18. Kapitel

Wie alles andere im Zusammenhang mit dem Brunnenpalast war auch der im Lächeln der gewaltigen Felsskulptur einer betörend schönen hapanischen Königin verborgene Geheimeingang zum Königlichen Hangar ein Zeugnis von Reichtum und Macht des Hapes-Konsortiums. Darüber hinaus war er dazu gedacht, die geschmeidigen kleinen Skiffs und Sportketschen unterzubringen, die Boten oder heimliche Liebespaare flogen, keine plumpen Raumfrachter wie den Millennium Falken.

Als sie durch den Zugangstunnel glitten, musterte Han die lange Reihe von Kristalllumelieren, die von der Decke herabhingen, und hoffte, dass sich C-3PO in Bezug auf den Raum, der ihnen zum Manövrieren zur Verfügung stand, nicht geirrt hatte. Es war zwar nicht Tenel Kas Art, ihm Vorhaltungen zu machen, falls er irgendwo gegenstieß – aber das würde es ihnen auch nicht leichter machen, sie davon zu überzeugen, dass Jacen aufgehalten werden musste.

Auf dem Kopilotensitz holte Leia plötzlich tief Luft, gefolgt von einigen scharfen, kurzen Atemzügen.

Hans Blick fiel auf die Manövrieranzeige. »Was habe ich erwischt?« Soweit er das beurteilen konnte, hatte er zu allen Seiten mindestens noch zehn Zentimeter Platz. »Ich habe gar nichts davon mitbekommen.«

Als Leia nicht antwortete, sagte C-3PO: »Ich glaube nicht, dass Sie schon irgendwo angestoßen sind, Captain Solo – noch nicht

»Du brauchst überhaupt nicht so enttäuscht zu klingen.« Han wandte sein Augenmerk wieder dem vorderen Sichtfenster zu und richtete die Landemandibeln des Falken aus, die sich direkt unter dem letzten Deckenlumelier befanden. »Ist ja nicht so, als hättest du dich auf die Wette eingelassen.«

»Es hätte keinen Zweck, gegen Sie zu wetten«, entgegnete C-3PO. »Ich könnte meine Gewinne nirgendwo anlegen. Es ist Droiden nicht erlaubt, Finanzkonten mit einem Gesamtvermögen von mehr als einer Million Credits zu besitzen.«

Han hätte darauf erwidern können, dass C-3PO sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen brauchte, doch er wusste, dass sich der Droide an jede Wette erinnern konnte, die er ihm jemals angeboten hatte, und er hatte wirklich keine Lust, sich die unvermeidliche Aufzählung der Gewinne anzuhören, die C-3PO zuständen, wenn sie jemals gewettet hätten.

Als der Falke den Zugangstunnel schließlich hinter sich gelassen hatte und in den weitläufig opulenten Hangar der Königinmutter schwebte, schaute Han neben sich, um zu sehen, warum Leia ihm immer noch nicht geantwortet hatte.

Sie saß vornübergebeugt in ihrem Sitz, von ihrem Sicherheitsgeschirr gehalten, eine Hand auf ihren Mund gepresst. Ihre Augen waren starr auf das vordere Sichtfenster gerichtet und sahen irgendwie, nun, darüber hinaus, und sie hatte diesen Blick an sich. Hans Herz sackte nach unten – alles in ihm sackte nach unten –, und als der Falke auf die orangefarbenen Einweisungsleuchten zuschwenkte, war er sich nicht einmal darüber im Klaren, dass er den Steuerknüppel in diese Richtung bewegte.

»Oh … oh!«, keuchte er. »Nicht schon wieder … Nicht Jaina!«

»Nein, Jaina geht es gut.« Leia schüttelte den Kopf, aber sie wirkte wie jemand, der gerade Zeuge geworden war, wie ein Stern explodierte. »Nun, in gewisser Weise. Ich weiß es nicht.«

»Du weißt es nicht?«, forschte Han.

Am liebsten hätte er eine Salve Erschütterungsraketen in die Hangarmauer gefeuert, so als ob er den Sonnenhammer in den Kern der Galaxis schießen würde. Falls Jaina etwas zugestoßen war, gab es jetzt bloß noch Leia und ihn, weil Jacen keine Rolle mehr spielte; auf dem Weg nach Hapes hatten sie über alles gesprochen, ruhig und friedlich, und sie hatten ungefähr zwei Minuten gebraucht, um zu dem Schluss zu gelangen, dass ihre beiden Söhne jetzt tot waren; dass Jacen für sie gestorben war. Wenn sie Jaina auch noch verloren, war das womöglich zu viel für sie; Han wusste nicht, ob er noch einmal so stark sein konnte, ob er die Kraft besaß, Leia noch einmal auf diesem Weg zu begleiten, den sie gemeinsam gegangen waren, als Anakin starb.

Er schaffte es, den Falken in eine Landebucht zu steuern und den Raumfrachter auf den Landestützen aufzusetzen, dann atmete er ein paarmal tief durch und probierte es mit einer dieser Jedi-Beruhigungstechniken, die Leia ihm beigebracht hatte, um sich unter Kontrolle zu halten.

»Okay«, sagte er. »Was meinst du mit in gewisser Weise? Entweder spürst du, dass sie am Leben ist, oder nicht.«

Endlich schien Leia zu begreifen, was für Panik sie in ihm auslöste, und streckte den Arm aus, um seine Hand zu umklammern. »Ihr geht es gut – ich meine, sie kommt wieder in Ordnung. Ich glaube, sie ist bestürzt, weil sie dasselbe gespürt hat, wie ich gerade – vielleicht hat sie es sogar mit angesehen.«

»Was mit angesehen?«

Leia drückte seine Hand. »Luke …«

Weiter kam sie nicht, bevor sie weinend und schluchzend zusammenbrach, und mehr brauchte sie Han auch nicht zu sagen. Luke war tot. Irgendwie schien das vollkommen unmöglich, da ein ungeschriebenes Naturgesetz besagte, dass erst die Galaxis zur Hölle fahren musste, bevor Luke an der Reihe war. Aber er wusste, dass es das war, was Leia meinte.

»Das ist nicht dein Ernst.« Han wusste nicht, was er sonst sagen sollte. »Das kann nicht dein Ernst sein.«

Leia schüttelte den Kopf. »Ich habe diese Verwunderung gespürt, und dann … diese Qual. Und dann war Luke einfach weg.«

Sie saßen wer weiß wie lange in ihren Sitzen, während Leia ihren Tränen freien Lauf ließ und Han zu benommen war, um mehr zu tun, als ihre Hand zu halten. Zuerst Mara und jetzt Luke. Das war kein Zufall mehr. Er fragte sich, ob womöglich irgendeine dunkle Strömung in der Macht beschlossen hatte, die Skywalkers auszulöschen. Oder womöglich hatte Luke entschieden, Mara in die Macht zu folgen, und war im Zuge dessen mit seinem Lichtschwert auf einen Sternenzerstörer losgegangen oder so etwas. Das Einzige, was Han mit Bestimmtheit wusste, war, dass Luke nicht auf die übliche Weise abgetreten sein konnte, bei einem Lichtschwertduell oder einem Raumkampf, oder indem er einen Fußweg verließ, ohne nach links und rechts zu gucken. Dazu brauchte es schon etwas Gewaltiges wie einen explodierenden Planeten … oder eine plötzliche Veränderung der physikalischen Grundgesetze.

Nach einer Weile hallte ein zögerliches Klopfen durch die Außenhülle, das aus Richtung der noch immer geschlossenen Einstiegsrampe drang.

»Vielleicht sollte ich öffnen«, bot C-3PO an. »Hangarsicherheitsoffiziere neigen heutzutage dazu, überaus ungehalten auf verdächtiges Verhalten zu reagieren.«

»Danke, Dreipeo«, sagte Han. »Sag ihnen, dass wir gerade eine schlechte Nachricht erhalten haben. Wir brauchen noch einen Moment, um uns wieder zu sammeln.«

»Nein.« Leia tupfte sich ihre Augen ab. »Sag ihnen, dass wir gleich rauskommen.«

»Selbstverständlich, Prinzessin Leia.« C-3PO begann sich abzuwenden, dann verharrte er. »Und mein aufrichtiges Beileid wegen Master Luke. Ob Erzwo wohl bei ihm war?«

Leia schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Dreipeo. Das weiß ich nicht.«

»Ja, nun … Wenn Master Luke es für notwendig erachtet hat zu sterben, bin ich mir sicher, dass Erzwo bei ihm sein wollte.«

Ein weiteres Klopfen hallte durch die Außenhülle, diesmal mit mehr Nachdruck, und C-3PO ging nach achtern. Leia löste das Sicherheitsgeschirr und stand auf, ehe sie ihr Gesicht in der Spiegelung der Kanzel betrachtete.

»Dann muss ich das hier eben mit verquollenen Augen durchziehen«, sagte sie. »Lass uns gehen.«

»Bist du sicher, dass du dem gewachsen bist?«, fragte Han. »Tenel Ka gehört so gut wie zur Familie. Sie hat mit Sicherheit Verständnis dafür, wenn du ein bisschen Zeit brauchst …«

»Danke, Han, aber wir haben keine Zeit.« Sie drückte seinen Arm. »Nicht solange Kashyyyk brennt.«

Sie marschierte nach achtern und zog Han mit sich. Vor vierzig Jahren war sie wie ein neuer Stern in sein Leben geplatzt, um anschließend die ganze Zeit über hell weiterzuleuchten – sein Leitstern und sein Signalfeuer. Daher wusste er nicht recht, warum ihre Stärke ihn jetzt so überraschte, warum er nicht damit gerechnet hatte, dass sie diesem Verlust mit demselben Schneid trotzte, mit dem sie sich sämtlichen Widrigkeiten stellte. Vielleicht lag es daran, dass es ihm selbst so schwerfiel, Lukes Tod zu akzeptieren. Da er nicht zu denen gehörte, die imstande waren zu fühlen, wie jemand starb, musste er immer noch den Leichnam sehen, ehe er derlei glauben konnte.

Als sie das Schott erreichten, stießen sie auf eine kleine Ehrengarde Königlicher Flottensoldaten, die im Hangar wartete. Der Captain, eine bemerkenswerte Frau mit schmalen grünen Augen und vollen, dunklen Lippen, trat zum Fuß der Einstiegsrampe und verbeugte sich förmlich.

»Willkommen, Prinzessin. Ihre Majestät bat mich, Euch unverzüglich zu ihr zu bringen.« Der Captain deutete hinter sich, wo – in etwa zwanzig Metern Entfernung – zwei Türhälften aus gehämmertem Aurodium in einen antiken mechanischen Aufzug führten. »Wenn Ihr mir bitte folgen würdet; Eure Eskorte kann sich uns anschließen.«

Han runzelte die Stirn und tat es Leia gleich, indem er nicht die Rampe hinabstieg. »Unsere Eskorte

Der Captain warf ihm einen verdrießlichen Blick zu, reagierte jedoch so wie jede gut ausgebildete hapanische Offizierin, die von einem männlichen »Diener« einer auswärtigen Diplomatin angesprochen wurde – sie ignorierte ihn. Han biss die Zähne zusammen und wartete geduldig darauf, dass Leia die Führung übernahm. Viertausend Jahre hapanischer Tradition mit Füßen zu treten würde nicht unbedingt den besten Eindruck bei Tenel Ka machen.

Leia war mit den Gedanken offenbar ganz woanders, da es einige Sekunden dauerte, bis sie schließlich sagte: »Wir sind allein gekommen, Captain. Von welcher Eskorte sprechen Sie?«

Die Offizierin runzelte die Stirn und wollte gerade antworten, als eine schlanke Gestalt in einem schwarzen Pilotenoverall in Sicht trat. Nach dem langen Flug von Kashyyyk hierher waren die Ringe unter ihren Augen noch tiefer, und ihr lockiges, vom Helm platt gedrücktes Blondhaar schimmerte vom Schweiß.

»Von mir«, sagte Tahiri.

Han furchte die Stirn, und Leia stellte die Frage, die ihm ebenfalls auf der Zunge lag: »Was machst du denn hier?«

»Ich bin hergekommen, um zu sehen, was ihr hier treibt«, entgegnete Tahiri. Han bemerkte, dass sich ihre Hand unweit des Lichtschwerts befand, das an ihrem Gürtel baumelte. »Und ich glaube nicht, dass mir die Antwort darauf gefallen wird.«

»Dann verschwinde, und komm uns nicht in die Quere.« Han hatte das ungute Gefühl, dass er allmählich begriff, warum Tahiri ihnen gefolgt war – und vielleicht auch, wie es möglich gewesen war, dass Luke ums Leben kommen konnte. »Und an deiner Stelle würde ich mich sputen, ehe sich meine bösen Ahnungen bewahrheiten und ich mich vergesse.«

Der hapanische Captain sah Tahiri stirnrunzelnd an. »Sie sagten der Anflugkontrolle, dass Sie zu den Solos gehören.«

»In gewisser Weise stimmt das auch«, sagte Tahiri. »Ich bin hier, um sie zu verhaften.«

Han war klug genug, nicht nach seinem Blaster zu greifen, wenn er sich einer Jedi gegenübersah, die ihr Lichtschwert praktisch schon in der Hand hielt, doch er hatte jede Menge Zeit, ein Stück vom Schott zurückzutreten und die Hand nach der Türsteuerung auszustrecken. Unglücklicherweise ging Leia bereits die Rampe hinunter.

»Um uns zu verhaften?«, forschte Leia. »Willst du damit sagen, dass du auf Jacens Seite stehst?«

»Warum nicht?« Tahiri blieb unweit einer Landestütze stehen, ungefähr drei Meter neben der Einstiegsrampe. »Er tut bloß, was nötig ist, um die Allianz zu retten.«

»Das glaubst du doch nicht wirklich.« Han holte Leia ein und ergriff ihren Arm, ehe er sich weiter an Tahiri wandte: »Was hat er gegen dich in der Hand?«

»Gegen mich?« Tahiri schaute weg, und selbst Han konnte ihre Schuldgefühle erkennen – alles, was er dazu brauchte, waren zwei gute Augen und eine Menge Sabacc-Erfahrung. »Nichts«, sagte Tahiri. »Ich tue bloß, was richtig ist. Anakin hätte gewollt, dass ich Jacen unterstütze.«

Das war zu viel für Leia. »Anakin?«

Sie riss sich aus Hans Griff los, ehe sie ihren Fuß auf den Hangarboden setzte und lospolterte, dass Anakin Folter und Verschwörungen niemals gutgeheißen hätte. Tahiri griff nach ihrem Lichtschwert, und Han wurde klar, dass die junge Frau drauf und dran war, eine sehr hässliche Lektion über schlechtes Timing zu lernen.

Genau wie der Offizierin der Ehrengarde, deren Augen sich alarmiert weiteten, als sich Leia ihr eigenes Lichtschwert von ihrem Gürtel schnappte. »Legt sofort diese Waffen ab!«

Der Captain griff nach einer Blasterpistole und schickte sich an, zwischen Leia und Tahiri zu treten – bis Han nach unten sprang und sie am Kragen zurückzog.

»Lady, das sollten Sie wirklich lieber lassen …«

Hans Warnung verklang, als der Captain zu ihm herumwirbelte und ihm die Blasterpistole unter die Nase hielt.

»Okay … wenn Sie so scharf drauf sind.« Han hob die Hände und wich zurück. »Nur zu.«

Hinter der Frau erwachten summend zwei Lichtschwerter zum Leben, und Funken flogen, als Leia und Tahiri aufeinander losgingen. Als der Captain wieder herumwirbelte, lieferten sich die beiden Jedi bereits einen wilden Kampf voller aufblitzender Klingen und fliegender Tritte.

»Aufhören!«, befahl der Captain. Sie winkte ihrem Team, dessen Mitglieder die Energieeinstellung ihrer Blastergewehre sogleich auf Betäuben umlegten und die Mündungen auf die Kämpfenden richteten. »Sofort aufhören, oder wir eröffnen das Feuer!«

Leia donnerte Tahiri ihren Ellbogen so hart unters Kinn, dass ihr Kiefer knackte, und Tahiri rammte Leia ein Knie in die Rippen. Der Captain fluchte und wandte sich an den Rest der Garde.

»Warten Sie!«, sagte Han. »Das ist eine wirklich schlechte …«

»Feuer frei«, befahl der Captain.

Han ließ sich fallen und lag kaum am Boden, als auch schon ein Hagel Betäubungsschüsse auf das Gefecht zublitzte – um dann unversehens die Richtung zu wechseln, als die beiden Jedi die Salven wieder zu ihren Quellen zurückschickten. Die Soldatinnen krachten stöhnend und zuckend zusammen, und der Schädel des rothaarigen Captain donnerte gegen Hans, als sie geradewegs auf ihm landete.

Han rollte sich unter ihr hervor, fluchte und rieb sich den Kopf. Im Hangar schrillten Alarmsirenen, und königliche Wachen strömten aus verborgenen Nischen und durch Geheimgänge herein, doch die beiden Jedi schienen nichts davon mitzubekommen. Leia landete einen wilden, kraftvollen Tritt, der Tahiri rückwärts über den Querbalken einer Landestütze beförderte.

Tahiri grunzte und streckte die freie Hand nach einem herrenlosen Blastergewehr aus, um es hinterrücks gegen Leias Rücken krachen zu lassen; das Gewehr traf sie zwischen den Schulterblättern und stieß sie zu Boden. Leia rollte sich herum und riss die Beine über den Kopf hoch, um dann auf einem Fuß zu landen und eine Pirouette zu drehen, die geradewegs in einen Angriff überging, ihre Klinge auf einer Höhe mit Tahiris Hals.

»Warte!«, rief Han. »Nicht meine Landestütze!«

Leia drehte sich schneller und versuchte zuzuschlagen, bevor Tahiri Zeit hatte, ihre Attacke abzublocken, und das war der Moment, in dem Han klar wurde, dass seine Frau es wirklich ernst meinte – sie hatte nicht vor, der jüngeren Frau einfach bloß eine Lektion zu erteilen.

»Leia, nein!«

Der Einwand ließ Leia gerade lange genug zögern, dass Tahiri ihre Klinge abblocken konnte, dann war Leia wieder auf den Füßen, drängte Tahiri weiterhin gegen die Strebe, hämmerte auf ihre Verteidigung ein und deckte ihre Gegnerin mit einem gnadenlosen Gewitter aus Knie- und Ellbogenhieben von so ungestümer Wildheit ein, wie es bloß einer von Barabel trainierten Kämpferin möglich war.

»Leia, hör auf !«, rief Han. »Willst du sie etwa umbringen?«

Leia setzte ihren Angriff unbeirrt fort, und Han erkannte, dass es genau das war, was sie wollte. Sie hatte ein praktisches Ziel für ihre ganze aufgestaute Wut gefunden, genau wie er damals, als er Anakin vorgeworfen hatte, schuld an Chewbaccas Tod zu sein, und sie war entschlossen, Tahiri für das bezahlen zu lassen, was Luke zugestoßen war, und für das, was aus Jacen geworden war.

Han schnappte sich die Blasterpistole aus der Hand des Captains und ließ einen Schuss an ihr vorbeizischen in der Hoffnung, seine Frau so wieder zu Sinnen zu bringen. Die Salve prallte vom Falken ab und hinterließ eine schwarze, rauchende Furche in der Außenhülle – offensichtlich hatte der Captain den Blaster nicht auf Betäuben eingestellt. Leia wandte gerade lange genug den Blick ab, dass Tahiri beim Herumwirbeln einen harten Tritt nach hinten austeilen konnte, der Leia ins Taumeln brachte.

Han sprang auf, um sie zu packen. Er spielte mit seinem Leben, aber er wusste, dass Leia es sich niemals vergeben würde, wenn sie Tahiri wegen einer dämlichen Bemerkung und einiger dummer Entscheidungen umbrachte. Er schlang die Arme um Leias Schultern und zog sie zurück – dann spürte er, wie ihm alle Luft aus der Brust getrieben wurde und die Füße ihren Halt verloren, als sie ihm instinktiv einen Ellbogen in die Rippen rammte und sich anschickte, ihn mit einem Machtschub davonzuschleudern.

»Whoa … Leia!«, ächzte er. »Ich bin’s!«

Er spürte, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich und seine Füße wieder den Boden berührten. Dann sprang Tahiri vor, die verhärmten Augen voller Zorn und Bosheit.

»Tu’s nicht!«, befahl Han. Er zog Leia beiseite, und als sie ihr Lichtschwert aktivierte, trat er zwischen sie und Tahiri. »Wag es nicht!«

Tahiri blieb zwei Schritte entfernt stehen, ihr Lichtschwert noch immer eingeschaltet, schaute von Leia zu Han und wirkte dabei wie ein Sabacc-Spieler, der sich darüber klar zu werden versucht, ob er aussteigen oder erhöhen soll.

»Glaubst du wirklich, Anakin würde das hier wollen?«, fragte Han. »Dass seine Mutter und seine Freundin versuchen, sich gegenseitig umzubringen?«

»Ich möchte das mit Sicherheit nicht«, sagte eine Frauenstimme hinter Han über das Brummen ihres eigenen Lichtschwerts hinweg. »Und in meinem Hangar wird das auch nicht passieren.«

Die Wut in Tahiris Gesicht verwandelte sich rasch in Verlegenheit. Sie deaktivierte ihre Klinge und verneigte sich so weit, dass ihr Oberkörper parallel zum Boden war. »Verzeiht mir, Euer Majestät. Ich hatte nicht angenommen, dass sie Widerstand leisten würden.«

»Widerstand wogegen?«, verlangte Tenel Ka zu wissen.

»Tahiri hat versucht, uns festzunehmen«, erklärte Han. Er drehte sich um, um festzustellen, dass Tenel Ka hinter ihm stand, in ein legeres, aber elegantes Gewand und einen Umhang gehüllt, die sie gleichzeitig königlich und aufgeschlossen wirken ließen – ein gewaltiger Kontrast zu dem Ensemble finster dreinblickender Wachen hinter ihr. »Und ihr Timing war wirklich schlecht.«

Tenel Ka schaltete ihr eigenes Lichtschwert aus, dann bedeutete sie Han, sich aufzurichten, als hätte er tatsächlich daran gedacht, sich zu verbeugen. Sie warf einen Blick auf Leias verquollene Augen und runzelte die Stirn, ehe sie wieder Han ansah.

»Das sollten Sie mir erklären, Captain Solo.«

»Sicher«, sagte Han, dem bewusst wurde, dass Tenel Ka Lukes Tod womöglich nicht wahrgenommen hatte. Er war sich nicht sicher, wie dieses Zeug funktionierte, aber da sie nicht mit Luke verwandt gewesen war, schien das nicht weiter überraschend. Sofern sie ihnen nicht nahestand, fühlte auch Leia für gewöhnlich nicht, wenn andere Jedi starben. »Wir glauben, dass Luke gerade gestorben ist. Leia hat es in der Macht gespürt.«

Tenel Kas Gesicht fiel in sich zusammen, und der Ausdruck in ihrer Miene wandelte sich innerhalb von anderthalb Sekunden von Entsetzen über Unglauben zu Mitgefühl. Sie wandte sich an Leia.

»Das tut uns furchtbar leid, Prinzessin.« Tenel Ka erkundigte sich nicht danach, wie es passiert war, vermutlich, weil ihr klar war, dass die Frage bloß noch mehr Kummer nach sich ziehen würde – zumal Leia es ohnehin nicht wusste. »Der Palast und sein Personal stehen gänzlich zu Eurer Verfügung. Bitte, zögert nicht, nach allem zu fragen, was Ihr braucht.«

Leia nickte, schaffte es jedoch nicht, ihren Dank in Worte zu kleiden, und streckte die Hand nach Hans Arm aus.

»Danke, Euer Majestät«, sagte er. »Wir wissen das zu schätzen.«

»Ihr meint natürlich, solange sie hier unter Arrest sind«, sagte Tahiri, die kühn hinter Han und Leia trat. »Die beiden werden von der Allianz nach wie vor per Haftbefehl gesucht.«

»Und ich habe Colonel Solo bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass seinen Eltern in Anerkennung ihrer heldenhaften Dienste im Zuge unserer jüngsten Schwierigkeiten überall im Konsortium Asyl gewährt wird – insbesondere im Königlichen Hangar.«

»Verzeiht mir, Euer Majestät«, sagte Tahiri. Noch immer entschlossen, die beiden daran zu hindern, Tenel Ka ihr Anliegen vorzutragen – zumindest hielt Han das für den Grund, dass Tahiri ihnen hierher gefolgt war –, blieb sie unbeirrt hinter den Solos stehen. »Ich kann nicht erlauben …«

»Was können Sie nicht erlauben?« Tenel Ka trat an Han vorbei, um sich direkt vor Tahiri aufzubauen, gefolgt von genügend königlichen Wachen, um zehn Jedi zu überwältigen. »Sie befinden sich hier im Hapes-Konsortium, Jedi Veila. Hier bestimme ich – nicht Jacen, nicht die Allianz und mit Sicherheit nicht Sie

»Natürlich«, sagte Tahiri. »Ich meinte bloß, dass die Allianz es missbilligen würde …«

»Im Augenblick stellt Hapes annähernd ein Fünftel der Streitkräfte der Allianz«, sagte Tenel Ka. »Die Allianz ist nicht in der Position, irgendetwas zu missbilligen, das ich tue. Ist das klar?«

»Na-natürlich«, sagte Tahiri. »Aber …«

»Kein Aber«, unterbrach Tenel Ka. »Jetzt sagen Sie mir, wurden Sie bei Ihrem Angriff auf Prinzessin Leia verletzt?«

Tahiris Kinnlade klappte herunter. »Ich bin diejenige, die angegriffen wurde!«

»Ich deute das als Nein.« Tenel Ka wandte sich an eine schwarzhaarige Offizierin hinter sich. »In diesem Fall ist Jedi Veila abreisebereit. Geleiten Sie sie zu ihrem StealthX zurück, und eskortieren Sie sie aus dem hapanischen Raum, Major Espara.«

Espara neigte ihr Haupt. »Wie Ihr wünscht, Majestät. Und falls ich einen Vorschlag machen dürfte?«

»Vorschläge sind immer willkommen, Major«, sagte Tenel Ka. »Das wissen Sie doch.«

»Vielen Dank, Majestät«, sagte Espara. »Vielleicht wäre es klug, die Tarneinheit des StealthX hier auf Hapes zu behalten – bloß, um sicherzugehen, dass Jedi Veila unserer Eskorte nicht durch die Finger schlüpft.«

»Das können Sie nicht machen!«, widersprach Tahiri. »Diese Technik ist Jedi-Eigentum! Colonel Solo würde das gar nicht zu schätzen wissen.«

Espara war rasch mit einer süffisanten Bemerkung zur Hand. »Sonderbar. Nach unserem Wissen haben sich die Jedi bei Kuat von der Allianz losgesagt, sodass Colonel Solo sie gegenwärtig auf Kashyyyk attackiert. Und dennoch sind Sie hier und versuchen, die Solos im Namen der Allianz zu verhaften.« Sie wandte sich an Tenel Ka. »Dieser Krieg ist so ungemein verwirrend geworden. Augenblicklich lässt sich wirklich schwer sagen, auf welcher Seite wir gerade stehen.«

Tenel Kas Brauen glitten in die Höhe, und nachdem sie einen Moment lang darüber nachgedacht hatte, nickte sie. »Ein ausgezeichnetes Argument, Major Espara – aber ich will, dass Jedi Veila jetzt verschwindet. Behalten Sie den ganzen StealthX, und geben Sie ihr stattdessen ein Botenskiff.«

»Das wird Jacen gar nicht gefallen«, warnte Tahiri. »Damit stehlt Ihr einen Sternenjäger der Allianz.«

Tenel Ka schüttelte den Kopf. »Nein, Jedi Veila – wir erbeuten einen Sternenjäger des Feindes. Und da Sie ihn geflogen haben, bedeutet das wohl, dass Sie nun eine Kriegsgefangene der Allianz sind.« Sie wandte sich an Major Espara. »Übergeben Sie sie Colonel Solo, und richten Sie ihm unsere Entschuldigung bezüglich etwaiger Missverständnisse aus. Wie Sie schon sagten, dieser Krieg ist so ungemein verwirrend geworden.«

Espara lächelte. »Wie Ihr wünscht, Majestät.«

Sie winkte ihre Kompanie vorwärts und entwaffnete Tahiri mit Bedacht.

Han zog Leia an seine Seite. »Wie geht’s dir?«

Leia nickte. »Besser. Danke, dass …« Sie schaute weg und sah zu, wie Esparas Wachen Tahiri abführten, ehe sie den Satz zu Ende brachte. »… dass du mich aufgehalten hast.«

»Ja«, sagte Tenel Ka, die sich zu ihnen gesellte. »Es war sehr mutig, sich zwischen zwei wütende Jedi zu stellen.«

»Danke«, sagte Han ein wenig verlegen. »Nicht der Rede wert.«

»Nichtsdestotrotz bitten wir Sie, das niemals wieder zu tun. Wir mögen Sie so, wie Sie sind – mit allen Gliedmaßen.« Tenel Ka lächelte und führte sie zu dem antiken Aufzug. »Jetzt solltet ihr mir vielleicht erzählen, warum Tahiri so erpicht darauf ist, euch daran zu hindern, mit mir zu sprechen.«

»Weil sie die Jedi für Jacen ausspioniert hat, denke ich«, sagte Leia. »Und weil sie nicht will, dass hier bekannt wird, was er gerade treibt.«

Zu Hans Überraschung nickte Tenel Ka bloß. »Das hatte ich befürchtet.« Sie trat in die Aufzugkabine und bedeutete den Solos, ihr zu folgen, streckte jedoch die Hand aus, um Espara und ihre übrigen Leibwächterinnen zu stoppen. »Seien Sie so gut, uns im Vorzimmer zu erwarten, Major. Die Solos sind keine Gefahr für mich.«

Espara nickte und schloss die Türen. Als der Lift in die Höhe zu steigen begann, wurden Tenel Kas Augen feucht, und ihre Lippen fingen an zu beben.

»Also entsprechen die Geheimdienstberichte, die ich von Kashyyyk erhalten habe, den Tatsachen?«, fragte sie.

»Ich fürchte, ja«, sagte Leia. »Ich wünschte, dem wäre nicht so, aber es stimmt. Jacen brennt den ganzen Planeten bis auf die Baumwurzeln nieder.«

Eine einzelne Träne rann Tenel Kas Wange hinab. »Warum?«

»Wer weiß das schon?« Han war sich nicht ganz darüber im Klaren, warum die Angelegenheit Tenel Ka so mitnahm; sie verhielt sich fast, als wäre Jacen ihr Kind. »Weil er Jacen ist, und weil er es nicht mag, wenn Leute nein zu ihm sagen.«

Das war zu viel für Tenel Ka. Sie konnte die Tränen nicht länger halten und drückte einen Knopf an der Wand. Der Lift stoppte unverzüglich und schloss sie alle im Innern der kleinen Kabine ein.

»Verzeiht mir«, sagte Tenel Ka und schüttelte vor Verzweiflung den Kopf. »Ich fürchte, ich weiß nicht recht, wie ich mit so vielen traurigen Neuigkeiten umgehen soll.«

Hinter Tenel Kas Rücken warf Leia Han einen finsteren Blick zu, um ihn stumm für seine Gefühllosigkeit zu schelten – selbst wenn ihm nicht ganz klar war, was er Falsches gesagt hatte –, bevor sie Tenel Ka zunickte und ihm signalisierte, das Schlamassel wiedergutzumachen, das er angerichtet hatte.

Han legte Tenel Ka zögernd eine Hand auf die Schulter, und mit einem Mal vergrub sie den Kopf an seiner Brust und schluchzte, wie es das zähe kleine Mädchen, an das er sich von der Jedi-Akademie erinnerte, vermutlich nie getan hatte. Einen Moment lang vergaß er, dass sie die Herrscherin des größten unabhängigen Reichs in der Galaxis war, nahm sie fest in die Arme und streichelte ihr rotes Haar.

»Ist schon in Ordnung, Mädchen.« Über ihre Schulter hinweg sah er Leia an, auf der Suche nach irgendeinem Hinweis darauf, was er als Nächstes tun sollte. Aber Leia starrte bloß auf Tenel Kas Rücken und kämpfte darum, ihre eigenen Tränen zurückzuhalten. »Wir hätten einen besseren Weg finden müssen, die Neuigkeit zu überbringen. Ich wusste nicht, dass es dich so treffen würde, Luke zu verlieren.«

Tenel Ka murmelte irgendetwas Unverständliches in Hans Hemd, ehe sie sich kopfschüttelnd von ihm abstieß.

»Es ist nicht wegen Luke.« Sie warf Leia einen raschen Blick zu, um dann schnell hinzuzufügen: »Ich bin sehr traurig über seinen Verlust, aber es ist mehr als das – es geht auch um Jacen. Die Galaxis fällt um uns herum auseinander, und bislang war er der Einzige, der stark genug zu sein schien, sie zusammenzuhalten.«

»Dafür sind seine Methoden ein wenig zu brutal«, sagte Leia sanft.

Tenel Ka nickte. »Er hat versprochen, mit den Jedi Frieden zu schließen. Stattdessen versucht er, euch auf Maras Trauerfeier festnehmen zu lassen, und bringt die Akademie auf Ossus unter seine Kontrolle. Dann schickt er Ben los, um Cal Omas zu ermorden, und jetzt brennt er Kashyyyk nieder.« Sie schüttelte den Kopf, scheinbar gleichermaßen aus Trauer wie aus Abscheu. »Er hat meine letzte Flotte genommen, Han. Er hat Allana und mich schutzlos zurückgelassen – uns.«

Angesichts der anderen Versprechen, die Jacen gebrochen hatte, fand Han nicht, dass Tenel Ka sonderlich überrascht darüber sein sollte, ohne planetare Verteidigung im Stich gelassen worden zu sein. Gleichwohl, dies war schwerlich der richtige Zeitpunkt, ihr vergangene Fehler unter die Nase zu reiben. Stattdessen nickte er einfach bloß verständnisvoll.

»Man kann ihm nicht vertrauen, Tenel Ka«, sagte er. »Auch wir haben lange gebraucht, bis uns das klar wurde.«

»Ja, er hat uns alle schon viel zu lange zum Narren gehalten.« Tenel Ka zog einen kleinen Handspiegel aus ihrer Tasche und betrachtete ihr tränenüberströmtes Gesicht. »Ich denke, es ist an der Zeit, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, findet ihr nicht?«

Han hob die Brauen. »Soll das das heißen, was ich glaube, dass es heißt?«

»Deshalb seid ihr doch hergekommen, oder nicht?« Tenel Ka musterte sich weiterhin im Spiegel, während sie die Macht einsetzte, um die verquollenen Augen zu glätten und die Röte aus ihrem Hautton zu verbannen. »Um mich dazu zu überreden, die Seiten zu wechseln?«

»Zumindest, um dich dazu zu bringen, deine Streitkräfte zurückzuziehen«, präzisierte Leia. »Im Hinblick auf Corellias jüngste Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Hapaner, bin ich mir nicht sicher, ob es angemessen ist, darum zu bitten, die Konföderation aktiv zu unterstützen.«

»Schon gut, Prinzessin.« Tenel Ka ließ den Spiegel sinken; ihr Antlitz war jetzt wieder vollkommen gefasst, ohne die geringste Spur der Tränen, die sie bloß eine Minute zuvor vergossen hatte. Sie drückte auf einen Knopf an der Wand, und der antike Aufzug kletterte wieder in die Höhe. »Wir wissen beide, dass man gegen Jacen ist, wenn man nicht für ihn ist.«