16. Kapitel
Der Rauch, der jedes Mal zwischen den Bodenplatten und Türrändern hindurchsickerte und durch den Eingang hereinwaberte, wenn das Schutzfeld nach unten gelassen wurde, hing grau und düster in Militärhangar 15. Wookiees mit angesengtem Fell und bloßliegenden Stellen blasenbedeckten Fleisches eilten geschäftig hin und her, bestrebt, die StealthX-Jäger der Jedi startklar zu machen, bevor der Hangar in Flammen aufging. Leia war beunruhigt darüber, wie rasch sich die Feuersbrunst über Rwookrrorro ausbreitete, wenn auch nicht sonderlich überrascht. Selbst in einem dunstigen Klima wie dem von Kashyyyk waren Feuer einer bestimmten Größenordnung alles verschlingende Monster, die den umliegenden Urwald so weit austrockneten, dass sie ihn verzehren konnten. Und Jacen sorgte dafür, dass jeder Brand die nötige Größe erreichte.
»Die Wroshyrs niederzubrennen ist schon schlimm genug«, sagte Han und trat von der Rampe des Falken neben sie. »Aber die Städte ins Visier zu nehmen?« Er unterdrückte ein Husten. »Wir hätten den Bengel am Tag seiner Geburt aus dem Fenster des Medicenters werfen sollen.«
Die Verbitterung in Hans Stimme ließ Leias Herz schmerzen. »Han, bitte.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie redete sich ein, dass das am Rauch lag. »Das meinst du doch nicht ernst.«
»Ach nein?«, gab Han zurück. »Sieh dich mal um, Schatz. Diese Wookiees haben mich mal geachtet.«
Leia hielt sich nicht damit auf, seiner Bitte nachzukommen. Es war unmöglich, die verstohlenen Blicke zu übersehen, die man ihnen zuwarf, oder – als Jedi – die Mischung aus Wut und Mitleid nicht zu fühlen, die die Macht durchdrang.
»Ich bin sicher, man wird Ihnen vergeben, dass Sie bei Jacen keine bessere Arbeit geleistet haben«, sagte C-3PO, der hinter ihnen die Einstiegsrampe hinunterklapperte. »Für gewöhnlich sind Wookiees in Bezug auf Problemkinder überaus verständnisvoll.«
»Jacen ist schon lange kein Kind mehr, Dreipeo.« Leia spähte auf der Suche nach ihrem Bruder in den Rauch und sagte zu Han: »Und wenn wir ihn aus dem Fenster geworfen hätten, würde die Galaxis jetzt den Yuuzhan Vong gehören. Was auch immer aus Jacen geworden ist, einst war er ein Held. Jacen Solo hat die Galaxis gerettet.«
»Ja? Nun, jetzt gibt es keinen Jacen Solo mehr.« Han ging durch den Hangar auf eine ruhigere Ecke zu, wo Luke und die Meister des Rats – durch den Rauch kaum auszumachen – dicht beisammenstanden und Pläne schmiedeten. »Jacen Solo ist tot. Mein Sohn würde so etwas niemals tun.«
»Habe ich so was nicht schon mal gehört?« Leia folgte ihm und schüttelte angesichts seiner üblichen Übertreibung den Kopf. »Lass mich nachdenken. Ach ja, wir waren mit dem Falken unterwegs nach Corellia, und wir hatten gerade erfahren, was er Ailyn angetan hat …«
Leia blieb abrupt stehen und ließ den Satz unvollendet, als ihr bewusst wurde, dass Han diesmal nicht übers Ziel hinausschoss. Er hatte recht. Nach allem, was Jacen als Gefangener der Yuuzhan Vong widerfahren war, wäre ihr Sohn vielleicht imstande gewesen, Ailyn Habuur zu Tode zu foltern. Doch er wäre niemals fähig gewesen, einen gesamten Planeten in Brand zu stecken, nicht jener teilnahmsvolle Junge, der heimlich Schmusetiere in sein Zimmer in der Jedi-Akademie auf Yavin 4 geschmuggelt hatte – und mit Sicherheit nicht der Jedi-Ritter, der der Galaxis gezeigt hatte, wie man mit einer Spezies Frieden schloss, die dafür nicht einmal ein Wort besaß.
Dieser Jacen war tot. Das spürte Leia jetzt so deutlich, wie sie Anakins Tod gefühlt hatte, ein grässliches Reißen tief in ihrem Innern, das ein schmerzendes Loch in ihrem Herzen hinterließ. Dieses Mal jedoch war der Riss ganz allmählich entstanden, ohne dass ihr recht bewusst gewesen war, was vorging. Sie hatte nicht daran geglaubt, dass sie Jacen verlor, nicht wirklich, bis ihre Lunge vom Rauch der Feuer brannte, die er gelegt hatte, und ihr Magen vom Gestank verbrannten Fells und versengter Haut rebellierte – bis sie Han die entscheidenden Worte sagen hörte.
Jacen Solo ist tot.
Nach bloß sieben Schritten merkte Han, dass Leia ihm nicht weiter folgte. »Ach verdammt«, sagte er und marschierte zu ihr zurück. »Sei nicht sauer auf mich. So habe ich es nicht gemeint.«
Leia versuchte zu antworten, aber alles, was ihr über die Lippen kam, war ein gequältes Krächzen.
Han runzelte die Stirn. »Stimmt irgendwas nicht? So habe ich dich nicht mehr gesehen seit …« Seine Kinnlade klappte herunter, und plötzlich wirkte er so niedergeschlagen, wie Leia sich fühlte. »Was ist los? Ist Jaina etwas zugestoßen?«
»Nein«, stieß sie mühsam hervor. Sie wollte losheulen, an ihren Haaren reißen und einfach erstarren, doch das konnte sie nicht. Ihr Kummer schien in ihrem Inneren gefangen, ein brodelndes Staubecken von Wut und Schmerz, das so lange in ihr brennen würde, bis es schließlich explodierte. »Jaina … geht es gut. Es ist Jacen.«
»Jacen?« Hans Stirn legte sich von Neuem in Falten, dann blickte er nach oben, wie um anzudeuten, dass seine größte Enttäuschung nach wie vor dort weilte. »Ich verstehe nicht ganz. Willst du damit sagen, dass Lowie ihn erwischt hat?«
Leia schüttelte den Kopf. »Nein, Han. Damit will ich sagen, dass du recht hast. Von Jacen ist nichts mehr übrig.«
Han schaute verwirrter drein als je zuvor, doch bevor sie ihm erklären konnte, was sie meinte, gesellten sich ihr Bruder, Saba und die anderen Meister zu ihnen; Luke eilte geradewegs an ihre Seite.
»Leia, was ist los?«, fragte er. »Ich spürte …«
»Es geht um Jacen«, sagte Han an ihrer statt. »Ich habe etwas Dämliches gesagt.«
»Han, du hörst mir nicht zu.« Leia fühlte sich, als hätte sie ein Loch im Herzen – oder vielleicht auch ein Geschwür –, doch sie sammelte sich langsam wieder; immerhin hatte sie all dies schon einmal durchgemacht. »Es war nicht dämlich. Du hast recht.«
Luke sah Han an. »Womit?«
Ein verdrossener Ausdruck fiel über Hans Gesicht, und er antwortete nicht.
»Falls Captain Solo Schwierigkeiten hat, sich daran zu erinnern, kann ich gern behilflich sein«, erbot sich C-3PO. »Er sagte …«
»Ich sagte, Jacen ist tot«, schnitt Han dem Droiden das Wort ab. Er legte Leia einen Arm um die Schulter und zog sie an sich. »Tut mir leid, Schatz. Ich dachte, darauf wärst du mittlerweile selbst gekommen.«
In seiner Stimme lag große Verbitterung, die sich jedoch gegen das Monster richtete, das Jacens Platz eingenommen hatte, und deshalb wusste Leia, dass ihn all dies genauso schmerzte wie sie.
Luke schienen die Schwingungen nicht zu gefallen, die er von den beiden empfing. Er kniff die Lippen so zusammen, wie er es immer tat, wenn er sich wappnete, eine schwierige Aussage zu treffen, und suchte bewusst Hans Blick.
»Es tut mir leid, aber ihr seid nicht in der Verfassung zu kämpfen.« Er sah Leia an und fügte hinzu: »Keiner von euch beiden.«
Hans Kiefer fiel nach unten, und seine Miene wandelte sich von Unglauben über Verärgerung zu Entschlossenheit. »Du kannst ja gern versuchen, uns aufzuhalten«, sagte er. »Jacen ist unser Sohn, und das macht ihn zu unserem Problem.«
»Meister Skywalker hat recht, Han«, sagte Kyp. »Du bist zu wütend, um zu kämpfen. Wenn du dich in der Macht fühlen könntest …«
»Ich brauche die Macht nicht, um mir zu sagen, wie wütend ich bin«, sagte Han. »Und ich habe einen verflucht guten Grund dafür.«
Und dann entbrannte ein Streit; Han beharrte darauf, dass niemand ohne ihn loszog, um Jacen die Stirn zu bieten, während Luke und die Meister die schwächste aller Waffen gegen seine Dickköpfigkeit aufboten – Vernunft –, um ihn dazu zu bringen, seine Meinung zu ändern. Leia mischte sich nicht ein. Obgleich sie wusste, dass ihr Bruder und die anderen recht hatten, war ihr genauso klar, dass es leichter war, der Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs zu entkommen, als Han die Sache auszureden.
Abgesehen davon trug Leia zu schwer an ihrem Kummer, an dem Wissen, dass es schließlich so weit gekommen war – dass Han bereit war, seinen eigenen Sohn zu töten, und dass sie gewillt war, ihm dabei zu helfen. War das die Grenze, bis zu der Mutterliebe ging? Folter und Mord genügten nicht, um Eltern gegen ihr eigenes Kind aufzubringen, das Verbrennen eines Planeten allerdings schon? Sie dachte an ihr letztes Gespräch mit ihrer Schwägerin zurück, daran, wie Mara sie gefragt hatte, ob sie es für möglich hielt, dass Jacen von Lumiya korrumpiert worden war, und sie fragte sich, was der Grund für die Frage gewesen sein mochte. Hatte Mara schon damals gespürt, was Han und Leia erst jetzt klar geworden war, oder war es der Putsch gewesen, der sie schließlich dazu gebracht hatte, an Jacen zu zweifeln?
Und dann kam ihr ein Gedanke. Vielleicht war Mara nicht Jacens einzige Unterstützerin gewesen, die begonnen hatte, ihr eigenes Urteilsvermögen infrage zu stellen. Wenn ein rechtswidriger Putsch genügt hatte, um in Mara Zweifel zu säen, wie würde dann Tenel Ka darauf reagieren, dass er Kashyyyk in Brand gesteckt hatte? Hatte der Colonel damit einen katastrophalen Fehler begangen? Einen Fehler, der das Schicksal der Galaxis verändern würde?
Als Leia ihre Aufmerksamkeit schließlich wieder dem Wortwechsel zuwandte, hatte sich auch Tahiri zu ihnen gesellt. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, und ihr StealthX-Pilotenoverall hing so lose an ihr, als wäre er zwei Nummern zu groß. Sie wirkte alles andere als ausgeruht, und Leia fürchtete, dass Jacens Verwandlung auch von ihr seinen Tribut forderte. Seit Anakins Tod standen sich die beiden sehr nahe – verbunden durch ihre Liebe zu ihm und ihre gemeinsamen Erfahrungen als Gefangene der Yuuzhan Vong, nahm sie an.
»… selbst wenn der Falke über Tarnfähigkeiten verfügen würde«, sagte Tahiri gerade zu Han, »ist das in dieser Verfassung ein reines Selbstmordkommando.«
»Ich weiß«, gab Han zurück. »Davon habe ich schon jede Menge hinter mir.«
»Han, sie haben recht.« Leia ergriff ihn am Arm und drückte fest zu, um seine Tirade lange genug zu unterbrechen, dass sie ihren Standpunkt darlegen konnte. »Dass wir uns umbringen lassen, wird Jacen nicht aufhalten – oder Kashyyyk helfen.«
Han blickte stirnrunzelnd auf sie hinab. »Ach ja?«
»Ja. Ich weiß nicht, wie es mit dir ist, aber ich halte nicht viel davon, sinnlos zu sterben«, sagte sie. »Ich würde lieber etwas tun, bei dem zumindest die Chance bestünde, einige dieser Wroshyrs zu retten.«
»Und was?« Zu Leias Überraschung war es Tahiri, die die Frage stellte. »Falls du glaubst, du könntest uns zum Narren halten, indem du das eine sagst und das andere tust, bist du hier falsch.«
»Jedi Veila!«, ermahnte Saba sie. »So etwas würde Prinzessin Leia niemals machen. Sie ist eine Jedi-Ritterin genau wie du.«
»Außerdem ist sie mit Han Solo verheiratet«, entgegnete Tahiri. »Und das war schon eine seiner Lieblingstaktiken, ehe man Euch auch nur ausgebrütet hat. Ich will wissen, was sie vorhat.«
»Das zumindest nicht.« Leia richtete ihre Aufmerksamkeit weiter auf Han. »Man muss uns noch nicht zum alten Eisen werfen, Fliegerass. Was hältst du davon, wenn wir etwas Nützliches machen?«
Endlich entspannte sich Hans Arm. »Hast du einen Plan? Willst du das damit sagen?«
Leia lächelte. »Du wirst begeistert sein.« Sie setzte an, ihn zum Falken zu ziehen. »Vertrau mir.«
»Hier können wir nicht richtig sein.«
Alema blickte durch einen transparenten Bereich von Schiffs Außenhülle nach draußen und musterte die staubige Ruine eines Raumhafens. Die Hälfte der Andockfläche wurde von rostenden Raumfrachtern beherrscht, und die andere war so von ausgelaufenen Wartungsflüssigkeiten durchtränkt, dass der geringste Funke zu genügen schien, um den gesamten Ort in einem giftigen Feuerball aufgehen zu lassen. Eine aus den verschiedensten Spezies zusammengewürfelte Bodenbesatzung schmuddeliger Techniker hockte vor dem Büro des Hafenmeisters, würfelte mit faustgroßen Knöcheln und gab sich alle Mühe, sie nicht zu beachten.
»Du hast dich geirrt«, sagte sie zu Schiff.
Schiff indes war anderer Ansicht. Der Navigationscode führte hierher. Falls die Zerbrochene überhaupt nicht nach Korriban wollte, sei das ihr Fehler.
»Das ist Korriban?«
Alema war entsetzt … und verwirrt. Jeder Jedi-Schüler las über Korriban und seine dunkle Vergangenheit – besonders über das Tal der Dunklen Lords, wo angeblich noch immer die Geister uralter Sith-Meister umgingen. Doch davon, dass es sich dabei um eine gegenwärtige Sith-Hochburg handelte, war nirgends die Rede. Tatsächlich schien Luke in erster Linie bestrebt, den Planeten zu ignorieren, sämtliche Navigationsdaten darüber aus den Jedi-Computern zu löschen und die Galaktische Allianz dazu anzuhalten, dasselbe zu tun.
Als sie jetzt auf den verwahrlosten Raumhafen hinausblickte, konnte Alema nicht begreifen, worüber er sich solche Sorgen machte. Selbst wenn der Planet ein Nexus dunkler Machtenergie war, würde sich schwerlich jemand davon verführen lassen. Nach dem, was sie bei der Landung gesehen hatte, war der Ort rings um den Raumhafen sogar noch verfallener.
»Bist du sicher, dass dies das einzige bewohnte Gebiet ist?«, fragte Alema. »Hier kann es keine Sith geben.«
Schiff hatte nirgendwo sonst auf dem Planeten Siedlungen oder Ansammlungen von Behausungen registriert. Alema entging nicht, dass es nicht auf ihre Bemerkung bezüglich der Sith einging. Dann erinnerte sie sich daran, wie bar jeglichen Luxus’ Lumiyas Habitat gewesen war, und sie schloss die Augen, um ihren Geist von ihrer Voreingenommenheit zu befreien und zu meditieren.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Kälte spürte, die wie ein Leichentuch über der Welt hing, ein Pesthauch dunkler Machtenergie, die sich ebenso stark wie uralt anfühlte. Falls es hier irgendwelche Sith gab, würde es schwierig sein, ihre Machtauren von der des Planeten selbst zu trennen. Und das machte Korriban für sie zum perfekten Versteck.
Alema ging zu der Stelle, an der Schiff normalerweise die Zugangsrampe für sie ausfuhr. »Wir sind den ganzen Weg hierhergekommen«, sagte sie in beiläufigem Ton. »Es schadet nicht, wenn wir uns ein wenig umschauen.«
Die Außenhülle blieb undurchdringlich, und Schiff wirkte gelinde beleidigt darüber, dass sie glaubte, es so leicht zum Narren halten zu können.
»Wir versuchen nicht, dich zum Narren zu halten«, sagte Alema und stemmte sich mit der Macht gegen Schiffs Wunsch, sie an Bord zu halten. »Wir wollen das Bodenpersonal lediglich fragen, wo wir sind, um zu beweisen, dass du einen Navigationsfehler gemacht hast.«
Schiff beharrte darauf, keinen Fehler gemacht zu haben. Es wusste, was die Zerbrochene das Personal tatsächlich zu fragen beabsichtigte, doch es würde sie nicht daran hindern. Vielleicht würde die Macht Schiff seinen Wunsch erfüllen und dafür sorgen, dass Alema durch eigenes Verschulden umkam. Ein Teil der Hülle schmolz dahin und formte sich zu einer Rampe.
Ein wenig beunruhigt über die ungewohnte Leichtigkeit, mit der sie diese Auseinandersetzung für sich entschieden hatte, stieg Alema die Rampe hinab und ging quer über die vor Dreck glänzende Landezone zur Bodenbesatzung hinüber. Die Techniker wirkten eher schäbig als abgehärtet, mit Löchern in ihren Overalls; die hageren Gesichter legten nahe, dass sie nicht besonders viel aßen. Das Fell des Bothaners war so verfilzt, dass es an seinem Körper zu kleben schien; die Schuppen des Barabel strotzten zu sehr vor Schimmel, um flach anliegen zu können; und die Haut des Menschen war von knallroten Geschwüren übersät.
Alema blieb am Rande ihres Spielfelds stehen und sah zu, wie sie würfelten. Als der Bothaner fluchte und die Knochen an den Barabel weiterreichte, bewegte sie die Hüfte zur Seite und stützte ihre gesunde Hand darauf.
»Hallo, Jungs. Wir wissen, dass ihr beschäftigt seid, aber vielleicht wärt ihr so freundlich, einem Mädchen aus der Patsche zu helfen.«
Der Bothaner und der Mensch musterten sie auf eine Art von oben bis unten, wie es seit Tenupe kein Mann mehr getan hatte. Alema war so geschmeichelt, dass sie mittels der Macht einen Knochen in seine ursprüngliche Position zurückrollen ließ, als der Bothaner die Ablenkung seiner Mitspieler ausnutzte, um einen der Spielknochen nach dem Wurf so zu drehen, dass er ein Paar zusammenpassender Sonnen hatte.
Der Barabel blickte finster zu ihr auf, während der Bothaner seine Fangzähne zu jenem draufgängerischen Lächeln entblößte, das Männer häufig zur Schau stellten, wenn ihnen klar wurde, dass man sie förmlich einlud, die Initiative zu ergreifen.
»Für ein schnuckeliges Mädel wie dich können wir vielleicht etwas Zeit erübrigen«, sagte er. »Was brauchst du denn?«
Alema erwiderte sein Lächeln auf nicht minder raubtierartige Weise. »Bloß eine Antwort«, sagte sie. »Und vielleicht eine Karte von diesem Ort.«
Der Mensch erhob sich und trat im Hinblick darauf, wie er roch, ein wenig zu dicht an sie heran. »Ein paar Antworten könnte ich dir schon geben.«
Alema wölbte die Brauen. »Darauf würden wir wetten.«
Der Barabel zischte und fegte die Knöchel beiseite, ehe er sich auf die Knie kauerte und darauf wartete, dass das Spiel weiterging.
Alema ignorierte ihn und fragte: »Also, wo finden wir die Sith?«
Die Veränderung in der Miene des Bothaners war so unmerklich, dass Alema sie kaum bemerkte, und dem Menschen gelang es recht glaubhaft, verwirrt zu wirken. Was ihre Machtpräsenzen betraf, lagen die Dinge jedoch anders; mit einem Mal waren sie angespannt und so verängstigt, dass Alema dachte, sie würden sie angreifen.
»Gar nicht.« Der Bothaner stand auf und deutete auf die anderen. »Kommt, ihr beiden. Wir haben noch etwas zu erledigen …«
»Was ist mit unserer Antwort?« Alemas Tonfall war verspielt – der Druck, mit dem sie ihn mit der Macht packte, hingegen nicht. »Wir hassen es einfach, enttäuscht zu werden.«
Der Mensch krachte dem Bothaner in den Rücken und wirkte einen Moment lang benommen – dann hörte er, wie der Bothaner keuchend nach Atem rang, und starrte Alema grauenerfüllt an.
»Die S-Sith sind tot. Schon seit J-Jahrhunderten.«
»Komm schon.« Alema legte dem Mann eine Hand unters Kinn und zog sein Gesicht dicht an ihres. »Eine Jedi kannst du nicht belügen.«
Sie zermalmte seinen Unterkiefer mit einem Machtdruck und ließ ihn rückwärts gegen das Büro des Hafenmeisters taumeln, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Bothaner zuwandte.
»Wir fragen noch einmal im Guten: Wo sind die Sith?«
»Spielt keine Rolle, wie du fragst«, entgegnete der Bothaner – ziemlich tapfer, fand Alema. »Was auch immer du uns antust …«
»Unsss?«, zischte der Barabel. »Rak’k wird sie nicht decken. Wenn Einschwanz sterben will, soll’s diesem hier recht sein.«
Alema wandte sich an den Barabel. »Vielen Dank. Wo finde ich die Sith?«
»Rak’k riskiert ein Schicksal schlimmer als der Tod, wenn er es dir verrät«, erwiderte der Barabel. »Er sollte dafür belohnt werden.«
Alema schüttelte den Kopf. »Tut uns leid. Wir finden Schuppen einfach nur … widerlich.«
»Wen kümmern schon Schuppen?«, fragte Rak’k und schaute verwirrt drein. »Rak’k spricht von deinem Schiff. Wenn du nicht zurückkehrst …«
»Falls«, korrigierte Alema. »Warum unterschätzen die Leute uns bloß immerzu?«
Der Barabel blinzelte. »Woher soll Rak’k das wissen? Er hat dich gerade erst getroffen.«
»Das stimmt.« Alema warf einen Blick auf Schiff und versuchte, sich auszumalen, was es jedem Nicht-Machtfähigen antun würde, der versuchte, es zu befehligen. »Glaubst du, du kannst mit unserem Schiff umgehen?«
Rak’k nickte zuversichtlich. »Das Schiff, das Rak’k nicht fliegen kann, wurde noch nicht gebaut.«
Alema war sich nicht ganz sicher, ob Schiff überhaupt gebaut worden war, doch Rak’k war offensichtlich davon überzeugt, dass er sie in den Tod schickte, daher würde es vermutlich dem Gleichgewicht dienen, sich auf den Handel einzulassen. Abgesehen davon würde ihre aalglatte Machtpräsenz ohnehin dafür sorgen, dass er und seine Kameraden sie zwei Minuten, nachdem sie gegangen war, vollends vergessen hatten – und ihre Abmachung. Natürlich würde sie das nicht daran hindern, den Versuch zu unternehmen, Schiff zu stehlen, aber zumindest verdienten sie dann, was ihnen widerfuhr.
»Abgemacht«, sagte Alema. »Wo finden wir die Sith?«
Der Bothaner schaffte es, seinen Hals so weit herumzudrehen, dass er den Barabel anstarren konnte. »Rak’k, du darfst es ihr nicht sagen …«
»Im Tal der Dunklen Lordz«, sagte Rak’k.
Alema löste ihren Machtgriff um den Bothaner und packte stattdessen Rak’k, um ihn dicht an sich heranzuziehen. »Wir meinen lebende Sith, Knochenbraue.«
»Rak’k auch«, sagte der Barabel.
»Rak’k!«, schnappte der Bothaner.
Rak’k ignorierte ihn und fuhr fort: »Geh zum Eingang der Schlucht. Dort findest du ihr Kloster.«
Der Bothaner stöhnte elend. »Rak’k, falls du nicht gerade dafür gesorgt hast, dass man uns alle umbringt, bist du gefeuert.«
Rak’k zuckte die Schultern. »Für diesen hat sich die Jagd hier eh nicht gelohnt.« Er wandte sich wieder Alema zu. »Wie lauten die Zugriffscodes?«
»Man braucht keine«, sagte Alema. »Geh einfach zur Luke, und geh rein. Das Schiff fliegt dann von ganz allein.«
Der Barabel warf einen Blick in Schiffs Richtung, das vor Wut purpurrot pulsierte, und schaute zweifelnd drein. »Und du lügst auch nicht?«
»Selbstverständlich nicht.« Alema wollte ihm die Wange tätscheln, bemerkte dann jedoch wieder die gewellten Schuppen und zog die Hand weg. »Waren wir nicht immer ehrlich zueinander?«
Der Barabel dachte einen Moment darüber nach, dann nickte er. »Du wirst ein Transportmittel brauchen.« Er sah den Bothaner an und fügte hinzu: »Yas’tua hat ein funktionstüchtiges Swoop.«
Der Blick des Bothaners wurde eisig und streng. »Ich brauch dich gar nicht zu feuern«, sagte er. »Falls die dich nicht umbringen, tu ich es nämlich.«
Rak’k ließ das weiterhin kalt. »Rak’k glaubt nicht, dass es dazu kommt.« Er schaute zu Schiff hinüber und entblößte die Fangzähne. »Bald wird er mit seinem eigenen Raumschiff von hier verschwinden.«
Alema zwang Yas’tua, ihr sein Swoop zu überlassen, und zehn Minuten später schoss sie auf einen zerklüfteten Berg zu, der Rak’k zufolge ihr Ziel war. Je mehr sie von Korribans verdorrter Landschaft sah, desto größer wurden ihre Zweifel, tatsächlich den richtigen Ort gefunden zu haben. Konnte das hier wahrhaftig die Quelle der großen Sith-Verschwörung sein, die Lumiya angedeutet hatte? Und doch, je näher Alema ihrem Ziel kam und je düsterer das Licht wurde, desto schwerer fiel es ihr weiterzufahren.
Dennoch fuhr sie weiter, da der Tod für sie weniger Bedeutung hatte als der vergängliche Schmerz, der damit einherging. Ihr Leben hatte bloß dann einen Wert, wenn sie es nutzte, um dem Gleichgewicht zu dienen – um ihre offene Rechnung mit Leia Solo zu begleichen. Alema durfte nicht zulassen, dass sie irgendetwas daran hinderte, sich die Unterstützung zu sichern, die sie brauchte, um Jacen vor sich selbst zu retten.
Schließlich gelangte sie zu einer dunklen Schlucht, die tief in den Berg hineinschnitt, zu dem Rak’k sie geschickt hatte. Bis vor wenigen Minuten hatte der Gebirgskamm nicht anders ausgesehen als jeder andere hoch aufragende Gipfel. Jetzt allerdings erkannte sie, dass es sich um ein wahres Bergmassiv handelte, um eine gigantische Verwerfung der Planetenkruste, wo die Welt selbst unter der Ankunft der Sith erbebt zu sein schien.
Und an der Einmündung dieser trostlosen Schlucht thronte die uralte Klosteranlage, die Rak’k erwähnt hatte, ein Komplex voller kuppelförmiger, von einer hohen Steinmauer umschlossener Türme. Die Überreste einer blauen Ziegelfassade zierten die Außenwände, und jeder einzelne Ziegel zeigte ein Auge oder eine Klaue oder einen Fangzahn. Am Fuß der Mauer lagen ausrangierte Maschinenteile verstreut – tragbare Deflektorschilde, leere Energiekerngehäuse, antiquierte Laserkanonenständer. Alles in allem wirkte der Ort eher wie das baufällige Domizil eines nicht allzu ordentlichen Einsiedlers als wie die Quelle von Lumiyas Macht – andererseits jedoch waren die Sith Meister der Tarnung.
Alema hielt an und stieg ab, um dem Kloster den Rücken zuzukehren und vorsichtshalber einen Giftpfeil in der Fläche ihrer verkrüppelten Hand zu verbergen. Dann ging sie zum Tor hinüber – einer vier Meter hohen, von roten Rostflecken übersäten Durastahlplatte – und stand fast eine Minute lang davor, ohne sich zu rühren. Falls die Sith tatsächlich dort drinnen waren, wussten sie bereits, dass sie hier war. Falls nicht, würden die Bewohner später dafür bezahlen, dass sie sie warten ließen.
Schließlich öffnete sich das Tor quietschend, um den Blick auf einen groß gewachsenen Togorianer freizugeben. Sein Schädel war vollständig rasiert, um die tätowierten Linien zu zeigen, die oben auf seiner kräftigen Schnauze ihren Lauf nahmen und dann in konzentrischen Kreisen rings um seine dunklen Augen und die aufrecht stehenden Ohren mündeten. Ob der Rest seines Körpers ebenfalls rasiert war, ließ sich unmöglich sagen, denn er verbarg sich unter einer dunklen Rüstung und einem noch dunkleren Umhang.
Alema lächelte und ließ die Augen über seine imposante, muskelbepackte Gestalt wandern. »Endlich – genau das, wonach wir gesucht haben.«
Der Togorianer schlug so schnell zu, dass Alema kaum die Bewegung seiner Hand wahrnahm, als sich seine Klauen auch schon von hinten in ihren gesunden Arm gruben. Ohne ein Wort zu verlieren, zog er sie hinein und schleifte sie durch einen schummrigen Bogengang. Ein Dutzend Schritte später betraten sie einen großen, von dunklen Balkonen und trüben Durchgängen umgebenen Innenhof, wo er sie auf das schwarze Pflaster stieß.
»Sagt mir, wie Ihr uns gefunden habt, Jedi, und Euch wird ein schneller Tod gewährt.« Er nagelte sie mit der Macht am Boden fest, so ungeheuer stark und überlegen, dass Alema nicht einmal versuchte, dagegen anzukämpfen. »Zaudert, und wir werden uns ein Jahr lang jeden Tag aufs Neue an Eurem Schmerz ergötzen.«
»Wegen eines schnellen Todes sind wir nicht hergekommen«, sagte Alema. »Und Ihr könnt Euch so lange an uns ergötzen, wie es Euch beliebt.«
Die Lippen des Togorianers kräuselten sich.
Alema beschloss, seine Reaktion zu ignorieren – sie trug eine Ampulle fleischfressender Bakterien von Tenupe bei sich, auf die sie später zurückgreifen konnte, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, falls erforderlich –, und erwiderte sein Lächeln. »Zunächst würden wir Euch allerdings gern erklären, wie wir Euch gefunden haben.«
»Dann will ich Euch am Leben lassen, bis Ihr das getan habt«, entgegnete der Togorianer. »Wir werden sehen, wie es danach weitergeht.«
»Das ist nur fair«, sagte Alema. »Wir sind dem Navigationscode auf einem Datenchip gefolgt.«
»Woher habt Ihr diesen Datenchip?«, wollte der Togorianer wissen.
»Nicht so hastig«, sagte Alema. »Auch wir haben Fragen.«
Der Togorianer stellte einen Fuß auf ihre Rippen und quetschte ihre Brust so brutal zusammen, dass sie nicht länger atmen konnte. Sie nutzte die Macht, um ihren verkrüppelten Arm zu heben und den in ihrer Hand verborgenen Pfeil in das ungepanzerte Fleisch in seiner Kniekehle zu rammen.
Sofort verschwand der Fuß von ihrer Brust, und der Togorianer sprang zurück. Sein Lichtschwert erwachte mit einem Zssssch zum Leben, doch er beging nicht den Fehler, seinen Machtgriff um Alema zu lösen.
»Was war das?«, verlangte er zu wissen.
»Eine Warnung«, entgegnete Alema.
Das zog ein fauchendes Kichern vom Balkon des Innenhofs nach sich, und eine kratzende Frauenstimme sagte: »Die Skeeto hat Biss. Ich hoffe, Ihr habt den armen Morto nicht umgebracht. Er hat lediglich Anweisungen befolgt.«
Alema sah den Togorianer an, der – abgesehen von dem hasserfüllten Blick, den er ihr zuwarf – keinerlei Anzeichen des sengendes Schmerzes zeigte, von dem sie wusste, dass er brennend sein Bein hinaufkroch.
»Er wird es überleben«, sagte sie. »Vorausgesetzt er lässt uns aufstehen.«
»Nun, gut.« Die Frau musste dem Togorianer – Morto – zugenickt haben, da Alema feststellte, dass sie wieder imstande war, sich zu rühren. »Ich sehe nicht, inwieweit es schaden könnte, Fragen auszutauschen, Jedi. Ihr werdet diesen Ort ohnehin niemals lebend verlassen.«
Alema seufzte erleichtert und erhob sich, dann griff sie in eine Tasche und holte eine der Ampullen hervor, die sie von Tenupe mitgebracht hatte. Sie überprüfte die Kennung, die sie in den Deckel gekratzt hatte, um sicherzugehen, dass es die richtige war, und warf sie Morto zu.
»Reibt das auf die Wunde«, wies sie ihn an. »Alles.«
Eine Woge der Erleichterung rollte durch die Macht, als Morto das Fläschchen auffing. Dann kniete er nieder und löste seine Beinschienen. Alema wartete, bis er anfing, sich die tenupianischen Bakterien ins Fleisch zu massieren, dann lächelte sie bei sich.
Gleichgewicht.
Sie wandte sich der Frauenstimme zu und war überrascht, eine ganze Reihe umhangbewehrter Gestalten zu entdecken, die oben auf dem Balkon standen. Abgesehen von Unterschieden in Körpergröße und Figur ähnelten sie alle der Gestalt, die sie auf Lumiyas Datenchip gesehen hatte, zumal alle die Kapuzen ihrer dunklen Umhänge nach vorn gezogen hatten, um ihre Gesichter zu verhüllen.
»Wie lautet Eure Frage?« Die Stimme war tief und rau und männlich, und sie kam von einer Gestalt in der Mitte des Balkons, einer mit blassen weißen Augen, die unter der Kapuze kaum auszumachen waren. »Und keine Spielchen, Jedi. Wir Sith waren noch nie für unsere Geduld bekannt.«
Alema ließ ihren Blick über den Balkon schweifen. »Wie könnt Ihr alle Sith sein?«, fragte sie. »Man lehrte uns, dass es niemals mehr als zwei gibt, einen Meister und einen Schüler.«
»Man hat Euch in den alten Wegen unterrichtet«, sagte die Stimme. »Jetzt sind wir alle nur noch ein Sith.«
Alema hatte mehr als dreißig gezählt, doch es diente ihren Zwecken nicht, wenn sie den Mann auf seine offenkundige Lüge hinwies. Ungeachtet dessen, was sie Morto gesagt hatte, hatte sie nicht die Absicht, hier etwas über den Sith-Orden in Erfahrung zu bringen – auch wenn sich das zweifellos als nützlich erweisen würde. Alles, was sie wollte, war, sich um Jacens willen ihre Unterstützung zu sichern. Sie griff in ihren Umhang, um Lumiyas Datenchip hervorzuholen – dann hob sie die Augenbrauen, als ihre Geste dafür sorgte, dass innerhalb eines Lidschlags dreißig Lichtschwerter zum Leben erwachten.
»Schmeichelhaft, aber so gefährlich sind wir nun auch wieder nicht.« Sie hielt den Datenchip in die Höhe, den sie aus Lumiyas Habitat mitgenommen hatte. »Dies ist der Datenchip, den wir …«
Bevor sie den Satz zu Ende bringen konnte, wurde ihr der Chip aus der Hand gerissen und schwebte zu dem Sith mit den weißen Augen empor. Er musterte ihn, ohne sich die Mühe zu machen, ihn in irgendeine Art von Datenlesegerät einzuführen, dann nickte er den anderen zu.
»Das ist er.« Sein Blick kehrte zu Alema zurück. »Wo habt Ihr ihn gefunden?«
»Am selben Ort, an dem ich auch an mein Sith-Schiff gelangt bin«, sagte Alema, überzeugt davon, dass sie bereits jemanden beim Raumhafen hatten, der Schiff beobachtete, es vielleicht sogar hierherfliegen ließen. »Ich habe ihn von meiner … Meisterin geerbt, Lumiya.«
In den weißen Augen blitzte Argwohn auf. »Ihr seid sehr freigebig mit Euren Antworten. Das waren zwei auf eine Frage.«
Alema zuckte die Schultern. »Wir haben keinen Grund zu glauben, dass Ihr uns betrügt«, sagte sie. »Wo wäre da der Sinn, wenn Ihr ohnehin vorhabt, uns zu töten?«
»In der Tat«, sagte Weißauge. »Eure Frage?«
»Wir können uns zwar nicht vorstellen, dass Ihr in dieser Bruchbude eine HoloNet-Verbindung habt«, sagte sie. »Aber wir nehmen an, dass Ihr über Mara Skywalkers Tod unterrichtet seid.«
»Wir haben unsere Informationsquellen, ja«, entgegnete Weißauge.
»Das dachten wir uns«, sagte Alema. »Wisst Ihr auch, dass wir sie getötet haben?«
Kein Laut durchbrach das Schweigen, das über dem Innenhof lastete, doch Überraschung und Unglauben gleichermaßen wühlten die Dunkelheit auf.
»Ihr?«, fragte Weißauge schließlich.
Alema nickte. »Wir.«
Sie konnte spüren, wie Weißauge und die anderen ihre Machtaura studierten, als sie zu bestimmen versuchten, ob sie die Wahrheit sprach oder nicht. Sie würden keine Lüge entdecken, weil sie in gewisser Weise tatsächlich für Maras Tod verantwortlich war. Mithilfe derselben Logik, die es dem Dunklen Nest einst erlaubt hatte, UnuThul zu kontrollieren, hatte sie alles genau durchdacht. Da sie sich im hapanischen Raum aufhielt, als Mara starb, hätte Mara anstelle von Lumiya auch sie verfolgen können, was bedeutete, dass Alema möglicherweise diejenige war, die wirklich die Verantwortung dafür trug, dass Mara über Jacen gestolpert war, und natürlich hieß das, dass Alema notwendigerweise die war, die die alte Hexe auf dem Gewissen hatte. Ganz einfach.
Es dauerte nicht lange, bis die Sith erkannten, dass Alema die Wahrheit sagte. Die Lichtschwerter, die sie bei ihrem Griff nach dem Datenchip aktiviert hatten, erloschen, indes die Kapuzenträger sie mit neu gewonnenem Respekt bedachten.
»Nun gut«, sagte Weißauge. »Ihr habt Mara Skywalker getötet. Weshalb seid Ihr hierhergekommen? Sucht Ihr eine Zuflucht?«
»Eine Zuflucht?« Die Frage beleidigte Alema zutiefst. »Haltet Ihr uns etwa für einen Feigling? Glaubt Ihr vielleicht, wir verkriechen uns, während Jacen Solo da draußen für das Gleichgewicht kämpft?«
Weißauge warf dem Sith zu seiner Linken einen verwirrten – möglicherweise auch verärgerten – Blick zu, bevor er fragte: »Wenn Ihr keine Zuflucht sucht, warum seid Ihr dann hierhergekommen?«
»Um Euch um Hilfe zu ersuchen«, erwiderte Alema. »Und um Führung.«
Die Macht wogte vor dunkler Verwirrung, und die Frau mit der kratzigen Stimme fragte: »Ihr wollt … Führung?«
»Von uns?«, fügte Weißauge hinzu.
»Exakt«, erwiderte Alema. »Die Wahrheit ist, dass Jacen Solo ohne Lumiyas Anleitung arg ins Straucheln geraten ist. Er hat sogar die Akademie besetzt.«
»Davon haben wir gehört«, sagte Weißauge. »Was hat das mit uns zu tun?«
Alema begriff langsam, dass die Sith nicht die Absicht hatten, ihre Leben zu riskieren, um Jacen zu unterstützen. Sie wollten sich einfach bloß hier verstecken, während er die ganze Drecksarbeit erledigte und sich all diesen tödlichen Risiken aussetzte, um ihnen die Galaxis am Ende auf dem Silbertablett zu servieren.
»Läuft das Ganze etwa so ab?«, wollte sie wissen. »Ihr erschafft Euch Eure Imperatoren und schickt sie einfach auf eigene Faust in die Galaxis hinaus? Kein Wunder, dass es nicht mehr als einen Farmerjungen und eine selbstverliebte Prinzessin brauchte, um Palpatine zu stürzen.«
Einen Moment lang herrschte vollkommenes Schweigen, und selbst die Macht schien erstarrt vor Entsetzen.
Schließlich fragte Weißauge: »Ihr glaubt, wir haben Jacen Solo ausgebildet?«
»Natürlich. Lumiya sagte, es gebe einen Plan.« Alema gab sich keine Mühe, die Verachtung aus ihrer Stimme herauszuhalten. Wie konnten diese Feiglinge Sith sein und sich hier in ihrem maroden Versteck verkriechen, während einer der ihren – ein einzelner Mann – die Galaxis eroberte? »Das waren ihre genauen Worte: Es gibt einen Plan – einen Plan, der ausgeführt werden wird, ganz gleich, ob ich überlebe oder nicht.«
Endlich schien Begreifen in den weißen Augen zu dämmern. »Lumiyas Plan – nicht unserer. Ihrer und Vergeres.«
Jetzt war es an Alema, überrascht zu sein. »Vergere war eine Sith?«
»Das wusstet Ihr nicht?«, fragte die Frau mit der kratzigen Stimme. »Ich dachte, Ihr wart Lumiyas Schülerin?«
»Erzählt Ihr Eurem Schüler alles?«, konterte Alema.
»Wohl kaum«, gab Weißauge zu. »Wie auch immer, Jacen Solo ist nicht unser Problem. Noch wollen wir, dass er dazu wird.«
»Was der Grund dafür ist, warum wir nicht zulassen können, dass Ihr diesen Ort lebend wieder verlasst«, fügte die Frau hinzu.
»Das sagtet Ihr bereits«, konterte Alema. »Aber wir wären längst tot, wenn Ihr nicht noch weitere Fragen hättet.«
Ungeachtet ihres aufmüpfigen Benehmens wusste Alema, dass ihre Zeit ablief. Die Sith waren gefährlich kurz davor zu glauben, alles von ihr erfahren zu haben, was es zu wissen galt, und sobald sie sich dessen gewiss waren, würden sie zum Angriff übergehen. Sie musste bloß sicherstellen, dass Morto nicht zu denen gehörte, die ihr zu nahe kamen, wenn es so weit war – das Letzte, was ihr armseliger Körper jetzt brauchte, war eine Dosis fleischfressender Bakterien.
»Wer ist jetzt mit dem Fragen dran?«, forschte sie.
»Sagen wir, Ihr seid an der Reihe«, bot Weißauge an. »Das ist das Mindeste, was wir für Euch tun können.«
»Wie galant.« Alema wies auf die Stelle, wo vorhin der Datenchip geschwebt hatte, der mittlerweile allerdings irgendwo in den Untiefen von Weißauges Umhang verschwunden war. »Diese Botschaft, die Ihr Lumiya geschickt habt. Wenn Ihr nichts mit ihrem Plan zu schaffen haben wolltet, warum habt Ihr sie dann hierher eingeladen?«
»Wir sandten ihr die Nachricht, bevor sie ihr Vorhaben ersann«, erklärte Weißauge. »Unser Meister wollte, dass sie sich unserer Organisation anschließt, doch sie und ihre Eskorte wurden von den Yuuzhan Vong überfallen. Lumiya entkam. Lomi Plo und ihrer Schülerin gelang es, …«
»Lomi Plo war eine von Euch?«, keuchte Alema. »Wirklich?«
»Woher kennt Ihr Lomi Plo?«, fragte Morto, der in Alemas erfahrenen Ohren wie ein Liebeskranker klang. Er trat dichter heran und näherte sich ihr von hinten. »Was ist mit ihr geschehen?«
Alema antwortete, ohne sich umzudrehen. »Lomi Plo war unsere, ähm, Meisterin.« Rasch entfernte sie sich einige Schritte von Morto. »Sie starb bei der Schlacht von Tenupe.«
»Ihr lügt.« Morto folgte ihr weiterhin. »Warum sollte sie gegen Killiks kämpfen?«
»Das hat sie nicht getan, Dummkopf.« Alema drehte sich um, damit sie ihn ansehen konnte, wich aus Furcht vor seiner Berührung und dem Verlust des letzten bisschens Schönheit, das ihr geblieben war, jedoch weiterhin vor ihm zurück. »Sie hat für Gorog gekämpft. Sie war unsere Königin.«
Morto blieb wie angewurzelt stehen. »Sie war ein Käfer?«
»So solltet Ihr nicht von ihr sprechen!« Hätte Alema keine Angst gehabt, ihm zu nahe zu kommen, hätte sie ihm eine so schallende Ohrfeige verpasst, dass ihm die Augen aus den Höhlen flogen. »Wir dachten, Ihr hättet sie geliebt. Oder etwa nicht?«
»Mortos Gefühle für seine Meisterin gehen Euch nichts an«, krächzte die Frau. »Und ich dachte, Lumiya wäre Eure Meisterin gewesen.«
»Vor Lumiya war es Lomi Plo. Wir scheinen unsere Meisterinnen so rasch zu verschleißen wie unsere Männer.« Alema wich noch weiter von Morto zurück, ehe sie sich wieder den Sith auf dem Balkon zuwandte. »Dann hattet Ihr nichts mit Jacens Verwandlung zu tun?«
Weißauge schüttelte den Kopf. »Unser Meister lernte Vergere kennen, als er von den Yuuzhan Vong gefangen gehalten wurde. Ihr gefiel seine Vision der Einen Sith.«
»Aber nach der ersten Schlacht von Bilbringi entkam sie den Yuuzhan Vong und traf auf Lumiya«, fuhr die Frau fort. »Und Lumiya überzeugte sie davon, dass der Plan unseres Meisters zu viel Zeit kosten würde; dass Skywalkers Jedi bereits zu stark seien, um sie noch bezwingen zu können, wenn die Einen Sith schließlich bereit wären zuzuschlagen.«
»Also beschlossen sie, Jacen zu erschaffen«, endete Weißauge.
»Sie haben das Richtige getan«, beharrte Alema. »Und wenn Ihr Jacen jetzt nicht helft, werden die Jedi ihn vernichten, und dann ist das Gleichgewicht dahin.«
»Das Gleichgewicht?«, fragte Weißauge. »Welches Gleichgewicht meint Ihr?«
»Ihr wisst nichts vom Gleichgewicht?« Alema konnte nicht glauben, dass ein Sith-Meister etwas Derartiges fragen musste. »Zwischen jedem Machtkundigen und der Macht selbst besteht ein Gleichgewicht. Zwischen jedem Machtnutzer und seinen Feinden besteht ein Gleichgewicht. Wir dienen dem Gleichgewicht, indem wir unseren Feinden das antun, was sie uns antun. Wenn wir versagen, wird die Macht selbst vergehen …«
»Genug.«
Weißauge hob eine schwarz behandschuhte Hand, und Alema stellte fest, dass ihr die Worte im wahrsten Sinne im Halse stecken blieben. Er warf den Kapuzenträgern zu beiden Seiten des Balkons über dem Innenhof einen fragenden Blick zu. Als alle darauf mit einem Nicken reagierten, wandte er sich wieder dem Hof zu und schaute an Alema vorbei zu Morto.
»Ich denke, unsere Fragen wurden beantwortet.«
Mortos Lichtschwert erwachte brummend zum Leben. Zu Alemas Überraschung stellte sie fest, dass sie sich weiterhin frei bewegen konnte – dass sie imstande war, nach ihrem eigenen Lichtschwert zu greifen und herumzuwirbeln, um sich zu verteidigen –, und ihr wurde klar, dass die Sith ihren Tod zu einer Übungslektion für Morto machen wollten. Sie schnappte sich ihre Waffe vom Gürtel, doch statt sie zu aktivieren, wich sie zurück und hob sie empor, als würde sie um die Erlaubnis bitten, etwas sagen zu dürfen.
»Wartet.« Alema musste das Wort krächzen, da Weißauge sie nach wie vor mit der Macht zum Schweigen brachte. »Eine letzte … Frage.«
Die Macht vibrierte vor Ungeduld, doch unversehens schwand der Druck von Alemas Kehle.
»Nun gut«, sagte Weißauge. »Eine letzte Frage.«
»Vielen Dank.« Alema klemmte sich ihr Lichtschwert unter den Arm und rieb sich den Hals, ehe sie sagte: »Luke Skywalker wird bald dahinterkommen, wer seine Frau getötet hat. Wollt Ihr wirklich, dass er uns hierher folgt?«
Die Ungeduld in der Macht verwandelte sich erst in Bedenken und Besorgnis und dann in Enttäuschung. Weißauge und die anderen tauschten eine lange Reihe von Blicken, ehe sie wortlos zu dem Konsens zu kommen schienen, den Alema erwartet hatte.
»Steckt Euer Lichtschwert weg, Morto«, sagte die Frau mit der Kratzstimme.
Als Morto dem nicht schnell genug nachkam, blitzten die weißen Augen in seine Richtung und schleuderten ihn durch die Luft. Der Flug endete mit dem scharfen Knacken von Schädel gegen Stein, gefolgt von scheppernder Rüstung und einem erlöschenden Lichtschwert. Alema warf einen Blick hinter sich und sah den Togorianer am Fuß einer Stützsäule sitzen, eine Hand gegen den blutenden Kopf gepresst.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Aber wir bräuchten schon ein bisschen mehr Hilfe als das.«
Weißauges Blick richtete sich auf Alema. »Ihr werdet über Nacht bleiben«, befahl er. »Vielleicht können wir doch etwas für Jacen Solo tun.«