Epilog

»Das war das dümmste Manöver, das ich je gesehen habe«, verkündete Han allen, die zuhörten – was angesichts seiner Lautstärke auf jeden in der Großen Unterredungskammer von Tenel Kas Flaggschiff, der Drachenkönigin, zutraf. »Und ich habe schon einige ziemlich dumme Manöver gesehen. Was bei allen Welten hat Sie bloß dazu gebracht vorzurücken, als Jacen gewendet hat, um Sie ins Visier zu nehmen?«

Admiral Babos gelbe Augen blitzten golden auf, doch er überging die Beleidigung mit einem höflichen Lächeln, das lediglich die Spitzen seiner Bothaner-Fangzähne sehen ließ. Selbst Han musste zugeben, dass das im Hinblick auf seine gegenwärtige Gesellschaft überaus beherrscht war. Mit ihnen saßen einige Dutzend hohe Tiere der Ad-hoc-Koalition am Konferenztisch, die gerade versucht hatte, Jacen zu pulverisieren, um der Galaxis weiteres Übel zu ersparen.

»Wir glaubten, es sei eine Finte der Allianz«, erklärte Babo viel zu geduldig, um ehrlich zu sein. »Uns wäre niemals in den Sinn gekommen, dass er die Absicht haben könnte, einen so törichten Angriff weiterzuführen.«

»So töricht kann das Ganze ja nicht gewesen sein – immerhin hat es funktioniert.« Wie nahezu jeder, der einige Stunden zuvor Zeuge von Jacens wundersamer Flucht geworden war, versuchte auch Han immer noch zu begreifen, wie die Bothaner das zulassen konnten. »Alles, was Sie tun mussten, war, sich zurückfallen zu lassen! Dann hätte er in der Falle gesessen.«

»Was dem Feind zweifelsohne bewusst war«, entgegnete Babo. »Ihr Sohn ist ein meisterhafter Taktiker, Captain Solo. Das mussten wir bei unserem Vorgehen mit einkalkulieren.«

Beim Wort Sohn zuckte Han innerlich zusammen und spürte, wie Leia neben ihm ganz angespannt war, doch keiner von ihnen korrigierte den Admiral. Für sie waren mittlerweile ihre beiden Söhne tot – aber das war etwas, das sie allein anging, etwas, das sie sich lediglich in der Abgeschiedenheit an Bord des Falken eingestanden.

Leia legte Han beruhigend eine Hand auf den Arm, ehe sie sagte: »Jacen hatte Glück. Er ging ein Risiko ein, indem er annahm, dass Sie die Situation noch einmal überdenken würden, aber genau das haben Sie getan.«

»Vielleicht hat dabei auch ein gewisser Machtdruck eine Rolle gespielt«, fügte Luke vom anderen Ende des Tisches hinzu. Mit seinem zerschundenen Gesicht, zwei blauen Augen und einem halben Dutzend Schienen und Bandagen, die seine Robe nicht gänzlich verbarg, sah er aus, als hätte er die Tracht Prügel, die Leia und Jaina ihm für den Fall angedroht hatten, dass er jemals wieder seinen Tod vortäuschte, tatsächlich bezogen. »Womöglich hat der Colonel antike Kampfmeditationstechniken eingesetzt, um seine Widersacher zu verwirren.«

Babos Ohren richteten sich auf. »Das würde vieles erklären«, sagte er. »Umso mehr fühlt sich die Konföderation verpflichtet, Kashyyyk, das Hapes-Konsortium und den Jedi-Orden zu bitten, unserer Koalition beizutreten.«

Tenel Ka am Kopf des Tisches brach ihr gelassenes Schweigen und sagte: »Ich hoffe, Bothawui hat das heutige Vorgehen des Hapes-Konsortiums nicht fehlinterpretiert.« Sie hatte ihre Machtfähigkeiten eingesetzt, um sämtliche Hinweise auf die Tränen zu verschleiern, die sie vergossen hatte, nachdem sie auf Jacen feuern ließ, doch ihr zurückhaltendes Auftreten gab ihren Kummer preis. »Weder billigen wir die jüngsten Aggressionen der Konföderation, noch wollen wir in irgendeiner Form daran teilhaben. Entsprechend gilt unsere gesamte Unterstützung weiterhin der Galaktischen Allianz.«

Babo zog seine buschigen Brauen zusammen. »Aber Ihr habt Colonel Solo angegriffen

»Colonel Solo ist nicht die Allianz«, entgegnete Tenel Ka.

»Habt Dank, dass Ihr das klargestellt habt, Euer Majestät.« Babo legte enttäuscht die Ohren an, doch er wandte sich sogleich an Tojjelnoot, der rechts von Luke saß. »Was ist mit Kashyyyk? Die Wookiees haben guten Grund dazu, der Konföderation zu helfen – so, wie die Konföderation ihnen geholfen hat.«

Tojjelnoot nickte zustimmend, dann erhob er sich und verfiel in eine zehnminütige Tirade, bei der er jedem Mitglied der Konföderation dafür dankte, zu Kashyyyks Verteidigung herbeigeeilt zu sein, ehe er versprach, diese Schuld fünffach zurückzuzahlen. Als Nächstes listete er eine Reihe von Bedenken auf, die die Wookiees in Bezug darauf hatten, dass die Konföderation die Gesetze der Allianz missachtete, und wies darauf hin, dass sowohl Corellia als auch Bothawui teilweise für den Angriff auf Kashyyyk verantwortlich waren, weil sie den Krieg überhaupt erst vom Zaun gebrochen hatten. Er verbrachte weitere fünf Minuten damit, die Klugheit von Tenel Kas Entscheidung zu rühmen, merkte jedoch an, dass sich Kashyyyks Interessen sehr von denen des Konsortiums unterschieden. Er endete mit einer langen Lobrede auf Meister Skywalkers Weisheit, bevor er erklärte, dass die Wookiees gern erst die Meinung aller Seiten hören würden, bevor sie eine Entscheidung trafen.

Natürlich verstand Babo nicht das Geringste von dem, was Tojjelnoot sagte, und sah C-3PO um eine Übersetzung heischend an.

»Tojjelnoot dankt den Admirälen Babo, Kre’fey und For’o und ihren Flotten sowie der gesamten bothanischen Raumflotte für ihre heutige Unterstützung«, begann der Droide, der die lange Ansprache des Wookiees aus dem Speicher rezitierte. »Darüber hinaus dankt er Königinmutter Tenel Ka und Prinz Isolder …«

Han bemerkte, wie Babos Augen glasig wurden, und hob eine Hand, um den Droiden zum Schweigen zu bringen. »Hier ist die Kurzversion«, sagte er. »Die Wookiees wollen hören, was Luke dazu zu sagen hat.«

Alle Blicke richteten sich auf Tojjelnoot, der ein einzelnes bestätigendes Knurren ausstieß.

»Nun gut«, sagte Babo. »Wie ist denn der Standpunkt der Jedi?«

Luke dachte einen Moment nach, ehe er sich in seinem Sessel nach vorn schob. »Unser Standpunkt ist folgender: Solange Jacen die Allianz kontrolliert, gibt es keine Allianz.«

Auf Babos Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. »Dann sind wir uns also einig.«

»Was das angeht, ja.« Während Luke das sagte, suchte er Hans und Leias Blick, als ihm mit einem Mal bewusst wurde, welchen Schmerz seine Worte ihnen bereiten mussten. »Allerdings können die Jedi die Konföderation lediglich unterstützen, wenn sie ihre Kampfhandlungen im Kern einstellt. Wir können Jacen mit subtileren Mitteln stürzen. Ich bin überzeugt davon, dass alle Parteien ihre Differenzen auf friedfertigere Weise beilegen können, sobald Jacen Solo nicht länger an der Spitze der Allianz steht.«

Babos Grinsen verschwand. »Dann würdet Ihr also zulassen, dass sich die Allianz neu formiert?« Er schüttelte vehement den Kopf. »Das ist unakzeptabel.«

Luke nickte höflich und stand auf. »Ich dachte mir bereits, dass Sie das so sehen würden«, sagte er. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich sollte wirklich bei meinem Sohn auf der Krankenstation sein.«

Babos Augen weiteten sich. »Ihr geht? Ohne darüber zu diskutieren?«

»Ich habe den Standpunkt der Jedi hinreichend deutlich gemacht«, sagte Luke. »Was gäbe es wohl sonst noch, worüber wir uns unterhalten müssten?«

Babo ließ seine Schnauze zuschnappen, und Han wurde klar, dass das Treffen unmittelbar davorstand, zu einem fruchtlosen Ende zu kommen, das den Krieg um Jahre verlängern würde. Er warf einen Blick zu Leia hinüber und neigte den Kopf in Lukes Richtung, um ihr mit einem Stirnrunzeln zu verstehen zu geben, dass es höchste Zeit wurde, etwas zu unternehmen.

Sie schaute finster drein. »Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen?«, flüsterte sie. »Luke ist der Großmeister. Ich bin bloß eine Jedi-Ritterin.«

Auf der anderen Seite des Tisches erhob sich Babo und gab damit das Zeichen zum Aufbruch, als die übrigen Konföderationsoffiziere seinem Beispiel folgten.

»Vielleicht habt Ihr recht, Meister Skywalker«, sagte der Bothaner. »Wie es scheint, haben wir tatsächlich keinerlei gemeinsame Interessen.«

»Aber muss uns das zu Gegnern machen?«, fragte Han und blieb demonstrativ in seinem Sessel sitzen. »Ich meine, zumindest in der gegenwärtigen Situation?«

Babos Blick glitt zu Han. »Haben Sie einen Vorschlag, Captain Solo?«

»Klar«, sagte Han. »Warum, ähm, ignorieren wir einander nicht einfach für eine Weile?«

»Einander ignorieren?«, fragte Babo. »Das ist ein reichlich vager Begriff, Captain Solo. Vagheit führt zu Missverständnissen – und Missverständnisse haben die schreckliche Angewohnheit, Tragödien auszulösen.«

»Ich denke, was Han zu sagen versucht, ist, dass wir uns gegenseitig als neutral betrachten sollten«, sagte Leia. »Wenn wir einander nicht in die Quere kommen, müssen wir keine Ressourcen dafür aufwenden, uns gegenseitig im Auge zu behalten – Ressourcen, die man nutzbringender gegen Jacen einsetzen könnte.«

Babo nickte. »Ich bin sicher, dass die Konföderation mit dieser Regelung einverstanden ist. Allerdings müsste sich die Allianz bereit erklären, gegen keine unserer Operationen zu intervenieren, auch nicht gegen solche, die nach den Normen der Kriegsführung gemeinhin als … extralegal gelten.«

»Extralegal?«, fragte Han. »Was soll das denn heißen?«

»Das heißt so viel wie ›außerhalb des Gesetzes‹ – und dass die Bothaner Attentäter auf Jacen ansetzen werden«, sagte Leia, die Babo nicht aus den Augen ließ. »Und sie wollen, dass wir das billigen.«

»Ihr Sohn hat die Ermordung Tausender Bothaner auf Coruscant befohlen«, erinnerte Babo sie. »Wenn Sie ihn wirklich aufhalten wollen, dürften Sie damit eigentlich kein Problem haben.«

Luke sah wieder zu Han und Leia hinüber, und Bedauern und Verzagen lagen in seinem Blick. »Die Jedi werden ihre eigenen Pläne verfolgen, um Jacen zur Strecke zu bringen, aber wenn Sie wirklich glauben, dass Ihre Attentäter ihn eliminieren können, tun Sie, was Sie für richtig halten.«

Leia nickte. »Wir werden Sie nicht daran hindern, es zu versuchen.«

Babo wandte sich an Han. »Captain Solo?«

»Ja, okay. Sorgen Sie nur dafür, dass niemand ins Kreuzfeuer gerät.« Han ergriff Leias Hand und stand auf. Es war eine Sache, für sich selbst bereits mit Jacen abgeschlossen zu haben; jemand anderem die Erlaubnis zu erteilen, ihn zur Zielperson zu machen, war etwas vollkommen anderes. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«

Kurz darauf verließen sie das Treffen und eilten zum Falken zurück, um im Stillen ihre Tränen zu vergießen. Leia streckte die Arme über den Tisch in der Bordküche aus und nahm Hans Hände, ehe sie die Frage stellte, die ihnen beiden seit jenem Tag im Kopf herumspukte, an dem sie sich entschlossen hatten, sich beim Felsenrat gegen Jacen zu stellen; die Frage, die jedes Mal schwerwiegender geworden war, wenn eine neue Gräueltat sie dazu gezwungen hatte, gegen das Stellung zu beziehen, was aus ihrem Sohn geworden war.

»Han, was haben wir getan?«

Han glitt um den Tisch herum und nahm sie in die Arme. »Dasselbe wie immer, Prinzessin«, sagte er. »Was wir tun mussten.«