natürlich hatte der Kampf mit Luke ihn ausgelaugt, doch seine Erschöpfung war vornehmlich emotional und seelisch. Jetzt, wo ihn seine Freunde und Angehörigen vollends im Stich ließen und seine Anhänger in ihm mehr zu sehen begannen als einen Menschen, fühlte er sich zusehends isolierter. Es gab niemanden in seinem unmittelbaren Umfeld, mit dem er über seine Gefühle sprechen konnte wie einst mit Jaina oder den er um Rat fragen konnte wie einst Luke oder an den er sich wenden konnte, um vorbehaltlose Unterstützung zu erfahren – wie einst bei seinen Eltern.

Jetzt war da bloß noch Tenel Ka, die ihm bei ihren kurzen Rendezvous alle anderen Menschen ersetzte, und die Hoffnung darauf, dass sie eines Tages für immer zusammen sein konnten. Caedus schloss die Augen und ließ seinen Geist in die Zukunft schweifen, nicht, um sie durch die Macht zu sehen, sondern um sie sich mit seinem Herzen auszumalen.

Das war der Moment, in dem sein Komlink piepsend nach seiner Aufmerksamkeit verlangte. Als er einen Blick auf das Display warf und feststellte, dass Krova bereits eine Verbindung zu Tenel Ka hergestellt hatte, verschwand seine Müdigkeit, und selbst seine Wunden schienen mit einem Mal weniger zu schmerzen.

Er aktivierte das Mikrofon, ehe er sagte: »Königinmutter, was für eine angenehme Überraschung. Ich wusste, dass die Allianz auf Euch zählen kann.«

»Die Allianz ja, Jacen«, sagte sie und benutzte seinen Vornamen anstelle seiner Rangbezeichnung, um zu signalisieren, dass diese Unterhaltung privat war. Caedus mochte seinen alten Namen nicht, weil er ihn an den Kleinmut und die Unentschlossenheit erinnerte, die als jüngerer Mann seine Schwäche gewesen waren, doch sie würde kein Verständnis dafür haben, wenn er sie darum bat, ihn bei seinem Sith-Namen zu nennen … zumindest noch nicht. »Ich fürchte jedoch, was dich betrifft, gilt das nicht länger.«

»Wie bitte?« Caedus Herz machte keinen Satz, und in ihm kochte auch keine Wut hoch, weil er schlichtweg nicht glaubte, was er da hörte. »Unsere Verbindung muss gestört sein. Das klang gerade, als sagtest du, ich könne nicht mehr länger auf dich zählen.«

»Ich fürchte, du hast richtig gehört.« Tenel Kas Stimme klang, als würde sie mit den Tränen ringen, obwohl sich das über den blechernen Klang des Komlinks hinweg nicht mit Gewissheit sagen ließ – insbesondere eingedenk der Luft, die an dem kleinen Mannschaftswagen vorbeizischte, als sie durch die Transportröhre schossen. »Tatsächlich muss ich dich auffordern zu kapitulieren.«

»Zu kapitulieren?« Caedus sorgte sich langsam, dass der Medidroide möglicherweise recht gehabt hatte; dass er wirklich noch nicht in der Verfassung war, seinen Pflichten nachzukommen. »Kannst du eine Sekunde dranbleiben? Ich muss etwas überprüfen.«

Ohne ihre Erwiderung abzuwarten, wandte sich Caedus an Orlopp. »Wir sind doch gerade in einem Mannschaftswagen auf dem Weg zur Brücke, richtig? Und ich spreche über Komlink mit Königinmutter Tenel Ka, oder nicht?«

»Durchaus«, sagte Orlopp und nickte. »Es tut mir leid, Colonel, aber Sie halluzinieren nicht

»Das hatte ich befürchtet.« Selbst jetzt sackte Caedus’ Herz nicht nach unten. Das musste ein Missverständnis sein; sobald er Tenel Ka seine Strategie erläutert hatte, würde sie ihre Aufforderung widerrufen und ihm weiterhin ihre volle Unterstützung zusichern. Er schaltete das Mikro wieder ein. »Hör zu, Tenel Ka, ich kann dir das nicht über eine Kom-Verbindung erklären, aber ich hatte gute Gründe dafür, mich aus der Schlacht von Kuat zurückzuziehen.«

»Dessen bin ich mir gewiss«, entgegnete Tenel Ka. »Du hast immer gute Gründe dafür, deine Versprechen zu brechen.«

In Caedus stieg Verärgerung auf. »Ich habe versucht, deine Heimatflotte zu retten – und noch viel, viel mehr. Sobald ich Gelegenheit habe, dir alles zu erklären, wirst du das verstehen.«

»Möglicherweise«, sagte Tenel Ka. »Vielleicht gelingt es dir sogar zu erklären, warum du die Akademie auf Ossus unter deine Kontrolle gebracht hast, obwohl du versprochen hattest, mit Meister Skywalker Frieden zu schließen. Aber wie willst du rechtfertigen, dass du Ben losgeschickt hast, um Staatschef Omas zu ermorden, Jacen? Einen vierzehn Jahre alten Jungen?«

»Das habe ich nicht getan«, sagte Caedus. »Er hat ein Abhörprotokoll falsch gedeutet und nahm an, dass …«

»Ich bin eine hapanische Königin«, unterbrach Tenel Ka. »Mit Ausflüchten kannst du mich nicht hinters Licht führen, Jacen. Allein der Versuch ist schon eine Beleidigung, und für das, was du Kashyyyk antust, gibt es keine Entschuldigung. Die Wroshyr-Bäume in Brand setzen? Was denkst du dir dabei?«

»Ich denke, dass die Wookiees uns verraten haben«, erwiderte Caedus. »Ich denke, dass sie sich das selbst zuzuschreiben haben. Alles andere kann ich dir erst von Angesicht zu Angesicht erklären.«

»Gut. Darauf bin ich schon sehr gespannt«, sagte Tenel Ka. »Du wirst Admiral Atoko anweisen, den Befehlen meines Vaters Folge zu leisten, und ich schicke ein Skiff, das dich abholt. Sei bitte so freundlich, hier unbewaffnet zu erscheinen.«

»Du schickst ein Skiff?« Caedus kochte. »Tenel Ka, du kannst doch nicht wirklich glauben, dass ich kapitulieren werde – weder vor dir noch vor irgendjemandem sonst.«

»Ich hoffe, dass du das tun wirst.« Tenel Kas Stimme war traurig, aber fest. »Weil es mir nämlich das Herz brechen würde, das Feuer auf dich zu eröffnen.«

Caedus’ Wut explodierte, und seine Fassungslosigkeit ließ seine Gedanken schwirren. Er streckte seine Machtfühler nach Tenel Ka aus, stellte jedoch fest, dass sie ihre Aura vor ihm verschloss; ihre Präsenz entzog sich seiner Berührung.

»Selbst du?«, keuchte er. »Ich dachte, du wärst aus härterem Holz geschnitzt, Tenel Ka. Ich dachte, du verstehst, was ich zu erreichen versuche.«

»Sie ist aus härterem Holz, als du dir vorstellen kannst, Junge«, sagte die vertraute Stimme von Han Solo. »Dies hier zu tun bringt sie fast um – und ich verstehe beim besten Willen nicht, warum. Wenn’s nach mir ginge, würde ich dich ohne zu zögern in Atome zerblasen und so tun, als seiest du bei diesem Kampf mit Onimi gestorben.«

»Dad.« Das Wort auszusprechen, fühlte sich sonderbar an, als würde er es benutzen, um sich an den Vater von jemand anderem zu wenden. »Ich hätte wissen müssen, dass ihr dahintersteckt. Ich nehme an, Mom ist auch da?«

»Direkt neben ihm«, bestätigte Leia. Ihr Tonfall war entschlossen – aber auch traurig. »Hör dir an, was Tenel Ka zu sagen hat. Ich will nicht noch einen Sohn sterben sehen.«

»Mach dir darüber mal keine Sorgen«, sagte Caedus. »Es würde mir nicht im Traum einfallen zu sterben, bevor ihr hierfür bezahlt habt – ihr beide.«

»Wofür, Jacen?«, fragte Tenel Ka. »Was haben sie denn getan?«

»Sie haben dich dazu gezwungen, dich gegen mich zu stellen.« Jetzt begriff Caedus. Der einzige Weg, Tenel Ka dazu zu bringen, ihn im Stich zu lassen, war Erpressung. »Was haben sie gegen dich in der Hand? Bedrohen sie Allana? Falls sie ihr auch nur ein Haar krümmen …«

»Nicht unser Stil, Junge«, unterbrach Han. »Du hast dir das alles selbst eingebrockt. Alles, was wir tun mussten, war, hier aufzutauchen.«

»Dein Vater sagt die Wahrheit, Jacen«, bestätigte Tenel Ka. »Schau in mein Herz, und du wirst erkennen, dass ich diese Entscheidung allein getroffen habe.«

Caedus spürte, wie sie ihre Machtfühler nach ihm ausstreckte, wie sie ihm ihre Gefühle öffnete. Ihre Präsenz war erfüllt von Kummer und Wut und – am niederschmetterndsten – Enttäuschung. Da war auch Liebe, aber die Art von verlorener Liebe, die man für jemanden empfand, der gestorben oder für immer aus dem eigenen Leben verschwunden war.

Jetzt sackte Caedus’ Herz ab, sank so tief nach unten, dass es in der eisigen Leere zu verschwinden schien, die sich in ihm ansammelte. Das Undenkbare war geschehen. Tenel Ka hatte ihn im Stich gelassen, und mit einem Mal war ihre Liebe bloß noch ein weiterer Preis seines Sith-Schicksals. Er wusste, dass auch dieses Opfer ihn letztlich stärker machen würde, so, wie ihn mittlerweile jedes Opfer stärkte, aber diesmal fühlte es sich beim besten Willen nicht so an. Alles, was Caedus jetzt empfand, war Wut, Bestürzung und Einsamkeit.

Nach einem Moment sagte Tenel Ka: »Ich bitte dich noch ein letztes Mal, dich zu ergeben, Jacen. Bitte, bring mich nicht dazu, das Feuer auf dich zu eröffnen.«

»Es tut mir leid, Euer Majestät«, entgegnete Caedus, schlagartig wieder vollkommen förmlich. »Aber ich habe keine andere Wahl.«

Er unterbrach die Verbindung und drehte sich um, um festzustellen, dass sein Adjutant bereits in sein eigenes Komlink sprach.

»… vordere Schilde verstärken!«, sagte Orlopp gerade. »Erwarten Beschuss von …«

Der Rest des Befehls ging in statischem Rauschen unter, als die erste Salve der Hapaner einschlug, die Schilde der Anakin Solo überlastete und die Systeme des Schiffs mit Störsignalen überflutete. Der Mannschaftswagen bremste so weit ab, dass er bloß noch dahinkroch, als die Energie an die kritischen Systeme umgeleitet wurde. Im Tunnel flammte die Notbeleuchtung auf und tauchte Caedus und seinen Adjutanten in kaltes rotes Dämmerlicht.

Alema Rar hatte noch nie einen Mond explodieren sehen, aber sie nahm an, dass es ein ähnlicher Anblick sein musste, wie ihn die Fünfte Flotte in diesem Moment bot. Dank der Gegner, die sie von allen Seiten beharkten, hatte sich die einstmals mächtige Flotte in ein dichtes kleines Knäuel aus Flammenpilzen und aufblitzenden Hitzeschilden verwandelt. Noch belief sich die Zahl der Tode, die die Macht erbeben ließen, auf einige Dutzend, statt auf Hunderte oder Tausende, doch das würde sich bald ändern. Die Lücke, auf die die Flotte zuhielt – zwischen den Bothanern und den Hapanern –, schloss sich rasch, und Alema brauchte keine Gefechtsvorhersage, um zu wissen, dass das eine Todesfalle für jedes Schiff war, das sich dort hindurchzuquetschen versuchte.

Das war alles die Schuld dieser Darth Möchtegerne, die sich auf Korriban verkrochen und sie drei Tage aufgehalten hatten, um sie im Umgang mit der Meditationssphäre zu unterweisen und ihr Geschenk für Jacen vorzubereiten.

Und als was hatte sich dieses »Geschenk« entpuppt? Als das Holocron von Darth Vectivus, voller Perlen der Weisheit wie »Borg dir niemals Geld von jemandem, der mächtig genug ist, dich bezahlen zu lassen« und »Lass deine Angestellten wissen, dass du ihnen vertraust … und sie im Auge behältst«. Wer zum Teufel war dieser Kerl? Ihr Buchhalter?

Schiff erinnerte sie daran, dass es viele Arten der Herrschaft gab. Darth Vectivus war Geschäftsführer eines galaktischen Bergbaukonglomerats gewesen. Er hatte das Leben Zehntausender Arbeiter kontrolliert und ein gewaltiges Privatvermögen angehäuft, das seine persönlichen Bedürfnisse bei Weitem überstieg – oder die Möglichkeiten, die sein Gehalt ihm bot.

»Und wie wird das Jacen dabei helfen, die Galaxis zu erobern?«, wollte Alema wissen. »Nicht dass das noch eine Rolle spielt. Schau dir nur das Schlamassel an, das er sich eingebrockt hat. Wenn er nicht stirbt, ist er anschließend das Gespött von Coruscant. Dann ist er für uns genauso von Nutzen wie das hier

Alema schleuderte das Vectivus-Holocron in die allgemeine Richtung der Schlacht. Schiff schuf ein kleines Fach in der durchscheinenden Wand und fing es auf, ehe es sie darüber informierte, dass die Situation keineswegs hoffnungslos war.

»Hör mal, wir sind sehr beeindruckt von deinen Plasmastrahlen und den Antimateriekugeln, aber selbst das genügt nicht, um vier Flotten außer Gefecht zu setzen«, sagte Alema. »Bist du von Sinnen?«

Schiff dachte, dass das möglicherweise zutraf, da es anfing, Gefallen an der Zerbrochenen zu finden, aber das tat jetzt nichts zur Sache. Der künftige Imperator versuchte durchzubrechen; alles, was sie tun mussten, war, ihm ein Loch zum Durchschlüpfen zu verschaffen.

»Wir und welche Flotte?«

Sucht Euch eine aus, schlug Schiff vor. Vier stehen zur Auswahl.

Alema hob die Brauen. »Wir können eine feindliche Flotte übernehmen?«, keuchte sie. »Sie haben uns nicht gesagt, dass du dazu imstande bist!«

Die Kontrolle, nicht das Kommando, stellte Schiff klar. Und das auch nur, weil sie keine eigenen Meditationssphären besitzen. Sie haben uns nichts entgegenzusetzen.

Alema lächelte. »So ist es doch immer am besten, oder?«

Caedus brauchte sich nicht in seine Kampfmeditation zu vertiefen, um zu wissen, dass er die Fünfte Flotte bereits verloren hatte – und dass ihm bloß noch Minuten blieben, bis die Anakin Solo ebenfalls Geschichte war. Das Turbolaserfeuer kam nicht in Salven oder als stetes Trommelfeuer oder als dichter Vorhang; es war einfach da, um jeden Quadratzentimeter seiner Observationskuppel mit feuriger, unvergänglicher Helligkeit zu erfüllen. Die Farben wechselten blitzartig von rot zu gold zu blau, abhängig vom Einschlagwinkel und dem Zustand der Schilde. Die Heftigkeit des Angriffs indes ließ keine Sekunde lang nach, und er wusste, dass seine eigenen Schützen blind feuern mussten; selbst die erstklassigen Sensorfilter der Anakin Solo waren diesem Maß von Explosionsstatik nicht gewachsen.

Dennoch verspürte Caedus eine nagende Hoffnung; irgendetwas in der Macht zog an ihm, drängte ihn, nicht aufzugeben. Er quetschte sich an seinem Meditationssessel vorbei – der zwar nicht repariert, aber zumindest so gedreht worden war, dass er nach draußen zeigte – und glitt über die Lehne in den Sitz. Er konzentrierte sich auf seine Atmung und befreite seinen Geist von allen unwesentlichen Gedanken, damit er sein Kampfbewusstsein ausdehnen und schweifen lassen konnte.

Orlopp trat hinter den Sessel und räusperte sich.

»Nicht jetzt«, sagte Caedus. »Ich muss meditieren.«

»Zweifellos müssen Sie das«, entgegnete Orlopp. »Ich wollte Sie auch bloß darüber in Kenntnis setzen, dass Ihr StealthX startbereit ist.«

»Vielen Dank.«

Orlopp entfernte sich nicht.

»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte Caedus.

»Admiral Atoko besteht darauf, dass Sie ihm die Erlaubnis erteilen, die Flotte aufgeben zu dürfen. Er behauptet, er habe die Genehmigung, dies notfalls auch ohne Ihre Zustimmung zu tun.«

»Glaubt er wirklich, die Wookiees würden sie entern, wenn sie da durchmüssen?« Caedus winkte in Richtung des draußen tobenden Feuersturms. Er war versucht, die Erlaubnis zum Ausbooten zu geben, doch da war noch immer diese nagende Hoffnung, etwas, das in der Macht an ihm zerrte. »Sagen Sie ihm, er soll noch zwei Minuten durchhalten. Wenn er bis dahin nichts von mir gehört hat, steht es ihm frei zu tun, was er will.«

»Sehr wohl«, sagte Orlopp – und machte weiterhin keine Anstalten zu gehen.

»Was denn noch?«

»In Ihrem StealthX ist lediglich Platz für eine Person, Colonel«, sagte er. »Wie soll ich denn entkommen?«

»Darüber versuche ich mir gerade klar zu werden«, sagte Caedus. »Und dazu muss ich meditieren.«

Orlopp zog sich schnell und leise zurück.

Caedus nahm seine Atemübungen wieder auf und dehnte sein Kampfbewusstsein so weit aus, dass es seine eigene Flotte umfasste, dann sämtliche Flotten, die an der Schlacht beteiligt waren, und schließlich – als es ihm immer noch nicht gelungen waren, den Ursprung seiner nagenden Hoffnung zu lokalisieren – das gesamte Kampfgebiet.

Das Gefühl der Hoffnung wurde stärker, zog ihn in Richtung der bothanischen Flotte, drängte ihn, Kurs darauf zu nehmen. Caedus’ erste Reaktion war weder Zweifel, noch Argwohn, sondern schlichtes Erstaunen. Wie konnten die Bothaner nur denken, dass er töricht genug war, auf eine so primitive List hereinzufallen? Offensichtlich hatten sie irgendwo einen Machtnutzer aufgespürt und ihn angewiesen, Caedus’ Kampfmeditation zu stören, genau wie Luke es bei Balmorra getan hatte.

Caedus beendete seine Meditation und erhob sich, um seine Gedanken dem Problem von Orlopps Flucht zuzuwenden. Der Jenet war ein großartiger Adjutant und einer seiner wenigen Untergebenen, die couragiert genug waren, offen zu sprechen, wenn die Situation es erforderte. Es würde schwierig sein, einen angemessenen Ersatz für ihn zu finden. Unglücklicherweise war der Jenet zu groß, um in das enge Frachtabteil eines StealthX zu passen – besonders in einem sperrigen Druckanzug –, aber wenn man das Raketenfach leerte …

Die Hoffnung zerrte weiter an ihm, jetzt mit solchem Nachdruck, dass Caedus beinahe das Gefühl hatte, körperlich mitgezogen zu werden. Falls die Bothaner tatsächlich einen Machtnutzer aufgetrieben hatten, war es ohne Frage ein guter. Caedus blieb stehen und folgte dem Gefühl bis zu seiner Quelle, die sich weit jenseits der bothanischen Flotte befand – bis zu einer zersplitterten, verdrehten Präsenz, die sich in letzter Zeit allzu häufig in seine Angelegenheiten eingemischt hatte.

Alema Rar.

Aber irgendetwas war anders. Ihre Macht schien um ein Vielfaches verstärkt, uralt und irgendwie sogar noch dunkler als zuvor.

Alema zog weiterhin an ihm, füllte ihre Präsenz mit dem Versprechen von Rettung und Triumph und, nun, einigen anderen Dingen, an denen er kein Interesse hatte. Es war verrückt, geradewegs auf die bothanische Flotte zuzuhalten, wie sie ihn drängte, und die Twi’lek war nicht unbedingt jemand, dem man sein Leben anvertraute – oder sein Schicksal. Andererseits würde der Feind ein solches Manöver als Letztes erwarten … Und was hatten sie schon zu verlieren?

Caedus ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. »Orlopp!«

»Ja, Colonel?« Orlopp blieb hinter ihm stehen. »Ist Ihnen eine Möglichkeit eingefallen, wie ich entkommen kann?«

»Wir werden alle entkommen«, sagte Caedus. »Lassen Sie Admiral Atoko Kurs auf die bothanische Flotte nehmen. Er soll geradewegs darauf zuhalten, mit voller Kraft voraus. Alle Schiffe, die zu schwer beschädigt sind, um mit uns mitzuhalten, dienen uns als Nachhut. Die Sternenjäger sollen zu Treffpunkt Alpha springen.«

»Wir greifen an

»Jetzt sofort, Orlopp«, entgegnete Caedus. »Wenn Admiral Atoko den Befehl zur Aufgabe der Flotte gibt, brauchen Sie kein Fluchtschiff mehr.«

»Unverzüglich, Colonel.« Orlopp eilte davon.

Als Caedus wieder in seiner Kampfmeditation versank, stieg das verzweifelte Verlangen nach Schlaf in ihm auf. Sein Körper sagte ihm so, dass er heilen musste. Natürlich hatte Caedus keine Zeit, um sich auszuruhen. Wieder dehnte er sein Machtbewusstsein aus und verlor sich vorübergehend in dem Mahlstrom aus Angst und Verbitterung, zu dem die Fünfte Flotte geworden war. Er durchsiebte die Gefühle ringsum und suchte nach denen, die am ruhigsten wirkten, nach denen, die das Kommando zu haben schienen, und er fing an, sie mit seiner Hoffnung und seiner Zuversicht aufzumuntern.

Bald wirbelten kleine Sprudel von Gelassenheit und Gemütsruhe durch den Sturm. Caedus wandte seine Aufmerksamkeit dem Herzen der Flotte zu, wo er Admiral Atokos aufmüpfige Präsenz wahrnahm, der über seinen Anweisungen brütete; zweifellos grübelte er darüber nach, ob er den Befehl zur Aufgabe der Flotte dennoch geben sollte.

Caedus erfüllte seine Gedanken mit der Überzeugung, dass sie entkommen würden – dass es sein Schicksal war, zu überleben und die Galaxis zu vereinen –, ehe er stärkeren Druck auf Atokos Präsenz ausübte. Zunächst wirkte der Admiral verwundert, dann verwirrt, doch sein Widerstand wich rasch Gehorsam, und Caedus drängte ihm weiter seinen Willen auf.

Einige Sekunden später rollte eine Woge des Erstaunens durch die Macht, die sich schnell in Entschlossenheit verwandelte, als die Flotte den Kurs änderte. Die gleißende Helligkeit draußen schien einen Moment lang an der Observationskuppel vorbeizugleiten, bevor das unermüdliche Sperrfeuer zu einzelnen Energiesalven abklang, als die gegnerischen Schützen Angst bekamen, Schüsse, die ihr Ziel verfehlten, könnten versehentlich eine verbündete Flotte treffen.

Jetzt konnte Caedus flüchtige Blicke auf einzelne Bolzen Turbolaserfeuer erhaschen, die aus den bothanischen Geschützbatterien schossen. Als die Fünfte zurückschlug, explodierten vor der fernen Dunkelheit winzige Farbblumen. Ein Zittern durchlief die Macht, als der Allianz-Kreuzer Redma unversehens seine Schilde verlor und auseinanderbrach. Wirbelstürme aus Panik und Schmerz umhüllten auch etliche andere Schiffe, die getroffen wurden und anfingen, Lebewesen und Ausrüstung in die Leere des Weltraums zu speien. Alles in allem jedoch blieben die Besatzungen der Fünften auf den Angriff konzentriert, zu sehr von ihren Pflichten eingenommen, um von Neuem der Furcht und dem Fatalismus zum Opfer zu fallen, die sie zuvor gelähmt hatten.

Unglaublicherweise wichen die Bothaner nicht zurück. Sie hielten einfach ihre Position und lieferten sich weiterhin ein Feuergefecht mit der Fünften, die den Bothanern – so übel zugerichtet, wie sie waren – geschütz-, zahlen- und klassenmäßig überlegen war. Besorgt, dass die Bothaner sie in eine Falle zu locken versuchten, dehnte Caedus sein Machtbewusstsein auf ihre Flotte aus – und wurde von einem Ansturm sengender Pein verschlungen, als sein Körper darum kämpfte, ihm nicht den Dienst zu versagen.

Er öffnete sich vollends der Macht, nicht jedoch, damit sie seinen Zorn oder seinen Hass beflügelte – er war zu erschöpft und zu traurig, um eins von beidem zu empfinden –, sondern, um den Glauben an sein Schicksal zu festigen, den Glauben an die Liebe, die ihm die Kraft verlieh, sich diesem Schicksal zu fügen … an die Liebe, die er nicht bloß für Allana hegte, sondern ebenso für Tenel Ka, für Luke und Ben und sogar für Mara, für Jaina und seine Eltern und all die anderen, die ihn verraten hatten, für seine Verbündeten und Feinde und seine toten Mentoren. Er ließ sich von der Macht in seiner Liebe zu ihnen allen bestärken, in seiner Liebe zur gesamten Galaxis, zu deren Rettung er sich selbst opferte.

Der Schmerz verging nicht, doch er brachte die Stärke mit sich, die Caedus brauchte, um bei Bewusstsein zu bleiben. Als er seine Aufmerksamkeit wieder auf die bothanische Flotte konzentrierte, nahm er unter den Kommandanten eine sonderbare Unsicherheit wahr – und die dunkle Kraft dahinter. Alema Rar musste sie irgendwie beeinflussen, ihnen eine untypische Unentschlossenheit in den Verstand träufeln.

Caedus nahm an, dass sie dachten, er wäre zu klug, um ein solches Manöver zu wagen – dass sie der Ansicht waren, dass er zweifellos wusste, dass sie sich lediglich zurückfallen lassen mussten, um die Fünfte von ihren Verbündeten in ein verheerendes Kreuzfeuer nehmen zu lassen. Er übte mehr und mehr Druck auf sie aus, um sie in dieser Annahme zu bekräftigen. Ja, das weiß er.

Die Ränder von Caedus’ Blickfeld verdunkelten sich, und ihm wurde schwindelig. Trotzdem übte er weiterhin Druck aus, versuchte, die Unentschlossenheit zu verstärken, die Alema in ihnen geweckt hatte, in der Hoffnung, dass sie zu dem Schluss gelangten, dass er wollte, dass sie den Rückzug antraten.

Mehr war nicht nötig. Die Präsenzen der Bothaner wurden entschlossen, und die Fächer ihres Turbolaserfeuers begannen sich auszudehnen, als sie auf Kollisionskurs mit der Fünften gingen und beschleunigten. Dann trübte sich Caedus’ Blickfeld noch weiter, und er spürte, wie er noch tiefer in seiner Kampfmeditation versank, um sich davon in eine Zeit in nicht allzu weiter Zukunft tragen zu lassen, in der dieser Krieg vorüber war, in der die Galaxis sicher und friedlich war, in der er wieder mit seiner Familie und seinen Freunden vereint war, die ihm halfen, in Gerechtigkeit und Frieden zu herrschen.